Prolog Aisoru Shikori: Aisorus Aufbruch in die Welt [Einführung]
Prolog Kakko Korikara: Der Eiskuckuck - Das Tagebuch des Kakko Korikara
Begegnung in der Grube
Das Paket lag weich und noch warm in Kakkos Händen. Das gewachste Tuch, in das der Inhalt eingeschlagen war, verhinderte, dass es tropfte. Exakt 1,5 kg, schlachtfrisch. Vor weniger als einer Stunde hatte der Inhalt noch gelebt. Aber wo blieb der Adressat? Kakko schlenderte über das feuchte Hafenpflaster, während er sich umschaute. Der Hafen war eine der wenigen Regionen von Obenza, wo man die Sonne sah. Sobald man die schmalen Gassenlabyrinthe betrat, verschwand man im ewigen Schatten. Kakko kam selten heraus und genoss nun das Licht der schwachen Sonne. Die zahllosen Bettler, die an den turmhohen Hauswänden lungerten, ließen ihn in Ruhe, da man ihm ansah, dass es bei ihm nichts zu holen gab. Gestern hatte es stark geregnet, so dass der Fäkaliengeruch sich in Grenzen hielt. Am Hafen stank es zwar nach Tang und Fisch, dennoch war die Luft hier draußen eine Wohltat verglichen mit der Grube. Er trat unter eine Laterne, damit ihn niemand von hinten schubsen konnte und ließ den Blick über das Hafengelände schweifen. Wo blieb der Kerl nur? Kakko sollte nicht mehr Zeit als nötig mit seinem Paket hier draußen verweilen. Er schob es unter den Pullover auf seinen Bauch, damit es warm blieb und hielt von außen die Hände darauf gedrückt.
Wer den 24-jährigen sah, würde wenig Interessantes an ihm sehen, er war ein Grubenkriecher unter zehntausend. Einen halben Kopf kleiner als der Durchschnitt, schlank, verschlissene Kleidung, die er in drei Lagen trug, damit die großen Löcher weitestegehend von einer anderen Stofflage überdeckt wurden und der Winter ihn nicht hinwegraffte. Frost gab es nur selten in Obenza, doch auch 10 Grad genügten, einen hungrigen und geschwächten Menschen umzubringen, wenn er auf der Straße einschlief. Eine Wollmütze verdeckte sein fingerlanges schwarzes Haar, das er nur sporadisch mit einem Messer stutzte, da er keine Schere besaß. Darüber trug er die Kapuze des Pullovers, den er unter der sackförmigen Wolljacke trug. Ein Schal schützte Mund und Nase vor der Kälte und vor allzu neugierigen Blicken, so dass man nur seine schmalen, schwarzen Augen sah über denen sich grimmige Brauen wölbten wie Felsvorsprünge. Schuhe hatte er keine, er lief in feuchten Fußlappen.
Sein Blick fiel auf einen Landsmann, der offenbar gerade frisch aus Arashima eingetroffen war, seiner Kleidung nach zu urteilen. Er wirkte verloren, so wie er sich auf dem Hafengelände umschaute. Vielleicht wartete er ebenfalls auf jemanden oder suchte etwas. Auf jeden Fall war er fremd. Wohlhabend sah er aus, wenn man ihn aus den Augen eines Grubenkriechers betrachtete. Wenn Kakko ihm einen Gefallen erwies, ließ er vielleicht etwas springen. So löste er sich von der Laterne und ging zu ihm.
"Tag", schnarrte er. Seine Stimme klang heiser und ungesund. "Suchst du was, oder was schaust du so?"