Kapitel 23 - Bitterer Gast

  • Bitterer Gast

    Die ungeladenen Gäste hatten nicht vor, wieder zu verschwinden. Sie machten es sich in Vittorios Wohnung gemütlich, fraßen ihm und Vendelin die Vorräte weg und benutzten das Badezimmer ebenso selbstverständlich wie das Gästezimmer. Normalerweise warf man solche Plagegeister nach einer gewissen Zeit postwendend hinaus, doch in diesem Falle war das nicht möglich. Davard hatte den Befehl, Vendelin zu exekutieren, wenn er nicht spurte. So blieb ihm nur, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, um seinen lästigen Schatten nicht zu verstimmen. Aber Vendelin wäre kein Wigberg gewesen, hätte er nicht das Verlangen, unliebsame Situationen dergestalt zu verändern, dass sie zumindest für alle anderen Anwesenden noch schlimmer wurden als für ihn selbst. Gehässigkeit war eine kindische, aber manchmal durchaus wohltuende Schwäche, der er sich heute voller Genuss hingab.


    Vendelin hatte eingekauft und den Tisch so liebevoll gedeckt, dass Vittorio sich ernsthaft fragte, ob Vendelin ihm heute vielleicht einen Antrag machen wollte. Anders konnte der alte Haudegen sich so viel Fürsorge nicht erklären, da ihm nicht entgangen war, wie sehr sein Liebhaber sich über die ungeladenen Gäste ärgerte und dass er auch ihm gegenüber nach anfänglicher Wiedersehensfreude nun die beleidigte Leberwurst spielte. War dies nun die ultimative Versöhnung?


    Vendelin war es nur Recht, wenn sie alle meinten, er hätte für sie so hübsch und reichhaltig gedeckt - bald würde ein weiterer Gast eintreffen, der das Haar in der Suppe spielte, das Steinchen im Schuh, den Bitterling, der ihnen allen die Pilzpfanne verdarb. Sein Lächeln wirkte vielleicht ein wenig zu freundlich, als er sich auf den Sessel setzte und nach getanem Werk die Finger ineinander verschränkte.


    "Ein wenig Geduld noch, meine Lieben. Die Vorsuppe muss noch ein wenig ziehen. Fühlt ihr euch wohl? Seid ihr auch wunschlos glücklich?"


    Vanja neben Dave hob amüsiert die Brauen bei dieser Frage. "Wieso, willst du uns heute vergiften?"


    Vendelin schmunzelte höflich, während Vanja ihn verwirrt musterte ob der guten Laune.

  • "Sollte er jemanden ermorden wollen, dann mich. Ihr werdet nur als unliebsame Zeugen entsorgt. Aber Vendelin wird so klug sein zu wissen, dass seine Hinrichtung nicht mit meiner Person zu tun hat. Sterbe ich, wartet ein neuer Meuchler auf ihn und sein Versagen. Damit hätte er also nichts erreicht, außer vielleicht einige Stunden der Genugtuung, bevor wir uns im Nexus wiedersehen....


    Zudem weiß er wen er im Haus hat und Du hast vom selben Wein getrunken wie ich Vanja, hieße der Einzige der vermutlich heute ins Gras beißt und das obwohl er kein Grünzeuglutscher ist, wäre sein Geliebter Vittorio. Es sei denn der Mann hat auch eine laufende Lebensversicherung, mit Zusatzbonus.


    Ich hoffe dass Essen ist nicht irgendwie bewusst geschmackvoll mit extrem viel Fett. Du solltest beweglich bleiben Vendelin, oder sagen wir besser in Anbetracht Deiner Figur, einsatzfähig", schmunzelte Dave liebenswürdig.


    Dave hoffte seinen Schatz damit ein klein wenig beruhigen zu können, auch wenn Vanja etwas irritiert aus der Wäsche schaute. Dave machte es sich im Sessel gemütlich und hoffte dass es Wein und Kaffee gab, wenn sie schon grundlos auf eine Suppe warten mussten. Heißes Wasser mit Gemüse, super. Was gab es da zu warten? Das hätte sogar er kochen können.


    Er schnappte sich ein Buch und zog Vanja auf seinen Schoß, während er lesend und kraulend die Zeit totschlug.

    `Das muss eine außergewöhnliche Super-Suppe sein, was für ein Aufwand´, übermittelte er seinem Mann.


    Es dauerte nicht lange, dann klopfte es scheppernd an der Tür.

  • Nach Davards Beruhigungsversuch wirkte Vanja noch verwirrter als zuvor. Er verstand überhaupt nichts mehr.


    Vendelin lächelte ebenso liebenswürdig zurück, als sein Gast ihn durch die Blume als fett bezeichnet hatte. Dass er dabei die Zähne zeigte, würde Davard vielleicht zu deuten wissen, obgleich die von Vendelin nicht geschärft waren.


    "So viel Sorge darob, mich im Nexus wiederzusehen? Nun ist es wohl an mir, ein paar Worte zum Glätten der Wogen zu äußern: Nach meinem Tod bleibt nichts von mir übrig als eine erkaltende Leiche. Ich besitze keine Seele, Davard von Hohenfelde. Die große Gabe meiner Familie, die mich immun gegen den Einfluss der Verseuchten macht. "


    Vendelin musste sich ein breites Grinsen verkneifen, als es klopfte. Den verwunderten Blick von Vittorio, der noch verdatterter dreinschaute als sein Halbbruder, ignorierte er voller Genuss. Er erhob sich elegant und in einer fließenden Bewegung trat er an die Tür und zog sie auf, als sei dies alles ein einstudierter Tanz.

  • "Touche´ das hätte ich mir eigentlich denken können, bei Deiner Art der Handlung. Oder sollte ich Nicht-Handlung sagen? Wie dem auch sei, manche Verwandte muss man wirklich nicht auch noch im Nexus um sich ertragen.


    Ich hoffe Du erledigst Deine Arbeit gut, wer weiß bei wem Deine kalte Leiche sonst landet?

    Du kennst ja die Vorlieben von so manchen Sippenmitgliedern... Suppenfleisch für die Ghule.


    Es klopft....", sagte Dave unnötigerweise und grinste zähnefletschend zurück, auch wenn er die Geste absolut widerwärtig fand.

    So als begab er sich damit auf Archibald Terrain.


    Vendelin schritt zur Tür wie eine in die Jahre gekommene Ballerina, er schwebte förmlich, was Dave misstraurisch die Augen zusammenkneifen ließ.


    Einen Augenblick später stand der personifizierte Geiz im Raum - VEYD.


    "Vendelin, ich danke Dir für die überaus charmante Einladung", sagte er und drückte seinen Gastgeber. Nur kurz und etwas auf Distanz, so dass dieser ihm nicht an den Geldbeutel gehen konnte. Veyd blieb Veyd, gleich wo er sich befand.


    "Der Tisch ist aber reichhaltig gedeckt, Du hast keine Kosten und Mühen gescheut. Wir müssen uns doch nicht beteiligen oder? Hallo an den Rest", sagte Veyd und hockte sich an den Tisch.

    "Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, wie geht es Deinem Sohn? Meine Tochter liegt immer noch abholbereit auf Halde Vendelin", sagte er freundlich und schaute was es alles Gutes auf dem Tisch gab.

  • Vittorios Mundwinkel und Augenbrauen sanken um einen Fingerbreit nach unten als der Gast eintrat. Was der alte Gierschlund hier wollte, konnte er sich nicht erklären, wieso lud Vendelin den ein? Da Veyd keine Anstalten machte, ihn oder einen der anderen Anwesenden gesondert zu begrüßen, warfen er und Vanja sich einen Blick zu. Vanja wirkte besorgt. Seit Vendelin und Davars sich angegrinst hatten, war Vanja noch unentspannter als nach Davards fürchterlichem Beschwichtigungsversuch.


    Vendelin hingegen war bester Dinge. Er griff Veyd an den Arm - an der dem Geldbeutel abgewandten Seite - und führte ihn zum Tisch.


    "Die Mitgiftverhandlung hatte sich derart zäh in die Länge gezogen, so dass ich die Sache inzwischen für abgehakt hielt. Mein Sohn feiert in Beaufort das Lichtfest, wir sollten ihn und seine künftige Braut vielleicht einander vorstellen, sobald alles in Sack und Tüten ist. Es freut mich, dass du meine Einladung angenommen hast. Mein Halbbruder Vanja ist dir vermutlich noch nicht bekannt, wir haben den gleichen wunderbaren Vater. Bedien dich nur, es gibt heute ehverosser Spezialitäten. Als Vorspeise habe ich eine Lauchcremesuppe zubereitet, der Hauptgang besteht aus kalten Häppchen von unterschiedlichen Wurst- und Käsespezialitäten, dazu gibt es Sauerteigbrot und getrocknete Früchte und Nüsse zum Knabbern. Möchte jemand etwas trinken?"

  • Veyd hockte sich genüsslich an den Tisch und freute sich über die Einladung. Er wurde selten eingeladen, aber das lag vermutlich am Geiz der anderen, schlussfolgerte er. Bei Familienmitgliedern war dies eine Tugend, bei Fremden konnte er Geiz nicht ausstehen, hieß es doch, dass er nicht an ihre Taler herankam. Oder besser gesagt nicht so leicht, wie er es gerne hätte. Aber ein Eibenberg wusste sich auch in solchen Situationen zu helfen, ansonsten wären sie nicht dass was sie waren - reich.


    Veyd nahm sich von allem etwas und horchte gut gelaunt bei dem Getränkeangebot auf. Zudem freute ihn, dass die Hochzeitspläne noch nicht vom Tisch waren.


    "Zuerst hätte ich gerne einen passenden Wein und dazu ein Wasser. Quellwasser falls vorhanden. Was die Mitgiftverhandlungen angeht mein lieber Vendelin, wir beide sind beschäftigte Männer. Aber wir können gerne bei dem wundervollen Festmahl über die Ehe unserer Kinder verhandeln. Immerhin lenkt dieses Essen ja nicht von einer Geschäftstransaktion ab, nicht wahr?


    Ich für meinen Teil sehe keine Erfordernis darin, dass Fara Deinen Sohn vorab kennenlernen muss. Sie beide werden sich gut verstehen. Fara wird ihm eine gute Ehefrau sein, mach Dir darüber keine Gedanken.


    Ich hörte davon, dass in Almanien überall zum Jahreswechsel das Lichtfest gefeiert wird. Klangvoll, heimelig und unheimlich verschwenderisch wenn Du mich fragst. Stell Dir nur die ganzen Feiertage vor, an denen Deine Angestellten bezahlt werden und nicht zur Arbeit erscheinen, weil sie feiern.


    Familie, Fest und Frohsinn kann es auch nach Feierabend geben. Kein Wunder dass Almanien so rückständig und bäuerlich geprägt ist, die Arbeitsmoral lässt sehr zu wünschen übrig. Ein Fest folgt auf das nächste und die Arbeiter die nicht grundlos so heißen, verplämpern die Arbeitszeit ihrer Besitzer mit Müßiggang und Freizeit.


    Aber ich schaue mir den Irrsinn gerne einmal an Vendelin, ich bin ein Mann mit Humor. Dein Bruder? Hallo. Was verschlägt Dich in Daves Klauen? Hallo Davard", schmunzelte Veyd und ditschte sein Brot in die Suppe.

  • Vendelin schenkte Veyd etwas Rosèwein ein. "Hohemarkler Spätlese, nicht jedermanns Geschmack, aber unsagbar wertvoll, da unter diesem Etikett aus naheliegenden Gründen keine Weine mehr produziert werden."


    Er lachte, als sei es witzig, dass die Hohe Mark Geschichte war und in der Tat fand er das lustig. Währenddessen stellte er ihm auch ein Glas Quellwasser hin und für die anderen eine Karaffe und die passende Anzahl Gläser.


    "Wie wäre es mit folgendem Angebot. Du lässt dich dazu herab, Fara eine Mitgift mit auf den Weg zu geben, welche gemessen an deinem Einkommen dem angemessenen Durchschnitt entspricht und die Feier geht auf meine Kosten?"

  • Veyd griff sich an die Brust, als wollte er jeden Moment umfallen und schaute Vendelin mit großen Augen an.


    "Vendelin, willst Du mich ruinieren? Du weiß ich bin ein armer Mann, wie soll ich Dir da eine Mitgift mitgeben? Wobei sprich weiter, Du bezahlst die ganze Feier, mit allem drum und dran? Ich hätte die Feier für die beiden auf meine Kosten sagen wir mal sehr schlicht gehalten. Sie sind jung und werden solchem Tam Tam noch keinen Wert beimessen, wie wir reifen und gediegenen Leute Vendelin.


    Es sind im Grunde Kinder. Vielleicht sollten wir überlegen, ob wir beide nicht groß feiern, den Tag der Unterzeichnung der Lebenspartnerverträge. Die beiden jungen Leute haben sicher anderes im Kopf als mit ihren Verwandten gelangweilt an einem Tisch zu sitzen und unser hart verdientes Geld zu verschleudern.


    Sie sollen den Fortbestand der Sippe wahren, dafür ist schließlich die Hochzeitsnacht da.

    Und sind wir ehrlich Vendelin, wer mit vollem Bauch und schwerem Kopf bekommt noch einen hoch um seiner wichtigsten Aufgabe nachzukommen?


    Nein ich würde sagen, wir beide halten es so, dass wir feiern und der frisch vermählten Jugend ihre Nacht der Nächte gönnen. Nichts ist wichtiger, nicht wahr? Bedenke meine Fara wird dann eine Wigberg, dass hat doch was...", sagte Veyd und drehte den Weinkelch zwischen den Fingern.


    "Ein ausgezeichneter und immens wertvoller Tropfen. Bezahlt mit dem Blute der hohenmarklischen Almanen und der Dummheit ihres Großherzogs. Auf Roderich die Marionette", prostete Veyd seinem Gastgeber zu und nahm einen Schluck.


    Mit derart bedauernswertem Gesichtsausdruck, dass man ihn fast glauben konnte, wandte er sich an Vanja.


    "Liebe? Nun nimm es mir nicht krumm, aber das ist nicht gerade die Voraussetzung für eine erfüllte Ehe. Aber Davard war schon immer etwas eigen in solchen Dingen. Genau wie der gute Wolfram. Manche Menschen können sich leider nicht auf das tatsächlich Wichtige im Leben fokussieren. Aber wenn ihr beiden mit leeren Säcken zufrieden seid, gleich ob Geld oder anderem, dann sei dem so. Ich wünsche Euch alles Gute für Euer Wagnis. Schuldscheine beim Scheitern, liegen zur Zeit bei guten 25 %, falls Ihr Fragen habt, ich berate Euch gerne", lächelte Veyd fast liebevoll.

  • "Spar dir deinen Hohn", rief Vanja wütend, während seine Hand sich fester um die von Davard schloss. "Du hast gefragt, nun akzeptiere die Antwort. Ich liebe Davard und weder du noch irgendjemand sonst wird mit seinen Worten etwas daran ändern. Meinetwegen halte uns für unnütz und weich. Euer Spiel interessiert uns genau so wenig wie es Wolfram interessiert hat! Wir sind nicht eure Mitspieler, wir sind aus dem Rennen.


    Und es geht mich zwar nichts an, aber zu deiner Information, Moritz ist bereits verheiratet, zwei Mal. Und für den Erben hat er längst gesorgt. Meinst du, Vendelin setzt nur auf eine Karte? Er wird nicht ohne Erbe sterben, du vielleicht schon, wenn du dich weiter so unbeliebt machst, weil ich dich gleich vor die Tür setze, wenn du noch einmal meinen Geliebten angehst!"

  • Dave neben Vanja schaute Veyd mit einer Mischung aus Triumph und Stolz an.


    "Sprich Du über Geld, wir sprechen über Liebe. Oder kurzum, sprich nicht von Dingen von denen Du keine Ahnung hast Veyd. Wie Vanja schon richtig sagte, wir sind keine Mitspieler mehr in Eurem Spiel. Und zur der Zeit wo wir es noch waren, waren wir das nicht freiwillig.


    Und im Spiel hast Du weder Deiner Tante Melisande, also unserer Mutter, noch uns beigestanden. Im Übersehen und Wegsehen bist Du einzigartig Veyd. Aber eines Tages, bekommst auch Du eine Rechnung präsentiert, die Du nicht begleichen kannst... und wenn es eine Gerechtigkeit gibt, dann wird es einer von uns Dreien sein, an dem Dein Schicksal hängt...


    Und wir werden genauso wegsehen wie Du einst...

    Denn Liebe, Zuneigung oder Zugehörigkeit ist ja nichts, was Du in Talern bemessen könntest, nicht wahr?


    Liebe kann man nicht kaufen, auch wenn sich das so manch einer denkt. Doch wenn man Glück hat, wenn man wirklich Glück hat, bekommt man sie geschenkt... ein uraltes Lied voller Wahrheit.


    Dir Veyd, wird niemand etwas schenken, schon aus dem einfachen Grund nicht, weil Du jeden vorher ausraubst. Aber das ist eine Wahrheit die Deinen Horizont übersteigt. Belassen wir es dabei.


    Zuerst wolltest Du Linhard und dann Wolfi mit Deiner Fara verheiraten. Du bietest das Mädchen an wie Sauerbier, falls sie die 18 Jahre überschreitet, was dann? Wird sie dann woanders hin verkauft? Ich kenne da so einen Ring von Menschen...händlern, die wären da sicher sehr... interessiert... Sprich doch mal mit Archibald...", schlug Dave mit einem Blick vor, der sagte auch mit einem Löffel kann man jemanden durchbohren.

  • Veyd nippte an dem Wein und warf Dave einen nicht minder frostigen Blick zu.


    "Ich wäre vorsichtig mit solchen Drohungen, sonst geht Dir just einmal dann das Geld aus, wenn Du es am nötigsten hast. Glaub was Du willst kleiner Hohenfelde, aber Dein Leid schert mich bis heute einen Dreck. Oder hättest Du für Deine Rettung bezahlen können? Also schwing nicht so große Reden.


    Und wer ist bitteschön meine Tante?

    Melisande, natürlich ich weiß. Und? Sie wurde doch gut mit Dunwin verheiratet. Ist das nun meine Schuld, dass das dusslige Huhn nicht dazu in der Lage ist, ihren finanzierenden Ehemann glücklich zu stimmen? An was bitteschön hat es der Frau gefehlt?


    Dunwin gab ihr ein Dach über dem Kopf, sie hatte Diener, sie hatte beste Nahrung, sie hatte beste Kleidung, alles was sie als Gegenleistung zu liefern hatte waren Kinder. Das was diese Frau praktizierte war Jammern auf sehr hohem Niveau. Dunwin hatte überhaupt kein Interesse an ihr. Hätte sie sich friedlich bei ihm eingefunden, sich schwängern lassen und ihm einige Kinder klaglos geboren, hätte sie doch tun und lassen können was sie wollte.


    Mehr wollte Dunwin nicht von ihr. Er wollte sie weder sehen noch hören. Sie hätte ein Leben haben können, wie eine Made im Speck. Aber nein, dass langte dieser Frau nicht. Sie wollte Aufmerksamkeit! Aufmerksamkeit! Bei Ainuwars geschwollenen Geldzählfinger, was hat sie denn erwartet?


    Das Dunwin neben ihr sitzt, während sie sabbernd und sich in die Hose scheißend im Nexus umherflattert? Das er ihr das eiskalte Händchen tätschelt und die Stirn tupft, während sie sich dem Müßiggang hingibt? Wie grauenvoll diese Frau als Ehefrau sein musste, sieht man doch daran, dass der arme Dunwin auf eine Düsterlingsfrau ausgewichen ist!


    Da reden alle davon, dass Melisande litt!

    Sie litt nur unter einem, nämlich Schwachsinn!


    Dunwin hatte es nicht leicht, mit seinem knausrigen Vater, seinen unfähigen Brüdern, die zwar Magier waren, aber sonst nichts auf die Kette bekamen. Geschäftsmänner? Keiner von ihnen. Alle konnten sie Geld verschleudern, als wächst das auf den Bäumen nach, aber einen einzigen Kupferling hat keiner von ihnen nach Hause gebracht.


    Anders Dunwin und sein Stab. Und wenn er dafür ein paar Ärsche verkauft hat und?

    Es war niemals seiner...", grinste Veyd breit.

  • Vanja ließ Davards Hand los, um Veyd augenblicklich zu zeigen, wo die Tür war. Was erdreistete diese bösartige Schlange sich, für Worte in den Mund zu nehmen? Davard hatten nur einen harmlosen Scherz gemacht auf Kosten von Vendelins Figur, Veyd aber trat weit unter die Gürtellinie. Vanja, der wusste, was Davard hatte durchleben müssen, schrie innerlich vor Schmerz und Wut, ohne einen Ton zu sagen, als er ruckartig und sehr finster dreinblickend aufstand.


    Vanja hielt so plötzlich inne, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt, genau so fiel er zurück auf die Couch neben Davard. Vendelin starrte ihn an mit einem Blick so hart wie Granit, den er erst abwandte, als Vanja wieder saß. Man hätte Vendelin für einen Geistmagier halten können, doch er hatte eine ganz andere Waffe in petto - Vanjas Gewissen. Wie konnte Vanja den Mann, der ihn großzog, als er selbst noch ein Kind war, der ihm das Leben rettete, indem er sein eigenes riskierte, je anders entgegentreten als in tiefer Demut? So hatte er es immer gehandhabt, Vendelin war derjenige von ihnen beiden gewesen, der den Ton angab und die Regeln machte. Wie aber konnte Vendelin zulassen, dass Veyd dermaßen mit Davard redete?!

  • Vendelin hob beschwichtigend die Hände.


    "Meine Güte, was für hitzige Gemüter zum Fest der Liebe! Ich wusste nicht, dass ihr euch so gut kennt."


    Das war gelogen, Vendelin wusste sehr gut, dass die beiden sich kannten und dass die Luft zwischen ihnen recht dick war, wenn sie sich begegneten, auch wenn die Gründe bislang größtenteils im Dunkeln lagen. Veyd hatte gerade genug offenbart, dass er eins und eins zusammenzählen konnte. Es stimmte ihn sehr zufrieden, Davard und Vanja so aufgebracht zu sehen und Vittorio so vollkommen hilflos. Der mahlte mit den Zähnen und seine Finger waren auf den Stuhllehnen zu lockeren Fäusten geballt. Armer, armer Vittorio. Vendelins Laune war so gut wie lange nicht mehr.


    "Irgendjemand Kaffee?", fragte er in die Runde.

  • Dave legte einen Arm um Vanja, ein eindeutiges Zeichen. Ihm konnte man dumm kommen, aber bei Vanja hörte jede Form der Zurückhaltung auf.


    "Ich nehme einen Kaffee. Veyds Worte werte ich als das was sie sind, das Geschwätz einer derartig geldgierigen Person, dass sie alles und jeden dafür verkaufen würde. Einschließlich seiner Kinder. Oder wo ist Wolfram? Ich spreche von Wolfram Markward von Eibenberg. Von ihm hört man ja so gut wie gar nichts.


    Nur weil bei Euch eine Hand die andere wäscht, ist das noch lange kein Zeichen für saubere Verhältnisse. Wobei Du ja nicht nur Hände wäschst, sondern hauptsächlich Geld. Deine Drohungen bei derartiger Nähe würde ich mir ebenso sparen. Wir beide können einander sehr wehtun. Du mir wie auch immer, ich Dir pikunär.


    Solange das Gleichgewicht gewahrt bleibt, bleibt es... friedlich. Was Dunwin, seinen Stab und sein Hobby angeht, warne ich Dich. Ebenso warne ich Dich erneut über meine Mutter derart zu sprechen. Du bewegst Dich da auf ganz dünnem Eis. Was immer Vendelin an Dir findet, ist ein Armutszeugnis für seinen Geschmack... aber mit wem er es wirklich zu tun hat, wird er noch merken. Hoffentlich rechtzeitig", antwortete Dave und kraulte Vanja die Seite.


    "Lass ihn Vendelin, Dave ist sagen wir mal sehr verschnupft, was seine Familienverhältnisse angeht. Und wer fragt Davard, der sollte auch mit der passenden Antwort leben können. Ich habe Deine Mutter nicht beleidigt, sondern ich sehe sie aus einem völlig anderen Blickwinkel. Ebenso Deinen Vater. Was Du von jenen Personen hältst, ist mir gelinde gesagt völlig gleichgültig.


    Ich lasse mir auch von Dir nicht vorschreiben, was ich von welchen Personen zu halten habe.

    Ich bilde mir mein Urteil selbst, dass solltest Du zur Abwechslung auch einmal versuchen. Interessante Erfahrung, anstatt nur auf Kommando zu reagieren.


    Zudem...", sagte Veyd und lehnte sich derart genüsslich zurück, dass jeder wusste jetzt kommts ", sprichst Du nur von zweien meiner Kinder. Warum unterschlägst Du den lieben kleinen Anwolf?"


    "Was? Was redest Du da für einen Unsinn?", fragte Dave und sah dabei so aus, als würde er gleich seinen Dolch zum Einsatz bringen.


    "Anwolf, Wolfi, scheinbar Ansgars Sohn. Fingard die Gute war oft unterfordert und wir beide haben uns sehr gut verstanden. Ist Dir nie aufgefallen, wie geschäftstüchtig und intelligent Anwolf im Gegensatz zu seinem Bruder ist? Oh ja, Anwolf ist mein Sohn, so wie Linhard eindeutig der von Ansgar ist. Er hat nicht einen einzigen Magier zu Stande gebracht, ist das nicht witzig?

    Den kleinen Jungen den er so abgöttisch liebt und beschützt, ist gar nicht seiner... sondern meiner.


    Fingard war schon immer sehr großzügig und freigiebig.

    Er hätte es doch ahnen müssen, wie hat er Linhard heruntergemacht, wie hat er ihn behandelt? Jeder weiß es.

    Und wie hat er Anwolf behandelt? Welcher Hohenfelde hat je seinen Sohn derart behandelt? Alastair hätte Dich und Ansgar schützen müssen, wäre es ausschlaggebend gewesen, dass Ihr Magier wärt.


    Gut der Ehrlichkeit geschuldet, es ist ausschlaggebend, aber nur dafür das Ihr überlebt. Was vorab mit Euch geschieht, ist Teil einer sehr harten Schule. Und jene die am meisten erdulden müssen, werden die Familie genauso hart führen oder sogar härter. Wahre Dolche schmiedet man in den Schmieden des Abgrund, an den Feuern der Qual und Pein. Oder siehst Du das anders Dave?


    Wie dem auch sei, Linhard wurde nicht geschont, Anwolf hingegen verwöhnt, verhätschelt und das von allen beiden.

    Seltsam nicht wahr? So gar nicht Hohenfelde zu Hohenfelde.


    Nur eine Randanmerkung Dave, man könnte sich fragen warum niemals eine Ehefrau einschritt. Warum keine der einzigen Ehefrauen der Hohenfeldes ihren Mann dazu aufrief, Frieden zu halten oder Frieden zu stiften. Nein, fast jede Frau gleich ob eingeheiratete Wigberg, Eibenberg oder Fremde rief ihren Mann dazu auf, die anderen zu töten.


    Warum könnte man sich fragen.

    Ich erkläre es Dir. Aus dem einfachen Grund, es ist ein Geschäft. Das Geschäft des Todes Dave. Jede Frau mit Verstand begreift schlagartig, halte ich meinen Hohenfelde Ehemann dazu an, Frieden zu schaffen oder zu wahren, dann stirbt er. Und mit ihm sterbe ich und meine Kinder.


    Und genau aus diesem Grund, diesem Geschäftssinn, diesem Überlebensdrang, waren es sogar oft die Frauen, die ihre Männer angehalten haben, ihre Brüder oder ihren Vater schnellstmöglich ins Kühlhaus zu schaffen.


    Denkt darüber einmal nach, bevor Du meine Sicht auf Deine Mutter verurteilst.

    Auch wenn Deine Mutter nie das Spiel spielte, Dunwin tat es, Dunwin überlebte. Und nur weil Dunwin so handelte, wie er es tat, hast Du mit Ansgar überlebt. Auch das ist eine von vielen Wahrheiten Davard, ob sie Dir gefällt oder nicht", sagte Veyd und trank einen großen Schluck Wein.


    "Könnte ich noch etwas von dem Braten haben? Und was gibt es eigentlich Leckeres als Nachtisch?

    Zurück zur Hochzeit von Fara und Deinem Sohn. Mehrfach verheiratet ist der kleine Moritz also? Das dürfte kein Hindernis sein", sagte Veyd und goss sich großzügig den teuren Wein nach.



  • Vendelin schenkte Davard einen Kaffee ein, während dieser und Veyd sich gegenseitig weiter in die Weichteile traten, was das Zeug hielt. Der Einzige, für den es ihm leid tat, was sich hier gerade abspielte, war Vanja, doch der konnte es als Lehrstunde verbuchen. Sich mit einem Opfertypus wie Davard abzugeben, war nicht einfach, denn entweder musste man sein Sensibelchen beschützen oder zusehen, wie es regelmäßig demontiert wurde oder man geriet selbst ins Visier. Vanja würde er beschützen, so lange er noch den Namen Wigberg trug. Sollte er tatsächlich einst den Namen Hohenfelde annehmen, erlosch Vendelins Schutz und Vanja war sich selbst überlassen. Noch aber war er sein kleiner Bruder und er sollte ruhig einen Vorgeschmack dessen bekommen, was ihn erwartete, wenn er sich mit der Sippe anlegte.


    Vendelin servierte Veyd etwas von der Wurstplatte. "Braten habe ich nicht gemacht, aber die Wurstspezialitäten sind ausgezeichnet, von einem Fleischer meines Vertrauens, sie werden dir munden. Dass man die schärfsten Dolche in den Feuern des Abgrunds schmiedet, ist eine alte und unverbrüchlich gültige Weisheit. Warmes Kaminfeuer schafft nur eines - Bequemlichkeit, Passivität und Weichheit. Dass Moritz verheiratet ist, wollte ich dir nicht auf die Nase binden, da es keine Rolle spielt - in Almanien ist Vielehe ein Zeichen des Wohlstands."


    Dass er die Ehe auch darum verschwieg, weil sie ohne seine Einwilligung vollzogen worden war und er die beiden Bräutigame für faule Taugenichtse hielt, verschwieg er.

  • Dave lehnte sich zurück und trank seinen Kaffee, während er Veyd und Vendelin zuhörte. Dass Vendelin sich damit ein Eigentor geschossen hatte, schien er noch nicht begriffen zu haben. Denn es war nicht Veyd, der über den Erfolg oder das Verfehlen seines Auftrags entschied, sondern er war es - der dumme Dave.


    Aber das würde Vendelin spätestens dann merken, wenn kein Veyd zugegen war, wenn es hart auf hart kam. Und falls doch, dann half auch nur eines, Vendelin musste sehr viel Geld einstecken haben, damit Veyd überhaupt tätig wurde. Das hatte er selbst herausposaunt.


    Dave stupste seinen Schatz mental an.


    `Ob Wolfi wirklich Veyds Sohn ist? Einiges spricht leider dafür. So rettete er einmal in Not keine Person, sondern das Kassenbuch. Ob man es glaubt oder nicht. Wobei Wolfi zwar kalt sein kann und auch sehr geschäftstüchtig, aber er kennt Loyalität, Zuneigung und auch Liebe. Du hättest sehen sollen, was er alles für Ansgar getan hat und wozu er bereit gewesen wäre.

    Er ist ein guter Kerl, der seine Ecken, Kanten und auch Macken hat.


    Ich muss es wissen, er ist mein Schüler. Aber das sein Verhalten nicht hohenfeldisch ist, stimmt. Er hätte auch gerne in die Familie von Veyd eingeheiratet, wegen der Bankgeschäfte. Aber es kam anders, er lernte Marcella kennen, mein zweiter Lehrling. Anwolf kann man unter anderem Personen anvertrauen, er hütet meine Tochter.


    Das würde ich niemals von Veyd behaupten und ich würde ihm meine Tochter nicht eine Sekunde überlassen. Das schwöre ich Dir. Mit Veyd stimmt was ganz gewaltig nicht im Oberstübchen, er kennt weder Zuneigung, noch Mitleid, noch Liebe, er kennt nichts was Gefühle angeht. Er kennt nur sich und Geld, ein absoluter Egomane.


    Das nicht alle Eiben so sind, den Göttern sei Dank, sieht man an meiner Mutter. Und nebenbei, was er sagte, dass stimmt nicht. Dunwin hat meine Mutter auch geschlagen und misshandelt, wenn sie ihn in Ruhe ließ. Meist hat sie versucht ihm aus den Weg zu gehen, aber er... er fand sie auch, wenn sie sich versteckt hat. Oder er schickte Archibald.


    Ich weiß nicht, was Archibald oder andere noch mit ihr gemacht haben, aber ich kann es mir denken...


    Meine Frage wäre, wieso? Also bezogen auf Veyd und Anwolf. Wieso hat er sich zwischen Ansgar und Fingard gedrängt? Eine Erklärung wäre so einfach wie perfide genial. Er hätte die Hauptfamilie ausgeschaltet, ohne einen Kampf. Zwei Brüder, Ansgar ist pro Magier, also Anwolf. Linhard stirbt, bleiben nur noch Ansgar und Anwolf. Geht Ansgar, sind die Hohenfeldes als Hauptfamilie der Sippe Geschichte. Denn auf deren Thron sitzt nun ein Eibenberg. Und dann hätte Wolfi erfahren wer er ist.

    Gesegnet sei Haru-Mar, Dun? Wer ist das?


    Jedenfalls sippentechnisch betrachtet. Veyd tut nichts aus einem Gefühl heraus, auch nicht aus Geilheit. Das war bestenfalls ein Bonus den es dazu gab.


    Die macht unserer Familie hätte er damit in Naridien gebrochen, bis auf mich. Aber dafür hatte er sicher auch schon eine Lösung. Es wurde alles hinfällig, als die Sippe gemeinschaftlich nach Souvagne zog. Ab dato konnte es ihm gleichgültig sein, denn Ansgar war nicht mehr die treibende Kraft, die nicht so spurte wie er wollte. Linhard ist da schon umgänglicher, was Veyd angeht. Aber nicht mehr lange, dass schwöre ich Dir.


    Die nächste Frage, was geschieht, wenn Ansgar, Anwolf oder Linhard das erfahren?´, übermittelte Dave.


    Veyd ließ sich die Wurst schmecken und fand es war eine sehr schöne Feier und die Unterhaltung war einmalig.

  • Davard konnte Vanjas Aufgebrachtheit spüren. Vanja verstand nicht, warum Vendelin das tat! Warum ließ er zu, dass Davard dermaßen bloßgestellt und verletzt wurde? Am liebsten würde er gehen, doch Davard hatte offenbar nicht vor, das Feld zu räumen und Veyd und Vendelin allein zu lassen mit dem bedauernswerten Vittorio, der sich gerade versuchte, unsichtbar zu machen und sich wahrscheinlich zurück an die ledwicker Front wünschte, das wäre angenehmer als der Krieg, der hier gerade tobte. Auch er musste unter Vendelins Laune leiden und für irgendein Vergehen büßen, das nur er und Vendelin kannten oder vielleicht auch nur Vendelin.


    Vanja antwortete Davard mental.


    'Die Sache mit Anwolf ist Vendelin komplett übergangen, Vorsicht, sage ich nur, wenn er zu solch kritischen Themen schweigt und so tut, als hätte er nichts gehört. Denkbar ist, dass er vorhat, einem der Betroffenen die Information im passenden Moment zuzuspielen. Vielleicht, um einen Vertrauensvorschuss zu erwirken, oder um einen Menschen zu einer seiner Waffen zu formen.


    Veyd und Vendel in Kombination machen mir Angst. Veyd ist so gefühlskalt wie eine Maschine und Vendelin richtet sein Handeln vor allem nach größtmöglicher Wirkung aus. Vendel ist nicht gefühllos, aber skrupellos. Wenn Veyd wirklich deine Familie absägen wollte, bricht er die Vereinbarung unserer Sippe. Damit macht er sich angreifbar, mit diesem Wissen hat jeder hier im Raum etwas gegen ihn in der Hand. Du solltest den Rest deiner Familie darüber informieren, bevor Vendelin es tut und bevor Veyd weitere Schritte geht, um Anwolf auf euren Familienthron zu heben. Die Hohenfeldes werden das nicht lustig finden, vielleicht findet einer ja den Mut in sich, Veyd zu strafen für seinen Verrat.


    Es tut mir leid, wie hier mit dir umgegangen wird, so leid! Ich liebe dich, Davy und ich bin auf deiner Seite, ganz gleich, was noch kommt.'

  • `Ich liebe Dich auch Vanja und gleich wer oder was Dich je bedroht, ich bin an Deiner Seite. Gleich was es mich kostet, Du bist mein Mann. Du hast Recht, den Vorteil werden wir Veyd nicht geben. Ich werde die Sippe darüber informieren. Worum es Veyd ging, wird sich zeigen. Ob er sich nur gegen Ansgar richten wollte, oder ob er durch Wolfi oder einen anderen Hohenfelde die Sippe lenken wollte. Beides ist möglich, wir werden es nicht zulassen.


    Anwolf, Linhard, Brandur und Ansgar sollten bescheid wissen. Ich übermittele es ihnen und ich bete zu wem auch immer, dass Ansgar einmal im Leben das Richtige macht. Falls nicht, Wolfi bleibt mein Neffe, er bleibt mein Lehrling und zur größten Not wird er mein Sohn. Ich hoffe Du trägst die Entscheidung mit, dass würde mir viel bedeuten´, antwortete Dave.


    "Bin gleich wieder da, ich brauche eine Rauchstange", sagte er knapp und trat vor die Tür.


    Er hockte sich neben das große Drachenhuhn und ließ sich in Trance fallen.

    `Brandur, ich rufe Dich. Ich hoffe Du sitzt... besser wäre es. Folgende Botschaft... ich übermittele sie Dir so, wie ich sie vorhin empfangen habe. Nach Dir unterichte ich Anwolf und Ansgar, bitte teile Du Linhard mit, was er als Sippenoberhaupt wissen muss. Ich werde ebenfalls versuchen ihn zu erreichen...

    Die Information stammt von Veyd, er ist der Feind.


    Folgende Botschaft:


    ...Lass ihn Vendelin, Dave ist sagen wir mal sehr verschnupft, was seine Familienverhältnisse angeht. Und wer fragt Davard, der sollte auch mit der passenden Antwort leben können. Ich habe Deine Mutter nicht beleidigt, sondern ich sehe sie aus einem völlig anderen Blickwinkel. Ebenso Deinen Vater. Was Du von jenen Personen hältst, ist mir gelinde gesagt völlig gleichgültig.


    Ich lasse mir auch von Dir nicht vorschreiben, was ich von welchen Personen zu halten habe.

    Ich bilde mir mein Urteil selbst, dass solltest Du zur Abwechslung auch einmal versuchen. Interessante Erfahrung, anstatt nur auf Kommando zu reagieren.


    Zudem... sprichst Du nur von zweien meiner Kinder. Warum unterschlägst Du den lieben kleinen Anwolf?


    Anwolf, Wolfi, scheinbar Ansgars Sohn. Fingard die Gute war oft unterfordert und wir beide haben uns sehr gut verstanden. Ist Dir nie aufgefallen, wie geschäftstüchtig und intelligent Anwolf im Gegensatz zu seinem Bruder ist? Oh ja, Anwolf ist mein Sohn, so wie Linhard eindeutig der von Ansgar ist. Er hat nicht einen einzigen Magier zu Stande gebracht, ist das nicht witzig?

    Den kleinen Jungen den er so abgöttisch liebt und beschützt, ist gar nicht seiner... sondern meiner.


    Fingard war schon immer sehr großzügig und freigiebig.

    Er hätte es doch ahnen müssen, wie hat er Linhard heruntergemacht, wie hat er ihn behandelt? Jeder weiß es.

    Und wie hat er Anwolf behandelt? Welcher Hohenfelde hat je seinen Sohn derart behandelt? Alastair hätte Dich und Ansgar schützen müssen, wäre es ausschlaggebend gewesen, dass Ihr Magier wärt.


    Gut der Ehrlichkeit geschuldet, es ist ausschlaggebend, aber nur dafür das Ihr überlebt. Was vorab mit Euch geschieht, ist Teil einer sehr harten Schule. Und jene die am meisten erdulden müssen, werden die Familie genauso hart führen oder sogar härter. Wahre Dolche schmiedet man in den Schmieden des Abgrund, an den Feuern der Qual und Pein. Oder siehst Du das anders Dave?


    Wie dem auch sei, Linhard wurde nicht geschont, Anwolf hingegen verwöhnt, verhätschelt und das von allen beiden.

    Seltsam nicht wahr? So gar nicht Hohenfelde zu Hohenfelde.


    Nur eine Randanmerkung Dave, man könnte sich fragen warum niemals eine Ehefrau einschritt. Warum keine der einzigen Ehefrauen der Hohenfeldes ihren Mann dazu aufrief, Frieden zu halten oder Frieden zu stiften. Nein, fast jede Frau gleich ob eingeheiratete Wigberg, Eibenberg oder Fremde rief ihren Mann dazu auf, die anderen zu töten.


    Warum könnte man sich fragen.

    Ich erkläre es Dir. Aus dem einfachen Grund, es ist ein Geschäft. Das Geschäft des Todes Dave. Jede Frau mit Verstand begreift schlagartig, halte ich meinen Hohenfelde Ehemann dazu an, Frieden zu schaffen oder zu wahren, dann stirbt er. Und mit ihm sterbe ich und meine Kinder.


    Und genau aus diesem Grund, diesem Geschäftssinn, diesem Überlebensdrang, waren es sogar oft die Frauen, die ihre Männer angehalten haben, ihre Brüder oder ihren Vater schnellstmöglich ins Kühlhaus zu schaffen.


    Denkt darüber einmal nach, bevor Du meine Sicht auf Deine Mutter verurteilst.

    Auch wenn Deine Mutter nie das Spiel spielte, Dunwin tat es, Dunwin überlebte. Und nur weil Dunwin so handelte, wie er es tat, hast Du mit Ansgar überlebt. Auch das ist eine von vielen Wahrheiten Davard, ob sie Dir gefällt oder nicht....


    Meine Vermutung ist, folgende die ich meinem Mann mitteilte:


    ....Ob Wolfi wirklich Veyds Sohn ist? Einiges spricht leider dafür. So rettete er einmal in Not keine Person, sondern das Kassenbuch. Ob man es glaubt oder nicht. Wobei Wolfi zwar kalt sein kann und auch sehr geschäftstüchtig, aber er kennt Loyalität, Zuneigung und auch Liebe. Du hättest sehen sollen, was er alles für Ansgar getan hat und wozu er bereit gewesen wäre.

    Er ist ein guter Kerl, der seine Ecken, Kanten und auch Macken hat.


    Ich muss es wissen, er ist mein Schüler. Aber das sein Verhalten nicht hohenfeldisch ist, stimmt. Er hätte auch gerne in die Familie von Veyd eingeheiratet, wegen der Bankgeschäfte. Aber es kam anders, er lernte Marcella kennen, mein zweiter Lehrling. Anwolf kann man unter anderem Personen anvertrauen, er hütet meine Tochter.


    Das würde ich niemals von Veyd behaupten und ich würde ihm meine Tochter nicht eine Sekunde überlassen. Das schwöre ich Dir. Mit Veyd stimmt was ganz gewaltig nicht im Oberstübchen, er kennt weder Zuneigung, noch Mitleid, noch Liebe, er kennt nichts was Gefühle angeht. Er kennt nur sich und Geld, ein absoluter Egomane.


    Das nicht alle Eiben so sind, den Göttern sei Dank, sieht man an meiner Mutter. Und nebenbei, was er sagte, dass stimmt nicht. Dunwin hat meine Mutter auch geschlagen und misshandelt, wenn sie ihn in Ruhe ließ. Meist hat sie versucht ihm aus den Weg zu gehen, aber er... er fand sie auch, wenn sie sich versteckt hat. Oder er schickte Archibald.


    Ich weiß nicht, was Archibald oder andere noch mit ihr gemacht haben, aber ich kann es mir denken...


    Meine Frage wäre, wieso? Also bezogen auf Veyd und Anwolf. Wieso hat er sich zwischen Ansgar und Fingard gedrängt? Eine Erklärung wäre so einfach wie perfide genial. Er hätte die Hauptfamilie ausgeschaltet, ohne einen Kampf. Zwei Brüder, Ansgar ist pro Magier, also Anwolf. Linhard stirbt, bleiben nur noch Ansgar und Anwolf. Geht Ansgar, sind die Hohenfeldes als Hauptfamilie der Sippe Geschichte. Denn auf deren Thron sitzt nun ein Eibenberg. Und dann hätte Wolfi erfahren wer er ist.

    Gesegnet sei Haru-Mar, Dun? Wer ist das?


    Jedenfalls sippentechnisch betrachtet. Veyd tut nichts aus einem Gefühl heraus, auch nicht aus Geilheit. Das war bestenfalls ein Bonus den es dazu gab.


    Die macht unserer Familie hätte er damit in Naridien gebrochen, bis auf mich. Aber dafür hatte er sicher auch schon eine Lösung. Es wurde alles hinfällig, als die Sippe gemeinschaftlich nach Souvagne zog. Ab dato konnte es ihm gleichgültig sein, denn Ansgar war nicht mehr die treibende Kraft, die nicht so spurte wie er wollte. Linhard ist da schon umgänglicher, was Veyd angeht. Aber nicht mehr lange, dass schwöre ich Dir...


    Mein Mann Vanja merkte dazu an:


    ...Veyd ist so gefühlskalt wie eine Maschine. Wenn Veyd wirklich deine Familie absägen wollte, bricht er die Vereinbarung unserer Sippe. Damit macht er sich angreifbar, mit diesem Wissen hat jeder hier im Raum etwas gegen ihn in der Hand. Du solltest den Rest deiner Familie darüber informieren, bevor Veyd weitere Schritte geht, um Anwolf auf euren Familienthron zu heben. Die Hohenfeldes werden das nicht lustig finden, vielleicht findet einer ja den Mut in sich, Veyd zu strafen für seinen Verrat...



    Ich hoffe auf Deine Hilfe, auf Eure Hilfe Brandur. Bedenke bitte eines, weder Anwolf, Ansgar noch Dein Sohn Linhard können etwas dafür. Lasst Wolfi nicht für etwas büßen, was Veyd eingefädelt hat. Ich bin vor Ort aus anderen Gründen, Ihr müsst die Sache in die Hand nehmen, oder soll ich Veyd direkt ausschalten? Gib mir schnellstmöglich Rückantwort, dann verunfallt Veyd in den nächsten Tagen.

    Hütet Euch vor dem Geldsack und beschütze die Kinder Brandur, denkt an den neuen Weg den wir beschritten haben´, bat Dave.


    Er benötigte einen Moment um sich aus der Trance zu schälen und schaute zu dem Drachenhuhn auf. Sanft streichelte er das große Geschöpf, dass er von Linhard geschenkt bekommen hatte.


    "Hoffentlich wird alles gut, dafür sind wir umgezogen", flüsterte er kaum hörbar, stand auf und ging zurück in die Wohnung. Dave setzte sich demonstrativ neben Vanja und belud seinen Teller ebenfalls mit Wurst und anderen Leckereien und goss sich aus Veyds Weinflasche den Rest ein.


    "Prost", sagte er freundlich.





  • Veyd und Vendelin scherzten und unterhielten sich. Beide waren guter Dinge. Die Hochzeit schien beschlossene Sache. Veyd war ein übler Bursche, eines der extremsten Familienmitglieder, die er bislang kennengelernt hatte. Vanja fand, dass es für Fara nur gut sein konnte, weg von diesem Vater zu ziehen. Moritz würde ihr ein guter Bräutigam sein, auch wenn sie beide nichts verband, da sie sich überhaupt nicht kannten, aber der junge Mann war verantwortungsbewusst und frei von Bösartigkeit. Ganz im Gegensatz zu seinem Vater. Was mit Vendelin los war, konnte Vanja sich einfach nicht erklären und Vittorio offenbar auch nicht. Irgendwann wurde es dem alten Soldaten zu viel, er verabschiedete sich, um noch ein wenig in die Stadt zu gehen. Vanja hatte etwas von der Lauchcremesuppe gegessen und sich ein Glas Wasser eingeschenkt. Das Fleisch rührte er nicht an. Er saß dicht an Davard gedrängt und folgte Vittorio mit dem Blick.


    "Es ist ganz schön spät", sagte er. "Was meinst du, Dave, schauen wir uns den Schwimmenden Lichtfestmarkt an? Oder möchtest du noch ein wenig Zeit hier mit der Familie verbringen?"