Kapitel 35 - Feinde an einem Tisch

  • Feinde an einem Tisch

    Vanja war viele Stunden unterwegs gewesen. Er stank, war nass vom Spritzwasser der Schifffahrt und war hungrig und müde. Für heute würde er Feierabend machen und sich morgen um die geplante Aussprache von Davard und Vendelin kümmern. Doch als er den Dreiseitenhof betreten wollte, staunte er nicht schlecht. Vor dem Tor stand Vendelin und blickte es mit undurchdringlicher Miene an. Das gab es doch nicht!


    "Timo", grüßte Vanja ihn mit seinem Tarnnamen, worauf sein Halbbruder sich herumdrehte, offensichtlich überrascht.

    "Syrell", grüßte er zurück, wobei er etwas langsamer sprach als sonst. "Wohnt ihr zu dritt in diesem Haus?"

    "Zu viert. Es trifft sich gut, dass du hier bist, vermutlich bist du das nicht zufällig. Bitte folge mir hinein."

    "Allerdings nicht. Wer ist drinnen noch alles?", fragte Vendelin misstrauisch.

    "Du kennst sie alle. Garlyn, Vittorio, Davard und ich."

    Vendelin starrte ihn einen moment an. "Vier Leute? Zwei davon keine Ordensmitglieder? Nicht zu fassen", meinte er und schüttelte den Kopf. "Das wird ein Nachspiel für Vittorio haben. Dieses Haus ist Ordenseigentum, es gehört mir!"

    "Ich glaube, Meq zahlt ihm sogar Miete an Vittorio", petzte Vanja vergnügt und schloss auf. "Nach dir, Bruder."


    Wenig später standen Vanja und Vendelin in der Tür der Wohnstube, wo die anderen am Tisch saßen. Vittorio konnte eine Gesichtsentgleisung nicht verhindern. Er stand sofort auf und begann, weit weg von Meqdarhan, frischen Kaffee aufzusetzen. Vanja wurde erst jetzt bewusst, dass sich soeben nicht nur die beiden Todfeinde Vendelin und Davard gegenübersitzen würden, sondern auch die beiden Geliebten von Vittorio - die beide nichts von der Rolle des anderen wussten. Vanjas Augen wanderten jedoch nicht zu ihnen, sondern zu Davard. Auch Vendelin fixierte den Geistmagier mit seinem Blick.

  • "Guck mal wer da ist....", sagte Dave und drehte Veyds Kopf in Vendelins Richtung.

    "Hallo Vendelin, Fara nimmt von den Heiratsplänen Abstand", äffte Davard die Sprechweise von Veyd nach und bewegte dabei seinen Kiefer wie ein Puppenspieler des Abgrund. Danach hielt er sich den abgeschlagenen Kopf von Veyd ans Ohr.


    "Veyd möchte Dir sagen, dass er sehr böse war.... böse Kinder werden bestraft.... Vendelin. Veyd hat mir gesagt Du warst auch sehr böse. Sogar noch böser als er", erklärte Dave und nickte mit Veyds Kopf der schon einen leichten Grünstich hatte.


    "Was machst Du hier? Kannst Du Dich nicht trennen? Aber schön das Du hier bist, dann muss ich Dich nicht suchen. Ich habe ein Geschenk für Dich.... Vendelin....", grinste Dave schlagartig diabolisch über beide Ohren.

  • Vendelin tat etwas, dass er nur sehr selten tat - ihm klappte für einen Moment der Mund auf, als er den Kopf seines Verwandten auf dem Tisch vor sich sah. Eine kurze Bewegung, dann schlug Vanja ihm in den Arm. Das Wurfmesser verfehlte Davards Gesicht um nicht einmal zwanzig Zentimeter und knallte fest in die Wand. Die Klinge verschwand bis zur Hälfte im Holz.


    Vanja sprang vor Vendelin und wollte ihn mit einer Umarmung festhalten. Er durfte nicht zulassen, dass die beiden die Waffen gegeneinander erhoben! Zur Antwort knallte ihm Vendelins Ellbogen wie ein Schmiedehammer gegen die Schläfe. Vanja ging gefällt zu Boden. Als die beiden Soldaten herbeistürmten, war Vendelin schon bei der Tür.


    Vanja dämmerte erst jetzt, dass er das ganze vielleicht strategischer hätte angehen müssen. Natürlich, in dieser Konstellation musste das für Vendelin wie eine Todesfalle wirken! Vanja hatte erwartet, dass Davard in der Zwischenzeit aufräumen würde, doch der Kopf lag tatsächlich nach all den Stunden immer noch vor ihm auf dem Tisch! Obendrein hatte Davard einem Außenstehenden - Garlyn Meqdarhan - den wahren Namen seines Bruders verraten und Garlyn damit zum Tode verurteilt.


    "Timo!", keuchte er. "Der Duc wünscht, dass ihr beide SPRECHT! Der DUC befiehlt es!"

  • Dave zuckte nicht mit der Wimper als sich der Dolch neben ihm in die Wand grub. Erstens waren für ihn 20 Zentimeter bei so einem Wurf Welten. Jene Welten die über Leben und Tod entschieden und er hatte eine Gefühlsreaktion bei Vendelin hervorgerufen. So abgebrüht wie der Kerl tat, war er nicht. Und zudem war er nicht in der Lage einen Dolch zu führen.


    "Bleib stehen Vendelin.... Du bist verhaftet. Angriff auf ein Ordensmitglied der Krone.... wirklich böser Junge Vendy. Ich darf doch Vendy sagen? Klingt so schön weibisch. Du hast Deine Waffe verloren.... ich habe meine noch....", rief Dave ihm hinterher, "falls Du nicht stehen bleibst, ich treffe. Komm lauf zick-zack oder schlag ein paar Hacken.... machen wir das Spiel der Jagd doch interessanter....".


    Zeitgleich rief Dave mental nach Kariakin und beorderte ihn, Vendelin im Auge zu behalten. Falls er ihm entkam, sollte er den Schnabel des Greifen kennenlernen. Wobei er nicht von diesem Missgeschick ausging. Vendelin hatte ihm genau gegeben was er wollte, einen Vorwand diesen "Onkel" aufzuschlitzen.


    "Onkel Vendelin, komm mach es Dir nicht so schwer.... guter Rat, weglaufen bringst nichts. Der einzige Unterschied ist, Du stirbst außer Atem....", erklärte Dave freundlich und zückte seinen Dolch der Finsternis währender die Verfolgung aufnahm.

  • Vendelin dachte gar nicht daran, stehen zu bleiben.


    "Das ist ein Alptraum", keuchte Vanja, während er sich mit dröhnendem Schädel wieder auf die Füße quälte. Durch die offene Tür sah er - gar nichts. Vendelin war sofort abgebogen und Davard ihm offenbar gefolgt. Garlyn und Vittorio hatten sich der Verfolgung angeschlossen, um Schlimmstes zu verhindern, wie er hoffte. Dann rief er mit überschlagender Stimme: "Davard! Ich habe Vendelin auf Befehl des Duc hergebracht! Um diesen Streit zu beenden!"


    Er taumelte so schnell er konnte nach draußen. Dort sah er, wie Meqdarhan und Vittorio eiergroße Steine warfen. Im ersten Moment verstand er nicht, was das sollte. Erst als Vendelin stürzte, wurde ihm die Bedeutung klar. Sie versuchten, die beiden unblutig davon abzuhalten, einander zu zerfleischen. Vendelin schwebte nun jedoch in größter Gefahr. Wenn Vittorio den Stein in seiner Hand nun nicht zielsicher an Davards Kopf donnerte, war alles zu spät, denn Vendelin lag bereits am Boden und Davard war ihm dicht auf den Fersen. Vittorio sammelte all seine Konzentration und warf.

  • Ein riesiger Greif landete zwischen Vitto und Dave. Er schirmte die Streithähne voneinander ab, während er sich Vendelin mit dem Schnabel packte. So bekam er zwar den Stein vor die Seite gepflastert, aber besser als ihr Boss, der das veilleicht nicht überlebte.


    Mit Vendelin im Schnabel äugte Kariakin zuerst auf Dave und dann auf Vittorio herab. Dann ließ er den Lottos fallen und nagelte Vendelin mit einem Fuß fest. Natürlich nicht derart, dass er den armen Kerl wie einen Wurm zerquetschte. Suchend schaute sich der große Greif nach Vanja um. Diese Familientreffen von den beiden waren immer speziell, dass musste er ihnen lassen.


    "Vanja rief, dass Ihr reden sollt, so redet! Und ich warne Dich, gehe nicht Deinen Bruder oder meinen Gildenvater an", warnte Kariakin.


    Dave trat um Kariakin herum und klopfte ihm dankbar auf den Hals. Er konnte sich auch Angenehmeres vorstellen, als einen Stein vor die Rübe zu bekommen. Sein Blick fiel auf den am Boden liegenden Vendelin, ehe er zum Haus zurückblickte.


    "Vanja wünscht dass wir miteinander sprechen.... also sprechen wir....", sagte Dave im nicht zu deutenden Ton und sein Dolch verschwand in seinem Robenärmel. Danach zerrte er Vendelin auf die Beine und führte ihn Richtung Haus.

    "Falls das ein Trick Deines kleinen Bruders ist oder ein Scherz... ist das ein sehr schlechter", warnte Dave Vendelin leise.

  • "Lass Vanja da raus", knurrte Vendelin. Vanja war zwar ein Idiot, aber dass er ihn bewusst in eine Falle locken wollte, traute er ihm nicht zu. Eher nahm er an, dass Davard ihn zu diesem Zwecke benutzt hatte und nun mit dieser Äußerung diesen Umstand verschleiern wollte.


    Er hatte höllische Kopfschmerzen und Mühe, aufrecht zu gehen. Zudem sah er gerade schlecht, sein Blickfeld flackerte. Er folgte Davard ins Innere. Eines wusste der Hohenfelde nicht - dieses Haus war kein gewöhnlicher Dreiseitenhof. Es war eines der Ordensgebäude des Stählernen Lotos und entsprechend ausgestaltet. Wenn Vendelin es geschickt anstellte, hatte er dort drin im Notfall einige Vorteile gegenüber Davard.


    Der Greif war nicht der Einzige, der sich um Schlichtung bemühte. Auch Garlyn und Vittorio flankierten je einer ihn und einer Davard. Vanja stand leicht schielend in der Tür. Vendelin zog das Wurfmesser aus der Wand, steckte es aber weg. Er nahm gegenüber der Tür Platz. Er packte Veyds Kopf und setzte ihn so, dass er ihn anschaute. Der Kopf stank bereits bestialisch.


    Er wartete bis alle saßen. "Nun denn", sprach er kühl, während er versuchte, das Blinken vor seinem Blickfeld zu ignorieren. "Reden wir verbal. Du hast also Veyd getötet, um mich zu treffen. Deine Revanche für das Mädchen in Drakenstein, nehme ich an."

  • "Nein Onkel Timo, Veyd wurde von seinem kläglichen Leben in dem nur der Taler zählte erlöst, weil er das Leid meiner Mutter, meines Bruder und meines verhöhnte. Du hast Dein Geschenk noch gar nicht erhalten. Warum so ungeduldig? Zuerst reden wir.... Dein Bruder ist eine niedliche Plaudertasche.... schon als wir uns kennenlernten, hat er sich gewünscht, dass ich mit Dir rede, bevor ich Dich richte....


    Und nun sollen wir schon wieder reden...

    Also reden wir. Natürlich reden wir verbal Vendelin, Du bist doch überhaupt nicht in der Lage auf anderem Wege zu kommunizieren, wie auch ohne Seele? Wobei es gibt eine Möglichkeit zu testen, ob Du eine Seele hast.... dazu später mehr...


    Vanja, Dein Wunsch, Du fängst an. Ich weiß nicht worüber ich mit dieser Bestie reden soll, außer vielleicht welches Kind er zuletzt auf dem Schoß hatte?", fragte Dave und taxierte Vendelin stechend.

  • "Ich habe soeben beim Duc de Souvagne vorgesprochen wegen eures Streits", erklärte Vanja, der nervöser wirkte als alle anderen Anwesenden zusammen. Er wusste, dass Vendelin ihn dafür verabscheute, aber ihm war nicht egal, wie der heutige Tag ausging. "Dies geht nicht gegen einen von euch oder gar gegen beide, sondern all mein Handeln ist pro Familie. Bitte versteht, dass ich zwischen den Stühlen sitze. Auf dem einen sitzt mein Geliebter und auf dem anderen mein Bruder und beide sind sich aus sehr persönlichen Gründen spinnefeind. Aber es geht noch weiter, denn wenn sich der Konflikt zuspitzt, heißt es bald Wigberg versus Hohenfelde, womit ich keine Einzelpersonen meine, sondern die Familien!


    Wollt ihr wirklich, dass das uralte Bündnis der Trinität zu Bruch geht? Wir alle profitieren davon, insbesondere sollten wir aber an unsere Nachkommen denken. Wir würden das Bündnis auch für sie zerstören.


    Aus diesem Grunde war ich beim Duc. Er sagt folgendes:


    Euer Bruder hat seine Absolution erwirkt, Davard hat keinen Grund und keine Befugnis ihn zu richten. Das was Ihr über Euren Verlobten sagt, klingt alles andere als leichte Kost. Er tötete einen anderen Marquis ohne unseren Auftrag. Auch das könnte bereits zu Unruhen führen oder einem offenen Konflikt der Familien Eibenberg und Hohenfelde. Wir hoffen, dass der Marquis von Hohenfelde gute Gründe für diese Tat hatte.


    Wir müssen uns auf beide verlassen können, solch ein Verhalten werden wir nicht dulden. Persönliche Befindlichkeiten haben in beruflichen Dingen und in Regierungstätigkeiten hinten anzustehen. Wenn Ihre Gemüter nicht abkühlen, werden wir für Abkühlung in einem tief temperierten Verließ sorgen. Dort werden sie lernen zusammenzuarbeiten, oder zu fasten.


    Des Weiteren sollte ich euch beiden ausrichten, dass ich die volle Unterstützung des Duc in dieser Angelegenheit habe!"

  • Dave ergriff Veyds Kopf an den Haaren und stellte ihn wieder vor sich auf den Tisch.


    "Nun damit hat der Duc Recht, er wird es weder dulden noch zulassen, dass sich die Schollen Wigberg, Hohenfelde und Irmabourg bekriegen. Oder zumindest die Schollen Wigberg und Irminabourg. Er ist der oberste Lehnsherr und notfalls würde er uns wohl auf andere Wege zwingen Frieden zu halten. Möglicherweise sogar in der Form, dass wir die Schollen verlieren.


    Entweder als Einzelperson, oder als Familie, sprich entweder würde ich meinen Titel los, oder alle meine Angehörigen. Ob er die ganze Sippe dafür bestrafen würde? Möglich wäre es, warum sollte uns erspart bleiben, was die Duponts durchmachen mussten? Zudem wird er davon ausgehen, dass wir eh unter einer Decke stecken, dafür sind wir bekannt.


    Von daher wäre es vielleicht sogar von Vorteil, wenn diese unsägliche Trinität in die Brüche ginge, mit all den Konsequenzen die sich daraus ergeben. Eine davon wäre Freiheit vor den anderen.


    Was den Mord an Veyd angeht, dafür habe ich keinen Grund, außer meine Vergangenheit. Und die werde ich sicher nicht als Grund aufführen. Ich werde den Mord an Veyd gestehen, aus persönlichen, niederen Beweggründen, dass muss reichen.


    Was hast Du Dir vorgestellt, dass wir uns die Hand geben und all die Dinge vergessen Vanja?

    Vendelin wird die 169 genauso wenig vergessen wie ich, aber wir beide haben dafür andere Gründe. Wie er daran zurückdenkt, entzieht sich meiner Kenntnis. Genussvoll? Gelangweilt? Überhaupt nicht? Wer weiß. Wie ich daran zurückdenke, dürfte klar sein.


    Das der Duc sich auf uns beide verlassen muss, ist verständlich. Unter den gegebenen Umständen soll er sich auf Vendelin verlassen", antwortete Dave tonlos.

  • "Kündigst du deinen Posten?", fragte Vendelin und klang dabei ausgesprochen gut gelaunt. "Gibst du den Orden der Fantomes in vertrauenswürdigere Hände? An die Zahl 169 denke ich, was dich vielleicht überraschen mag, vollkommen emotionslos zurück, denn ich war damals nicht dabei und kenne sie nur aus Erzählungen."


    Vanja warf ihm einen warnenden Blick zu, die Sache nicht zu vertiefen, den Vendelin gekonnt ignorierte. Was bedeutete schon Vanjas Meinung? Er war ein großer Kindskopf.


    "Ich unterbreite dir ein Angebot, Davard", fuhr Vendelin fröhlich fort. "Wir vergessen die ganze Sache. Du vergisst die Angelegenheit mit dem Mädchen, die, zugegeben, nicht sehr taktvoll von mir war. Und ich vergesse den Mord an meinem lieben Verwandten Veyd, zu dem ich ein gutes Verhältnis pflegte. Als Gegenleistung verlange ich nichts, als dass du die Aufkündigung der Trinität verkündest. Sie ging von dir aus, nicht von Wigberg, das möchte ich gern offiziell haben. Als kleines Dankeschön helfe ich dir anschließend bei der Neustrukturierung und Organisation der Fantome. Als gelernter Buchhalter kann ich dir sicher einiges an Arbeit abnehmen."

  • "Sobald ich meinen Rücktritt verkündet habe, bin ich nicht mehr an die Weisungen des Duc gebunden. Folglich kann ich dann, solange ich noch existiere, jeden beseitigen den ich möchte. In welche Hände der Orden der Fantome übergeht, wird nicht von mir entschieden. Sie können meinen Schädel neben den von Veyd auf einen Stock spießen, wenn ihnen danach ist.


    Aber vorher sind einige Rechnungen zu begleichen und Du bist auf der Schuldnerseite Vendelin. Als guter Buchhalter weißt Du, was das heißt. Betrachte die Trinität als aufgekündigt, auch wenn mein Wort da nicht ausschlaggebend ist, meine Taten werden es sein.


    Du wirst leider nicht mehr dazu kommen, irgendwelche Tipps beizusteuern, denn Du wirst Ledwick nicht verlassen Vendelin. Du wirst hier Deinen Lebensabend verbringen. Just in diesem Moment...", erklärte Dave freundlich.

  • "Du bist immer an die Weisung des Duc gebunden, so lange du dich Souvagner nennst, Davard", erinnerte Vendelin. "Und ich genieße seinen Schutz, ganz gleich, wie du dich selbst identifizierst, vertrau mir, wenn ich dir sage, dass ich für ihn unentbehrlich bin. Nicht nur ich, mein ganzer Zweig und das seit Generationen."


    Vendelin lehnte sich vor und verschränkte die Finger.


    "Töte mich und du schaufelst das Grab deiner Familie - und das von Vanja."

  • Dave lehnte sich ebenso vor, verschränkte die Finger und legte seinen Kopf darauf ab.


    "Damit magst Du Recht haben. Du bist vielleicht für den Duc unentbehrlich, aber Du bist nicht unsterblich. Ich hingegen... ich bin schon lange tot. Aber wenn ich einen der 169 mitnehmen kann, dann ist mir das ein Vergnügen. Dein Lügen und Leugnen nützt Dir da auch nichts. Niemand kennt die Zahl, der nicht involviert ist. Entweder warst Du dabei, oder jemand den Du kennst war dabei. Diese Person muss Dir vertrauen um solche Interna auszuplaudern. Und wem vertraut man in solchen Kreisen? Einem Mitwisser, einem Bruder.


    Weshalb sollte es Vanjas Tod sein? Er hat weder meine Entscheidungen, noch meine Handlungen zu verantworten. Ich bin kein Kind mehr, auch wenn Du das gerne hättest...


    Dein Zweig ist seit Generationen unentbehrlich? Tja da wird es vielleicht einmal Zeit für frischen Wind, eine Grundreinigung um neuen Platz zu schaffen. Alte, verknöcherte Strukturen können schließlich keine neuen Denkansätze hervorbringen. Ich bereinige das gerne für Dich Vendelin.


    Also fangen wir an, Vanja hol doch bitte Vendelins Geschenk....", bat Dave freundlich.

  • "Bitte hört auf damit", flehte Vanja hilflos. "Nehmt doch Vernunft an! Ihr zerstört unsere familiäre und unsere berufliche Zukunft! Vendelin, höre endlich auf, zu provozieren, egal, wie höflich du es verpackst, es bleiben Provokationen, damit ist niemandem geholfen. Und du, Davard, Vendelin war noch ein Kind, als 169 stattfand, er kann also nicht persönlich involviert gewesen sein. Natürlich kannte er jemanden, das waren 169 Personen aus dem Kreis des Familienoberhaupts der Hohenfelde, da kennt man den einen oder anderen, wenn man selbst Oberhaupt eines Wigbergzweiges ist."

  • Dave lehnte sich zurück und musterte Vanja.


    "So? Woher weißt Du dass er da noch ein Kind war? Wie alt war er denn? Na ist auch gleich, er wird die Provokationen nicht lassen, er lebt davon. Das ist seine Droge, meine kann ich ihm gerne mal zeigen. Holst Du nun das Geschenk oder nicht? Daran wird er ja nicht sterben, er wird sich freuen.


    Danach werde ich Frieden halten und ihn nicht mehr behelligen, versprochen. Wir gehen absolut getrennter Wege, damit dürfte uns beiden geholfen sein. Und das ist die einzige Möglichkeit die ich sehe", gab Dave zu bedenken.

  • "Meinst du die hier?", fragte Garlyn und zog die Salami aus der Kiste. "Ich hab sie weggelegt, von der bekomme ich Hunger." Er legte sie quer über den Tisch, während Vanja einen Moment die Augen schloss und scheinbar ein Stoßgebet entsandte.

  • Dave grabschte die Salami und riss sie zu sich herüber.


    "Genau die.... schau sie Dir an Vendelin.... pures, reines Menschenfleisch. Darauf stehst Du doch oder? Es war sogar jemand, der Dir richtig am Herzen lag. Diese Salami Onkel Timo... ist kein anderer als Veyd...", sagte Dave und strich über die Wurst als wäre es ein gewaltiger Riesenprügel.


    "Also wenn Du schön aufmachst, bekommst Du die Wurst.... geschenkt, samt Deinen Leben. Falls nicht... nicht. Die Spielregeln sind klar. Sei so gut und mach Dich frei. Ach ja und.... bück Dich...", befahl Davard hart.

  • Bevor einer der Kontrahenten noch etwas sagen oder tun konnte, griff Vanja sanft, aber bestimmt, die Hände von Dave. Er führte sie an seinen Mund und küsste sie. Der daran haftende Leichengeruch war schlimm für ihn zu ertragen.


    "Bitte, Dave", versuchte er es noch einmal. "Du zerstörst unsere gemeinsame Zukunft. Ich war beim Duc, weil ich keinen anderen Ausweg mehr wusste. Ja, ich habe ihm gesagt, dass du Veyd hast töten lassen, um ihm den Ernst der Lage klar zu machen. Mir ist bewusst, dass ich dich damit in Gefahr gebracht habe, aber wie sonst soll ich dich in eine andere Richtung leiten als jene, welche du eingeschlagen hast?


    Deine Seele zerbrach im Jahr 165. Dort geschah dieses schlimme Ereignis. Zu diesem Zeitpunkt war mein Bruder gerade einmal neun Jahre alt und hatte den Zirkel noch nie betreten. Unser Vater wusste, in welcher Gefahr er dort geschwebt hätte, er war ein Freund von Kazrar. Ja, unser Vater ging bei den Beißern ein und aus. Ich bin aber nicht nur der Sohn Wenzels, sondern auch der Sohn von Mariette Bovier, die seinen Intrigen genau so zum Opfer fiel wie alle anderen, und der Adoptivsohn von Berzan Bovier, der mich erzog und der keinen Unterschied machte zwischen seinen leiblichen Söhnen und mir. Bitte beurteile mich nicht nur nach meinen Verwandten von der Wigbergseite, wie sehr du diese auch verabscheuen magst."


    Vanja fragte sich, ob es gut gewesen war, den Namen Bovier mit sich in einem Satz zu erwähnen. Wusste Davard, dass der Sohn seines Peiniges mit einem Bovier liiert war? Egal, er musste es versuchen, mit allen Argumenten, die ihm einfielen!


    "Ich bin hier, weil ich dich liebe. Ich bat um Hilfe, weil ich unsere Zukunft retten möchte! Bitte hört auf."

  • Dave strich Vanja kurz liebevoll über das Gesicht und lehnte sich wieder zurück. Er musterte seinen Verlobten und nickte knapp.


    "Mit neun Jahren kann er es nicht gewesen sein, sein Vater hingegen schon. Das klingt fast wie das Märchen vom Fluss, dem Wolf und dem Schaf. Dann war es halt Dein Vater.... aber so meine ich es nicht. Gut ich ziehe die Anschuldigung zurück, dass Vendelin an der Tat beteiligt war. Er kann es nicht gewesen sein.


    Hat er mir jemals persönlich etwas angetan? In anderer Hinsicht zu einer anderen Zeit? Das kann ich nicht beantworten. Allerdings wird er irgendwem etwas angetan haben, ansonsten würde er sich nicht in solchen Kreisen bewegen.


    Ich klage Dich nicht aufgrund Deiner Familie oder Deiner Eltern an, Du kreidest mir ja auch nicht meine Eltern an. Letztendlich kann sich niemand seine Familie aussuchen. Das Deine Absichten gut waren, weiß ich Vanja. Trotzdem war es sein Bärendienst. Der Bär meinte es auch gut, als er die Fliege totschlagen, wollte seinen Herrn ärgerte. Das die Fliege auf der Nase des Herrn saß, war das Unglück.


    Schau, dass was ich getan habe gilt als Mord. Auftragsmord. Ich habe dafür bezahlt, dass jemand Veyd ermordet, ihn verwurstet und ihn enthauptet. So wird es gewertet und wie die Strafe auf Mord aussieht, weiß jeder. Denn wieviele Verbrechen müsste ich sonst begangen haben, um das Henkersbeil zu verdienen?


    Erklärend wäre meine Vergangenheit. Sie würde aus dem Mord Blutrache machen, oder etwas ähnliches was einem die Ehre wieder herstellt. Wie wenn sich ein Mann an einer Frau vergeht und der Vater schlägt genau jenem Kerl den Kopf ab. Das ist in Souvagne legitim nicht wahr? Das wäre auch für mich legitim als Marquis, wenn ich jenen Mann richte, der mich schutzlos zurückließ.


    Aber genau darauf kann ich mich nicht berufen Vanja. Ich hatte nicht vor, es irgendwem zu erzählen und dieses Versprechen habe ich zweimal gebrochen. Einmal bei Urako und einmal bei Dir. Zweimal habe ich gesprochen und zweimal ist es mir vor die Füße gefallen. Ein drittes Mal erzähle ich es keinem. Also wenn es ein wir gibt, dann außerhalb Souvagnes. Kehre ich nach Souvagne zurück, wird mir der Block winken für Mord.


    Sollten wir nicht alle die Karten auf den Tisch legen, bevor wir uns verabschieden?

    Die Begrüßung von Vitto und Vendelin, erinnerst Du Dich? Bevor er uns mit Veyd belästigte, dass sogar Vitto flüchtete?

    Dann die Begrüßung von Vitto und Meq, als wir hier zu Besuch kamen. Ich glaube mehr als Vendelin und ich haben sich Vitto, Garlyn und Vendelin etwas zu sagen. Die drei stellen eine eigene Trinität da. Eine Trinität der Begehrlichkeiten, nur das Vendelin dabei nicht der Mittelpunkt ist, wie auch? Er ist nur Beiwerk, dass alle 15 Jahre mal aufgesucht und warmgehalten wird. Wer könnte es Vitto verdenken, so wie er behandelt wurde? Vendelin kann dankbar sein, dass Vitto alle 15 Jahre mal einige Tage für ihn abzweigt, damit das bisschen Restseele das in seinem verdorrten Geist vor sich hinschrumpel, nicht ganz verdorrt.


    Im Grunde kann mir Vendelin leid tun, er wuchs genauso auf wie ich, nur war seine Folter vollständige Isolation. Seltsam, auch Archibald wuchs angeblich so auf, seine Brut, Kazrar, seine Brut und jeder von ihnen landete dort, wo sie heute sind - bei den Beißern. Meint Ihr, Ihr wärt gemeinsam weniger einsam Vendelin? Oder was hat Dich dahingetrieben, zu den Verdrehten und Abnormen? Wagst Du Dich zu antworten?


    Was mich in den Abgrund trieb weißt Du, mein Vater und Leute wie Du. Und ich bin durch Vanja an Dich gebunden. Weshalb er Dich liebt, kann ich mir denken. Aber hast Du Dich je gefragt, ob Du die Zuneigung von ihm überhaupt wert bist? Liebenswert? Genau das Wort, wortwörtlich genommen, bist Du das Vendelin? Die Frage ist nicht als Provokation gemeint, sondern aufrichtig. Was findest Du selbst an Dir liebenswert?


    Und schau doch an, was Du Deinem Sohn angetan hast. Du hast ihn sogar von sich selbst isoliert. Weshalb? Sollte er Dir in die Finsternis folgen, damit Du dort nicht alleine bist? War das Dein Wunsch? Dunwin hatte genau jenen Wunsch, sein Leid hat er weitergegeben. Ein Magier hat ihn gequält, also quälte er Magier. Warum nahm er sich denn nicht "den Magier" vor? Er lebte noch, er war ganz in der Nähe. Aber nein, an Alastair traute er sich nicht heran, er umwinselte ihn wie ein Straßenköter der nach Essen bettelt. Er hudelte um seine Zuneigung, die es nie für einen Purie geben würde. Gleich wie sehr er uns misshandelte, dadurch wurde er nicht mit anderen Augen gesehen. Mein Verbrechen Vendelin? Wohl kaum. Was war Deines denn?


    Bovier? Die Agentensöhne Bellamy und Boldiszar heißen ebenfalls Bovier. Du bist einer von ihnen. Halb Lotos, halb Agent, halb Ainuwarpriester, halb Beißer. Du tanzt auf sehr vielen Hochzeiten Vanja und Du sitzt zwischen mehr als zwei Stühlen. Ich verurteile Dich nicht und ich verabscheue nicht eine ganze Familie, ich verabscheue einzelne Personen.


    Wie sieht der Ausweg aus dem Dillema aus Vanja? Was sollen wir tun?", fragte Dave ruhig.