Feinde an einem Tisch
Vanja war viele Stunden unterwegs gewesen. Er stank, war nass vom Spritzwasser der Schifffahrt und war hungrig und müde. Für heute würde er Feierabend machen und sich morgen um die geplante Aussprache von Davard und Vendelin kümmern. Doch als er den Dreiseitenhof betreten wollte, staunte er nicht schlecht. Vor dem Tor stand Vendelin und blickte es mit undurchdringlicher Miene an. Das gab es doch nicht!
"Timo", grüßte Vanja ihn mit seinem Tarnnamen, worauf sein Halbbruder sich herumdrehte, offensichtlich überrascht.
"Syrell", grüßte er zurück, wobei er etwas langsamer sprach als sonst. "Wohnt ihr zu dritt in diesem Haus?"
"Zu viert. Es trifft sich gut, dass du hier bist, vermutlich bist du das nicht zufällig. Bitte folge mir hinein."
"Allerdings nicht. Wer ist drinnen noch alles?", fragte Vendelin misstrauisch.
"Du kennst sie alle. Garlyn, Vittorio, Davard und ich."
Vendelin starrte ihn einen moment an. "Vier Leute? Zwei davon keine Ordensmitglieder? Nicht zu fassen", meinte er und schüttelte den Kopf. "Das wird ein Nachspiel für Vittorio haben. Dieses Haus ist Ordenseigentum, es gehört mir!"
"Ich glaube, Meq zahlt ihm sogar Miete an Vittorio", petzte Vanja vergnügt und schloss auf. "Nach dir, Bruder."
Wenig später standen Vanja und Vendelin in der Tür der Wohnstube, wo die anderen am Tisch saßen. Vittorio konnte eine Gesichtsentgleisung nicht verhindern. Er stand sofort auf und begann, weit weg von Meqdarhan, frischen Kaffee aufzusetzen. Vanja wurde erst jetzt bewusst, dass sich soeben nicht nur die beiden Todfeinde Vendelin und Davard gegenübersitzen würden, sondern auch die beiden Geliebten von Vittorio - die beide nichts von der Rolle des anderen wussten. Vanjas Augen wanderten jedoch nicht zu ihnen, sondern zu Davard. Auch Vendelin fixierte den Geistmagier mit seinem Blick.