Kapitel 15 - Nach dem Biss

  • Nach dem Biss

    "Ich liebe dich auch, Hector." Kakko hielt ihn all die Zeit über fest. Tränen kullerten hin und wieder seine Wangen hinab, die er nicht wegwischte, weil er mit beiden Händen seinen Ziehvater hielt, bis dieser endlich wieder Lebenszeichen zeigte. "Dem Ältesten sei Dank!" Kakko drückte Hector vorsichtig, als dieser sich zurück ins Bewusstsein kämpfte, er rubbelte ihm die Glieder, um seinen Kreislauf wieder in Gang zu bringen. "Wie geht es dir, von der Bisswunde abgesehen? Was ist denn passiert? Ich dachte, du willst ihn in eine Falle locken. Bist du nun ein Vampir? Benötigst du Blut?"


    Da endlich die Nacht hereingebrochen war und draußen die Stimmen ihrer Freunde zu hören waren, brachte Kakko die Versiegelung zum Einsturz. Die Steine kullerten davon, die Öffnung des Baum wurde wieder frei. Er schob den Rest mit den Füßen und Händen nach draußen.

  • Hector stupste Kakko an und rieb sich mit den Krallen über das Gesicht.


    "Ich... ich weiß es nicht. Der Schatten sagte, dass sich die Gabe nicht in einem festsetzt, solange man kein Blut getrunken hat. Solange dies nicht geschehen ist, wäre der Vampirismus auch noch heilbar von einem Priester oder Vitalismagier vermutlich. Aber ich kenne keine Person, die mich heilen könnte oder würde. Es spielt auch keine Rolle, ich werde trinken und die dunkle Gabe annehmen. Die Heilung könnte mein Ende bedeuten, die Gabe verheißt einen neuen Anfang. Als Vampir hat man alle Zeit der Welt, nicht wahr? Und ich benötige Zeit. Dass kann ich nicht so stehen lassen.


    Tekuro und ich wollten uns vergnügen. Zuerst hat er sich total seltsam verhalten, was mich veranlasste ihn zu provozieren. Hat funktioniert, sogar zu gut. Ich habe ihn derart in Rage gebracht, dass er mich gepattet und gebissen hat! Er hat mich nicht nur gebissen, er hat mich gezeichnet! Guck Dir den Scheißbiss doch an!", fauchte Hector und presste dann die Lippen aufeinander.


    "Tut mir leid, ich wollte Dich nicht anfauchen, oder so rumschreien. Hör zu Kakko, dass was ich Dir sagte bevor ich ging, war die reine Wahrheit. Ich habe nicht damit gerechnet, es Dir jemals sagen zu müssen. Aber wir beide haben uns damit alles gesagt, was es zwischen uns zu sagen gibt. Du hast gehört was ich für Dich empfinde, vielleicht sogar mehr. Keine Ahnung was ich geredet habe, als ich die Besinnung verlor.


    Du bist für mich mein Sohn, Du warst es immer Mäusezahn.


    Er hat rechtmäßig gewonnen, er hat mich besiegt, er hat mich gezeichnet und er hat mich zur Flucht gezwungen. Vom Jäger zur Beute, von der Beute zum Sklaven. Soll ich vor ihm niederknien und ihm dienen? Dachte er sich das so? Da hat er falsch gedacht. Ich werde dieses Status nicht anerkennen! Ich will ihn nicht anerkennen Kakko.


    Zudem unter uns beiden, es ist bei Todesstrafe verboten einen Bruder oder eine Schwester zu meucheln. Er hat mich gemeuchelt auf Befehl von Archibald hin. Und wenn ich nachdenke schießen mir tausend Fragen durch den Kopf", sagte Hector und hockte sich ganz nah vor Kakko.


    "Er war nur der Bote meines Vaters nicht wahr? Die Idee stammt nicht von Tekuro. Ich werde Dir meine Gedanken verraten, auch wenn sie lästerlich sind", flüsterte das Grauen.


    "Mein Ziel war es, Dir einen Gefallen zu erweisen Kakko. Mein Ziel hat sich etwas gewandelt, ich werde Dich in Sicherheit bringen vor diesem.... ganzen Irrsinn! Ein Rückblick auf mein Leben.


    Ich wurde in Gewalt gezeugt, meine Mutter lebte in Ketten bis ich geboren wurde. Ich kam auf die Welt und mein Vater übergab mich der Baronin. Mein Leben war noch vor meiner eigentlichen Zeugung vorherbestimmt. Ich wurde von der Baronin aufgezogen, von kleinauf war der Zirkel und seine Dogmen meine Welt.


    Als Säugling trank ich Milch mit Blut, sobald ich essen konnte Fleisch und bekam das dazu, was man als Mensch runterwürgen muss um erwachsen zu werden. Je größer ich wurde, je weniger aß ich von dem grünen Abfall bis ich es fast vollständig einstellen konnte. Was ich aß, aß ich roh und frisch. Ich war nie ein Kadaverfresser, ich wurde mit dem besten Futter versorgt.


    Um meiner Selbstwillen? Wohl kaum, denn mein Vater hatte mich so gesehen dem Zirkel und diesem Leben übereignet. Mit 14 Jahren tötete ich völlig allein mein erstes Opfer und verdiente mir die Zähne. Vorher war ich oft auf der Jagd dabei. Mit 18 Jahren zeugte ich mein ersten Sohn und mit 19 Jahren wurde ich dem Ältesten geweiht.


    Geweiht.... Genau genommen hat er mich als sein Eigentum markiert und zu seinem Werkzeug gemacht. Einer Person, einem Ding mit Funktion. Die Weihe ist eine Mischung aus Akt, Tätowierung und Folter. Viele überleben sie nicht und Du kannst Dir vorstellen, was es heißt, wenn sie einer von uns nicht überlebt. Eine Person die von kleinauf lernte zu kämpfen und Schmerzen zu ertragen. Ich habe es Tekuro nicht verraten, aber Dir sage ich es. Ein Teil der Farbe ist Asche, sie gehörte Jannik.


    Ich empfand all das als Ehre und trug die Zeichen mit Würde. Im Moment fühle ich mich nur noch von allen verraten, vom Ältesten, vom Zirkel, von meinem Vater nur von Dir nicht Kakko. Von Dir als Einzigem nicht...


    Was wäre wenn der Wächter die Artefaktkammern leerräumt und den Zirkel auslöscht? Was wäre dann? Was wäre, wenn ich seine Artefakte in einen Tempel des Lichts trage? Oder zu dem Princen, der ihm schon einmal die Stirn bot? Was ist, wenn ich das verbotene Schwert Schattenschlinger an mich nehmen würde und es für mich beanspruche oder aus der Hand gebe? Was wäre dann? Was?


    Ich habe dem Ältesten und dem Zirkel alles gegeben Kakko, mein Leben, meine Fähigkeiten sogar meine Kinder. Nur eine Sekunde hätte ich seinen Schutz gebraucht, aber er war nicht da. Er schickte einen der seinen, als alles vorbei gewesen ist. Als die Schlacht bereits verloren war.


    Ich weiß das erste Mal in meinem Leben nicht, was ich tun soll. All mein Wissen und all meine Entscheidungen beruhen auf der Lehre des Zirkels. Und ich fühle mich gerade so, als wäre ich nichts weiter als eine weitere Waffe in deren Arsenal. Die haben mich in den Arsch getreten und es war allen gleich. Fast allen, Du bist hier", wisperte Hector.


    Das Grauen schaute sich besorgt um und rutschte noch ein Stück näher, wenn das überhaupt möglich war.

    "Erzähle niemandem von dem Biss. Hast Du einen Schal? Niemand soll die Markierung sehen", murrte er leise.

  • Kakko umarmte ihn noch fester und drückte seinem Ziehvater ein Küsschen auf die kalte Stirn. "Mein Schal ist hier." Er drückte ihm Hector in die Hand, ehe er ihn weiter festhielt. "Niemand wird es von mir erfahren, das schwöre ich. Und Tekuro und Archibald können es nicht rumerzählen, ohne als Beißermörder dazustehen. Dass die Tätowierung ... dass sie Janniks Asche ... es hört sich an wie Hohn. Ein Zeichen deiner Schwäche, des einzigen großen Fehlers, den du je begangen hast und du trägst die Zeichen der Schande für immer unter deiner Haut. Sie zeichneten dich längst, bevor Tekuro es tat. Und wie sie es taten ... das ist abscheulich, kein Beißer verdient es, so behandelt zu werden. Du bist ein Wächter und ein Älterer! Nach dem Gesetz des Zirkels dürfen sie das nicht!"


    Er streichelte fest Hectors Arme, um ihn ein wenig zu beruhigten.


    "Dass du so lieb von mir sprichst, das bedeutet mir sehr viel", sagte er ganz leise. "Als du so reglos da lagst, dachte ich im ersten Moment, du seist für immer von mir gegangen. Ich war nicht mutig, als ich dich hierher brachte ... ich wollte nur meinen Papa nicht verlieren."


    Kakko musste sehr mit den Tränen kämpfen, ehe er den Kampf verlor. Heiße Tränen kullerten in Hectors Haar.


    "Wenn du Blut brauchst", schniefte er, "helfe ich, dir welches zu besorgen. Notfalls trink von mir, aber bitte verlass mich nicht! Mir ist egal, was mit dem vermaledeiten Zirkel geschieht, ohne dich ist er nur ein Ort wie jeder andere. Ich bleibe bei dir, ganz gleich, welchen Weg du einschlägst und wenn du dem Ältesten persönlich den Krieg erklärst! Bilde mich zum Schwertmeister aus, Papa. Ich will nie wieder faul sein. Nie wieder so nutzlos und hilflos wie heute. Von heute an will ich ein Jäger werden!"

  • Hector lächelte sein Haifischgrinsen und wischte Kakko die heißen Tränen fort.


    "Ach Kakko, man streitet sich doch nur mit den Leuten die einem was bedeuten. Denn damit kämpft man darum, mit ihnen auszukommen und zeitgleich sie festzuhalten. Ich war fort, der Sog riss mich weg und ich kann Dir nicht einmal sagen was genau er war. Ich war drüben.... und dann riss es mich zurück hierher.


    Deine Worte bedeuten mir genauso viel Kleiner, ob aus Mut oder aus Angst letztendlich bist Du aus Liebe geblieben. Und das ist alles was zählt. Ich werde Dich niemals freiwillig verlassen und niemand wird Dich holen, dass solltest Du wissen. Ich habe seit dem ersten Tag wo Du mein Mündel warst, auf Dich Acht gegeben. Auf meine Weise natürlich, so dass ich mich als Du noch klein und eine halbe Portion warst, von Dir ferngehalten habe. Und hatte ich Dich mal für einen winzigen Augenblick auf den Arm, dann habe ich niemals mit Dir gesprochen. Du hast keine Vorstellung davon, wie oft ich Verspannungen im Kiefer wegen Dir hatte, aber lieber Verspannungen als... Du verstehst schon.


    Was die Asche angeht, war es kein Hohn, es war vielmehr so, dass Jannik für den Zirkel starb. Er fiel durch meine Zähne. Eine Bedingung für einen Wächter, Du musst jemanden der Dir nahesteht ermordet haben. Du musst Dich von einer Person freigemacht haben und dennoch an sie gebunden sein.


    Rückblickend betrachtet hast Du Recht, es ist Hohn und eine Fessel. Ich werde diesen Fehler kein zweites Mal begehen, auch nicht, wenn Du mir Dein Blut anbietest. Ich werde trinken und beim Abgrund ich habe Hunger der nicht mehr heilig ist. Aber ich werde Dich nicht beißen.


    Archibald hat sich doch gewünscht, dass ich ein Vampir werde nicht wahr?

    Er sagte ich wäre sein Baby und er wollte mich nicht verlieren.

    Verständlich. Nachvollziehbar.


    Er möchte doch sicher auch nicht seinen lieben Nathan verlieren. Da werde ich gleich helfen, damit er sich dort keine Sorgen mehr machen muss. Nathan der ewige Sänger, wobei ich fast Mitleid mit Nathan habe. Ein Leben lang Archi am Arsch. Aber wir lassen uns nicht von solchen Gefühlsduseleien leiten, er wollte Krieg, er bekommt ihn", zischte Hector mit seiner heiseren Stimme.


    Einen Augenblick später schaute er Kakko milde und liebevoll an.


    "Wenn Du das ernst meinst Kakko, werde ich Dich nach besten Wissen und Gewissen ausbilden. Ich werde Dich zu einem absolut tödlichen Kämpfer ausbilden. Die erste Pflicht die Du lernen musst ist, höre mir ganz genau zu. Wortwörtlich. Du wirst jede Übung die ich Dir beibringe mit Perfektion ausführen. Gleich wie langsam Du sie durchführen musst, Du wirst sauber und einwandfrei arbeiten. Schnelligkeit kommt von allein, Unsauberkeit ist der Tod. Mein Jian gehört Dir", raunte er seinem Küken zu und kratzte ihm das Kinn.

  • "Aber mit welcher Waffe willst du dann kämpfen?", fragte Kakko erschrocken. "Du kannst mir dieses Schwert nicht schenken, ich brauche ein anderes, du bist perfekt mit dieser Waffe, als wäre sie dein Arm.


    Ja, ich will es wirklich, ich war lange genug ein Parasit in deiner Haut. Wie auch immer die Ausbildung aussehen wird, ich werde sie durchstehen. Du hast mein Leben lang auf mich aufgepasst, nun will ich dich auch schützen können und das werde ich!


    Nathan wird also unser erstes Ziel. Das ist einfach - er ist schließlich hier! Er ist da draußen bei Arbogast."

  • "Ich werde es Dir aushändigen, sobald ich seinen Nachfolger in Händen halte Kakko. Mach Dir darum keine Sorgen. Auch wenn ich es noch führe, gehört das Jian Dir. Du warst kein Parasit, dass hätte ich Dir schon zu verstehen gegeben, hätte ich so empfunden. Du warst und bist mein Kind. Ob sich die anderen darüber lustig machen oder meinten ich würde Dich verzärteln, ist mir gleich. Jeder erzieht seine Kinder anders. Und sind wir beide ehrlich, durch Deine "Hilfslosigkeit" bist Du mir geblieben. Die anderen sind fort, auch wenn ich sie liebe, ich könnte ihnen nicht sagen was ich Dir anvertraut habe. Nun bis vor dem Biss hätte man mir so etwas auch nicht anvertrauen können, dass gebe ich Dir gegenüber zu.


    Die Ausbildung ist ganzheitlich, Überleben, Verteidigung und Angriff. Genau in der Reihenfolge. Einiges habe ich Dir beigebracht Kakko, denk an die Warnung Schiffe betreffend. Oder andere Warnungen die man ausspricht, damit sich das Kind nicht verletzt. All das gehört zur Ausbildung dazu. Falls Du die Ausbildung an der Waffe meinst, sie wird lang, hart und wenn Du mit der richtigen Einstellung herangehst, wird sie Dir Spaß machen. Niederlagen kassieren ohne Ende und Dich über jeden Fortschritt freuen. Niederlagen gegen Dich selbst, ich bin nicht dazu da, Dir zu zeigen dass ich besser bin. Das wissen wir beide, sonst wäre ich nicht Meister und Du Schüler. Ich bilde Dich aus, korrigiere Dich und leite Dich an.


    Das Training betrifft aber nicht nur den Umgang mit der Waffe, sondern auch mit Deinem Körper. Du musst fit, gelenkig und schnell sein. Also werden wir auch dabei trainieren. Das erste was Du lernst und gar nicht so Schweißtreibend ist, sind Dehnungsübungen. Zweck Bewegungen auszuführen, die andere nicht beherrschen. Und Du wirst Dich jeden Morgen aufwärmen, wie als ob ein Kampf ansteht, könnte sein es ist so.


    Und eines Tages wirst Du den Meistertitel tragen und Dein Küken mit unserer Lehre ausbilden. Das wäre mein Wunsch. Lass uns zu Nathan gehen, ich kann nicht länger warten, gehe versetzt hinter mir Kakko", bat Hector.


    Er schlang sich fest den Schal um den Hals und zog die Kleidung eng um sich. Seine eigene würde er im Lager anziehen und den Schal belassen wo er war. Hector kroch aus dem Baumstumpf wie ein frischgeborenes Wesen und schaute sich unsicher um. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl Kirimar zu begegnen. Früher hatte er ihm vertraut, aber jetzt? Nun jetzt war alles anders.


    Er führte Kakko zurück Richtung Lager, seine Sinne waren scharf wie zu alten Zeiten, sogar schärfer wenn er sich nicht täuschte. Als sie das Lager fast erreicht hatten, kamen ihnen Arbogast und Kirimar entgegen. Arbo schaute sie mit blutunterlaufenen Augen an, während Kirimar erleichtert aufatmete und langsam den Kopf schüttelte.


    "Da seid Ihr ja! Dem Ältesten sei Dank!", sagte der Halbalb.

    Hector schenkte ihm ein Schmunzeln und nickte knapp.


    "Es war eine verdammt harte Nacht, aber nicht was Du denkst. Ich hätte auf Dich hören sollen", antwortete Hector und ging zu dem Haufen seiner Kleidung. Langsam zog er die Klamotten von Kakko aus und die eigenen wieder an. Dabei beobachtete ihn Kirimar mit Argusaugen, verlor aber keinen Ton über die Schrammen und Wunden. Hector war dankbar darum.


    "Nathan?", sagte das Grauen freundlich, "komm mal bitte her".

  • "Du siehst gar nicht gut aus", jammerte Nathan und kam mit besorgtem Blick und völlig ohne Scheu näher. "Bist du verletzt? Tekuro ist manchmal nicht sehr charmant, ich hätte dich warnen sollen! Wie gedankenlos von mir, ich hoffe, es geht dir bald wieder gut. Sollten wir besser einen Heiler aufsuchen?"

  • Hector starrte Nathan an, blinzelte in Zeitlupe und räusperte sich. Wie konnte man nur so unbedarft, hilflos und hilfsbereit sein? Und Nathan meinte das Angebot auch noch tatsächlich ernst. Hector wusste dass er wirklich krank sein musste, denn er verspürte das erste Mal im Leben so etwas wie Beißhemmung.


    "Sekunde Nathan, ich muss... beim Abrund wo ist der Opak", flehte Hector die Umstehenden an.

    "Hier ist er, was ist denn nun los? Kakko?", fragte Kirimar und zuckte mit den Schultern.


    "Gleich Kiri. Kakko und ich müssen etwas herausfinden", erklärte das Grauen, zückte eines seiner Wurfmesser und schnitt sich in die Hand. Mit dem Blut rieb er den Opak ein und hielt ihn in die Höhe.


    "Wo ist mein Blut? Archi ist doch sicher in der Nähe", zischte Hector leise.


    Das Grauen hielt den Lichtlosen fest in seinen Klauen und ein Stück weit von sich gestreckt. Ganz langsam drehte er sich einmal im Kreis. Schlagartig blieb Hector vor Arbogast stehen. Sein Blick fiel auf den schwarzen, matten Opak und hob sich dann langsam Richtung Arbogast.


    Der Opak blieb stumm.

    Keine Zeichen, kein Hinweis, der Mann auf den das Artefakt deutete war kein Mitglied seiner Familie.

    Arbogast war nicht von seinem Blut.


    Innerhalb eines Sekundenbruchteils ließ Hector den Opak fallen und hatte das Jian herausgerissen. Arbogast stürzte in der selben Sekunde wie von tausend Düsterlingen gehetzt los in den Wald hinein. Hector mit blanker Waffe direkt auf den Fersen.

  • Nathan und Kakko schrien beide zeitgleich erschrocken auf. "Arbo ist auch ein Kuckuck", rief Kakko fassungslos, während Nathan sich fast besinnungslos schrie. Da entdeckte Kakko, dass der Opak keineswegs dunkel blieb. "DA", kreischte er und zeigte mit dem Finger auf die Kugel. "HECTOR, da! Der Opak spricht zu uns in seiner Lichtsprache!" Ein leuchtender Punkt offenbarte, dass Archibald sich ganz in der Nähe befinden musste. Mehr noch - er raste auf Hector zu. "ER KOMMT!"

  • Kirimar rannte Arbogast und Hector hinterher.


    "Hec verdammt warte!", brüllte Kiri und sprang über Baumstümpfe und umgestürzte Bäume, während Hector vor ihm den gleichen Hindernislauf in wesentlich schnellerer Geschwindigkeit absolvierte. Getoppt wurde das nur von Arbogast, der wortwörtlich um sein Leben rannte.


    Hector bremste schlagartig ab, als er Kakkos Ruf hörte und blieb in Kampfpose stehen. Kiri musste mit mehreren Ausfallschritten ausweichen, um nicht in seinen Gefährten zu prallen. Er stellte sich versetzt Rücken an Rücken mit Hector und schaute sich um.


    "Was ist hier los?", fragte Kiri stinksauer.

    "Mein Vater hat sein Kopf durchgesetzt, ich bin ein Vampir. Jedenfalls fast", antwortete Hector und schaute sich nach Archi um.


    Lieblich kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und murmelte lautlose Flüche, während er ebenfalls das Unterholz und Dickicht absuchte.

  • Ein schwarzer Ball schoss durch die Baumkronen wie ein vom Himmel stürzender Komet. Er begann sich noch im Fall zu verformen, erinnerte kurz an ein wucherndes Geschwür, dann an eine grässliche kleinwüchsige Missgeburt, als er auf dem Boden landete. Das Wesen lag auf dem Weg, den Arbogast genommen hatte. Es stöhnte wie unter großen Schmerzen und blieb sich windend am Boden liegen. Ein Bein wackelte, als würde die Kreatur Schwung holen, um sich umdrehen zu können.


    "Archibald?", fragte Kakko.

  • Ganz vorsichtig rückten Hector und Kirimar näher heran und starrten die Kreatur an.


    "Die das einer der Schatten?", wisperte Kiri und stupste es mit der Stiefelspitze an.

    "Nein. Das Ding sieht aus wie verdreht. Gleich wie es aussieht", sagte Hector und witterte in die Richtung von dem verformten Flugzwerg. Eine Sekunde später machte er einen gewaltigen Satz nach hinten und packte sein Schwert mit beiden Händen.


    "TEKURO!", zischte er derart bedrohlich, dass auch Kirimar sofort in Abwehrhaltung ging. Jedenfalls hoffte Hector, dass er bedrohlich geklungen hatte. Falls nicht würde er vermutlich gleich durch den Wald geprügelt, aber da hatte er auch noch ein Wort mitzureden. Hoffte er jedenfalls.


    "Das ist Tekuro? Beim Abgrund, was ist mit dem Kerl geschehen, was hast Du mit ihm gemacht?", stöhnte Kiri.

    "Ich mit ihm? Nichts!", fauchte Hector.

  • Das Wesen schaffte es endlich, sich auf den Bauch zu drehen. Es schien zu pumpen, als es weiter wuchs und endlich die Gestalt eines Mannes annahm, der unverkennbar starke Schmerzen litt, auch wenn er feindselig in Hectors Augen starrte. Seinen rechten Arm hielt er angewinkelt fest an den Körper gepresst. Darunter lagen drei gebrochene Rippen, die jeden Atemzug zur Tortur machten.


    "Hallo, Sklave", sagte er keuchend und zog seine Mundwinkel zu einem zahnlosen Grinsen auseinander. "Du leistest deinem Alben ab sofort Gesellschaft, was euren Stand betrifft. Sehr schön. Zwei Sklaven sind besser als einer. Ihr werdet mir dienen und ich benötige Blut. Nehmt die Waffe und ritzt euch an, ich will trinken."

    "Not all those who wander are lost."
    J.R.R. Tolkien

  • Kakkos Tipp war gut, doch leider kam er zu spät. Da stand der Skorpion schon in voller Gestalt vor ihm.


    "Wie redest Du mit Älteren?", drohte Kirimar und richtete sein Schwert auf Tekuro aus.

    "Verzieh Dich und nimm Kakko mit", sagte Hector und ließ sein Schwert sinken.


    Lieblichs Augen zuckten für einen Sekundenbruchteil zu Hector, ehe er sofort wieder Tekuro fixierte. Was er da sah konnte er nicht glauben. Was war zwischen den beiden los? Was war geschehen? Im gleichen Moment drehte sich Hector um und schleuderte sein Schwert. Das Jian überschlug sich mehrfach und grub sich dann mit der Klinge voran vor Kakko in den Boden. Zitternd blieb die Waffe stecken, der Griff nur Millimeter von Kakkos Hand entfernt.


    "Das ist eine Sache zwischen Dir und mir Tekuro", sagte Hector und drückte Kirimar nach hinten.


    Lieblich verstand den Wink und rückte mit einer Miene ab, die deutlich machte was er von dem Befehl hielt. Er zog sich zu Kakko zurück und deutete auf das Schwert, damit der Junge die Waffe ergriff. Hector wartete einen Augenblick, dann schaute er Tekuro genau in die Augen.


    "Du hast was Du wolltest, sprich mich nie wieder so an. Ich bin nicht Dein Sklave", zischte das Grauen und fühlte dabei wie die Bisswunde in seinem Hals brannte, als wollte sie seine Worte Lügen strafen.

  • "Doch, das bist du, das wissen wir beide. Ich habe dich besiegt und rechtmäßig als den meinen markiert. Du wirst mir dienen und da der Alb bereits dein Sklave ist, bin ich so freundlich, euch nicht zu trennen. Ihr dürft mir beide dienen."


    Tekuro gab ein keuchendes Geräusch von sich und nur anhand seiner verzerrten Mundwinkel war zu sehen, dass es ein Lachen sein sollte. Er hoffte, Arbogast würde die ganze Zeit über rennen und seinen dürren Arsch außer Reichweite bringen.

    "Not all those who wander are lost."
    J.R.R. Tolkien

  • Kakko zog das Jian aus der Erde. Wenn er nur damit umgehen könnte! Einen Augenblick überlegte er, Tekuro trotzdem damit anzugreifen, doch im schlimmsten Fall nahm dieser ihm die wertvolle Waffe ab und verwendete sie selbst.

  • "Du hast mich rechtmäßig besiegt und gezeichnet, bis dato gebe ich Dir noch Recht. Allerdings hast Du mich ermordet, Du hast einen Bruder des Zirkels getötet. Darauf steht der Tod, denn meiner war wohl kaum von der Baronin angeordnet, oder vom Ältesten. Archibalds Wahn-Wünsche spielen hier keine Rolle. Also sollten wir das hier klären, in Ruhe.


    Kirimar ist nicht mein Sklave, er war mein Gefährte. Er ist ein freier Beißer, ein Älterer zudem der sich vor Jahrzehnten die Zähne verdient hat. Wie kommst Du darauf, dass er mein Sklave wäre? Geht es Dir nicht gut? Du hast mich gebissen, also was geschieht als nächstes mit mir? Erzähl", verlangte Hector zu wissen und hoffte dass Kakko sich auf sein Pferd schwingen würde um mit Kirimar abzurücken.


    Arbogast nutzte die Chance die ihm Tekuro gewährte. Er hatte kaum etwas mitbekommen, aber nur Teku konnte es gewesen sein. Der Mann der sich Arbogast nannte, aber Lucio der Lotos war, rannte um sein Leben. Niemals zuvor hatte er eine derartige Todesangst verspürt. Keiner wusste besser, was es hieß, in die Fänge eines Beißers zu gelangen. Er hatte Jahrzehnte sein Leben ihrem Studium gewidmet um sie irgendwann vernichten zu können. Und nun war das wahrhaftige Grauen hinter ihm her. Arbo rannte bis seine Beine, seine Lunge und sein Herz brannten und er rannte noch wesentlich weiter.

  • "Und du hast mich bis aufs Blut provoziert und meinen Vater aufs Schlimmste geschmäht. Das war ein Duell und dass es auf Leben und Tod stattfinden sollte, hast du selber vorgeschlagen. Das vergiss mal nicht. Ab dato hatte der Kampf für mich begonnen und alles, was ich danach sagte, war Teil davon. Auch meine Lügen. Du bist ein Schwein und verdienst nicht die Unsterblichkeit. Ginge es nach mir, hätte ich dich ausgesaugt zu einer vertrockneten Hülle und mir alsdann Kirimar geschnappt und ihn als meinen Lustknaben ausgebildet. Nur weil ich Archibald mag werdet ihr beide nun meine Lustknaben sein. Die hässlichsten in meiner Sammlung."

    "Not all those who wander are lost."
    J.R.R. Tolkien

  • "Zwing mich dazu, ich will Deine Unsterblichkeit nicht. Ich wollte sie nie, Du hast mir etwas aufgezwungen was alles andere zu nichte gemacht hat. Einschließlich meinem gesamten Leben. Das was wir vorher hatten war nichts weiter als Balzen und Bumsen, dass vergiss Du mal nicht! Nicht mehr und nicht weniger sollte es sein, aber Du hast Dich nicht an die Regeln gehalten. Und von Optik müssen wir beide wohl nicht sprechen, kein Spiegel Zuhause?", ranzte Hector zurück.


    "Ich drehe mich jetzt um und gehe, Du kannst mich dabei gerne am Arsch lecken!", giftete das Grauen und tat genau das. Natürlich ging er so, dass er Tekuro noch hören könnte. Was immer der Kerl vorhatte, helfen wollte er ihm auf keine Weise, nicht mal mit einer beschissenen Antwort.