Kapitel 32 - Vater Sohn Gespräch

  • Kapitel 32 - Vater Sohn Gespräch


    Fabien wartete einen Augenblick, Ciel wurde abgeführt und in den Kerker verbracht. Horatio den er bis dato für eine mystische Gestalt gehalten hatte, war leibhaftig im Thronsaal erschienen. Er hatte Ciel und einen fremden jungen Mann dabei. Nun war Ciel fort, Horatio ebenfalls und zurück blieb ein verdutzt aussehender Fremder. Fabien legte Maximilien eine Hand auf die Schulter und beugte sich zu dessen Ohr.


    "Eure Majestät, auf ein Wort bitte", bat Fabien ergeben.

    "Wir erklären die Audienz für beendet und ziehen uns zurück", erklärte Maximilien fürs Protokoll und zog sich in seine Amtsräume hinter dem Thronsaal zurück, gefolgt von seinem Leibdiener.


    Fabien nahm dem Duc das Ornat ab und brachte es in die dafür vorgesehene Kammer, so dass er mit Maximilien sprechen konnte. Sie beide nahmen an Schreibtisch von Max Platz. Fabien überlegte wie er beginnen sollte, entschied sich aber dann dafür, direkt und offen zu reden.


    "Max ich weiß wie sehr Du Deine Kinder liebst, deshalb höre mir bitte zu. Falls Du keine Möglichkeit hast Ciel zu rehabilitieren oder ihm Absolution zu erteilen, richte ihn nicht hin. Du wirst damit einen Teil von Dir selbst hinrichten. Faktisch da er Dein Sohn ist, aber auch vom Gefühl her. Du willst Deinen Sohn nicht tot sehen, dass weiß ich. Ich kenne Dich über zwei Jahrzehnte, wir kennen uns in- und auswendig. Du bist wütend, Du bist verletzt und Du bist stinksauer. All das verstehe ich, aber bitte entscheide nichts, was Du später bereust. Du wirst Dir das ein Leben lang vorhalten. Ich persönlich glaube nicht, dass Ciel Dich verraten wollte. Was immer er wirklich wollte, er war davon felsenfest überzeugt. Ciel hätte sich niemals gegen Dich gewandt. Vermutlich wolllte er Dich sogar retten und wenn Du ehrlich zu Dir bist, so etwas hat er auch draußen im Hof gesagt.


    Das er dort mit einer Armee aus Magiern aufmarschiert ist, war nicht gerade das, was man als Vater gerne sehen möchte. Die Frage ist aber, stand die Armee dort um Dich zu verteidigen, Dich zu retten oder Dich zu vernichten? Er hat keinen Angriff befohlen, den hast Du befohlen. Am liebsten hätte ich Euch beide gepackt und geschüttelt.


    Also bitte ich Dich, falls es keine Möglichkeit gibt, dass Ihr Euch einigt, verurteile ihn zum gleichen Schicksal wie seine Männer. Schick alle in die Verbannung oder keinen. Ich maß mir nicht an, den Duc anzuzweifeln, aber ich nehme mir heraus meinem Freund und Gefährten einen gut gemeinten und liebevollen Rat zu geben. Rede ein letztes Mal mit ihm Max. Dabei vergibst Du Dir nichts, redet privat und nicht im Thronsaal. Überzeugt er Dich nicht, dann kannst Du ihn immer noch in die Verbannung schicken. Nur töte ihn nicht, es sind an dem Tag bereits genug unserer Leute gestorben. Das hast Du selbst gesagt. Also ein letztes Mal reden?", bot Fabien an.


    Maximilien nickte knapp und drückte Fabien kurz.

    "Ein letztes Mal reden", stimmte er zu.


    Fabien nickte ebenso, ging vor die Tür und gab den Wachen bescheid, dass sie Ciel in das Gemach vom Duc bringen sollten. Der Prince wurde einige Augenblicke später von zwei Leibgardisten aus seiner Zelle geholt und in die privaten Gemächer des Duc geführt. Fabien und Maximilien hatten sich selbst dort eingefunden.


    "Eure Majestät, der Gefangene", sagte der Gardist. Er konnte es sich gerade noch verkneifen, nicht Euer Sohn zu sagen.

    "Danke. Tritt ein Ciel", sagte Maximilien.

  • Ciel hatte die Kleidung am Leib behalten dürfen, in der er aufgebrochen war, um Souvagne zu retten. Die Spuren von Dunwolfs schwarzem Schleim waren vernichtet, doch der Stoff war ausgefranst und schmutzig. Nun sah Ciel wahrlich aus wie ein Pirat, seit er Gefallen an der legeren Mode der souvagnischen Seeleute gefunden hatte mit ihren Pluderhosen und weiten Hemden. Sogar den schmuddeligen Eindruck hatte er nun dazugewonnen. Das Kopftuch, das Davet ihm einst geschenkt hatte, verdeckte seine vollständige Glatze, aber nicht das Fehlen seiner Brauen, Wimpern und Barthaare. Blass, haarlos und schmal stand Ciel vor Maximilien, er hatte nicht eine Minute geschlafen.


    Von der Sache her war es gut, dass sein ehemaliger Vater ihn privat sprechen wollte, denn so sprach er nicht als Träger der Souvagnischen Krone. Auf der anderen Seite machte Ciel das auch Angst. Ein letztes Gespräch im Vertrauen vor Sonnenaufgang?


    "Maximilien." In seiner Hilflosigkeit verneigte Ciel sich, auch wenn Horatio ihm etwas anderes geraten hatte. In seinem Kopf hallten noch immer die Worte, die ihn als Sohn ablehnten und so wagte er nicht, sich darüber hinwegzuheben. Seine Kehle war trocken und das Schlucken fiel ihm schwer. "Könnte ich bitte etwas zu trinken haben?", bat er.

  • "Du - nun ehrlich gesagt wir verdanken es Fabien, dass wir ein letztes Mal miteinander reden. Ein Versuch zu retten, was im Moment nicht mehr zu retten scheint. Aber auch für den Fall, hat er eine andere Lösung vorgeschlagen, der ich im schlimmsten Fall nachkommen werde.


    Fangen wir von vorne an. Weshalb bist Du mit dem Himmelsaugen und Bluthexern im Palast aufmarschiert?

    Du hättest Dir denken können, was ich dabei empfinde. Falls nicht, stell Dir vor ich wäre Dir so entgegen gekommen. Was wäre Deine Reaktion gewesen? Was hättest Du gefühlt? Hättest Du Dich nicht ebenso verraten gefühlt? Aber bevor ich zuviel vorweg nehme, möchte ich Deine Sicht der Dinge hören", erklärte Max und deutete Ciel an sich zu setzen.


    Fabien stellte beiden einen Tee und etwas Gebäck hin, in der Hoffnung das würde die Situation zusätzlich etwas entspannen. So stellte er sich auch nicht wie üblich hinter Maximilien, sondern blieb mittig stehen, falls einer der beiden einen Wunsch hatte. Verbindend, nicht trennend, so wollte er wirken.

  • Ciel trank einen Schluck. Als er die Tasse wieder hinstellte und nach einem Keks griff, sah man kurz, dass seine Finger zitterten, ehe das Zittern durch das Zugreifen kaschiert wurde und er den Keks an sich heranzog und festhielt, ohne vorerst abzubeißen.


    "Dann bin ich dir zu Dank verpflichtet, Fabien", sagte Ciel und merkte, wie spröde seine Worte klangen. "Danke, von Herzen", fügte er hinzu und blickte den Leibdiener kurz an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder Maximilien widmete, doch er wirkte anders als sonst. Unruhig schwenkte sein Blick von hier nach da, ohne etwas dauerhaft halten zu können. Die Zeit in der Zelle hatte er sich mit seinem Scheitern auseinandergesetzt und mit seinem bevorstehenden Tod, der völlig umsonst sein würde.


    "Ein Ältester ist eine besonders machtvolle Form des Lichs, die verbotene sechste Stufe. Weltliche Waffen nützen nichts gegen eine solche Kreatur. Die Himmelsaugen sollten den gleichen Zauber anwenden, wie einst gegen Dun-Haru-Mar geplant war, den Seelenbrand. Des Weiteren sollten sie im notfall dazu dienen, mir und den Bluthexern frei von physischer Gewalt einen Weg hinab in den Palast zu bahnen, indem sie mit Geistmagie die Bewegungen der Palastwache blockieren. Die Bluthexer ihrerseits sollten ihrem größten Feind gegenübertreten und ihre Bestimmung erfüllen - den Kampf gegen ein nekrotisches Wesen. Mit Bannkreisen und Heilzaubern sollten sie gewährleisten, dass die Himmelsaugen die Linse für den Seelenbrand formen und anwenden können, außerdem sollten beide Orden Justinian und mir den Kampf mit der Schattenklinge ermöglichen. Auch war es die Aufgabe der Bluthexer, zu verhindern, dass Horatio die Himmelsaugen besetzt."


    Ciel schüttelte den Kopf.


    "Auch Horatio mahnte mich ständig daran, was ich seiner Meinung nach in solch einer Situation getan hätte. Aber ich hätte anders empfunden und gehandelt als du. So wie auch du an meiner Stelle anders gehandelt hättest."

  • "Gern geschehen", antwortete Fabien freundlich auf den Dank Ciels hin.

    "Bis dato verstehe ich Deine Erklärung und sie ist auch völlig logisch durchdacht Ciel. Wäre Horatio eine Bedrohung, hättest Du korrekt gehandelt. Was mich stört ist, weshalb bist Du nicht mit dieser Idee zu mir gekommen, sondern hier einmarschiert? Du sagst, Du hättest etwas anderes empfunden? Was hättest Du denn empfunden?", fragte Maximilien.


    Das erste Mal sah Max so aus, wie Horatio gesagt hatte. Er schaute Ciel mit dem Blick eines Vaters an, ein Papa der sein Kind garantiert nicht tot sehen wollte. Er war müde, auch das sah man Maximilien an. Aber dennoch saß er hier und war der Bitte von Fabien nachgekommen, seinem Sohn ein Gespräch zu gewähren.

  • "Offen gestanden nahm ich an, dass du für mein Anliegen ohnehin kein Verständnis haben würdest, da ihr beide die Nekromantie gutheißt und fördert. Hätte ich mit dir gesprochen, wärst du vorgewarnt gewesen und hättest es verhindern können. Darum wollte ich die Sache schnell hinter mich gebracht haben, ehe noch mehr Schaden angerichtet werden kann von der Kreatur unter dem Palast, von der ich annahm und noch immer annehme, dass sie deinen Geist verblendet hat."


    Ciel ditschte den Keks in den Tee und aß die aufgeweichte Ecke.


    "Ich hätte Stolz empfunden, wenn mein Kind so rigoros den Geschöpfen des Abgrunds entgegentritt, vielleicht auch Sorge und dann hätte ich dafür gesorgt, dass diese Sorge möglichst gering ausfallen muss, indem ich die passende Unterstützung entsende."

  • "Du hältst mich also für verblendet? Somit also unfähig zu regieren? Bis jetzt sah es so aus, als hätte ich das all die Jahre sehr gut hinbekommen. Deine Beurteilung betrifft Dich selbst, wie Du Dir gegenübergestanden hättest. Den Umkehrschluss siehst Du nicht. Du hättest also mit Freude grundlos Souvagner in den Tod geschickt für was? Eine Annahme? Nun hätte ist falsch ausgedrückt, dass hast Du ja. Und Du hast billigend in Kauf genommen, das Deine Familie stirbt. Hauptsache ist, Du hattest Recht.


    Ich heiße Nekromantie gut und fördere sie? Falsch. Ich bin nur nicht so borniert zu glauben, dass man sich im Krieg die Waffen aussuchen kann. Ist die Nekromantie unsere letzte Chance, dann werde ich sie nutzen. Du hingegen würdest lieber edelmütig sterben und mit Dir ein ganzes Volk in den Tod reißen mit erhobenem Zeigefinger.


    Gleich welche Lügen Du Dir zurecht legst, letztendlich hast Du nichts anderes getan, als Du Dunwolf benutzt hast. Du hast ebenso zu der Waffe Nekromantie gegriffen. Ja ich weiß, Du hättest Dich danach gegen ihn gewandt. Denn was Du tust ist Recht, alle anderen sind ungläubige Dummköpfe.


    Ob ich Verständnis für so eine Torheit gehabt hätte? Wohl kaum.

    Wofür sollte ich da Verständnis haben? Dafür dass Du zwei Orden gegen die Krone aufgestachelt hast? Dafür dass Du Deine Schwester bezichtigst eine Verräterin zu sein? Oder dafür dass Du uns alle tot sehen wolltest? Vielleicht hast Du auch gehofft, dass wenn wir nicht sterben, ich genauso trotzig reagiere wie Du. Dann regiere doch an meiner statt. Das wirst Du nicht, gleich was Du für fadenscheinige Gründe vorschiebst.


    Dennoch ist es gut, dass wir ein letztes Mal miteinander gesprochen haben.


    So wissen wir beide, was wir nun voneinander zu halten haben. Fabien sprach sich dafür aus, dass Du nicht getötet werden sollst, sondern das Schicksal Deiner Männer teilst. Du wirst also genau wie die Himmelsaugen und Bluthexer in die Verbannung gehen. Das ist ein einmaliges Geschenk Ciel. Sehen wir uns nach dem Tage der Verbannung wieder, dann auf dem Schlachtfeld als Todfeinde.


    Ich spreche selbstverständlich nur für Souvagne, aber bedenke eines. Jedes almanische Land, dass Dir Unterschlupf gewährt, werde ich den Krieg erklären. Also überlege Dir gut, wohin Du Dich verziehst. Mit etwas Anstand solltest Du Dich außerhalb Almaniens niederlassen. Andernfalls bekommst Du genau den Krieg, den Du Dir so sehr wünscht", antwortete Maximilien.

  • "Du legst mir Worte in den Mund, die ich nicht gesagt habe. Ich hätte keine Souvagner getötet, sondern mithilfe der Himmelsaugen abgewehrt! Ich höre auf, mich zu erklären, du wirst dich nicht mehr mit mir herumärgern müssen. Die Fronten hast du abgesteckt und mir bleibt nichts dazu zu sagen. Ich muss das akzeptieren."


    Ciel wusste nicht, warum sein Vater ihn mit jedem weiteren Satz noch falscher verstand als vorher. Er fand, dass er alles klar erklärt hatte. Vielleicht waren die verletzten Gemüter zu erhitzt. Zum Beruhigen indes gab es nun keine Chance mehr.


    "Was ist mit Alexandre?", erkundigte er sich.

  • Maximilien lehnte sich zurück und betrachtete Ciel eingehend.


    "Woran sind die Leute im Hof gestorben? An Altersschwäche? Ursache und Wirkung Ciel, oder möchtest Du behaupten Du wärst unschuldig an der Situation? Welche Worte legte ich Dir in den Mund? Du hast eindeutig gesagt, dass Du mich für verblendet hälst, soll ich mich dafür noch bedanken, dass ich in Deinen Augen ein Trottel bin? Sicher musst Du das akzeptieren. Was soll mit Alexandre sein?", fragte Max.


    Fabien schaute von Max zu Ciel und zurück.

    "Wollt Ihr beiden das echt so?", hakte Fabs nach.

  • "Nein, will ich nicht", antwortete Ciel traurig. "Aber das spielt keine Rolle. Die Menschen starben, weil du einen Angriff befohlen hast, darum. Ich wollte mir nur den Weg bahnen. Auch wenn die Art und Weise falsch gewesen sein mag, da nicht im Einklang mit dem Gesetz, war nie meine Absicht, Souvagner zu töten, sondern sie vor dem Tode zu bewahren. Ich fragte wegen Alexandre, ob du ihn ebenso wie die übrigen Bluthexer verbannst, wo er doch lange Jahre deine Lebensversicherung war."

  • "Verstehe, also ist es meine Schuld, dass die Leute starben. Ich hätte Euch einfach in den Palast marschieren lassen sollen. Ganz ohne Gegenwehr, weil Du es ja gut gemeint hast. Ja er wird ebenso in die Verbannung gehen wie seine Ordensbrüder und Du. Du musst also nicht auf Deinen Busenfreund verzichten. Eine Lebensversicherung mit einem gewaltigen Haken.


    Wer weiß wieviel von Deinem Verrat auf seinem Lehren gefußt haben. Aber dass könnt Ihr im Excil mit Euch selbst ausmachen. Einer Person wie ihm hätte ich niemals vertrauen dürfen. Dennoch muss ich sagen, hat mir Deine Aktion einiges vor Augen geführt und sie war sehr lehrreich. Man sollte Orden und einzelnen Personen nicht eine derartige Macht gewähren, man sieht was dabei herauskommt - Verrat.


    Eigentlich hätte er genau wie Du und Linhard sterben sollen. Aber wie ich bereits sagte, habe ich aufgrund Fabiens Fürsprache davon Abstand genommen. Ich weiß nicht mehr wer es sagte, wenn man jemanden liebt oder ihm vertraut überreicht man ihm damit ein Messer. Die Person entscheidet dann, ob sie einen damit verteidigt oder ersticht. Da ist viel Wahres dran, wozu Jules, Alex, Linhard und wie sie alle heißen die Messer nutzten, habe ich gesehen.


    Und seit dem Tag verstehe ich auch was Dich mit Parcival verband oder mit Deiner Oma. Du hattest an dem Tag übrigens Recht Ciel, ich hätte Dich vor Parcival nicht beschützen sollen. Er hätte Dich nicht erschlagen, Ihr steckt unter einer Decke. Und falls doch, nun dann hätte er Deinen jetzigen Verrat verhindert. So oder so, wäre der Lauf der Zeit gerecht gewesen.


    Die Luftschiffe Souvagnes sind uns wieder auszuhändigen, ansonsten werden wir sie uns holen. Die Schollen der betroffenen Verräter werden neu verteilt. Alex sollte also nicht vergessen, seine Familie mit in die Verbannung zu nehmen. Wir wollen da einen klaren Schnitt.


    Geht Euer Wege und lasst Euch hier nie wieder sehen, damit ist uns allen gedient", sagte Max ruhig.

  • Ciel erhob sich. Er verneigte sich. Nachdem er sich aufgerichtet hatte, schenkte er Fabien den letzten Blick, bevor er korrekt dem Protokoll folgend den Raum verließ. Draußen wusste er das erste Mal in seinem Leben nicht, wohin er nun seine Schritte lenken sollte. Wie sollte er hier fort kommen? Zu Fuß? Etwas anderes blieb ihm kaum übrig. Zerlumpt, wie er war, verließ er den Palast, der sein zu Hause gewesen war und wandte sich nach Südwesten, um zu Fuß in Richtung von Naridien zu gehen. Er würde der Küste folgen, denn ohne Ausrüstung und Gepäck die roten Berge zu überqueren wäre sein Tod. Die Blicke der Gardisten folgten ihm, doch er erwiderte ihre Blicke nicht.

  • Fabien schaute Ciel hinterher und musterte dann Max.


    "Ihr beide hättet darüber reden sollen, was Euch wirklich nahe ging. Du hast Dich von Deinem Kind hintergangen gefühlt, weil Du ihn liebst. Und er hätte Dir sagen sollen, was er empfindet. Nun manchmal läuft es anders, als erhofft, gewünscht oder geplant. Ihr seid beide in der Hinsicht zu stur, was Euch in anderen Dingen zu Gute kommt, schneidet Euch hier ins Fleisch. Denk darüber nach, bitte. Ruf ihn zurück und sag ihm, dass Du ihn nicht verlieren willst. Er kann es Dir nicht sagen", bat Fabien.


    "Ich weiß, ich könnte ihn zurückrufen und ihm sagen, dass all das nur ein Missverständnis war und wir beide im Grunde das Gleiche wollten. Aber damit würde ich vor ihm einknicken und sagen - gut gemacht. Demnächst würde ich aber neben den Magiern vielleicht noch eine Reiterstaffel mitbringen oder Fußtruppen. Vielleicht ein Heer von zwei oder Drei Comtes-Schollen", gab Max zurück.


    "Wir reden privat ja?", hakte Fabien nach.

    "Ja absolut privat", stimmte Maximilien zu.


    "Gut. Komm mir nicht mit Deiner sarkastischen Merde! Ich versuche Euch hier gerade irgendwie den Arsch zu retten und Ihr beide schmollt und zickt, dass es nicht mehr heilig ist. Ist es so schwer zu sagen dass Du ihn liebst? Er soll seinen Stolz runterschlucken. Verstanden. Du nicht? So wird das nie was, gibt einer nach fängt der andere wieder an. Das ist doch nicht normal", fauchte Fabien.

    "Ja ist es", gab Max zerknirscht zurück und musterte Fabien aus schmalen Augen.


    "Bleib hier und rühr Dich nicht von der Stelle", entschied Fabien und ging Ciel hinterher.


    So wie der ehemalige Prince aussah, hätte man annehmen können, man führte ihn zum Block. Nun ganz ähnlich war die Entscheidung auch von Maximilien, die er in seiner Kränkung getroffen hatte. Er ließ die vermeintlichen Feinde leben, aber er nahm ihnen alles. Sie waren tot, jedenfalls als Souvagner sollte der Befehl bestehen bleiben. Falls es denn ein Befehl war und Maximilien diesen umsetzen ließ.


    "Warte und komm her", rief Fabien Ciel hinterher.

  • Ciel blieb erst nach einigen Schritten stehen, weil er gedanklich sehr tief in sich vergraben war. Als er endlich stand, drehte er sich um. Dort stand Fabien.


    "Ja?", fragte er und klang kaum anders, als vor einigen Stunden, als man ihm seine Hinrichtung angekündigt hatte. Er rechnete damit, noch irgendwelche weiteren Strafen hinterhergeschickt zu bekommen, wie dass er das Land auf kürzestem Wege zu verlassen hatte, was im Prinzip das Ertränken im Meer bedeutete.

  • "Komm mit zurück, Du kennst ihn doch. Du bist kein Stück besser als er, Ihr beide seid zwei sture Steine.

    Er sagte - Ich weiß, ich könnte ihn zurückrufen und ihm sagen, dass all das nur ein Missverständnis war und wir beide im Grunde das Gleiche wollten. Aber damit würde ich vor ihm einknicken und sagen - gut gemacht. Demnächst würde ich aber neben den Magiern vielleicht noch eine Reiterstaffel mitbringen oder Fußtruppen. Vielleicht ein Heer von zwei oder Drei Comtes-Schollen - also auf halben Weg dahin Dir zu sagen, dass er Dich liebt und nicht verlieren will.


    Ihr beide geht allerdings davon aus, dass Ihr einander schon verloren habt. Um sich schlagen nützt in dem Fall aber nichts. Ihr könnt beide Euren Stolz behalten und Euch verlieren. Oder Ihr reißt Euch jetzt endlich mal zusammen. Was solls denn sein?", fragte Fabien.

  • "Fabs, ich möchte ihn von Herzen gern davon überzeugen, dass ich kein Verräter bin, auch wenn ich einen Fehler beging. Irgendjemand muss Schuld an diesem Unglück sein und da es weder er noch Verill sein können, da er der Duc ist und sie die Ducachessa, muss ich es sein. So werde ich büßen für sie alle und allein eine Strafe tragen, die dreien gebüren würde. Ich wurde bereits verbannt, entadelt, aus der Familie verstoßen und so weiter. Kein Argument der Welt kann diesen Mann davon abbringen, so gern ich es würde, denn alle Argumente habe ich bereits mehrfach vorgetragen und er hat seine Entscheidung schon getroffen. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll, Fabien", sagte er schließlich zu Tode betrübt.

  • "Das verstehe ich, aber Du verstehst eines nicht Ciel, bis jetzt hat er all das nicht umgesetzt. Ein einziger Befehl und Du wärst tot oder über die Mauer geworfen worden. Du lebst und Du stehst noch hier. Er ist verletzt, er ist gekränkt und er ist so stur wie Du. Natürlich kannst Du ihm die Argumente noch hundert Mal nennen, er kennt sie. Er versteht sie, er will sie nur nicht verstehen, weil er sich zurückgestoßen fühlt. Ein vermeintlicher Verrat ist doch nicht einfach ein Verrat. Es ist die Aufkündigung all dessen, was man an einer anderen Person mochte oder liebte. Es zeigt einem, dass all das was man selbst empfunden hat, niemals auf Gegenseitigkeit beruhte. Ein Verrat sagt übersetzt - Du bist mir nichts wert, nicht mal Ehrlichkeit.


    Alle Argumente die Du gebracht hast waren an den Duc gerichtet und dieser sprach zu Prince Ciel oder dem vermeintlichen Ex-Princen. Könntet Ihr damit aufhören und als Vater und Sohn reden? Ich weiß, dass das schwer ist und ich weiß wie beschissen es sich anfühlt, das Knie zu beugen wenn man sich denkt ich habe doch nichts falsch gemacht.


    Aber darum geht es doch gar nicht und das seht Ihr beide nicht.


    Wer was falsch machte, solltet Ihr bereden, sobald Ihr Euch versöhnt habt. Vorher endet das noch in einer Katastrophe. Ihr schaut jedesmal mit einer brennenden Fackel nach, ob das Feuer noch brennt. Ihr zündet es selbst ständig wieder an. Also Du kommst jetzt mit und sagst Deinem Vater was Du wirklich wolltest. Papa ich wollte Dich vor einer Gefahr retten, weil ich Dich liebe. Und er wird Dir sagen, was er empfindet. Schuld, Unschuld, Lich, Schwestern, bleiben mal außen vor ja? Komm jetzt", bat Fabien und ergriff Ciel am Oberarm um ihn mit sich zurück in die Gemächer des Duc zu zerren. Wer wusste was sonst unterwegs noch schief lief.


    "Wir sind wieder da!", verkündete Fabien und verpasste Ciel einen Schubs, so dass er wieder in den Gemächern seines Vaters stand. Fabs starrte Max an und nickte Richtung Ciel.


    Maximilien stand auf, ging auf Ciel zu und nahm ihn stumm in die Arme.

  • Ciel erschrak im ersten Moment, als sein Vater aufstand, denn im offiziellen Rahmen bedeutete dies, dass der Mann vor ihm sterben musste. Der Eindruck der Klinge, die sein Haupt vom Körper trennen wollte, saß noch sehr tief. Doch was folgte, war kein erneuter Versuch, seinen Sohn von der Physis in den Nexus zu befördern, sondern die Umarmung, die vermutlich schon lange überfällig war. Ciels Finger krallten sich in Maximiliens Kleidung, als er den Kopf auf die Schulter seines Vaters legte und sich an ihn drückte. Sein Kinn zuckte.


    "Bist du jetzt wieder mein Papa?", fragte er.

  • "Ja das bin ich, wir sollten uns nicht derart streiten und entzweien. Du bringst mich manchmal zur Weißglut, aber wer weiß das besser als Du. Außer Fabien jetzt oder Tekuro. Regen wir uns beide ab und reden in Ruhe. Fabs hat Recht, ich will Dich nicht tot sehen. Aber nicht immer zählt, was man sich wünscht. Es ist ein Spagat zwischen Duc und Vater, aber Vater bleibt man ein Leben lang", antwortete Maximilien liebevoll.


    "Ich verstehe was Du tun wolltest Ciel. Du wolltest uns vor einer vermeitlich tödlichen Bedrohung retten. Bis dato ist alles gut. Nur wie Du es getan hast und mit welchen Mitteln, dass war alles andere als gut. Jedenfalls kam es völlig falsch rüber. Gehen wir ins Schlafzimmer, Fabien macht Dich frisch, dann legen wir uns aufs Bett und sprechen in Ruhe gemütlich vor dem warmen Kamin.


    Du warst im Tempel, Du bist Horatio begegnet und hast in seinem Reich gestanden. Berichte uns davon", bat Max.


    Fabien kam umgehend dem Wunsch von Maximilien nach, führte Ciel ins Bad und wusch ihn an der Waschschüssel sauber. Er hätte ihm gerne ein warmes, langes Zuberbad gegönnt. Aber solange die Versöhnung noch so frisch war, wollte er nichts riskieren. Beide sollten im Bett liegen, dem Flammenspiel des Kamins zuschauen und sich aussprechen.


    Als Ciel gereinigt und umgezogen war, führte Fabien ihn in das Schlafzimmer von Maximilien. Er selbst zog sich einen Sessel neben das große Bett und machte es sich darin gemütlich.

  • Ciel half Fabien, indem er es ihm leicht machte, sich passend hinstellte und ihn hier und da durch Bewegungen unterstütze, wie beim Hineinfahren in die Ärmel des Nachthemds. So sehr er den Leibdiener früher verabscheut hatte für dessen gute Beziehung zu seinem Vater, so sehr respektierte und mochte Ciel ihn inzwischen trotz seiner unverzeihlichen Verfehlung. Fabien hatte ihm heute das Leben gerettet und zuvor vermutlich das von Nathan, der auch als Verräter immer noch am Leben weilte und scheinbar in Beaufort ein und ausging, ohne dass es jemanden störte. Ciel krabbelte auf allen vieren über das Bett und ließ sich dann bäuchlings auf die Matratze plumsen, das Gesicht Maximilien zugewandt.


    "Horatios Tempel befand sich in einem Raum dunkelster Finsternis. Nicht die Art von Finsternis, die Dunwolf zu eigen ist, die zu kleben scheint und einem in jede Pore dringt, sondern das Gegenteil - absolute Leere, die Abwesenheit von allem. Das Gefühl von freiem Fall, nur ohne, dass man fällt und hindurch führte ein Pfad aus reinstem Licht. Der Tempel selbst besitzt keine Tür, man gelangt durch die Decke hinein. Zunächst muss man mittels der vergessenen Kunst der Levitatio hinaufgelangen. Und von dort aus sinkt man mit der nötigen geistigen Einstellung hinab in den Turm, ins Zentrum des Lichts. Dort steht ein Thron zwische Säulen, deren obersten Abschluss man nicht sieht vor lauter Helligkeit. Ich saß sogar auf seinem Thron, da er verwaist erschien, doch ich wurde hinabgestoßen, von Dunwolf gereinigt, so wie auch Justinian nicht mehr Derselbe ist.


    Horatio hat mir alles erklärt, über die Ältesten und die Schatten und über die Seelenfresser, die er frisst. Vorweg, ich finde Nekromantie nach wie vor verwerflich, es gelang ihm nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Aber was er mir aus seiner Zeit als Lebender offenbarte, das bewegte mich tief. Wusstest du, dass er einst ein Hohenfelde war, der sich für das Leben als Teil der Familie seines Mannes entschied? Dass er von diesem den Namen Schwarzfels annahm - und dass sein Mann dafür sterben musste? Der Tempel des Lichts ist ein Abbild des Wohnturms, in dem sie gemeinsam lebten. Heute ist davon nur noch eine Ruine übrig und die Seele seines Mannes wurde vollends auf allen nur denkbaren Ebenen vernichtet. Darum jagt Horatio heute die Schatten, die Seelenfresser. Er sagte: Du möchtest nicht eines Tages eines Palais de Souvagne des Lichtes erschaffen."


    Er senkte den Blick. "Aber wir standen kurz davor."