Kapitel 35 - Der Ruspante

  • Der Ruspante

    Prince Ciel hatte nach Amias schicken lassen. Er sollte sich unverzüglich in der Amtsstube des Duc de Souvagne einfinden. Amias war begeistert! Was der Mann wohl wollte? Ob es um Alexandre ging? 'Unverzüglich' dauerte bei ihm zwei Stunden, da er sich noch einmal frisch machen wollte und ein neues Gewand anlegte - türkisblau mit orangefarbenen Lotosblüten. Umweht von herzhaft-süßem Parfum, das dem Duftöl entsprang, mit dem er seinen mageren, weichen Leib gesalbt hatte, klopfte er aufgeregt mit dem Fäustchen an die Tür.

  • Fabien öffnete die Tür und schaute in ein junges Gesicht, dass von einem blumigen Duft umweht wurde. Der junge Mann war bunt gekleidet, fast bunter als jede Frau. Nein garantiert bunter als jede Frau, korrigierte sich Fabien.


    "Kommt herein", bat er freundlich und trat beiseite, so dass der Bursche in das Gemach eintreten konnte.

    Fabien schloss hinter ihm die Tür und führte ihn zu Maximilien, der in seinem Wohnzimmer saß und seit den Morgenstunden wie besessen etwas niederschrieb.


    "Eure Majestät, der Ruspante nach dem Ihr habt schicken lassen", kündigte Fabien den jungen Mann an.

    "Setzt Euch, wir haben aus gutem Grund nach Euch schicken lassen. Der erste Grund heißt Marquis Alexandre de la Grange. Den zweiten erfahrt Ihr etwas später", erklärte der Duc, schaute auf und legte seine Papiere zur Seite und zwar so, dass der Ruspante nicht darauf schauen konnte.


    Fabien servierte beiden Kaffee und stellte etwas Gebäck auf den Tisch, so wie er es immer tat, sobald der Duc eine Person willkommen geheißen hatte. Vorher war dies unziemlich, denn damit hätte er die Entscheidung vorweg genommen. Er warf Tekuro einen freundlichen Blick zu und positionierte sich dann hinter seinem Herrn.


    "Berichtet uns über Euer Verhältnis zu Marquis de la Grange, wie vertrauensvoll ist es? Und berichtet uns davon, welche Position Ihr am ledwicker Hof genau inne habt. Wir sind neugierig", erklärte Maximilien und nahm einen Schluck Kaffee.

  • Amias


    Amias strich sein Gewand hinter den Knien nach vorn und setzte sich auf seinen schmalen Hintern. Mit Bewegungen wie eine brütende Glucke rückte er sich auf dem Polster zurecht.


    "Ich beantworte Euch die Fragen gern, aber wie genau soll ich werden?"


    Er schmunzelte bei dieser Frage vielsagend. Schüchtern war dieser Ruspante offenbar nicht. Seine Stimme war trotz seines Alters von zwanzig Jahren noch die eines Jungen. Sie erinnerte an die einer Frau, klang aber voller und wärmer. Er nahm ein Schlückchen Kaffee und hielt dann einen Keks zwischen Daumen und Zeigefinger. Verträumt schaute er nach oben.


    "Ich würde um den Marquis de la Grange werben, wäre es mir gestattet! Wir sind uns sehr nahe, wenn Euch diese Information genügt. Wenn nicht, gehe ich gern ins Detail. Am ledwicker Hof bin ich - wie man an meiner Tracht erkennt - Ruspante, ich tanze und musiziere im Geiste uralter Tradition als Seelenheiler."

  • "Werdet so genau wie Ihr nur könnt, wir möchten jedes Detail wissen was Euch und den Marquis anbelangt. Zudem erläutert uns, was ein Ruspante genau macht. Tanzen und musizieren, dass haben wir selbst miterlebt. Aber weshalb tut Ihr dies? Und in welcher Form fungiert Ihr als Seelenheiler? Erklärt uns dies, wir möchten mehr über diese alte Tradition hören. Unser Sohn sprach gut von Euch und weckte damit unsere Neugier", sagte Maximilien.


    Immerhin galt es Amias aus seinem Schneckenhäuschen zu locken und da schadete es nicht, ihm einen Köder hinzuhalten. Zudem war er wirklich neugierig, was der junge Mann zu berichten hatte.

  • Amias


    "Ich hatte sofort erkannt, dass er den Weg der kultischen Reinheit eingeschlagen hat", plauderte Amias fröhlich drauf los. "Ein souvagnischer Eunuco, darüber hatte ich mit ihm sprechen wollen, ich wusste nicht, dass es diese Tradition hier gibt. Leider ein Irrtum, aber dennoch ein wundervoller Akt des Schicksals. Als ich seine Narben sah, war ich begeistert von dem Maß der Selbstkasteiung, die er für seine Hexerei auf sich nimmt, sie sind ja nicht nur da, sie sind überall, Ihr solltet sie sehen, berühren und mit geweihten Ölen massieren, dann wüsstet Ihr, was ich meine. Am Anfang war Alexandre etwas schüchtern, aber das ist vollkommen unnötig. Wir haben uns oft geliebt seither, wollt Ihr wissen, wie?"


    Aufmerksam schaute er dem Duc knapp unterhalb der Augen ins Gesicht, bevor er weiterreden würde.

  • "Ja ein grauenvoller Schicksalschlag hat Alex zu dem Mann gemacht, der er heute ist. Wir gehen davon aus, dass er Euch darüber informiert hat, so nah wie Ihr Euch steht. Aus seinem gewaltigen Schmerz erwuchs seine Macht. Einer Person hat ihm diese Wunden geschlagen und ihn damit auf seine Magie reduziert. Sie wurde alles, was er noch hatte. Wir wissen um sein Schicksal und dennoch ist es manchmal nicht leicht hinter seine Maske zu schauen, obwohl man es besser wissen müsste. Er macht es einem nicht leicht. Aber er ist auch nicht dafür da es einem leicht zu machen, es ist sein Schicksal. Wie könnte er es für andere leichter machen, wo er es selbst kaum ertragen kann?


    Berichtet, wir haben nicht grundlos gefragt, wir haben eine Aufgabe für Euch. Und vergesst den Bericht nicht, was Euch als Seelenheiler ausmacht. Das ist ebenso von wichtiger Bedeutung", fügte Maximilien an.

  • Amias


    "Als Seelenheiler macht mich aus, meinen Segen aus freiem Willen an jene zu verschenken, die ich für bedürftig und würdig erachte. Weder verkauft ein Ruspante sich für Geld, noch gibt er den Segen jenem, der danach verlangt. Der Zauber wirkt nur, wenn er aus freien Stücken gegeben wird, anderenfalls bleibt er unwirksam. Ohne arrogant klingen zu wollen ... ich empfehle Euch, bei der nächsten Feierlichkeit, beim nächsten Tanz, offen für diesen Segen zu sein, um zu spüren, wie dieser Zauber wirkt. Wir Ruspanti bringen jenen Freude, die sonst keine mehr haben, wir erhellen die dunkelsten Seelen, was keinem Ainuwarpriester je gelang. Unsere Magie ist sehr alt."


    Er legte den Kopf schräg und lächelte sanft.


    "Alles begann mit dem Tanz, dort sah ich Euch auch, aber niemand erwählte Euch. Sicher, weil Ihr so glücklich wart. Mein Segen wurde Alexandre zuteil, ich führte ihn in einen Ritualraum. Nach ein wenig sanfter Überzeugungskunst lehrte ich ihn, wie wohltuend die Massage mit geweihten Ölen ist. Ihr müsst wissen, dass mir nicht alles geraubt wurde und verhältnismäßig spät. Mit ein wenig Alchemie ist vieles möglich, wovon Alexandre bereitwillig profitierte. Und mir gelang es, ihm das Stöhnen reinster Verzückung zu entlocken bis hin zur größtmöglichen Extase. Seither haben wir alles ausprobiert, worauf wir Lust hatten und er lernte, Frieden mit seinem Körper zu schließen. Nicht endgültig, der Frieden steht auf tönernen Füßen, doch ich arbeite daran."

  • "Ein Brauch den hier zwei andere Personen anstatt der Ruspanti übernommen haben Amias. Wer sich selbst der eigene Feind ist, kämpft leider einen aussichtslosen Kampf. Frieden mit sich selbst zu schließen ist sehr schwer und wir wünschen Alex, dass er dies schafft. Auch wenn wir in letzter Zeit großen Groll gegen ihn hegten. Letztendlich erwies es sich als Irrtum, wie so oft. Dennoch stellen wir uns die Frage, weshalb er immer ins Visier des Grolls gerät. Aber dies ist nicht Eure Sorge.


    Wir werden sehen, ob wir für den Segen bei einem zukünftigen Fest offen sein werden, oder ob wir diesen Segen nötig haben. Klar gesprochen sind wir gesegnet genug, wir können uns glücklich schätzen wahrhaftig geliebt zu werden. Das können nicht viele Männer von sich behaupten.


    Unsere Frage ist, seit Ihr magisch begabt, seid Ihr Magier? Wie steht Ihr der Magie gegenüber? Und wie steht Ihr anderen Orden gegenüber?", hakt Maximilien nach.

  • Amias


    "Es ist die große Frage, auf welcher Ebene unsere Magie wirkt. Einige halten uns für Scharlatane und Lustknaben, besonders tönen diese Stimmen natürlich aus den Reihen der Priesterschaft von Zeit und Raum und ihren Anhängern. Dann wäre aber auch die Frage berechtigt, was es bringt, Gebete hinauf in den Äther zu schicken, Tempelglocken zu läuten und sakrale Choräle zu singen? Alles bar jeder Wirkung, nur weil es in keine klassifizierte magische Kategorie passt?"


    Er neigte den Kopf nun zur anderen Seite.


    "Ich denke, wir sind vergleichbar mit Magiern des ersten Grades. Unsere Magie wirkt subtil, aber sie wirkt. Es gibt Zweifler. Aber das sind nicht jene, die gesegnet wurden, denn diese wissen, wie es ist. Es freut mich, dass Ihr ein gesegneter Mann seid! Aber kann es zu viel des Segens geben?"

  • "Wahre Worte Amias. Aber nicht alles was wir aus dem Glauben heraus praktizieren, hat mit tatsächlicher Magie zu tun. Das Läuten der Glocken ist eine Lobpreisung an jenen Gott. Eine Nachricht, eine Botschaft, wir huldigen Dir, wir vertrauen Dir. Vielleicht auch ein Versprechen, ganz wie man es nimmt. Ein reines Gebet ist eine Zwiesprache mit Deinem Gott. Du kannst natürlich etwas erbitten, aber generell sollte es erstmal nur ein Gespräch sein.


    Da wir selbst Magie nicht wirken können, können wir über die Gefühle keine Aussage treffen. Sollte der erste Rang rein auf Gefühl und Eingabe fußen, dann wird dem so sein. Instinktiv handelt Ihr magisch, im Gegensatz zu einem Meistermagier, er bewusst Magie anwendet. Wobei ihm der Großteil auch in Fleisch und Blut übergegangen sein wird, so dass man dort auch von Intuition sprechen kann.


    Wärt Ihr bereit zu reisen? Wir sprechen von einer langen, durchaus gefahrvollen Reise an der Seite vieler Weggefährten, einschließlich Alex", sagte Maximilien.

  • "Ihr scheint von dem Marquis einiges gelernt zu haben, unter anderem wie man kultiviert Kekse zum Kaffee genießt. Lasst es Euch schmecken. Ihr werdet eine ganz besondere Expedition begleiten, in der Eure Fähigkeiten verlangt werden. Die Gruppe besteht aus Spezialisten, denn es geht um nichts Wichtigeres als den Erhalt der almanischen Welt und der Menschheit. Inwieweit ist Magie Segen oder Fluch? Und was genau macht den Unterschied aus? Wir sind der Meinung, dass Magie neutral zu werten ist. Sie ist ein Werkzeug, der Nutzer macht daraus etwas Positives oder Negatives. Leider gibt es zur Zeit zu Hauf Nutzer, die sehr negativ denken. Und hier müssen wir einhaken. Ihr werdet dafür sorgen, dass es nicht zu negativ wird, was die Einsatzgruppe anbelangt.


    Ihr werdet in dieser Zeit Prince Ciel und Marquis de la Grange dienen. Beide führen die Expedition. Ihr wurdet abgesandt, dass heißt Euer Duca hat Eure Mitreise genehmigt. Nur möchten wir, dass Ihr unserem Sohn freiwillig folgt. Ihm und dem Marquis gilt auf dieser Reise Eure Treue. Könnt Ihr dies versichern?", hakte Maximilien nach.

  • Amias


    "Aber selbstverständlich. Ich sehe es als Chance, zu zeigen, was unser alter Kult zu leisten imstande ist und dass in uns mehr steckt, als das Auge sieht. Es wird mir eine Freude und eine Ehre sein, Eurem Sohn und dem Marquis zu dienen. Jedoch wäre es mir wichtig, dass ich zuvor noch einmal Rücksprache mit Thabit halten kann, damit Irving von Kaltenburg über meinen Verbleib informiert wird. Danach kann es sofort losgehen! Was werden meine Aufgaben sein?"


    Er lutschte die aufgeweichte Ecke genüsslich von seinem Keks.


    "Alexandre ist ein äußerst kultivierter Mann, dem viel an der souvagnischen Kultur gelegen ist, gern spricht er auch darüber, was bei einem Ledvigiano, der diese Dinge oft anders kennen gelernt hat, natürlich auf den fruchtbaren Boden der Neugier stößt."

  • "Sehr gut, nehmt Kontakt zu Thabit auf und fragt was Ihr fragen müsst. Sobald Ihr bereit und Willens seid Euch anzuschließen, gilt Eure Treue allerdings unserem Sohn. Ihr könnt auf dieser Mission nicht zwei Herren dienen. Sammelt Wissen und Erfahrungen, so wie Ihr das Wissen des Marquis wie ein Schwamm aufgesaugt habt. Und wertet dies als das was es ist, eine Chance für Ledwick und Souvagne, noch enger zusammenzuwachsen durch gemeinsame Projekte. Dieses hier ist wichtiger denn je. Esst auf, trinkt aus und dann bereitet Euch umgehend für die Abreise vor. Unnötige Verzögerungen können wir uns in diesem Falle nicht leisten. Ihr werdet früh genug erfahren weshalb. Habt Ihr noch Fragen?", hakte Max nach.

  • Amias


    "Ich habe keine weiteren Fragen", sagte Amias gut gelaunt. Zügig aß und trank er sein kleines Kaffeetrinken, dann erhob er sich, um sich mit einer huldvollen Verneigung zu Alexandre zurückzuziehen. Mit ihm gemeinsam würde er Thabit rufen.


    Alexandre wurde mit einer festen Umarmung und einem innigen Zungenkuss begrüßt, der ihn rücklings in seinen Stuhl presste und froh, aber etwas ratlos dreinblicken ließ. Amias war über die Maßen zärtlich und flüsterte ihm etwas ins Ohr, während er ihm die Wange streichelte und den Hals. Danach richtete sich Amias auf, die Bewegung ging nahtlos in eine Pirouette über, der Ruspante drehte sich mit wehendem Gewand so schnell durch das Zimmer, dass Alexandres Augen seinen nackten Füßen nicht zu folgen vermochten, ehe er einen Salto machte und auf Knien endete, die Stirn auf den Boden gepresst.


    'Oh, Thabit, Eure Herrlichkeit', betete er. 'Erweist mir die Gunst, zu erscheinen.'

  • Mitten im Gemach von Alexandre sickerte eine Pfütze aus dem Boden. Die Wasserlache wurde größer und bis dato konnte man sie noch für eine natürliche Erscheinung oder ein defektes Wasserrohr halten. Als die Pfütze sich allerdings in die Höhe bewegte, zu einer dünnen Wassersäule aufschäumte und dann die Gestalt eines Mannes formte, war es mit jeder Natürlichkeit vorbei. Hier war Magie am Werk und jeder in unmittelbarer Nähe spürte die Macht des Wesens, das gerade erschienen war.


    `Amias´, grüßte Thabit in seiner Erscheinungsform und schaute wohlwollend auf den jungen Mann herab.

  • Amias


    Amias hob ein wenig weiter seinen kleinen Hintern, damit die Verneigung noch demütiger wirkte (sein Kopf war ja schon auf den Boden gepresst) dann sprang er leichtfüßig auf und war einen Wimpernschlag später bei Alexandre, der noch immer auf dem Stuhl saß und die Erscheinung angespannt musterte. Thabit spürte, wie der Erzhexer des Blutes versuchte, seine Substanz auf nekrotische Energien zu analysieren und testete, ob er ihn nicht beeinflussen konnte. Für einen Sterblichen lag Alexandres Geist enorme Macht inne sowie eine schier übermenschliche Gabe, sich auf die Wirkung zu fokussieren. Sein Hirn war tatsächlich ansonsten vollkommen leer während der Analyse, auch wenn Amias´ zarte Finger sich nun von hinten auf seine Schultern legten und diese sanft massierten.


    "Ich möchte Euch jemanden Vorstellen, oh Herr der Tiefe", säuselte er. Den Rest sprach er nur in Gedanken.


    'Man wünscht meine und Alexandres Anwesenheit auf einer Expedition. Es sind keine Details bekannt, wie Ihr sicher mitgehört habt. Wünscht Ihr, etwas Bestimmtes unterwegs zu erfahren? Und noch eine Frage treibt mich um ... man sagt, Ihr wärt imstande, defekte Körper zu regenerieren ...'


    Seine Augen richteten sich über Alexandres Kopf hinweg auf dessen Schoß.


    'Womöglich wäre der Marquis kooperativ, wenn Ihr ihm diese Möglichkeit eröffnen würdet, so sie vorhanden ist.'


    Er drückte Alexandre von oben einen langen Kuss ins Haar.

  • Thabits Gestalt wurde kurz durchscheinend wie Nebel, ehe er sich wieder festigte.


    "Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, wie ich sehe seid Ihr beiden sehr glücklich. Wie tief eine wahre Verbindung reicht, können nur jene ermessen die sie spüren. Irving und ich wissen was Liebe heißt, wahre Liebe. Hoffentlich gehört Ihr auch bald zu den Wissenden", sagte Thabit freundlich.


    `Sammele alles Wissen Amias, alles was Du bekommen kannst. Besonders dann, wenn es sich um magisches Wissen handelt. Lausche und lerne und gib es weiter, so wie es Deine Bestimmung ist. Ich werde meiner Bestimmung folgen und dieses neu gewonnene Wissen verwahren.


    Ich bin imstande eine Seele in ihrem Körper festzuhalten oder sie erneut in ihren Körper zu pflanzen. Wovon Du sprichst, dass nennt man Fleischformung. Es liegt in meiner Macht Amias, aber ob der Marquis dem zustimmen würde? Ich habe eben seine Seele gespürt, mächtig. Überaus mächtig und derart fokussiert, wie ich es nur bei einem einzigen anderen lebenden Mann kenne. Beide sind dazu in der Lage aufgrund ihres immensen Verlustes und ihres kaum erträglichen Seelenschmerzes. Alex verlor seine Männlichkeit, der andere verlor die Eigentumsansprüche über seinen Körper. Beide sind Opfer der selben Familie.


    Wenn Du Alex dazu bringst, dieses Geschenk zu wünschen, zu wollen, zu akzeptieren dann Amias werde ich ihm dieses Geschenk übereichen. Vorher hat es keinen Sinn, denn er würde die Magie von sich streifen, vielleicht würde er sogar dagegen ankämpfen. Sein Geist ist überaus mächtig, sein Panzer ist kaum zu durchdringen. Seine Gedanken sind hart und scharf wie geschliffener Stahl. Er ist eine einzigartige Person mit gewaltigem Potential. Nimmt er das Geschenk an, könnte er genau diese Fähigkeit verlieren. Die Frage die er sich stellen müsste wäre Macht oder Gefühl. Magie oder Liebe, was würde er wohl wählen?


    Finde es heraus, nimm ihn Dir, mache ihn Dir nutzbar. Und wenn er einer von uns geworden ist und das Geschenk wünscht, so soll er es erhalten´, antwortete Thabit freundlich.

  • Amias


    'Es war mein Gedanke, ihm auf süße Weise seine Gabe zu nehmen, falls Ihr die Bluthexer als Gegner einschätzt. Ich liebe diesen Mann, er ist ein Traum, so, wie er ist. Und ich möchte ihn nicht verlieren, weil er zu mächtig wird.'


    Die Worte von Amias waren aufrichtig. Pflichtbewusstsein und Liebe formten in seinem Kopf eine harmonische Einheit, die zum selben Ziel führte - dem Gedanken, dass es womöglich besser für Alexandre war, ihm die Gabe zu nehmen. Bevor dies durch den Dolch geschah, sollte sie einfach verblassen. Amias war kein Verräter, weder gegenüber Alexandre noch gegenüber Thabit. Ihm gelang der Drahtseilakt, beiden die Treue zu erweisen.


    'Und ich habe noch eine persönliche, ein wenig egoistische Bitte. Meine Kastration erfolgte am Ende der Kindheit, kurz bevor meine Stimme sich verändert hätte. Spät im Vergleich zu anderen, aber zu früh, um ohne Hilfsmittel die Freuden der Männlichkeit auskosten zu können. Die alchemistischen Tränke helfen nur bedingt und mir geht es mit ihnen nicht gut. Sie wirken unangenehm auf das Herz und führen nur zu halber Kraft. Könntet Ihr womöglich in Erwägung ziehen, mir die gleiche Manneskraft zu verliehen, wie ein intakter Mann sie hätte? Wie ich sie hätte, wäre ich ein anderer?'


    Amias' Gedanken waren federleicht wie die eines Schmetterlings. Er war nicht seelisch zerstört wie Alex trotz seiner kaum minder grausamen Vergangenheit. Was er sich wünschte, entsprang keiner Verzweiflung, sondern sehnsüchtigem Begehren.

  • `Deine Gedanken sind klar, gut und rein, wie das Quellwasser eines Gebirgsbaches Amias. Du möchtest Alex mit der Fessel der Liebe belegen. Du würdest ihm die Gabe nicht rauben mein lieber Amias, Du würdest ihm den Antrieb zu einem derartigen harten Handeln rauben.


    Und somit wäre Alex auch nicht mehr der mögliche Älteste, sondern Alex der Glückliche.


    Das ist eine Situation in der wir alle drei gewinnen, Du behältst Deinen Liebsten, Alex behält Dich und bekommt etwas wovon er nicht mehr zu träumen wagte und ich habe später keine unliebsame Konkurrenz. Bevor er den Schritt in die Unendlichkeit wagt, muss er sich absichern. Denn wie Du schon richtig befürchtest, in dem Moment wo man den alles entscheidenden Schritt wagt, ist man absolut verwundbar. Und weiß die Konkurrenz wo Du bist, was Du gerade tust, werden sie Dich vernichten.


    Jedem Ältesten ergeht es so, aber hat man den Schritt in die Unendlichkeit geschafft, ist man fürs erste unantastbar. Es sei denn man begegnet einem der Altvorderen oder einem Bund von Ältesten. Man ist jung als Ältester, unerfahren in dieser grenzenlosen Macht. Somit tun sich sehr wohl Grenzen auf, Grenzen des Unwissens. Deine Feinde sind nicht unwissend, sie sind alt, klug, gerissen und sie kennen keine Skrupel. Sie sind was sie sind, weil sie über unzählbare Leichen gingen. So wie Du, ehe Du Dich wandeltest.


    Deinen Wunsch werde ich Dir erfüllen, wenn Du ihn mir genau beschreibst. Möchtest Du wieder ein Mann werden? Möchtest Du die Verstümmelung ablegen? Oder was genau wünscht Du Dir? Fasse es in klare Gedanken Amias´, übermittelte Thabit wohlwollend.