Der Nächste bitte
Alexandre und Ciel hatten das Gemach von Nicodemus verlassen. Sie hatten ausführlich miteinander gesprochen und sich kennengelernt. Das erste Gespräch verlief sehr gut und Nicodemus hatte sogar einen Schüler erwählt, etwas womit er nicht gerechnet hatte. Aber Alex hatte sich als würdig erwiesen. Sein erster Gedanke galt dem Schaffen, statt dem Zerstören. Er war ein umsichtiger und einfacher Mann. Sein Wunsch war so schlicht und tief, wie ein Wunsch nur sein konnte - ein eigenes Kind, eine Familie. Jemandem dem er all seine Liebe und sein Wissen schenken konnte. Er dachte bei der Anwendung der mächtigsten Magie nicht an fallenden Feinde, Staaten und Nationen, sondern er dachte an das mögliche Leben das er schaffen konnte. Er hatte verstanden...
Nicodemus freute sich darauf diesen Mann zu unterrichten.
Nun waren die nächsten an der Reihe, die mit ihm sprechen wollten. Jeder sollte seine Chance auf ein ruhiges Erstgespräch haben. Am Abend würden sie sich alle zusammenfinden um gemeinsam zu sprechen und zu speisen. So war es Brauch, wenn man Gäste hatte. Da er selbst Hunger verspürte übermittelte er Atar, dass er als nächsten den Vampir nach oben schicken sollte. Der kleine Anstandstrunk zur Begrüßung hatte seinen Hunger nicht gestillt, im Gegenteil er hatte ihn erst angefacht.
Atar trat an Hector und Vendelin heran und nickte ihnen knapp zu.
"Der Meister wünscht Euch als Nächste zu sprechen. Folgt mir", sagte er Frostalb in einem Ton, der fast einem Befehl gleich kam.
Atar deutete auf das Becken, dass darauf hin dunkelrot zu leuchten begann.
"Es ist aktiviert, der Meister erwartet Euch. Steig hinauf, die Magie wird Euch nach oben transportieren", erklärte er tonlos.
Hector irgnorierte das seltsame Verhalten von dem Alben, stieg in das Becken und zog Vendelin schützend zu sich heran. Einen Augenblick später stiegen sie genauso empor, wie zuvor Prince Ciel und Marquis Alexandre. Sie schwebten höher und höher und passierten dann ebenfalls die magische Pforte. Einen Augenblick später standen sie im Gemach von Nicodemus. Der Vampir hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht, sein Haustier witterte neugierig in ihre Richtung und seine langen Ohren glitten nach vorne.
Hector schaute sich neugierig um, eine Mischung aus Gemach und Labor, scheinbar eine Vorliebe aller Hohenfelde. Jedenfalls bestätigte der Vergleich von Dunwolfs und Nicodemus Geschmack seine Vermutung. Möglicherweise war dies damals auf Asa Karane die übliche Einrichtungsart gewesen, kurzum sie standen in der Almanisch-Eiche-Rustikal-Wohnstube.
Eine Horde von nackten Sklaven saß um das Sofa von Nicodemus herum, die Augen dieser Geschöpfe waren dunkel und leer... Gebrochene. Hector fühlte sich schlagartig heimisch. So hatten Sklaven auszusehen, die keine Ketten trugen. Aber er war nicht hier um seinen Sklavenbestand aufzustocken, sondern um das Schwert Schattenschlinger zu erwerben. Jene Waffe, die Dunwolf in die Knie zwingen konnte.
Hector machte einige Schritte auf Nicodemus zu, blieb aber im gebührenden Abstand stehen. Immerhin war dieser Mann so etwas wie ein Ältester und seine vampirische Gabe fand in Nicodemus seinen Ursprung. Hector verneigte sich mit allem Respekt.
"Ehrerbietige Grüße Nicodemus, erster aller Vampire. Ich erbitte Deine Hilfe", sagte er höflich.