Asa Karane Kapitel 08 - Chaos in Kaltenburg

  • Chaos in Kaltenburg

    Was auch immer geschehen war - es war laut gewesen! Leopoldius, der es sich mit Alexander von Wittelspitz hatte gut gehen lassen, wurde jäh daran erinnert, dass sie nicht zum Vergnügen hier waren, sondern einen Auftrag hatten. Er verabschiedete sich von Alexander, versprach ihm, ihn abzuholen, wenn sie aufbrachen, und rannte los, um seinen Bruder zu suchen. In all der Hektik hatte er dessen falschen Namen vergessen, so dass er ihn nicht mit diesem rufen konnte.


    "Wo geht´s zum Alchemielabor?", blaffte er einen Sklaven an. Der wies ihm den Weg.


    Ganz Kaltenburg war in Aufruhr, das Dach in einem der Türme musste eingestürzt sein, so lautete zumindest das, was Leopoldius aufschnappte. Er riss die Tür zum Labor auf.


    "Wo bist du?", schrie er und schaute sich nach seinem Bruder um. "Draußen ist der Abgrund losgebrochen!"


    Das konnte für sie entweder gut sein, wenn sie den Aufruhr für sich zu nutzen verstanden, oder ihr Untergang. Sie mussten schnellstmöglich die Lage sondieren und eine Entscheidung fällen.

  • Dunwolf kam aus einem der angrenzenden Räume gestürzt, da auf dem Flur ein riesiger Tumult losgebrochen war. Sein Bruder irrte umher und suchte ihn. Vermutlich um ihm daran die Schuld in die Schuhe zu schieben. Dun stopfte seinen nassen Schwanz in die Hose und knöpfte sie zu.


    "Baudoin was ist denn hier los? Was soll der Lärm? Weshalb ist der Abgrund losgebrochen?", fragte Dun. Seine Lippen formten nur ein einziges Wort als Frage... "Vater?!?"

  • Leopoldius zuckte kaum merklich mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung, was los war. Aber er schaute vorwurfsvoll auf Dunwolfs Schritt.


    "Hast du mit der alten Schachtel verkehrt? So viel Geschmack hätte ich dir gar nicht zugetraut. Während du dich vergnügt hast, habe ich gearbeitet! Los jetzt. Irgendwas ist hier explodiert! Wir müssen herausfinden, was geschehen ist."


    Und er musste zusehen, dass er Alexander von Wittelspitz rettete ... aber nicht vor den Augen seines Bruders. Das würde Wittelspitz in dessen Visier rücken. Er musste ihn später bergen - wenn es ein Später gab.


    "Ich glaube, einer der Magiertürme ist eingestürzt, so wie das gescherbelt hat!"

  • Dunwolf stockte, einer der Magiertürme sollte eingestürzt sein? Das war durchaus möglich und würde ihnen in die Hände spielen.


    "Einer der Türme ist eingestürzt? Vielleicht ist ein Experiment schief gegangen...", Dunwolf aka Adrian trat ganz nah an seinen Bruder heran.

    "Dann muss es einen der mächtigen Magier erwischt haben. Möglicherweise verletzt oder sogar tot", raunte Dun seinem Bruder ins Ohr.


    Dun konnte seinem Bruder nur zustimmen, sie mussten herausfinden was geschehen war, um die Situation für sich zu nutzen. Er schenkte Poldi einen schreckgeweiteten Blick, denn das würde man von guten Untertanen erwarten. Gleich wie sehr sich das Grinsen auch ins Gesicht stehlen wollte.


    "Lauf vorran ich folge Dir", bat Dun. Die beste Möglichkeit sich Poldi aus dem Rücken zu halten, schlicht und effektiv. Wenn es denn funktionierte.


    "Wo hattest Du denn vorhin gearbeitet? Und was stört Dich daran, wenn ich meiner Lehrerin auch ein klein wenig Nachhilfeunterricht gegeben habe? Es schadet nicht zu wissen, wie man an den richtigen Knöpfchen bei einer alten Frau klingelt. Dann klingelt es vielleicht auch mal... bei Dir. Solche Leute die hier ihr ganzes Leben verbracht haben... muss man sich warm halten. Und ich sage Dir, ihre Spalte war hungriger als ein Wolf. Während Du also die Feder geschwungen hast... hab ich mit dem Pinsel gearbeitet", erklärte Dunwolf und boxte seinen Bruder.

  • Leopoldius packte Dunwolf am Ärmel und zerrte ihn mit sich. Er verspürte nicht das Bedürfnis, seinen Bruder im Nacken zu haben. Er folgte der vermuteten Richtung, doch das war gar nicht so einfach. Er fragte sich durch und folgte den Leuten, die nicht panisch aussahen, sondern als ob sie wüssten, was sie taten. Und tatsächlich - nach etlichen Irrwegen kamen sie an eine gewaltige Tür, die in einen der Magiertürme führte - sie trug das Wappen des Irving von Kaltenburg:


    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.


    Auf den ersten Blick sah es aus wie eine Schneeflocke, silbern auf blauem Grund. Auf den zweiten erkannte man, dass diese aus drei magierstäben geformt wurden, zwischen deren Enden sechs Mondsicheln schwebten. Die Türflügel standen offen, darin war der Abgrund los. Die Frage war, ob man sie einlassen würde, um zu sehen, was los war - und ob das notwendig war.


    Schrille Frauenschreie drangen aus dem Inneren, offenbar wurde jemand misshandelt. Leopoldius warf Dunwolf einen fragenden Blick zu. Eindringen oder die Chance nutzen, um anderes in die Wege zu leiten?

  • Dunwolf erwiderte den Blick seines Bruders.


    "Lass das Chaos für uns arbeiten, wen interessiert das Gejammere? Wir sollten zusehen, was wir hier abgreifen können. Wenn sich alle Blicke auf diesen Turm richten, kommen wir möglicherweise in einen anderen. Wo lagern sie hier das Wissen? Ich meine richtiges Wissen, ihre magischen Bücher? Dahin müssen wir Baudoin. Wir wollen ja nicht anfangen hier die Steine wegzuschleppen für irgendeinen nichtsnützigen Trottel, der nicht mal einen einfachen Schutzzauber hinbekommt. Aber auch dass sollten wir uns merken. Hier scheint es nicht nur an der Bausubstanz zu bröckeln.


    Wo ist der Fettsack der uns hierhin geführt hat? Er schien sich doch gut auszukennen. Wir hilflosen Neulinge sollten uns an ihn wenden, was meinst Du? Die vertrocknete Alchemie-Schachtel sollten wir nicht fragen, sie... kurriert sich gerade aus....", kicherte Dunwolf völlig unmännlich.

  • "Was hast du mit der Frau gemacht?", zischte Leopoldius. "Ich hoffe nichts, was uns Ärger einbringt! Der Fettsack ist ... woher soll ich wissen, wo der Fettsack ist?! Irgendwo halt!"


    Er machte eine raumgreifende Geste, die jede Richtung meinen könnte. Er fragte sich immer noch, ob Indutiomarus hinter dem Angriff steckte. Und was mit dem Bewohner des Turms geschehen war.


    "Wo ist der alte Kaltenburg überhaupt? Das hier scheint das Kinderzimmer eines Prinzen zu sein. Das Wappen gehört zu Irving von Kaltenburg."

  • "Na was wohl? Ich habe sie etwas ausgeritten und... nein sie wird uns keinen Ärger machen. Sei unbesorgt.... Na wunderbar Du hättest auch etwas mehr aufpassen können. Aber keine Zeit jetzt Deine Versäumnisse zu besprechen, lass uns das Beste aus der Situation machen. Der kleine Prinz Irving. Hast Du ihn jemals bei einer Schlacht erlebt? Ich nicht... irgendwas stimmt mit ihm nicht... Darüber können wir uns später den Kopf zerbrechen. Jetzt müssen wir in das Heiligtum gelangen oder eines davon. Wir müssen eines der Bücher abgreifen. Oder eines der Artefakte.


    Wobei wir Interesse heucheln und so unsere Position stärken könnten... Das ist aber auch eine Mördergrube hier an Möglichkeiten... Kaum widme ich mich einem Moment der Alchemie und schon muss ich mich hier um alles allein kümmern... Sei es drum....", knurrte Dunwolf und stampfte zu einem der Umstehenden.


    "Was ist hier geschehen?", fragte Dunwolf sichtlich schockiert.

    "Der Prinz, Irving er wurde geraubt! Es geht die Kunde um, Ditzlin von Wigberg wäre es gewesen, der den Turm einstürzen ließ und sich den Prinzen gekrallt habe! Finstere Zeiten stehen dem Haus Kaltenburg bevor, wenn der Handlanger Hohenfeldes unseren Turm niederreißt und sich des Prinzen bemächtigt. Das wird nicht ungesühnt bleiben. Alle befürchten eine Erpressung oder schlimmer noch einen Überfall", stöhnte der junge Magier.


    "Ditzlin von Wigberg? Unfassbar, dieser Mann ist sich auch für nichts zu schade! Baudoin hast Du die Kunde vernommen? Ditzlin von Wigberg hat den Prinzen Irving in seiner Gewalt!", sagte Dun, als gäbe es kaum was Grauenvolleres.

    "So geht es um. Er ist mit einer Schwinge oben gelandet und hat ihn sich aus dem Turm gezogen. Seine Kastraten kreischen und weinen um den Prinzen", stöhnte der junge Kerl.

  • "Du hast sie ausgesaugt! Und das oben hört sich an wie ein Chor von Klageweibern", meinte Leopoldius leise. Vermutlich stand Irving drauf, wenn jemand möglichst schrill um sein Leben winselte. Laut sagte er: "Das ist ja grauenvoll! Wird Kaltenburg einen Vergeltungsschlag unternehmen?"

  • "Sie hat mich zuerst ausgesaugt.... bis auf den letzten Tropfen.... das war nur fair", wisperte er zurück.

    "Einen Vergeltungsschlag? Nein, dann wäre unsere Festung schutzlos. Es wird gerade die Verteidigung mobilisiert, so wie ich das mitbekommen habe. Das Haus Kaltenburg ist mächtig, aber nicht verrückt. Es wird alles an den verfluchten Kutten liegen! Man hörte munkeln, dass die verfluchte Zunge dieses verrotteten Hauses sich bei den mörderischen Hohenfeldes herumgetrieben hätte! Alles eine unwürdige Brut", zischte der junge Magier und rieb sich die Schläfen.

  • "Die Kutten?", fragte Leopoldius in besorgtem Ton. "Ihr meint, ein Bündnis zwischen Hohenfelde und Kuttenthal besteht? Haben die Kutten denn Anlass, Kaltenburg zu schaden?" Seinem Bruder warf er allerdings einen weniger fürsorglichen Blick zu. Er hoffte, Dunwolf hatte wenigstens die Leiche gut versteckt.

  • Dunwolf lächelte so liebenswürdig, dass er fast schwachsinnig aussah, ehe sich sein Gesicht vor Trauer verzog.

    "Natürlich haben sie das! Die Kutten fürchten Kaltenburg schon immer und sie sind auf unser Land scharf. Da sie hinterhältige Nichtsnutze sind und gerne andere die Drecksarbeit machen lassen, haben sie sich mit den Hohenfeldes zusammengetan. Es heißt der alte Sack hätte sich mit einem Hund bestechen lassen. Nun hängt er selbst an der Leine von den Kutten. Aber was nützt uns das? Nichts! Sie werden Magier für Magier einzeln holen, dafür sind sie bekannt. Schaut über Eure Schultern!", warnte der Magier und Dun schaute sich besorgt um.


    "Von dort werden sie kommen, nur um dann von einem weiteren Dolch das Messer in den Bauch gerammt zu bekommen", warnte der junge Bursch und Dun musterte ihn aus schmalen Augen.


    "So einfach ist das alles nicht. Und Ihr solltet Euren Mund halten Eugen von Steußeneggen, anstatt Gerüchte zu verbreiten", mischte sich von Wittelspitz ein.

    "Also was ist hier geschehen? Außer das der Prinze aus seiner Dachkammer gepflückt wurde, während die Eierlosen zugeschaut haben. Aber was verlangen wir auch von Eierlosen?", sagte der ältere Magier grimmig und betrat den Turm.

    "Bewegt Euch!", kam die Aufforderung.

  • Leopoldius bekam prompt ein Rohr, als Wittelspitz im Befehlston mit ihm sprach. Süße Erinnerungen aus einer gewissen Kammer stiegen in ihm auf, als sein schwellender Schaft sich sehnsuchtsvoll gegen die Hose bohrte, als wolle er hindurchgelangen. Leopoldius versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, sagte demütig:


    "Jawohl, Euer Ehren" und tapste brav die Treppe zum Turm hinauf.


    Auf jeder Stufe wich er den herabgestürzten Steinen aus, derweil machte er sich Gedanken über die Informationen, die sie von Eugen von Straußeneggen erhalten hatten und glich sie mit seinen eigenen Informationen ab. Die Steine wurden ergänzt von Scherben, derer es immer mehr wurden, bis sie das letzte Podest und die große Eingangstür des Turmes erreichten. Man spürte noch die Reste starker Magie flimmern.


    Vor der Tür lag stöhnend ein alter Haudegen von einem Kampfmagier. Er versuchte sich auf die Knie zu stemmen. Neben ihm kniete klagend ein bunt gekleideter Eunuch, ein weiterer klagte unter einem klaffenden Loch im Lichtschacht hinauf in den Himmel. Die Wände waren mit Blut bemalt. Eine erstaunlich realistische Schlachtszene offenbarte sich zu allen Seiten. Ein Sklave, dem das Blut wohl gehört hatte, lag tot im Raum, ohne dass ihn jemand beachtete. Die Seele hatte bereits jemand verzehrt.

  • Alexander warf für einen Sekundenbruchteil Poldi einen wissenden Blick zu, dann war er schon an ihm vorbei und betrat das Chaos, dass Ditzlin von Wigberg hinterlassen hatte. Man spürte noch den Nachklang der mächtigen Magie, die der Partner von Indutiomarus verwandt hatte. Er war nicht nur mächtig, er war auch mächtig dreist einen Prinzen aus seinem Turm zu rauben. Das war keine reine Entführung, das war ein Afront und eine Machtdemonstration.


    Nonverbale Botschaft, gleich wo Ihr seid, vor uns könnt Ihr Euch nicht verstecken.


    Alex schaute sich um, stieg über den gefällten Magier und betrachtete kurz den ausgebluteten Sklaven. Danach machte er sich daran, dass Wandbild zu betrachten. Gezeichnet in Blut.


    "Wer hat hier mit Blut gezeichnet?", fragte er in den Raum hinein. Manche mochten sich nichts dabei denken, aber man rief Schatten auf diese Art und Weise. Und wenn jemand statt der passenden Worte Bilder wählte, war dies einem Schatten gleich. Möglicherweise hatte hier jemand unbedachte in Tor geöffnet. Und jeder wusste dass Ditzlin und Indutiomarus mit Schatten im Bunde waren.


    Dort wurde die Balade niemals geht man so ganz, grausame Wirklichkeit. Denn die Schatten die ihnen dienten waren einst vor langer Zeit gebunden worden. Alexander schaute sich um, spürte und hoffte einen Hinweis darauf zu bekommen was mit dem Prinzen geschehen war. Aber scheinbar war es so schlicht wie einfach. Ditzlin hatte das Dach eingerissen und sich den Prinzen aus dem Turm geangelt.


    "Wer hat hier etwas gesehen? Ein Augenzeuge anwesend? Macht doch mal einer das Maul auf!", blaffte er.


    "Die Zeichnungen sehen aus, als hätte der Prinze sie selbst aus Langeweile in seine Gemächer gezeichnet. Was sagst Du Baudoin? Er schien sehr viel Zeit gehabt zu haben... er war wohl sehr lange hier eingesperrt oder?", tastete Dun sich vorsichtig heran.

    "Immer", gab Wittelspitz knapp zurück und starrte die Eunuchen an.

  • "Ditzlin von Wigberg war es! Auf einer Taudisschwinge raubte er unseren geliebten Prinz! Weine, Kaltenburg, trauere um deinen besten Sohn!"


    Beide Ruspanti riefen Klagelaute hinauf in den Himmel, doch dann wurden sie schon wieder unterbrochen. Amias wunderte, dass Wittelspitz nicht den verletzten Kampfmagier Tjark von Aschbach befragte, der doch Irvings Leibwächter gewesen war. Doch Befehl war Befehl. Der Ruspante trat vorwärts und warf sich vor Wittelspitz zu Boden.


    "Oh weh und ach! Zürnt uns nicht, wir sind nur einfache Sklaven. Diese Zeichnungen stammen von Irving selbst, oh edler Herr! Sie sind teil seiner großartigen und völlig verkannten Magie! Wenn Ihr gestattet?"


    Amias hüpfte wieder auf beide Füße und schnippte mit den Fingern in Richtung seines Bruders im Leid. Cinjamin begann auf der Kithara zu spielen. Obwohl es ein zartes Instrument war, entlockte er ihm wilde Töne, zu denen Amias sich drehte, sprang, bog und überschlug. Mit den Armen fuhr er durch die Luft. Und dann geschah das Unfassbare. Im ersten Moment schien es eine optische Täuschung zu sein, doch dann sah man es ganz deutlich: Die Figuren, in Blut gemalt, erwachten zum Leben. Sie ritten und flogen über die Wand, bekämpften einander und starben. Sie wurden immer detaillierter, je länger der Tanz dauerte, bis Einzelheiten ihrer Trachten und Rüstungen ersichtlich wurden und sogar ihre Gesichter.


    Ditzlin ritt mit Irving auf der Taudisschwinge nach Hohenfelde. Doch das war nicht das Bemerkenswerte. Denn die Burg Hohenfelde wurde, während sie gegen Kaltenburg kämpfte, hinterrücks von Wigberg überrannt und fiel. Die Melodie verstummte. Erschöpft ließ Amias die Arme sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn.


    "Besser sie als wir, nicht wahr?", sprach er und schenkte den beiden schwarzhaarigen Männern neben Wittelspitz einen etwas längeren Blick, als sich eines Sklaven geziemt hätte.

  • Alexander packte den alten Kampfmagier am Kragen und zerrte ihn auf die Beine. Dabei hörte er dem Lobgesängen der Eunuchen auf ihren Prinzen zu.


    Der beste Sohn, nun ja er war so gut, dass man den Tropf permanent unter Verschluss halten musste, da von ihm mehr Gefahr ausging, als von all den anderen Häusern zusammen.


    Nun hatte sich Ditzlin Irvings bemächtigt. Es würde nicht lange dauern, bis der Prinz seinem Talent freien Lauf ließ und Ditzlin ins Chaos stürzte.


    Der Wigberg wusste nicht, was und wen er dort geraubt hatte.


    "Die großartige und völlig verkannte" Magie von Irving war deshalb so großartig, weil sie niemand verstand oder bändigen konnte. Nun im Grunde war das sogar großartig. Ditzlin hatte seinen eigenen Untergang entführt und kam sich auf seiner Taudisschwinge im Moment sicher richtig verwegen vor. Seinen Irrtum würde er bald bemerken.


    Alex verkniff sich ein Grinsen, bei der Vorstellung wie Hohenfelde fiel, da Irving versuchte Magie zu wirken. Nun sie wollten ihn, sie hatten ihn.


    Die Ruspanti begannen zu singen und zu tanzen. Alex fragte sich für einen winzigen Moment warum ihm ständig so etwas passieren musste. Eugen und das neue blasse Fischgesicht Adrian waren ihm gleich. Aber dass die Eunuchen vor Baudoin so eine Show abziehen mussten, war ihm schon etwas peinlich.


    Wittelspitz beschloss zu tun, was er in so einer Situation immer tat, er schaute als wäre das Verhalten das normalste der Welt. Ja als hätte er überhaupt nichts anderes erwartet.


    Doch dann geschah das Wunderbare, das Bild erwachte zum Leben, erweckt durch den Gesang und Tanz der Ruspanti.


    Die Figuren, in Blut gemalt, erwachten zum Leben. Sie ritten und flogen über die Wand, bekämpften einander und starben.


    Sie wurden immer detaillierter, je länger der Tanz dauerte, bis Einzelheiten ihrer Trachten und Rüstungen ersichtlich wurden und sogar ihre Gesichter.


    Ditzlin ritt mit Irving auf der Taudisschwinge nach Hohenfelde. Doch das war nicht das Bemerkenswerte. Denn die Burg Hohenfelde wurde, während sie gegen Kaltenburg kämpfte, hinterrücks von Wigberg überrannt und fiel.


    Nun gestattete sich Alex doch ein Schmunzeln.


    "Ditzlin spielt ein doppeltes Spiel. Was soll man auch anderes von einem Wigberg erwarten? Er nimmt uns die Arbeit ab. Vermutlich sehen wir den Prinzen eher wieder als wir glauben. Die Kerkerzellen in Hohenfelde werden voll sein, wenn das Blut nicht lügt. Und es ist noch nie vorgekommen, dass Blut gelogen hätte.


    Es sei denn wir haben das Problem, dass die Hohenfeldes hier einziehen und die Wigbergs dort. Dann bleibt uns nur - Wigberg.


    Seltsame Zeiten", sagte Alex und verschränkte die Arme vor der Brust, während er das Gemälde betrachtete.


    Dann fiel sein Blick auf den Ruspanti, der die Neuankömmlinge mit dem Blick sezierte.


    Wittelspitz hob fragend eine Augenbraue.


    "Möchtest Du mir was mitteilen, möglicherweise unter vier Augen?", hakte der beleibte Magier freundlich nach.


    Dunwolf und Eugen starrten ihrerseits den Ruspanti an.

  • Tjark war sichtlich mitgenommen. "Alex...ander von Wittelspitz", stammelte er, während er seine Gedanken sammelte.


    Er hatte einige Gesteinsbrocken und Scherben abbekommen, wobei Letztere noch in seiner Haut und Kleidung steckten. Ditzlin von Wigberg hatte er magisch nichts entgegenzusetzen gehabt, nicht einmal im mindesten - was ihn überrascht hatte, den er war einer der fähigsten Kampfmagier von Kaltenburg. Er richtete den dicken Zeigefinger seiner Pranke auf die zwei Ruspanti. Sein verwittertes Gesicht verzog sich vor Groll.


    "Die beiden Spinner! Es geschah unmittelbar nach ihrem Gesang!"


    Amias und Cinjamin fassten sich zeitgleich in einer fassungslosen Geste an die Brust. "Wir singen und tanzen jeden Tag für unsere geliebte Exzellenz! Das birgt naturgemäß eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendwelche Ereignisse damit überschneiden."


    "Aber ihr singt nicht SO", beharrte Tjark. "Das war ein neues Lied."


    "Der Prinz war zufrieden mit unserer Darbietung", meinte Amias sanft mit seiner Frauenstimme. Am Eigentum des Prinzen würde auch ein Tjark von Aschbach sich nicht vergreifen. Dann widmete Amias seine Aufmerksamkeit wieder Alexander. "Ich möchte Eurem Vorschlag folgen und unter vier Augen mit Euch sprechen."

  • Alex schaute von Tjark zu den Ruspanti. Natürlich konnte alles Zufall sein, oder ein abgekartertes Spiel. Der Sirenenartige Gesang war heute vielleicht ein Erkennungszeichen, den Prinz aus seiner Dauerhaft zu entführen. Um sich zu befreien, war Irving möglicherweise einen Bund mit Ditzlin eingegangen und hatte sich quasi so selbst entführt.


    Die Leute kamen auf die sonderbarsten Ideen, wenn man sie lange genug unbeschäftigt isolierte. Wer seinen Verstand nicht nützlich einsetzen konnte, suchte sich eine Beschäftigung.


    Was hier der Wahrheit entsprach musste Alex ermitteln.


    "Gehen wir ein Stück. Tjark Du wartest hier, Baudoin Du kümmerst Dich um den Mann, ich verlasse mich auf Dich", sagte Wittelspitz und führte den Eunuchen nach draußen, verließ den Turm und betrat eines der Lesezimmer.


    "Was hast Du zu berichten", fragte Alexander rundheraus.

  • Amias schob seine weiche, filigrane Hand unter dem fetten Oberarm von Wittelspitz hindurch. Er schwebte förmlich neben ihm her, als der Magier ihn nach draußen führte. Als sie außer Hörweite waren, neigte er den Kopf nah zu ihm, als wolle er ihn küssen, doch statt eines Kusses formten seine Lippen Worte.


    "Die beiden finsteren Fremden sind erst seit kurzem hier, habe ich Recht? Ist es möglich, dass ihre Ankunft sich mit jener des Ditzlin von Wigberg überschnitt? Wenn ja, so wird es kein Zufall sein. Ich empfehle Vorsicht, Herr."

  • Der zierliche Eunuch schob sein Händchen unter seinen Arm und schritt wie schwerelos neben ihm her. Was der Prince an diesen zerbrechlichen Persönchen fand, war Alex ein Rätsel. Er mochte lieber handfestere Tatsachen. Aber hier war nicht sein persönlicher Geschmack seiner Bettgefährten gefragt, sondern es ging darum herzufinden was geschehen war oder vielleicht auch nicht. Es konnte sich genauso gut um ein Ablenkungsmanöver handeln. Die Frage wofür musste man sich auf ihrer Welt nicht stellen. Darauf gab es nur eine Antwort - einen Angriff.


    Nur von wem ging das Ablenkungsmanöver aus?

    Von den Eunuchen, damit ihr Herr zu seinen neuen Verbündeten fliehen konnte?

    Von Ditzlin selbst, damit sein Mann den Angriff vorbereiten konnte?

    Oder gar von den Neuzugängen?


    Aber allem Augenschein nach waren die beiden an nichts beteiligt gewesen. Sie hatten sich hier beworben und Baudoin hatte mehr von sich preisgegeben, als Alex es für möglich gehalten hatte. Falls die beiden etwas planten, dann war es wohl ehr an dem Jüngeren die Strippen zu ziehen. Falls nicht, war dies auch nicht sonderlich tragisch. Alex würde trotzdem nach einer Möglichkeit suchen, den Störenfried geschickt in den Verstrickungen zu entsorgen. Baudoin hatte besseres verdient als seine Zeit mit dieser Rotznase zu verschwenden - ihn.


    "Du hast Recht, die beiden sind erst seit kurzem hier. Aber sie waren die ganze Zeit unter Aufsicht. Was nichts heißen muss, sie können von jemanden geschickt worden sein. Aber genauso gut kann es tatsächlich Zufall sein, dass sie zeitgleich hier aufschlugen. Möglich ist ein Ablenkungsmanöver von Ditzlin für seinen Mann, oder auch von Eurem Herrn bezüglich was auch immer.


    Du hast die Wandbilder zum Leben erweckt, was genau zeigen sie? Blutmagie in wilder Form? Ist es das? Bedenke eines Amias, auch Ihr steht unter Verdacht. Wurde Euch Euer Herr geraubt, habt Ihr ihn rauben lassen oder steht hinter all dem ein höherer Plan von Euch und dem Prinzen? All das wird die Familie wissen wollen. Ditzlin ist doch nicht zufällig hier vorbeigeflogen.


    Falls Du mir etwas zu sagen hast, sprich jetzt und wir können die Dinge noch klären", sagte Wittelspitz ruhig und musterte Amias mit seinen grünen Fuchsaugen.