Das zweite Konzil
21. Sonne des Heilmondes im Jahr 1079 nach der Asche.
Naridien, Hauptstadt Alessa. Winterstrandbar.
Seit dem ersten Konzil waren viele Tage und noch mehr Blut und Tränen ins Land gegangen. Gut gemeint war es gewesen, doch vielleicht die Sippe noch nicht bereit für ein Leben in Frieden. Nach 874 Jahren sollte das Konzil erneuert werden, welches verhinderte, dass die Häuser übereinander herfielen. Für immer würde es auch diesmal nicht halten, denn für Frieden waren die Menschen nicht gemacht, erst Recht nicht jene vom alten Blut. Doch würde es vielleicht eine Epoche des Atemholens ermöglichen, um die sinnlos vergeudeten Kräfte wieder zusammen, um zu allererst den Feinden trotzen zu können, denen ihre Dolche gelten sollten - jenen, die von außen an dem Gefüge der Sippe zu rütteln wagten.
Richard und Dorian von Wigberg trafen in der schwimmenden Strandbar in Daijian ein, die sie heute komplett gemietet hatten. Die Architektur glich ein wenig einem Gewächshaus mit dem Glasdach und den grünen Palmenwäldchen, die als Raumtrenner fungierten. Dies war die Luxusausführung mit echtem Bambusmobiliar und lebenden Pflanzen, deren Kübel im Boden eingelassen waren. Barfuß ging man hier und genoss die Fußbodenheizung. In der Mitte gab es einen Pool, durch dessen Wände man ins verdreckte und weitestgehend tote Meer blicken konnte. Während im Inneren tropische Temperaturen herrschten, fauchte an den Fensterscheiben ein eisiger Wind vorbei, der die ersten Schneeflocken mit sich trug.
Dorian hatte legere Kleidung angeordnet, in der Hoffnung, der Situation etwas von der Spannung zu nehmen. Noch wusste niemand, worum es heute überhaupt ging, außer ihm und Richard. Sie teilten den Traum, dass die Häuser wieder vereint stehen würden und die Einladungen waren per Interkom herausgegangen. Es würde sich zeigen, wer erschien - und wer fernblieb und so seine Ablehnung des Bündnisses kundzutun wagte. Das könnte, wenn überhaupt, nur eines der größten Häuser sich leisten: Wigberg selbst, Hohenfelde oder Eibenberg. Die kleineren Häuser ihrer Verbündeten würden ihre Gönner und Beschützer nicht vor den Kopf stoßen.
Nervös spielte er mit der Karte. Das kurzärmlige, kunterbunt gemusterte Hemd passte nicht ganz zu seinem verschlissenen schwarzen Hut mit dem violetten Hutband und dem ebenso gefärbten herabhängenden Federbusch. Damit sein dicker Bauch nicht schmerzte, hatte er sich bequeme halblange Hosen angezogen und dazu Badeschlappen. Sein Blick strich herüber zu Richard.