Die Liebe eines Vaters
Sturm zog auf und kündete von der kalten Jahreszeit auf Asa Karane. Wind und Wellen peitschten mit unbändiger Kraft gegen das Gestein der Insel. Heulend tobten Eisschauer über das Land. Grau, wie alles war auch das Eis dass vom Himmel fiel mit Asche vermischt. Es bildete seltsame Schlieren in der Luft, die einen auch ohne Kenntnisse der Insel davor warnten, sich jetzt im Freien aufzuhalten.
Wie messerscharfe Dolche, fielen diese kleinen harten Eisscherben vom Himmel, was es genau damit auf sich hatte, wusste niemand. Vielleicht ein Überbleibsel aus einem längst vergangenen Krieg. Möglicherweise auch eine Auswirkung dessen, was sie der Insel und sich selbst angetan hatten. Niemand wusste es so genau, aber jeder wusste instinktiv was er bei diesen Stürmen zu tun hatte.
Wie klein und schäbig die Hütte auch war, jeder war in diesen Zeiten froh über ein Dach über dem Kopf.
Die Hütte des Erzhexers Indutiomarus von Hohenfelde war alles andere als klein oder schäbig, aber auch die Feste von Hohenfelde musste gegen dieses Wetter gesichert werden. Alles war fest verschlossen, verrammelt und mit Magie zusätzlich geschützt. Die Insel war in der kalten Jahreszeit geneigt sich einen Teil dessen zurückzuholen, was man ihr geraubt hatte.
Ein junger Mann saß im Schlafzimmer des Fürsten. Bleich mit schneeweißem Haar und sehr kräftigen Händen die an Pranken erinnerten. Die Krallen die sie trugen, taten ihr Übriges dazu bei. Fast wirkte er von der Größe wie ein Kind. Doch mehr kindliches als die Körpergröße hatte er nicht an sich. Er war eine kleine Ausgabe eines Erwachsenen, der fest in den dichten, schweren und extrem wertvollen Pelzmantel von Indutiomarus vor der großen Feuerschale saß und sich wärmte.
Als der Erzhexer sein Schlafzimmer betrat, schaute der junge Mann mit einem Gesichtsausdruck auf, den man nur sehr selten in diesen Mauern sah. Nicodemus lächelte seinen Vater herzlich an. Zeitgleich bekam er von seinem Vater einen großen Becher gereicht.
"Trink und lass es Dir schmecken. Geht es Dir besser?", erkundigte sich Indu, schlang sich eine Decke um die schmalen Schultern und setzte sich neben seinen Sohn. Er betrachtete ihn eingehend, ja er kam nach Ditzlin, ganz eindeutig.
Nicodemus nahm einen Schluck von dem heißen Blut, dass mit Gewürzen abgeschmeckt war. Dabei schaute er in die Flammen und rutschte zu seinem Vater auf.
"Ja vorhin war mir so schrecklich kalt, alles tat mir weh. Die Wärme hat geholfen, so wie Du gesagt hast. Bleibst Du was hier?", fragte Nico hoffnungsvoll und hielt den Becher in beiden Händen, um sich daran ebenfalls zu wärmen.
Indutiomarus legte die Decke mit über Nicos Schultern und streckte die Füße Richtung Feuerschale aus. Gemütlich lehnte er sich an seinen Sohn und nickte.
"Heute machen wir es uns hier gemütlich. Ich bleibe bei Dir und bald wird auch Dein Vater Ditzlin wieder Zuhause sein. Da bin ich mir ganz sicher Nico, nur bei diesem Wetter kann er nicht reisen. Das ist zu gefährlich. Der Eissturm wird bald nachlassen. Aber bis dahin bleiben wir im Turm und machen es uns im Schlafzimmer am Feuer gemütlich", antwortete Indu und gähnte müde hinter vorgehaltener Hand.
"Indu ich bin immer im Turm", grinste Nico schelmisch und trank einen Schluck Würzblut.
"Das bist Du aus gutem Grund. Die Feste ist für Dich nicht sicher. Wie das aus meinem Munde klingt... Dann sollte ich dafür sorgen nicht wahr? Der Turm ist der sicherste Ort der Feste. Und im Turm sind meine Privatgemächer der sicherste Ort. Deshalb lebst Du hier. Sobald Du ausgewachsen bist, wirst Du mich begleiten. Vorher möchte ich Dich sicher verwahrt wissen. Noch bist Du nicht soweit, dass Du an meiner Seite wandeln kannst Nico.
Und selbst Personen wie ich haben Widersacher. Es gibt zig mächtige Häuser und einige Fürsten. Sie alle säßen nicht auf ihrem Thron wären sie dumm, einfältig oder schwach. Es sind mindestens gleichwertige Gegner, unterschätze sie niemals.
Zur Zeit ist das Machtgefüge ausgeglichen, jeder weiß was er hat, keiner möchte es verlieren. Bis dato stabile Zeiten, sehr fragile... stabile Zeiten... aber stabil. Dennoch wird Kuttenthal nicht grundlos einen Pakt mit uns gegen Kaltenburg geschlossen haben....
Nun noch muss ich Dich nicht mit der Politik und den Machtkämpfen der Häuser belästigen, jedenfalls heute nicht. Nur so viel Nico, wandelst Du an meiner Seite, haben Dich die anderen Erzhexer und jeder der sich einen Namen machen möchte im Auge. Du trittst in Erscheinung... verstehst Du?
Ab dato hast Du Feinde und jene die Deine Gunst erringen wollen. Und manchmal Nico... sind beide kaum zu unterscheiden...
Deshalb lebst Du hier in diesem Turm, wohlbehütet. Manchmal mag es langweilig sein, aber es ist die Eintönigkeit der Sicherheit. Eines der höchsten Geschenke dass ich Dir erweisen kann. Du und Ditzlin Ihr bedeutet mir alles, vergiss das nie...", erklärte Indutiomarus und nahm einen Schluck Blut aus Nicodemus Becher.
"Ich werde es nie vergessen Indu... Ditzlin und ich werden es nie vergessen", antwortete Nico und schmiegte sich an.
"Sobald Du ausgetrunken hast, mache ich Dir Dein Bett. Versuch ein bisschen zu schlafen", flüsterte Indutiomarus und küsste seinen Sohn auf die Stirn.
"Weckst Du mich, wenn Ditzlin nach Hause kommt?", bat Nico und trankt glücklich seinen Becher aus.
"Selbstverständlich", schmunzelte Indu.
****