Kapitel 23 - Die Düsterlinge

  • Die Düsterlinge


    Dunwolf lag in seinem Bett, starrte zur Decke und ließ die letzte Zeit Revue passieren. Die Zeit in Kaltenburg, die gereichte Hand von Poldi, das Versprechen und vieles mehr. Zudem fehlte seit einiger Zeit Arbogast und sie hatten einer Spur zu folgen namens Nicodemus. Das alles ergab ein großes Gesamtbild, dass Dunwolf stillschweigend im Bett betrachtete, indem er an die Decke starrte.


    Sie waren überein gekommen, einen Diener ihres Vaters abzufangen und auszuhorchen. Diese kleinen, speichelleckenden Magier wussten vermutlich weniger als so mancher andere Diener. Nein sie mussten jemanden aus dem Nimbus von Indutios Privatleben erreichen. Und da gab es nur eine Gruppe, die über allen anderen stand, die Düsterlinge!


    Die Düsterlinge folgten ihrem Vater wie sein eigener Schatten. Sie wachten mit scharfen Augen, Krallen und Zähnen. Sie waren es, die Zutritt zu Vaters Gemächer hatten, wo andere ausgesperrt wurden. Einzige Ausnahme Ditzlin. Da sie Ditzlin schlecht fangen und verhören konnten, ohne selbst im Eiskeller zu landen musste einer der Düsterlinge her. Und zwar nicht nur einer der Düsterlinge, sondern der Düsterling schlechthin.... Sanar!


    Dunwolf rollte sich aus dem Bett und schalt sich, dass er in letzter Zeit viel zu oft darin lag und über alles nachgrübelte. Davon wurde es auch nicht besser. Denken und Handeln mussten Hand in Hand gehen. Er schnappte sich seine Waffen, sprang in die Schuhe und rannte erneut zu Poldis Quartier. Mit der Faust hämmerte er gegen die Tür und hoffte dass sein Bruder anwesend war. Er hatte eine sehr kurze und extrem wichtige Botschaft für ihn, die Lösung ihres Problems, das Ende ihrer Suche....


    ....Sanar!

  • Doch Sanar kam nicht.


    Er konnte nicht kommen.


    Man hatte ihn entführt. Doch nicht in den privaten Gemächern von Leopoldius war er nun zu finden, sondern das Agonarium erschien den Hohenfelde-Brüdern als der geeignete Ort.


    "Dass Düsterlinge nicht beeinflussbar sind, ist der einzige Grund, warum der Alte so vernarrt in sie ist."


    Leopoldius sprach mit Dunwolf, ohne die mit den Füßen an einer Kette inmitten des Raumes schwingende Kreatur anzusehen, die gerade kleine Kreise zog, denn Leopoldius hatte sie geschlagen. Größere Kreise verhinderte die zweite Kette, die vom Boden aus die Hände hielt.

  • Dunwolf stand mit vor der Brust verschränkten Armen neben seinem Bruder und musterte den Düsterling. Vermutlich war die Kreatur weit mehr gewöhnt, als einen Schlag. Wobei wer wusste schon, was Indu tat? Möglicherweise feierten sie täglich rauschende Feste oben im Turm und die Düsterlingen fraßen dass, was auf ihrem Tisch fehlte und schlemmten wie kleine Götter mit Klauen und Schwänzen. Sie schlawenzelten um den Thron und das sicher nicht grundlos.


    Duns Lippen teilten sich zu einem humorlosen Lächeln.


    "Bruder was hassen Düsterlinge? Licht. Also wollen wir die Kreatur erleuchten. Was sagst Du? Wir könnten ein schönes Feuerchen unter ihr machen. Ich meine ein teurer Spaß, aber die wir genießen die Wärme, den Duft von Röstfleisch und die Zunge des Düsterlings wird sich lockern. Das wäre mein Vorschlag. Hast Du Brennmaterial?", hakte Dunwolf nach und grinste eine Spur breiter.


    Sanar funkelte sie beide wütend an.


    "Wenn der Meister hiervon erfährt, seid Ihr beiden tot!", kreischte er wütend.

  • "Natürlich. Dort drüben ist ein Kohlebecken, es muss nur gemütlich angefacht werden."


    Er zeigte mit der Hand in die entsprechende Richtung, ehe er sich wieder dem Düsterling zuwandte.


    "Deine Meister sind momentan mein geschätzter Bruder und ich, Kreatur. Deine Hoffnung, Vater würde die Drecksarbeit für Arbogast ausführen, muss ich dir nehmen. Er hat auch von anderen Dingen erfahren und wir leben immer noch. Du hingegen ... wer weiß. Es hängt davon ab, wie viel dir deine Existenz bedeutet."

  • Dunwolf schaute zu dem Kohlebecken rüber, aber sein Bruder machte keine Anstalten das verfluchte Ding zu ihrem Opfer zu schleppen. Wunderbar. Also musste er ran. Seine Idee, seine Arbeit. Eigentlich war das fair. Das endete noch grauenvoll, grübelte Dun und machte sich daran das Kohlebecken zum Düsterling zu schleppen. Hinter dem Rücken der Kreatur plazierte er es, damit sie gegen die heiße Schale schlug, wenn sie ein Feuerchen entzündeten.


    Dun stellte sich zurück zu seinem Bruder und wartete ab.


    Sanar schien das Ganze langsam aber sicher ungeheuer zu werden, denn die beiden schienen es mit ihrem Vorhaben ernst zu meinen. Wieso sollten sie auch nicht? Sie hatten nichts zu verlieren. Ihre Tage waren gezählt. Möglich das sie morgen, in einigen Monaten oderJahren in die Asche bissen, aber eines Tages war es soweit und man würde ihre Kadaver in den Eiskeller werfen. Wie alle anderen vor ihnen auch.


    "Unwerte Brut, das wagt Ihr nicht. Mein Leben ist viel wert, mehr als das Eure. Ich diene treu, aber Ihr tut nichts für das Haus. Also was ist der Preis? Vielleicht schweige ich, wenn Ihr mich gehen lasst. Vielleicht...", zischte der Düsterling und versuchte sich zu befreien, was nicht gelang.

  • Leopoldius hatte nicht vor, sich mit dem Geschöpf einen Schlagabtausch zu liefern. Derart fast schon liebevolle Wortgefechte waren den Feinden vorbehalten, die er respektierte. Ein Diener gehörte nicht dazu.


    Er zückte seinen Dolch. Das wachsende Feuer spiegelte sich nicht auf der Klinge, denn sie war matt und schwarz, um genau das in der Dunkelheit nicht zu tun. Und doch war sie scharf wie ein Skalpell, denn kein Hohenfelde trug den Dolch, den er zur Volljährigkeit geschenkt bekam, nur zur Zierde.


    Leopoldius setzte am Schambein an und zog ihn in einem Zug hinab bis zum Brustbein, wobei er eine gleichmäßige Tiefe beibehielt. Der Bauchraumklaffte auseinander, die Eingeweide quollen rosa, weiß und dunkelrot ein Stück hervor, waren jedoch unverletzt.


    "Verschwende unsere Zeit nicht. Wo ist Arbogast? Wer ist Nicodemus?"

  • Während Sanar wie von Sinnen aufkreischte, zeichnete sich auf Dunwolfs Gesicht so etwas wie pure Verzückung ab.

    "Arbogast ist fort, er hat die Feste verlassen! Hohenfelde verlassen! Den Namen abgelegt. Er ist fort! Fort hörst Du?", kreischte der Düsterling und hing erstaunlich still in seinen Ketten da er fürchtet, weiter ausgeweidet zu werden.


    "Nicodemus ist der jüngste Sohn des Meisters. Ich sagte was Ihr wissen wolltet", wimmerte Sanar und Dunwolf stellte sich neben seinen Bruder.


    "Arbogast ist fort? Wohin ist er gegangen? Doch wohl nicht einfach aus dem Haus geflohen und das war es. Nicodemus ist der jüngste Sohn von Vater? Wo ist... Du kannst es Dir auch denken nicht wahr Poldi?", fragte er irritiert.

  • "Nichts kann ich mir denken! Ich will es aus dem Mund dieses Halbmenschen hören."


    Leopoldius ging nun in die Hocke, den Dolch in der linken Hand, wie es für ihn üblich war. Die rechte legte er dem Düsterling nun an die Wange, doch er lächelte nicht. Sein Blick blieb hart.


    "Unser Scharfrichter versteht sich gut auf Chirurgie. Vielleicht kann dein Bauch wieder zugenäht werden? Doch dazu darfst du es nicht noch schlimmer machen, Sanar ... beantworte die Fragen und mach uns keinen weiteren Ärger. Wohin ist Arbogast geflohen? Wo befindet sich unser jüngster Bruder Nicodemus? Wir wollen ihn begrüßen. Und wer ist seine Mutter?"

  • Sanar versuchte regelrecht tapfer zu sein, aber wer war schon tapfer, wenn er einen Hohenfelde gegen sich aufgebracht hatte? Einen Hohenfelde der ihn gerade aufgeschlitzt hatte? Sanar sah sich zweien gegenüber. Die Treue zu seinem Meister war groß, aber an seinem Leben hing der kleine Düsterling. Warum sollte er es leichtfertig wegwerfen? Er schluckte sichtlich nervös und biss kurz die scharfen Zähne aufeinander. Am liebsten hätte er sie im schrecklichen Leopoldius versenkt, aber dazu würde es nicht kommen.


    "Fort nach Eibenberg so hörte ich. Arbogast hat dem Namen Hohenfelde abgeschworen, er ist keiner mehr von Euch. Hat das Haus verlassen, ihm den Rücken gekehrt. Das hat Arbogast getan.


    Nicodemus hat keine Mutter. Sein Schoß war ein Glas. Seine Milch ist Blut. Seine Zähne sind Dolche, seine Hände sind Pranken. Seine Nägel sind Klauen. Er war winzig, doch er wächst schnell. Sein Hunger ist groß. Er ist schnell, sehr schnell und er liebt die Dunkelheit. Das ist Euer Bruder, aber er wird Euch nicht sehen wollen. Niemanden von Euch", keuchte Sanar.


    "Bitte lasst mich gehen, Ihr habt was Ihr wollt und der Meister wird nicht erfreut sein. Überhaupt nicht über den armen alten Sanar", jammerte der Düsterling und schaute mit großen Augen.

  • Der Schmerz des gequälten Geschöpfs erreichte nicht das Herz des Hexers. In diesem Spiel ging es um sein Leben, er folterte nicht aus Lust, wenngleich er sie bisweilen empfand, wenn er an einen Körper dachte, der sich schreiend unter ihm wand.


    Leopoldius ließ die Worte eine Weile wirken und dachte nach. Sie erschienen ihm glaubwürdig. Er blickte auf und drehte ein wenig den Kopf.


    "Hast du noch Fragen, Bruder?", erkundigte er sich liebenswürdig bei Dunwolf.

  • Dunwolf trat näher und starrte den Düsterling hasserfüllt an.


    "Arbogast ist zu den Eiben geflohen? Das hat Vater erlaubt? Nun wenn dem so ist, sind wir momentan ja wieder nur drei Brüder.... nicht wahr? Und was heißt Nicodemus hat keine Mutter? Von was faselst Du da? Du beschreibst dort kein Kind, was Du beschreibst ist laut den alten Schriften ein.... Humunkulus...", erklärte Dun tonlos und starrte dann seinen Bruder an.


    "Schneide dem Vieh die Kehle durch, sofort Poldi", forderte Dun mit einem Ernst in der Stimme, die auch bei Poldi die Alarmglocken schrillen lassen würden.

  • Es dauerte nicht länger als nötig. Im Gegensatz zu Dunwolf ließ Leopoldius kein Gefühl nach außen dringen. Natürlich war er genau so geschockt wie sein Bruder. Doch er hatte sich die Auswertungen aufsparen wollen für die Zeit danach. Diese würde gleich gekommen sein.


    Das Blut lief in Strömen auf den schwarzen Steinboden. Da der Düsterling kopfüber hing, würde es sehr schnell gehen.


    "Gleich ist es vorbei." An wen er diese Worte richtete, war nicht ersichtlich.


    Als das Röcheln der offenen Kehle verstummte, wandte Leopoldius sich seinem Bruder zu. Mit einigen beiläufigen Schwüngen ließ er das Blut von der Dolchklinge spritzen, stand jedoch weit genug entfernt und machte keinerlei Anstalten, auf Dunwolf loszugehen.


    Eine weitere vertane Gelegenheit ... du wirst alt, Leopoldius. Bereite alles vor ... für den Tag, an dem du nicht mehr handeln kannst.


    Er strich das Blut an einem Stofftaschentuch ab und ließ die Klinge wieder in die Scheide gleiten, wo er sie sicherte.


    "Arbogast und Vater halten uns gleichermaßen zum Narren. Wir sind wieder Drei, doch siehe, Dunwolf - unser allerjüngster Bruder wurde mit unfairen Vorteilen bedacht. Wir müssen ihn töten, bevor er ein Mann wird. Noch ist er ein harmloser Säugling. Was Arbogast betrifft, frage ich mich, womit er sich bei den Eibenbergs eingekauft hat."

  • Dunwolf beobachtete mit Argusaugen was Poldi mit dem Dolch trieb. Aber er blieb aus seiner Reichweite. Die Aktion war zeitgleich erfreulich wie verstörend. Sie hatten einen Pakt. Dun würde sich daran erinnern, Poldi auch, sobald einer von ihnen die Kehle des anderen aufschlitzte. Doch jetzt benötigten sie sich mehr denn je. Während der Düsterling ausblutete und zeitgleich jede Kontrolle über seinen Körper verlor, dachte Dunwolf angestrengt nach. Blut und Fäkalien bedeckten den Boden, jedes Schlachthaus bot den gleichen Anblick und Geruch.


    Sinnierend strich er sich über das Kinn und schaute Poldi in die Augen.

    "Du denkst einen Schritt zu weit. Bevor Arbogast bei den Eiben aufgenommen worden ist, muss er Hohenfelde verlassen haben. Was hat Vater dazu veranlasst, dies zu erlauben? Eine derartige Schwäche hätte eine Strafe nach sich gezogen. Kurzum er müsste jetzt im Eiskeller liegen. Aber Vater ließ Arbogast ziehen....


    Wie Du richtig angemerkt hast, haben ihn die Eibenbergs aufgenommen. Hier ist die Frage korrekt, was hat Arbogast ihnen geboten? Das was mir sofort in den Sinn kommt, sind seine Fähigkeit und vor allem seine Loyalität. Er weiß Dinge über dieses Haus die niemand sonst weiß. Er kennt die Sicherungen, so manche Schwachstelle und hat scheinbar unserem Namen entsagt. Ist Vater so dumm oder tut er nur so? So kurzsichtig ist die alte Natter doch nicht, andernfalls hätte er sich nicht einen Tag auf dem Thron gehalten.


    Nein da muss etwas anderes dahinter stecken....

    Nur was? Wir werden es ergründen müssen.


    Zu Nicodemus.... Lebende zu schaffen ist anstrengend, aber es ist möglich. Einen wahren Humunkulus zu schaffen, ist eine Meisterleistung. Glaubst Du allen ernstes Vater hat dies geschafft? Das er sich an diese Grenze wagte und ein Wesen... ein Kind schuf mit reiner Magie und was noch dazu notwendig ist?


    Falls dem so ist und dieser Düsterling uns nicht nur einen Bären aufgebunden hat, dann hat er etwas geschaffen dass anders ist. Etwas das vielleicht nicht mit uns zu vergleichen ist. Ist dieses Ding überhaupt ein Kind? Ein Mann? Was ist es? Ich kann mir keinen Reim darauf machen, aber gehe ich rein nach dem Gesagten, dann ist dieses Kind ein Raubtier mit Reißzähnen und Krallen.


    Was sagst Du dazu Poldi? Lass mich an Deinen Gedanken teilhaben....", bat Dunwolf nachdenklich und hockte sich in einiger Entfernung auf den Boden. Die Kälte fokussierte seine Gedanken.

  • "Meine Gedanken? Die sollst du vernehmen.


    Arbogast kennt keine Loyalität, er kennt nur das, was ihm nützt. Ist das zufällig Treue, wird er es auch damit versuchen, doch sein Herz ist von uns dreien das verdorbenste, dreckigste und er ist derjenige, der zuerst zu sterben verdient. Ich denke, da sind wir beide uns nach wie vor einig. Er wird Hohenfelde verraten und Eibenberg wird uns in die Knie zwingen. Vielleicht nicht im offenen Kampf, aber wirtschaftlich, sobald der hässliche Vogel singt.


    Was einen Humunkulus angeht, mag es sein, dass Vater den Sand in seiner Lebensuhr rieseln hört und uns zuvor gekommen ist. Ich traue ihm zu, sich selbst magisch ausbluten zu lassen und daran zu verenden, um uns den Sieg nicht zu gönnen. Er weiß, dass er es nicht schaffen wird. Seine Taten singen Hohn, so lange er es noch vermag."

  • Dunwolf ergriff seinen Bruder so fest bei den Schultern, dass Poldi es schmerzhaft bis in den Hals spürte.


    "Poldi... was redest Du denn da? Das was der Alte getan hat ist Hochverrat! Weißt Du was es für Magie verschlingt ein Wesen auf diese Art zu zeugen und ihm Leben einzuhauchen? Das ist kein verdammter Untoter, es ist auch kein Lebender. Es ist magisch geschaffenes Leben. Kein Magier der noch alle Sinne beisammen hat würde diese Grenze überschreiten....


    Welchen Sinn sollte denn eine derartige Kreatur haben? Du kannst jede Frau im Umkreis dazu nutzen um ihr ein Kind anzudrehen. Wieso ein Kind durch reine Magie schaffen? Weshalb? Diese Macht ist ein Trugschluss. Sie verlangt alles und bietet nichts! Du hast ein Kind. Und? Die hatte er vorher auch. Hunderte vielleicht, wer weiß das schon so alt wie diese Natter ist. Und das Balg wird es Indu nicht gegangen sein Poldi....


    Bei dem Weg der Altvorderen zähle doch eins und eins zusammen!

    Arbogast ist mit der Erlaubnis von Vater fort zu den Eiben, mit all dem Wissen rund um dieses Haus....

    Vater ließ sich magisch ausbluten, für ein Balg.... er ist nur noch eine vertrocknete alte Hülle... eine gefährliche, alte Hülle...

    Er hat uns alle zum Tode verdammt!


    Er hat Arbo ziehen lassen und uns damit verkauft. Er hat den Eiben bewusst den Weg geebnet! Meinst Du das ist Zufall? Er wirft uns den Buchhaltern des Abgrunds zum Frass vor und mit Arbos Hilfe ist hier bald Zahltag. Der Alte hat sich selbst geopfert und Arbo losgeschickt um Hohenfelde zu vernichten.


    Er hasst genau wie Arbo selbst seine Herkunft, seinen Namen, sein Blut!

    Deshalb ließ er die Ratte gehen und deshalb zeugte er dieses Balg. Nichts was diese Natter treibt ist ohne Hintergedanken.

    Und ich sage Dir auch, wer ihn zu diesem Handel angestiftet hat.... Wigberg!


    Die Eiben und die Wigbergs haben Hohenfelde schon aufgeteilt wie einen erschlagenen Bären. Und Indu? Der lacht sich im hohen Turm gerade ein Ei aus der Robe und zeigt uns allen den Mittelfinger... während er sich in den Abgrund verabschiedet.


    Und jetzt kommt die Höhe! Dabei hat er uns komplett um die Essenz betrogen die seinem dürren Kadaver innewohnt. Deshalb hat er das Balg geschaffen. Er vernichtet unser Haus durch Arbo und die Eiben, er versagt uns unser magisches Erbe und stopfte alles in diesen Hummunkulus. Und alles nur, weil er seine Herkunft verabscheut.


    Sein Vater hatte Recht, das Blut der Spitzohren hätte er ihm aus den Schädel prügeln sollen. Er ist noch viel zu sanft mit dieser Abscheulichkeit umgegangen!


    Das ist sein Plan Poldi! Wir bekommen keinen Funken Essenz, er raubt uns alles", brüllte Dunwolf aufgebracht.

  • Leopoldius ließ das aufgebrachte Geschrei seines Bruders über sich ergehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch nicht von Anfang bis Ende ... es gab einen Bruch in seiner Maske, einen Splitter, der sich löste, als Dunwolf schrie:


    Du hast ein Kind.


    Das Blut wich Leopoldius aus dem Gesicht, seine Augen öffneten sich ein Stück weiter als üblich und sein Mund stand einen Fingerbreit offen. Nur für einen oder zwei Momente, in denen all seine Hoffnungen und Pläne in sich zusammenzustürzen schienen, bis er begriff, dass Dunwolf nicht ihn gemeint hatte, sondern in einer Verdrehung der grammatikalischen Gegebenheiten ihren Vater meinte.


    Als könnte er noch verhindern, dass Dunwolf seinen Fehler bemerkte, legte Leopoldius nun seinerseits die Hände auf dessen Schultern, kroch mit den Fingern weiter in den warmen schwarzen Haarschopf hinein, umfasste sanft mit einer Hand das Genick und zog den jüngeren Bruder an sich. Starr an die Wand blickend, bettete er Dunwolfs Kopf an seine Schulter. Die zweite Hand legte er ihm auf den schmalen Rücken, dorthin, wo er ihm irgendwann den Dolch rammen würde.


    "Sh-shhhhh ... Ein ruhiger Geist ist wie die Oberfläche eines Sees, glatt, schwarz und von unerschöpflicher Tiefe. Der tosende Fluss ist nur flach und an zahlreichen Stellen findet sich eine Furt, um ihn ganz bequem zu queren. Sei wie der See, still und dunkel. Für Zorn ist später Zeit."


    Es gelang ihm, während er sprach, seine Maske zu richten und er gab Dunwolf zärtlich wieder frei.


    "Ich denke, du hast Recht. Indutiomarus hat Hohenfelde zum Fraß freigegeben. Seine letzte Rache vor dem Fall. Doch, Dunwolf, es liegt an uns, ob wir uns von Eibenberg und Wigberg in die Knie zwingen lassen. Die Kunst ist, das Spiel nicht nach den Regeln seiner Gegner zu spielen. Wir wissen nun, wer Nicodemus ist, wir wissen, wohin Arbogast entflohen ist, wir kennen Vaters Plan. Nutzen wir das, um ihm unsere Regeln aufzuzwingen."

  • Für einen Moment verwirrt wollte Dunwolf sich wehren, bis er begriff was sein Bruder tat... ihn trösten. Dun ließ seine Maske fallen und sich selbst in die Umarmung seines Bruders. Das was Poldi verbarg, sah er nicht, da sie sich fest in den Armen hielten. Dunwolfs Blick war auf ihren gemeinsamen Feind ausgerichtet, ein Feind der perfider und heimtückischer nicht hätte handeln können. Ein Feind er nicht darauf gewartet hatte, wer dieses Haus einst am besten führen würde. Oh nein, dieser Feind hatte auf den Moment gewartet, wo er das Haus so geschwächt hatte, dass es mit einem Federstreich zu fällen war. Und er selbst würde sich damit verabschieden. Seine letzte Rache an seinem Vater.


    Vermutlich war der Keller nicht voll von Versagern, die Indutiomarus deshalb vernichtet hatte. Dort unten lagen jene Männer, die das Haus mit Stärke, Brutalität und Geschick geführt hätten. Etwas das ihr Feind nicht dulden konnte. Er wollte nicht einen Fallen sehen, Indu wollte nicht seinen Vater fallen sehen, er wollte sie alle... alle Hohenfeldes und den alten Weg fallen sehen. Er stürzte sein ganzen Haus in den Abgrund und sprang lachend hinterher.


    Ohne jede Reue, denn er verabscheute und hasste sie.

    Wozu spielten sie alle das Spiel, wenn sich der Schiedsrichter nicht an die Regeln hielt?


    Dun drückte Poldi fester an sich und Leopoldius spürte wie er sich beruhigte und die Schultern straffte.

    "Der Meister... der Spielleiter es alten Spiels möchte abdanken? Dann sollten wir ihn gehen lassen... Ob sein Erbe nun in seinem Fleisch gehortet ist, oder in einem Gefäß dass man Humunkulus nennt... es ist gleich Poldi. Wir werden uns unser Erbe zurückholen... wir werden Vater, Arbogast und Nicodemus zeigen was es heißt uns herauszufordern. Sie ändern die Regeln?


    Das können wir auch.


    Wir werden uns die Essenz holen, ob aus Nicodemus oder Indutiomarus. Was uns zusteht Poldi wird unser werden.... das verspreche ich Dir. Du hast Recht, stille Wasser sind tief.... und schwarz.... so wie der Abgrund, dort hört Dich niemand schreien. Und ihre Schreie werden auch ungehört bleiben....", antwortete Dunwolf leise, löste sich etwas von seinem Bruder und küsste Poldi auf die Stirn.


    "Bei den alten Wegen Poldi, einer von uns wird es sein, der die Tradition und Hohenfelde selbst rettet. Es liegt in unseren Händen", flüsterte Dunwolf innig.