Kapitel 24 - Die Suche nach der Brut des Indutiomarus

  • Die Suche nach der Brut des Indutiomarus

    Nachdem sie den Düsterling verhört und an die Hunde verfüttert hatten, waren die beiden Brüder unterwegs durch die Zitadelle von Hohenfelde, bereit, ihr erlangtes Wissen in finstere Taten münden zu lassen. Noch immer spürte Leopoldius die brüderliche Umarmung auf seiner Haut, die erste, die sie beide je geteilt hatten, vielleicht die einzige. Er wusste nun, dass er seinen Bruder entgegen aller Regeln liebte. Ein Grund mehr, Indutiomarus so schnell wie möglich zu beseitigen, denn er würde derlei Schwäche nicht dulden, noch mehr das Bündnis fürchten zwischen ihnen.


    "Wir sollten zuerst nach Hinweisen in seinem Wohnbereich suchen. Warst du schon mal dort? Hat der Alte dich mal zu einem Gespräch dort sehen wollen? Mich nicht. Das geht so weit, dass ich keine Ahnung habe, wo in dieser verwinkelten Zitadelle er sein widerliches Nest bezogen hat!"

  • Dunwolf schritt neben seinem Bruder einher, einmütig fast im Gleichschritt laufend. Sie verband mehr, als sie geahnt hatten oder sich jemals eingestehen wollten. Sie standen einander bei, dass was Brüder tun sollten und das was sie in anderen Familien taten. Nun sie waren da gar nicht so anders. Nur zeigte sich ihre Liebe in der einzigen Form, die ein Hohenfelde gewähren konnte - Gnade.


    Genauer gesagt das Versprechen auf Gnade durch einen schnellen, schmerzlosen Tod.


    Dunwolf fragte sich, wie sie wohl heute leben würden, wären sie keine Hohenfeldes, sondern Wigbergs, Eibenbergs, Kuttenthaler, oder sogar Füchse. Wer konnte es sagen? Aber wer von ihnen beiden kannte die Tradition der anderen Häuser. Vielleicht war ihr Haus, trotz aller Härte das Ehrlichste unter allen auf dieser grauen Insel, die langsam aber sicher jeden Einwohner verschlang.


    Dunwolf warf seinem Bruder einen Blick zu. Der Weg den sie beschritten war alt. Uralt, so alt, dass vermutlich kein Familienmitglied mehr wusste, wann der erste Fuß auf diesen Weg gesetzt worden war. Und wer diesen Schritt gewagt hatte. Dun bildete da keine Ausnahme, auch er wusste es nicht. Was er wusste war jedoch, dass ihnen beiden in manchen Momenten der Weg als falsch erschien. Jedenfalls sie beide betreffend. War es nicht vielmehr so, dass sie beide gegen ihr Haus und die gesamte Insel standen?


    Und hatten sie nicht in Kaltenburg bestanden?

    Hatten sie nicht im Thronsaal bestanden?

    Dunwolf wusste es nicht. Er wusste nur eines, er würde den Tod seines Bruders bedauern. Und dieses Wissen wog schwer.


    "Nein Poldi, in seinem Gemach war ich noch nie und er hat mich auch noch nie in seine Räume zitiert. Er wohnt im hohen Turm, dass kann ich Dir sagen. Spüre die Feste ab Poldi, dann fühlst Du es auch. Weißt Du es gibt vieles das ich Dich gerne fragen würde.... und hundert Mal mehr Dinge, die ich Dir gerne sagen würde.... aber ich glaube dafür haben wir nicht ausreichend Zeit. Deshalb nimm das...", erklärte Dun und hielt seinen Bruder fest.


    Für einen winzigen Moment umarmte er Poldi so, als wären sie nicht von dieser Welt. Als wären sie keine Hohenfelde und lebten nicht auf Asa Karane. Die Umarmung war losgelöst von Zeit und Raum, es gab nur sie beide und sonst nichts. Dun drückte Poldi seine Lippen auf die Stirn, ehe er ihn wieder freigab.


    "Falls wir uns nach diesem Besuch nicht mehr sehen sollten.... es war mir eine Ehre... und Freude... Dich als Bruder kennengelernt zu haben", sagte Dunwolf leise wie schlicht.

  • Früher hätte er auf eine unerwartete Annäherung seines Bruders mit entschiedener Abwehr reagiert. Es wäre klar gewesen, dass sie das Ziel hatte, sein Misstrauen abzutragen, um eines Tages auf Dolchnähe heranzukommen.


    Trotz all der Möglichkeiten war noch immer der Dolch die bevorzugte Waffe, wenn es darum ging, sich seinen Platz in der Familie zu erkämpfen. Wenn es so etwas wie Ehrgefühl überhaupt unter ihnen gab, dann spielte das wohl die wichtigste Rolle. Durch eine andere Waffe oder gar durch fremde Hand seinen Bruder zu verlieren, hätte Leopoldius als tödliche Beleidigung aufgefasst, noch schlimmer wäre es, wenn er selbst auf andere Weise umkäme.


    Doch heute war dies nicht das Ziel. Dunwolf spürte es ebenso. Ihr Bündnis währte bis zum Finale und vielleicht stand das schon heute bevor. Leopoldius erwiderte die Umarmung fest, aber nicht brutal. Nachdem sein Bruder ihn auf die Stirn geküsst hatte, richtete Leopoldius sich auf. Er war der Ältere, formal der Größere, auch wenn er ein Stück kleiner geraten war, und küsste Dunwolf seinerseits auf die Stirn.


    "Was auch immer uns in dieser Welt trennt: Du bist und bleibst mein kleiner Bruder. Sollte es an der Zeit sein, werde ich dir eine Statue widmen und dafür sorgen, dass man dein Andenken ehrt und das von Arbogast bespuckt. Komm ... vielleicht ist heute schon der letzte Tag. Bevor wir es angehen: Gibt es noch etwas, dass du klären musst oder bist du bereit? Ich bin es, Dun."


    Er sagte es aufrecht und fest doch das Herz war ihm schwer wie Blei.

  • "Was immer geschehen wird Poldi, Dein Denkmal steht in meinen Gedanken... auch wenn meine Taten eines Tages eine andere Sprache sprechen müssen, Du bist mein großer Bruder und ich liebe Dich.


    Bruder... wir waren schon bereit, als wir unseren ersten Atemzug auf dieser zum Abgrund verdammten Insel genommen haben...

    Wir sind Hohenfelde, wir sind schon so mancher Asche entstiegen und haben Unzählige in die Asche getreten. Heute werden wir unseren Bruder auf der Insel willkommen heißen... so wie es sich für jemanden gebührt, der mit Blut aufgezogen und genährt wurde...

    Er braucht Blut? Er wird es bekommen...


    Lass uns gehen, wir haben einen Verwandten.... zu entfernen", lächelte Dunwolf.