Der Reliktjäger
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Wo Schatten durch die Höhlen huscht
Und Klauenhand mit Reichtum spielt
Der Jäger leis vor Blicken kuscht
Und Dolch im Dunkel blitzend zielt
Wo Träume man mit Eisen kauft
Und Jäger werden blutgetauft
Dort ist`s, wo man Relikte jagt
Und jeder fällt, der hier versagt.
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Vorwort
So spät noch unterwegs? Setz dich zu mir ans Feuer. Keine Furcht, meine Rüstung und die Waffen gelten einem anderen. Die Nächte sind kalt in der Wüste und niemand sollte allein reisen, bei mir bist du sicher. Mach es dir auf der Decke bequem, sie ist groß genug für zwei. Bedien dich ruhig an den Datteln, hier an der Oase gibt es noch mehr. Du siehst aus, als wärst du weit gereist. Vor allem siehst du aus, als würdest du ein gutes Geschäft erkennen. Pst, nicht so laut. Natürlich spreche ich von den Relikten. In der Tiefe unter diesem Sand harren die wertvollsten Exemplare noch immer ihrer Entdeckung. Und das erklärt auch meine martialische Aufmachung, du hast nicht irgendwen vor dir.
Als Fremder kannst du es nicht wissen, aber der Taudis, mein Freund, ist kein Mythos. In Tamarant, nur einen Tagesmarsch von hier entfernt, weiß man um die Wahrheit und kennt den Weg hinab. Du musst nur den Richtigen danach fragen. Ja, eine Prise Wahnsinn gehört zweifelsohne dazu, in den Abgrund zu steigen. Wenn du mir noch etwas Gesellschaft leistest, wirst du verstehen. Eine gute Geschichte ist der Einsamkeit vorzuziehen, nicht wahr? Lass uns gemeinsam auf den Sonnenaufgang warten.
Gestatten, Sodo Mio. Reliktjäger.
Andere nennen sich Dantai Nageltod, Chalkas der Schlächter oder Yan Sanguini. Lug und Trug gehören in den Kreisen meiner Zunft zum guten Ton. Nichts im Taudis ist, wie es scheint, das ist das erste Gesetz der Tiefe.
Du merkst, vor dir sitzt ein Profi. Ich berge dir jedes Relikt, nach dem du dich sehnst, auch wenn es im Laufe der Jahrhunderte scheinbar verloren ging. Dafür gibt es schließlich Dienstleister wie mich, denen du deine geheimen Wünsche anvertrauen kannst. Sodo Mio findet sie alle. Vorausgesetzt, du hast das nötige Kleingeld übrig.
Und weil du mir so sympathisch bist, werde ich dir eine detaillierte Kostprobe meines Könnens liefern. Wir haben ja Zeit, die Nacht ist jung. Rieche den süßen Duft des Palmenhains, der sich mit dem Lagerfeuer vermischt, spüre die sanfte Brise dieser klaren Wüstennacht, lehne dich zurück und lausche meiner Geschichte. Danach wirst du keinen Zweifel mehr hegen, dass ich der richtige Mann bin, um das Relikt deiner Träume zu bergen.
Du wirst erfahren, warum ich diesen gefährlichen Beruf ergriff, mir beim Alltag an der Oberfläche über die Schulter schauen und meine tödlichsten Rivalen kennenlernen. Ich nehme dich mit in eine waschechte Reliktjägerkneipe, wo es seltsame kulinarische Kunstwerke gibt und wo ich erfuhr, dass Frischobst nicht sehr angsteinflößend wirkt. Du schaust mir bei den Vorbereitungen für eine äußerst vielversprechende Reliktjagd über die Schulter, lernst, wie man Flachechsen durch einen einfachen, aber schmerzhaften Trick erlegt, dass Knochenseife im Notfall essbar ist und wozu Marmelade so alles gut sein kann.
Ich nehme auch kein Blatt vor den Mund, wenn ich darüber berichte, welch raffinierte Fallen ich für meine Rivalen ersinne, zum Beispiel das selbstgebaute Haarige Relikt, welches eine nette Überraschung in sich birgt. Und ich berichte ebenfalls – wenn auch ungern – über diejenigen Pläne, die fürchterlich schiefgelaufen sind und mich fast umgebracht hätten. Es wird eine gewaltige Explosion geben und nicht alle, die mit uns zusammen durch den Taudis wandern, werden wieder daraus zurückkehren.
Kurz: Du wirst erleben, was es heißt, ein Reliktjäger zu sein.
Wenn du den Mut hast, dem Tod in die leeren Augenhöhlen zu sehen und mit mir hinab zu steigen in die Finsternis, dann bist du auch würdig, die andere Seite kennen zu lernen, den Mann hinter der Maske, der schlussendlich den stärksten aller Gegner bezwingen muss – sich selbst.
Folge mir nun in die Geschichte, wenn du dich traust.