Beiträge von Thabit von Wigberg

    Irving spürte wie Thabit wohlig unter ihm erzitterte und mental auflachte, als er wirklich erwähnte wie sehr der Mann nervte. Thabit gefiel das und Irving spürte es in jeder Faser seines Körpers.


    Der Augur spürte allerdings noch mehr, der Magier mit dem er in Kontakt stand, war von der Mitteilung verblüfft und wusste für einige Sekunden nicht, wie er reagieren sollte. Er entschied sich dafür, die letzte Bemerkung besser überhört zu haben, denn es ging um eine Lieferung für den Duc.


    `Ihr dürft passieren, willkommen in Souvagne´, teilte der Mann mit und eines der Tore öffnete sich wie durch Geisterhand.


    Thabit nahm ganz langsame Fahrt auf und fuhr in den Hafen Souvagnes ein. Es war das erste mal, dass er diese Küste derart verändert wahrnahm. Und ebenso war es sicher das erste Mal, dass der Herr der See in Souvagne selbst vor Anker lag. Die Schiffe um ihn herum, waren schlagartig mit Leben erfüllt und jeder noch so geringe Seemann versuchte einen Blick auf den Giganten der Meere zu erhaschen. Einen Augenblick später prasselten auf Thabits Körper unzählige Flaschen ein. Scheinbar war jeder hier der Auffassung, ihm eine Flasche Rum opfern zu müssen für Glück und gute Fahrt. Der Bewurf mit Flaschen endete nach einigen sehr langen und teilweise schmerzhaften Augenblicken, aber sie hatten schon heftigeres schadlos überstanden.


    Der Biomechanoid fuhr ganz nah an die Piers heran und legte die Nase darauf ab.

    `Ihr könnt´, teilte er freundlich Irving mit.

    `Nun gut, aber das dauert etwas. Ungefähr eine halbe Stunde, dann wird Euch der Jüngling geopfert nach alter Seefahrertradition. Einer der Kapitäne wird die Opferung vornehmen, damit auch alles seine Richtigkeit hat´, antwortete der Magier und Irving spürte wie sich der Mann etwas von ihm zurückzog und die Botschaft an einen anderen weitergab.


    `Eure Forderung wurde weitergeleitet´, sagte der Magier auf magischem Weg.


    Thabit tauchte weiter auf und grübelte wo sich dieser Magier befand, danach scannte er die Uferregion und das weitere Umfeld ab. Touboullon, dort saßen die Magier.


    `Er sitzt in Touboullon, nicht im Himmelsgebirge wie vermutet. Der Bursche ist kein Himmelsauge´, teilte Thabit seinem Liebsten mit.


    Die halbe Stunde hatten sie nicht zu warten, dann trat ein Mann in Uniform auf die Seemauer, einen Gefesselten im Schlepptau. Er rief Davy an, goss eine Flasche Rum ins Meer und schnitt dann dem Gefesselten die Kehle von einem Ohr zum anderen auf. Einen Augenblick später schmiss er ihn in die See. Der Blick des Kapitäns war fest auf Thabit geheftet, ehe er sich kurz verneigte und den Rückweg über die Mauer antrat.


    `Das Opfer wurde erbracht´, teilte der Magier Irving mit, währen Thabit die Seele des Blutopfers verschlang.

    `Na bitte, geht doch´, kommentierte Thabit in Irvings Gedanken.

    `Wir halten uns an gültiges Seerecht. Die Breite des Küstenmeeres darf jeder Staat bis zu einer Grenze von höchstens drei Seemeilen von der Basislinie festlegen.Die Breite der Hoheitsgewässer wird an der Kontrollierbarkeit mit Geschützfeuer von Land aus bemessen. Die territoriale Souveränität endet dort, wo die Kraft der Waffen endet. Der restliche Teil der Weltmeere gilt als internationales Gewässer. Und da es sich um unseren Hafen handelt, haben wir ihn natürlich zur Sicherheit eingemauert. Wir können Eurem Gott dennoch gerne ein Opfer darbringen, wenn es nicht zu abstrakt ist. Was wünscht Ihr denn nun überhaupt? Das Opfer?´, fragte der Magier verwirrt.


    Thabit fragte sich, wie weit seine Grenze dann zählen würde. Seine Waffen reichten wesentlich weiter, aber dass musste er dem Magier nicht auf die Nase binden. Dies gehörte zu dem Wissen was man hatte und über das man schwieg. Bis zu dem Zeitpunkt wo man es benötigte. Allerdings waren sie in friedlicher Absicht hier und sie trugen sogar den Frieden in Form der Kronenkorallen im Bauch.


    `Erkläre dem magischen Beamten, dass wir eine Lieferung von Horatio für den Duc haben und das er uns auf den Nerv geht´, antwortete Thabit und stupste gegen ein Mauertor.

    Thabit tastete mit all seinen Sinnen die Mauer ab, die mitten in den Ozean und vor die Küste Souvagnes gebaut worden war. Massives Gestein hatten sie verwendet, aus dem Herzen der Erde. Auf die Idee mitten in der See eine Mauer zu bauen, konnten wirklich nur Souvagner kommen. Das sie noch keine Mauer in der Luft errichtet hatten, war sicher nur eine Frage der Zeit. Dann würden sie auch dort ihre ureigene Mauer errichten, an denen jeder ungebetene Gast abprallte.


    `Eine Mauer in der See, eine Seemauer. Eines muss man den Souvagnern lassen, sie bleiben ihren Prinzipien treu, gleich wie unmöglich es erscheint´, merkte Thabit an und tauchte soweit auf, dass man seinen gesprenkelten Rücken sah.


    Einen Augenblick später spürte Irving wie sie magisch abgetastet wurden. Scheinbar war man sich für einen Moment nicht einig darüber, was sie überhaupt waren. Dann wurden ihre Farben erkannt und Irving spürte, dass ein Magier zu ihm Kontakt aufnahm.


    `Gebt Euch zu erkennen, Ihr befindet Euch in souvagnischen Hoheitsgewässern. Wer seid Ihr, was ist Euer Begehr?´, fragte der Mann argwöhnisch. So ein großes Geschöpf hatte er noch nie gesehen, es übertraf sogar die riesigen Haie und Wale, zudem hatte es ein menschliches Bewusstsein. Sogar zwei Bewusstseine und es gebot über mächtige Magie.

    "Ich werde mich ebenfalls dem Bund anschließen", sagte Horatio ruhig.


    `Hass gipfelt oft in Selbstzerstörung Liebling und diese Genugtuung werden wir unseren Feinden nicht gönnen. Wir wollen unsere Welt, unser Wissen und uns erhalten! Dieser Bund mit diesen Ältesten, mit ihren Anhängern - ihren Kindern wie Nicodemus es nannte, wird ein eine Sippe die wir nach unseren Wünschen formen werden. Sie werden fortan nach unseren Dogmen leben. Sie werden dem Leben und dem Wissen huldigen und nicht dem Tod. Diesen bringen wir weiterhin unseren Feinden Irving, aber die Familie ist heilig. So soll es sein. Ich sage ja zu dem Bund für uns beide und all die Werte die wir vertreten. Und ich bin mir sicher, auch wir haben noch einiges dazuzulernen, wir sammeln schließlich Wissen nicht wahr? Sprich in unser beider Namen, Du bist ich und ich bin Du Irving - für immer´, antwortete er und Irving fühlte all die Liebe die Thabit für ihn empfand.


    `Müssen wir auch antworten?´, fragte Markward mental Dalibor und hoffte sein Gott würde ihm antworten.

    "Die Frage ist, meinst Du damit restlos alle Hohenfelde oder nur Dunwolf? Linhard hat sich nicht gegen Euch gestellt und ist ein Teil der Souvagnischen wie Ledwicker Krone. Er hat keine Vernichtung verdient, ebenso wenig seine Familie. Und gleich was Dave uns an den Kopf warf, hat er vielleicht eine Bestrafung verdient, aber nicht den Tod. Ich kenne Männer die den Tod verdienten und sie haben ihn erhalten. Er ist nichts weiter als ein bissiger Verlorener. Die Schuld daran trägt nicht er, die Schuld trägt Dunwolf. Das sollte nicht vergessen werden.


    Die Wurzel des Übels ist Dunwolf und niemand sonst. Ich werde mich nicht daran beteiligen einen Mann zu töten, den Dunwolf schon tausende Tode sterben ließ. Die Frage wo wir waren, ist berechtigt. Sie ist auch von Dir berechtigt, denn auch Dir hätte ich beistehen können... Manchmal ist Neutralität vielleicht doch grauenvoller, als Hass... Ich muss mein Handeln und meine Einstellung überdenken... ", war Horatio ein.


    `Kommt erstmal Heim und redet in Ruhe in mir oder bei Nicodemus. Das was Horatio sagt ist wahr, Dunwolf schafft bewusst Personen, die derart zerstört sind, dass sie selbst nur noch zerstören. Und Horatio muss es wissen, sein Vater ging ganz ähnlich mit ihm um. Eine andere Form der Folter, aber nicht weniger effektiv. Zudem gehört Dave zu Vanja und Vendelin. Wir würden unseren Wigbergs damit schaden und er ist nur ein Sterblicher. Dunwolf hingegen hätten wir so oder so töten wollen. Warum nicht offiziell versuchen?´, übermittelte Thabit.

    Der Untergrund knirschte unter seinem gewaltigen Körper, als Thabit sich an Land schob. Vermutlich hatte keiner von ihnen geglaubt, jemals wieder einen Fuß auf eine der Inseln zu setzen. Thabit folgte dem Wunsch seines Mannes und nahm als geisterhafte Präsenz die Gestalt des Mannes an, der er zu Lebzeiten gewesen war. So hielt er es meist, wenn er als Seele in Erscheinung trat.


    Gemeinsam stapfte die Gruppe zu der Ruine von Schwarzfels hinauf. Die Felsen die vor ihnen emporragten hatte kaum der Zahn der Zeit etwas anhaben können. Sein Körper den Thabit am Strand zurückließ verriet ihm, dass es sich dabei um Granit handelte. Schwarzfels - der Name war Programm, die Felsen waren schwarz und wirkten unverwüstlich. Aber der Eindruck täuschte, denn die Feste die aus dem gleichen Material wie erbaut worden war, war geschliffen worden.


    Das ganze Gebäude hatte etwas von einem Tempel oder einer Kathedrale. Der gewaltige Turm, der sie schwarz und mächtig in den Himmel erhoben hatte, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Zum Einsturz gebracht, was der Zerstörer damit ausdrücken wollte war klar. Von Euch bleibt nichts bestehen. Wer sich mit mir anlegt zahlt den ultimativen Preis, kein Stein bleibt auf den anderen. Nichts wird von Euch erhalten bleiben, nur Ruinen und Asche zeugen davon dass es Euch einst gab.


    Thabit betrachtete gemeinsam mit Irving, Nicodemus, Vendelin und Davard die Feuerschale. Ein Leuchtturm, dass ergab Sinn. Eine weithin sichtbare Flamme, die all jene auf dem Meer sicher nach Hause geleitete. Ein Feuer dass genau das versprach - folge mir und Du kommst nach Hause. Keiner hatte diese Botschaft jemals wortwörtlicher genommen als Horatio. Er folgte der Flamme die längst erloschen war noch heute.


    Nicodemus packte die massive, gusseiserne Schale mit einer Hand als hätte sie kein Eigengewicht und drehte sie wieder auf die Füße.


    "Seit wie vielen Jahrhunderten steht sie wieder auf den Füßen? Wir sollten das Feuer entzünden, Brennmaterial liegt in meinem Körper. Soll ich etwas herschafen lassen?", fragte Thabit und suchte den Blick seines Mannes.

    "Entzünde die Feuerschale, lass die Flamme sie... uns alle leiten", antwortete Nicodemus.


    "Leichen brennen wie Brennholz... nun die meisten, all jene die genug Brennspeck auf den Rippen haben. Leuchtfeuer in der Dunkelheit, oder Ankündigung zur Einäscherung?", warf Dave ein.

    "Ersteres, da sie dies schon immer gewesen ist und heute wieder sein soll Davard", antwortete Nicodemus freundlich.


    Einige Soldaten verließen Thabit und brachten Kohle, die sie in die Feuerschale füllten. Sie übergossen die Kohlen mit einer brandbeschleunigenden Flüssigkeit und zündeten sie an. Mit einem Zischen erwachten die Flammen zum Leben. Flackerndes Licht tanzte an den schwarzen Wänden des eingestürzten Turmes empor. Die Blicke der Anwesenden folgte dem züngelnden Flammenspiel.


    "Einst habe ich Dich geliebt...

    Ich liebe Dich immer noch...

    Einst fiel unsere Welt zusammen...

    aus ihren Trümmern steigen hervor meiner Liebe Flammen...", rezitierte eine dunkle Stimme hinter ihnen.


    Horatio musterte die Gruppe mit nicht zu deutendem Blick, ehe er die Arme um sich schlang und die Feuerschale betrachtete.

    `Das hast Du sehr schön und weise gesagt, er ist der Blick in eine Vergangenheite die nie existierte. Aber vielleicht ist jene "Vergangenheit" unsere Zukunft.


    Gastfreundlich ist er ja. Er hat fast beiläufig erwähnt, dass er bereits mit Horatio gesprochen hat. Ich gehe davon aus, dass dies der Wahrheit entspricht. Das wäre etwas dass ebenfalls für Nicodemus spricht. Denn bedenke, dass sich Horatio nicht freiwillig mit seinen Feinden abgibt. Er würde nicht dem Ruf von Dunwolf folgen, um mit diesem zu sprechen. Das kann ich mir nicht vorstellen, vor allem deshalb nicht da er in ihm die Weiterführung des alten Übels sieht. Eine Linie von Schlächtern und Quälern und Dunwolf ist davon momentan der Erzhexer. Seine Beißer, seine Nester, seine Blumen und sein Herrenhaus. Das Vergnügen dass er sich dort leistet, hätte ebensogut von seinem Opa stammen können, wie ich herausgehört habe.


    Von daher wären wir in einer sehr guten Position und hätten einen immensen Vorteil mit Nico und Horatio im Bunde zu stehen. Und Dunwolf ist momentan allein, ich gehe davon aus, dass es auch so bleibt. Es sei denn Dalibor und er paktieren bereits im Hintergrund. Für mich klingt das nach einer echten Chance´, übermittelte Thabit liebevoll.

    Irving hörte tief im Inneren von Thabit etwas ganz ähnliches wie einen Herzschlag, ein Wummern, dass an- und abschwoll. Es handelte sich nicht um ein Herz, sondern um seinen Nuklearen Fusions Kern. Irving fühlte die seelische Entspannung die Thabit ergriff, als dieser auf ihm lag und ihn derart liebevoll streichelte. Gleich wie mächtig sie waren, Thabit fürchtete immer um seinen Schatz, wenn dieser nicht in seiner schützenden Obhut war. Und Verrills Erpressung hatte dem Gefühl zusätzlich Futter gegeben.


    `Eine Trennung kommt niemals in Frage, gleich wohin uns das Schicksal noch verschlägt, wir treten den Weg gemeinsam an. Wir existieren nur, weil Du für uns beide gekämpft hast. Es gibt nichts und niemanden den ich mehr liebe als Dich Irving von Wigberg. Du hast mich sogar aus dem Abgrund des Todes zurückgeholt, eine Laterne hattest Du nicht nötig. Und dennoch weisen wir uns gemeinsam den Weg.


    Es gibt viele Wigbergs die sich wünschen ein Hohenfelde zu sein und ebenso gibt es Hohenfelde die sich wünschen ein Wigberg zu sein. Unsere Familien mischen sich bereits seit sehr langer Zeit Irving. Deshalb kommt es vor, dass sowohl manche Wigbergs aus der Art schlagen wie auch so manche Hohenfelde.


    Nach all dem was ich durch Eure Augen sah und hören konnte, glaube ich Nicodemus. Und bedenke eines, er hätte Euch hier sofort festsetzen können oder Euch als Ihr in sein Reich eingedrungen seid angreifen können. All das spricht für ihn. Dennoch bin ich bei einem Hohenfelde stets vorsichtig, denn all das weiß er auch. Sein Vater wäre gerne Wigberg gewesen, davon bin ich überzeugt. Aber sein Vater war auch gerissen bis über beide spitze Ohren.


    Wiederrum müssen wir uns sagen, zu verlieren haben wir nichts, aber extrem viel zu gewinnen. Und rein persönlich betrachtet glaube ich, dass Nicodemus Dich mag. Ihm liegt etwas an Dir´, antwortete Thabit.



    Irving spürte die glatte, feste Haut die als Hülle den Leib des Leviathans umschloss. Ein Fremder hätte vermutet, dass sich der Biomechanoid kalt anfühlen würde, aufgrund seiner Technik und auch der Temperatur des Wassers. Aber so war es nicht, Irving spürte die Wärme die von Thabit ausging unter seinen Fingern. Sein Mann antwortete nicht sofort, jedenfalls nicht mit mentalen Worten. Irving spürte als Antwort die Gefühle die Thabit in dem Augenblick empfand, er hatte ihn vermisst und genoss das Gefühl von Irvings Händen auf seiner künstlichen Haut.


    `Mir geht es gut Schatz, ich habe Dich und Deine Berührung vermisst. Sobald Du nicht bei mir bist, fehlst Du mir. Wir sind eine untrennbare Einheit und wären wir trennbar, würde ich es nicht wollen. Ein schöner, kleiner Hafen. Eine unterirdische Stadt mit einer anfahrbaren Grotte. Nico hat sich ein gemütliches Plätzchen zum Leben ausgesucht Irving.


    Amias ist fleißig Informationen am sammeln, genau wie Du. Was sagst Du zu Deinem Gastgeber? Sein Blut ist zur Hälfte das von uns. Es würde mich freuen, wenn seine Worte aufrichtig gemeint sind. Wie schätzt Du ihn ein? Ich möchte Deine Meinung hören´, übermittelte Thabit.

    Nicodemus führte die beiden weiter in den Hafen hinein. Hier lockerte die ganze Architektur auf und man sah dass, was man fast an jedem wilden Hafen vorfand - eine Ansammlung von Bretterbuden die für bestimmte Zwecke errichtet worden waren. Da dies alles unterirdisch lag, waren die Buden weder Wind noch Wetter ausgesetzt. Dazwischen spross Grün, dass es sonst in der gesamten Feste von Asa Kramaro Dai nicht gab. Fast hatte alles den Anschein einer künstlichen Kulisse, als wäre dies sein Ort an dem ein Schauspiel stattfand und die Bewohner waren die Schauspieler.


    Aber dem war nicht so, der Ort war so real wie Irving und Amias selbst.


    Drei hölzerne Stege führten weit in das Gewässer hinein, dass von der Sturmsee gespeist wurde. Ein winziges, unterirdisches Meer, in dessen Teilabschnitt es ebenso Fische gab, wie Irving anhand der aufgehangenen Salzfische sehen konnte.


    Die schwarze Wasseroberfläche kräuselte sich, als ein gewaltiges Geschöpf langsam im Hafenbecken auftauchte. Ein dunkelblauer Rücken mit schwarzen Sprenkeln, sowie sechs Stabilitätsflossen durchbrachen die Wasseroberfläche. Langsam kam Thabit auf den längsten Steg zu, damit er keine Bugwelle vor sich herschob und die erste Zeile der Häuser nicht ins Wasser gerissen wurden. Vor dem Steg sackte er etwas mit dem Hinterteil ab, so dass sich seine Nase aus dem Wasser hob und auf dem Steg ablegte.


    `Hier bin ich Schatz. Ich weiß wie Du denkst, ich weiß dass Du ihn nicht quälen willst. Es war nur eine sanfte Erinnerung. Berühre mich´, bat Thabit.

    Thabit umarmte Irvings Seele mit seiner.


    `Ob Du Amias verlierst Irving liegt bei Dir. Macht und Gefahr gegen Unschuld? Vielleicht tauscht Ihr beiden einfach anders, Unschuld, Macht und Gefahr gegen Freundschaft. Es muss doch nicht von einem Extrem ins andere rutschen. Er kniete vor Dir nieder, Du hast ihn erhört. Du hast ihm die Hand gereicht, dann schüttele sie ihm doch zur Freundschaft. Er ist mit Alexandre glücklich, er empfindet etwas, dass ich ihm gönne. Wir ziehen unsere Stärke aus Essenzen Irving, aber nicht aus unnötigem Leid. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun, denn sonst würden wir in den gleichen Gewässern fahren, wie so viele Hohenfelde. Indutiomarus war weniger Hohenfelde als Du glaubst mein Liebling. Er hatte eines, was kaum einer glaubt - Angst.


    Angst dass ihn seine eigene Vergangenheit wieder einholen würde, wenn er nur einen Funken Schwäche zeigt. Die Maske darf niemals verrutschen Irving, zur Not trägt man sie im Zwiebelmuster, Maske über Maske über Maske... bis Du selbst nicht mehr weißt wie Dein Gesicht unter all den Masken überhaupt aussieht.


    Wir beide wissen, dass es Schmerzen jenseits des Körpers gibt, die andere nicht ermessen können. Und so ging es auch Indutiomarus. Wie sagte jemand einst? Er war der Fürst des Hauses Hohenfelde, aber Zuhause war er nur in den Armen von Ditzlin. Sagt das nicht alles? Er war kein Monster wie Dunwolf, er war eine zerstörte, gequälte Seele und er war viel zu lange allein. Ditzlin hat sein Bestes versucht, vielleicht hätte er ihm ein einziges Mal Gewalt antun sollen und zwar um seiner selbst willen. Um ihn zu zwingen den Wigbergweg einzuschlagen.


    Aber das wagte niemand. Ein Streich ausgeführt in Wut, ist gewaltig. In kalter Berechnung gewaltiger. Aber der größte Antrieb ist Angst. Ein Großteil seiner Macht beruhte darauf, sich soviel Macht anzueignen wie er konnte, um niemanden mehr fürchten zu müssen. Und je mächtiger er wurde, umso mehr fürchtete er dass man ihm diese Macht neidete. Und er sollte Recht behalten. In seiner Familie werden jene geholt, bei denen es was zu holen gibt. Bei uns sieht das anders aus.


    Deshalb Irving, sei nachsichtig mit Amias, aber sei trotzdem umsichtig Schatz. Nico soll mir übermitteln wo der Hafen ist´, bat Thabit.

    Irving spürte die Neugier und Belustigung seines Mannes.


    `Der Tausch hinkt, Nico denkt verkehrt herum. Einfacher wäre es, er zeigt Dir vorher den Hafen und ich fahre ihn an. Dann kann er mich betreten. Er ist einer von unserem Blut und hätte Ditzlin sich etwas mehr ins Zeug gelegt, wäre es vielleicht sogar Indu geworden. Sprich dass der Fürst von Hohenfelde freiwillig die Waffen gestreckt hätte. Aber hätte, wäre, wenn... Das ist der Untergang der Denker. Sag dem Tausch zu, er ist willkommen. Aber zuerst den Hafen, dann der Besuch.


    Und Irving, ich bin stolz auf Dich wie Du für Amias entschieden hast. Gib ihm die Chance, ich gab sie ihm ebenso. Falls er versagt, wird er mehr verlieren als nur seine Eier´, übermittelte Thabit.

    Die Forschungsreise nahm ihren Anfang in Souvagne. All jene die in Souvagne an Bord von Thabit gehen sollten, erhielten eine entsprechende, magische Botschaft sich umgehend in L´Heureux einzufinden. Es war das erste mal, dass die gewaltige Schutzanlage der souvagnischen Hafenanlage für ein fremdes Schiff geöffnet wurde. Thabit fuhr gemächlich in die gewaltige Hafenanlage ein. Souvagner bauten sogar in der See Mauern.


    Iriving und Thabit nahmen jede noch so kleine Information auf, aber sie lagen nicht lange vor Ort, denn die Gäste waren pünktlich. Sie verließen Souvagne, hielten auf Obenza zu und passierten die Mondlagune. Sie fuhren die Sturmsee hoch und hielten vor Perlenbucht, wo die restliche Gefährten der Reisegruppe hinzustiegen.


    Eine bunte Truppe gefährlicher Spezialisten befand sich an Bord von denen die meisten von Rang und Namen waren. Nicodemus konnte sich auf hohen Besuch gefasst machen, Thabit hoffte er hatte mehr anzubieten als Blut und warme Worte. Er selbst war neugierig darauf, was der erste aller Vampire zu dem Thema Blutmagie zu sagen hatte, falls er bereit war zu kooperieren. Das wussten sie alle nicht, aber genau das galt es herauszufinden. Und wenn man den alten Aufzeichnungen glauben durfte, war Nicodemus kein verbohrter Mann. Man würde ihn mit entsprechenden Verhandlungen überzeugen können.


    Knapp 10 Tage nach ihrem Aufbruch erreichten sie das Land des Eises, Arashima. Thabit drosselte die Fahrt, bis er ganz zum Stehen kam und in Katagawara anlandete.


    "Wir sind da, Arashima, Katagawara", erklärte der Leviathan und schob sich dabei ein Stück aufs Land, so dass die Zugangsluke ebenfalls auf dem Trockenen lag. Ansonsten hätten die Passagiere schwimmend von Bord gemusst.

    `Dann soll es so sein Amias. Entweder er liebt Dich, oder er hat Dich nicht verdient. Er als derartig Verstümmelter sollte verstehen was Du Dir wünscht und weshalb. Auch wenn er für sich selbst ein anderes Schicksal wählt´, antwortete Thabit ruhig.


    Die Erscheinung von Thabit floss regelrecht auf Amias zu und eine Hand des Ältesten griff in den Schritt des Rupsanti. Amias spürte wie ihm das Blut zwischen die Schenkel sackte und zeitgleich eine unbekannte Hitze von ihm Besitz ergriff. Sein Blut ging förmlich auf Wanderschaft. Sein Körper stand schlagartig in Flammen, seine Haut fühlte sich an als würde sie verbrennen, allein die Berührung des Ältesten sandte die Kühle des Wassers aus. Etwas in ihm barst, zerriss und er spürte blutige Nässe zwischen seinen Schenkeln.


    Aber nur kurz denn schon formte sich etwas in seinem Körper, etwas von dem er nicht wusste woher es gekommen war und wohin es wollte. Doch dann merkte er, dass dieses Etwas seine Leisten hinabwanderte, weiter, tiefer, so tief dass er fast glaube es aus seinem Körper fallen zu spüren. Aber nichts klatschte aus seinem Körper auf den Boden, sondern es dehnte seine Haut, riss und zerrte um sich Platz zu schaffen, den es einst gegeben hatte.


    Amias wurde schwindelig als die Hoden sich noch tiefer senkten und in ihren neugeformten Beutel rutschten. Das erste Mal seit vielen Jahren spürte er die ziehende, lustvolle Last zwischen den Beinen die man ihm einst genommen hatte. Thabit löste die Hand von seinem Werk, schenkte Amias ein Schmunzeln und löste sich auf.

    `So wie Du Dir das wünscht, rein durch körperliche Heilung, leider nicht. Aber durch Magie wäre es durchaus möglich.


    Eine Dir stets inne wohnende Magie, die Dein Gebrechen ausgleicht, ansonsten müsste ich Dich vollständig wieder herstellen. Nur so würde Dein Körper auch wieder vollständig funktionieren Amias. Bedenke Dir wurde etwas geraubt, nichts am Körper ist grundlos. Es gibt nichts, was man einfach wegschneiden kann ohne Konsequenz.


    Deshalb überlege es Dir gut, ich bin gerne bereit Dir Deinen Wunsch zu erfüllen, Du hast es Dir verdient.

    Vielleicht weißt Du die Antwort auch bereits, wann immer Du sie mir geben magst, ich bin für Dich da´,

    übermittelte Thabit aufrichtig.


    Er selbst wusste was Amias empfinden musste, er war Irving nah, näher als Menschen sich überhaupt sein konnte. Und dennoch vermisste er an manchen Tagen seinen alten Körper. Wie gerne würde er Irving nur für einen Moment in die Arme schließen und mit menschlichen Händen über dessen Haut streicheln. Ihn aus menschlichen Augen betrachten, ihm mit einem Mund sagen dass er ihn liebte und seine Lippen zur Besiegelung der Worte auf die von Irving pressen.


    Ihre Verbindung war mental, uralt und mächtig. Eine Liebe die allen Zeiten getrotzt hatte und dennoch fehlte bei all der Wärme manchmal das Gefühl. Das Spüren des anderen Körpers, dass sich auf körperliche Weise nahe sein. Er konnte tausende Dinge wahrnehmen, feinste Vibrationen, den Magnetismus der Welt, die elektrischen Ströme, er konnte Partikel für den Geruch analysieren, er konnte über Sonar und Sonden in ungeahnte Tiefen blicken, aber er konnte nicht neben seinem Mann im Bett liegen. Und er konnte ihn nicht körperlich lieben.

    `Deine Gedanken sind klar, gut und rein, wie das Quellwasser eines Gebirgsbaches Amias. Du möchtest Alex mit der Fessel der Liebe belegen. Du würdest ihm die Gabe nicht rauben mein lieber Amias, Du würdest ihm den Antrieb zu einem derartigen harten Handeln rauben.


    Und somit wäre Alex auch nicht mehr der mögliche Älteste, sondern Alex der Glückliche.


    Das ist eine Situation in der wir alle drei gewinnen, Du behältst Deinen Liebsten, Alex behält Dich und bekommt etwas wovon er nicht mehr zu träumen wagte und ich habe später keine unliebsame Konkurrenz. Bevor er den Schritt in die Unendlichkeit wagt, muss er sich absichern. Denn wie Du schon richtig befürchtest, in dem Moment wo man den alles entscheidenden Schritt wagt, ist man absolut verwundbar. Und weiß die Konkurrenz wo Du bist, was Du gerade tust, werden sie Dich vernichten.


    Jedem Ältesten ergeht es so, aber hat man den Schritt in die Unendlichkeit geschafft, ist man fürs erste unantastbar. Es sei denn man begegnet einem der Altvorderen oder einem Bund von Ältesten. Man ist jung als Ältester, unerfahren in dieser grenzenlosen Macht. Somit tun sich sehr wohl Grenzen auf, Grenzen des Unwissens. Deine Feinde sind nicht unwissend, sie sind alt, klug, gerissen und sie kennen keine Skrupel. Sie sind was sie sind, weil sie über unzählbare Leichen gingen. So wie Du, ehe Du Dich wandeltest.


    Deinen Wunsch werde ich Dir erfüllen, wenn Du ihn mir genau beschreibst. Möchtest Du wieder ein Mann werden? Möchtest Du die Verstümmelung ablegen? Oder was genau wünscht Du Dir? Fasse es in klare Gedanken Amias´, übermittelte Thabit wohlwollend.

    Thabits Gestalt wurde kurz durchscheinend wie Nebel, ehe er sich wieder festigte.


    "Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, wie ich sehe seid Ihr beiden sehr glücklich. Wie tief eine wahre Verbindung reicht, können nur jene ermessen die sie spüren. Irving und ich wissen was Liebe heißt, wahre Liebe. Hoffentlich gehört Ihr auch bald zu den Wissenden", sagte Thabit freundlich.


    `Sammele alles Wissen Amias, alles was Du bekommen kannst. Besonders dann, wenn es sich um magisches Wissen handelt. Lausche und lerne und gib es weiter, so wie es Deine Bestimmung ist. Ich werde meiner Bestimmung folgen und dieses neu gewonnene Wissen verwahren.


    Ich bin imstande eine Seele in ihrem Körper festzuhalten oder sie erneut in ihren Körper zu pflanzen. Wovon Du sprichst, dass nennt man Fleischformung. Es liegt in meiner Macht Amias, aber ob der Marquis dem zustimmen würde? Ich habe eben seine Seele gespürt, mächtig. Überaus mächtig und derart fokussiert, wie ich es nur bei einem einzigen anderen lebenden Mann kenne. Beide sind dazu in der Lage aufgrund ihres immensen Verlustes und ihres kaum erträglichen Seelenschmerzes. Alex verlor seine Männlichkeit, der andere verlor die Eigentumsansprüche über seinen Körper. Beide sind Opfer der selben Familie.


    Wenn Du Alex dazu bringst, dieses Geschenk zu wünschen, zu wollen, zu akzeptieren dann Amias werde ich ihm dieses Geschenk übereichen. Vorher hat es keinen Sinn, denn er würde die Magie von sich streifen, vielleicht würde er sogar dagegen ankämpfen. Sein Geist ist überaus mächtig, sein Panzer ist kaum zu durchdringen. Seine Gedanken sind hart und scharf wie geschliffener Stahl. Er ist eine einzigartige Person mit gewaltigem Potential. Nimmt er das Geschenk an, könnte er genau diese Fähigkeit verlieren. Die Frage die er sich stellen müsste wäre Macht oder Gefühl. Magie oder Liebe, was würde er wohl wählen?


    Finde es heraus, nimm ihn Dir, mache ihn Dir nutzbar. Und wenn er einer von uns geworden ist und das Geschenk wünscht, so soll er es erhalten´, antwortete Thabit freundlich.

    Mitten im Gemach von Alexandre sickerte eine Pfütze aus dem Boden. Die Wasserlache wurde größer und bis dato konnte man sie noch für eine natürliche Erscheinung oder ein defektes Wasserrohr halten. Als die Pfütze sich allerdings in die Höhe bewegte, zu einer dünnen Wassersäule aufschäumte und dann die Gestalt eines Mannes formte, war es mit jeder Natürlichkeit vorbei. Hier war Magie am Werk und jeder in unmittelbarer Nähe spürte die Macht des Wesens, das gerade erschienen war.


    `Amias´, grüßte Thabit in seiner Erscheinungsform und schaute wohlwollend auf den jungen Mann herab.

    "Zuerst beantworte ich die Frage von Prince Ciel, da ich ihm eben nicht geantwortet habe. Stellt Euch Essenzmagie wie Heilkunde vor. Jeder der Heiler hat ein Spezialgebiet, ebenso verhält es sich mit den Ältesten. Es gibt keinen Heiler der alles beherrscht. Ebenso gibt es auch keinen Ältesten der die Essenzmagie bis in den letzten Winkel beherrscht.


    Leben aus Blut zu erschaffen, dass war die Kunst über die Indutiomarus gebot. Er war ein Hohenfelde und einst stand Horatio ihm bei. Dass müsst Ihr wissen. Mein Wissen ist manigfaltig denn ich bin der Wissenssammler meiner Familie. Meine erste Aufgabe ist es, das Wissen meiner Familie zu hüten Tazio und Du bist ein Teil davon. Ob Dir das gefällt oder nicht.


    Leben aus Blut zu erschaffen ist gar nicht so abwegig wie es klingen mag, denn Blut Prince Ciel ist Leben. Meine Daseinsform ist eine andere, mein Körper ist ein anderer. Ihr habt mich einst in meiner wahren Gestalt vor der Küste Monleones gesehen, man nennt diese Form einen Leviathan. Es gibt nichts in Eurer Welt und in dieser Zeit, was diesen Zustand wirklich beschreibt. Außer vielleicht soviel, er ist uralt und dennoch so neu, dass es ihn heute nicht mehr und noch nicht gibt.


    Wissen Prince Ciel ist wie Wasser, es sollte frei verfügbar sein. Manche jedoch hüten es wie den kostbarsten Schatz. So handhabe ich es. Nicht um Euch zu erpressen, oder Tazio. Wir erpressen niemanden, es ist unsere Tradition seit jeher Wissen zu sammeln. Und wäre ich der letzte Älteste, würde ich weiter Wissen sammeln. Meine Natur ist die eines Raubtiers, ja. Ein Wolf jagt auch nicht um anderen zu schaden, sondern weil es seine Natur ist. Wo er jagt, dass ist das entscheidende. Und ich habe stets versucht niemanden der Familie zu schaden.


    Mehr noch, ich habe Dich ins Leben zurückgeholt Tazio. Wenn Du meinst, dass Du mit mir einen schlechten Handel eingegangen bist, so sage ich Dir, Du bist mit mir überhaupt keinen Handel eingegangen. Du genießt all das, da Du ein Familienmitglied bist. Wärst Du das nicht, gäbe es überhaupt nichts zu verhandeln. Rein gar nichts.


    Meine pure Existenz mag Euch bedrohlich vorkommen, aber ich bedrohe Euch nicht. Die wenigsten Ältesten bedrohen andere bewusst.


    Und Ihr Prince Ciel, solltet Euch mal in den Reihen Eurer eigenen Magier umhören, es gibt Wissende, die keine Bluthexer sind. Ungebunden. Vielleicht wird die betreffende Person mit Euch sprechen, oder sogar Horatio Euch offenbaren was Ihr wissen möchtet. Jemand der Euch garantiert alles zu dem Thema sagen kann ist Nicodemus, der erste aller Vampire. Denn er beherrscht die Kunst seines Vaters Indutiomarus.


    Meine Macht ist eine andere und auch ich wäre bereit mit Euch Wissen zu tauschen. Aber aus Blut Leben erschaffen, das habe ich nie versucht. Daran habe ich mich selbst nie gewagt", antwortete Thabit offen und ehrlich.