Beiträge von Dalibor von Eibenberg

    Das tragische Schicksal

    des Fürsten Halvor von Eibenberg


    Halvor von Eibenbergs Lebenswerk ist als unspektakulär überliefert. Sein Ende allerdings war derart kurios, dass man seinen Namen bis in die Gegenwart nicht vergaß:


    Halvar, der zu Sparsamkeit neigte, um nicht zu sagen, Geiz, wandte das Prinzip der Nachhaltigkeit auch auf sein eigenes Mobiliar an. So brach er eines Tages mit dem Stuhl vor seinem Streibtisch zusammen, wobei er hart auf den steinernen Bodenplatten aufschlug. Dabei erlitt er einen Schlaganfall, der ihn die geistige Gesundheit kostete.


    Dass sein Sohn Dalibor ihn darauf hin de facto absetzte, wagte niemand dem alten Hexer zu sagen. Man enthielt ihm die Information einfach vor, so dass er seine letzten Jahre im Glauben blieb, weiterhin die Geschicke seines Hauses zu lenken.


    Jedoch ließ Halvor das eine oder andere Mal verlauten, daß er auf seine alten Tage lieber zurückgezogen in seiner Bibliothek verbracht hätte, anstatt seine Scholle verwalten zu müssen, wie er es wegen seiner unfähigen Söhne vermeintlich musste. Ein Herzinfarkt beim Anblick einer üblen Bilanz im Kassenbuch beendete seine Amtszeit schlussendlich auch offiziell.


    Er starb, kurz bevor sein Haus die Insel verließ. Die Ankunft der Magierfürsten in Naridien erlebte er nicht mehr. Halvor von Eibenberg ist gemäß seriöser Geschichtsforschung der einzige Mensch, auf dessen Totenschein die Todesursache "Geiz" vermerkt wurde.


    Dalibor legte einen Arm um Marthis und genoss kurz dessen Körperwärme. Würden sie nicht dieses köstliche Frühstück serviert bekommen haben, würde Dalibor ihn in sein Bett eingeladen haben, um liegend zu plaudern und dabei die Bettwärme zu teilen. So wickelte er sich die angewärmte Decke um die Hüfte. Sein flauschiges Nachthemd hielt die schlimmste Kälte ab, dennoch sehnte er sich nach dem Sommer und der Herbst hatte gerade erst angefangen!


    "Nicht Gold, noch Juwelen oder Geschmeide - Wärme ist der größte Luxus auf Eibenberg. Man findet sie nur dort, wo ein Feuer sich lohnt, das betrifft die Öfen so wie die Herzen. Ich danke dir für die Suppe, Marthis."


    Dalibor löffelte sie genüsslich, aber nicht zu langsam aus, damit sie nicht unnötig kalt wurde. Sie schmeckte köstlich ... sogar Honig war beigefügt worden. Erst danach antwortete er seinem Bruder.


    "Arbogast ehemals von Hohenfelde, nunmehr bloß Arbogast, suchte Eibenberg auf, weil er um meine Hand anhalten wollte. Er nannte seinen Grund offen: Angst. Er fürchtet die Klinge seiner Familie und möchte das Spiel, wie sie ihre perverse Tradition nennen, verlassen. Nachdem ich seine Gesinnung überprüft und mit Vater gesprochen hatte, reiste ich nach Hohenfelde, um den alten Indutiomarius zu überzeugen. Er zeigte sich erstaunlich leutselig, war vermutlich froh, den Mitesser loszusein."

    Dalibors Leibdiener Cesare weckte vorsichtig seinen Herrn, um ihm mitzuteilen, dass sein kleiner Bruder ihn zu sprechen wünsche. Sehr müde kroch Dalibor ein Stück aus dem dicken, mit Samt bezogenen Bettzeug hervor. Sein Atem schlug Dampfwolken. Eine empfindliche Kälte schlug ihm entgegen, denn das Holz wurde immer knapper. Dicke Kleidung konnte den warmen Ofen an vielen Tagen nur bedingt ausgleichen, weshalb die Öfen nur noch ausnahmsweise angeheizt wurden. Er fragte sich, wie diese verdammten Wigbergs das machten.


    "Mein Bruder darf eintreten, Cesare."


    Der Leibdiener teilte das dem Gast leise mit, bat ihn hinein und zog sich dann diskret zurück. Verknittert und müde, aber grinsend schaute Dalibor dem kleinen Bruder entgegen.


    "Was treibt dich zu mir, Marthis?"

    "Ich könnte dir entweder einen alten Hund anbieten, der bald nicht mehr mit im Gespann läuft und auf den die Schlachtung wartet, oder einen Welpen, den du in deinem Sinne formen kannst. Die übrigen Hunde dienen alle einem Verwendungszweck in den Gespannen, es wird schwierig sein, sie an ein anderes Leben zu gewöhnen. Sie wollen laufen, Arbogast, mit den anderen zusammen laufen und noch mehr laufen. Nichts macht ihnen mehr Freude.


    Wer dieser ominöse Gast ist, musst du mir bezeiten berichten, ich bin neugierig, doch nicht mehr heute. Ihm ist es gelungen, dich aus dem Spiel herauszunehmen, es zu beenden, geschickter noch als Leopoldius, der nur einen Vorteil für sich zog, doch das Spiel dennoch fortsetzte. Morgen reden wir auch darüber, wo du künftig unterkommst.


    Für heute schlaf gut. Den Wein und das Tablett mit den Häppchen lasse ich dir hier stehen. Wünschst du, dass es abgeräumt werden soll, klingle einfach, dann wird der dir zugewiesene Diener es forträumen. Ich schicke ihn dann zu dir, damit er sich um dich kümmert, sobald ich dein Gemach verlassen habe. Gute Nacht, Arbogast."


    Dalibor erhob sich, naschte noch ein Häppchen und schmunzelte Arbogast kauend zu, ehe er das Gästequartier verließ und die Tür hinter sich schloss.

    "Das wird mein kleiner Bruder Marthis gewesen sein! Das Nesthäkchen und mir als solches natürlich besonders lieb und teuer. Aber was sage ich, die Formulierung war nicht glücklich gewählt. Natürlich ist für dich nichts dergleichen.


    Was empfindest du für deine Brüder?


    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. sind nicht zu groß, sonst würden sie zu viel fressen, ihre Schulterhöhe liegt etwa auf Oberschenkelhöhe, dabei sind sie eher leicht gebaut. Sie sind meist grau, schwarz, weiß oder in diesen Farben gefleckt. Oft haben sie Kippohren, seltener Steh- oder richtige Schlappohren. Leistung und Widerstandsfähigkeit sind uns wichtiger als das Aussehen, weshalb es da keine Einheitlichkeit gibt. Sie lieben es zu laufen und sind dem Menschen gegenüber freundlich eingestellt. Zwar schlagen sie an, wenn Fremde in Sicht sind und bei so einem Rudel kann das Respekt einflößen, ich kann auch keinen Biss ausschließen, es sind jedoch keine Wachhunde.


    Was diese anderen Männer angeht, so ist Schmerz oft das Los der Schwächeren, egal, ob Mann oder Frau. Der Sieger nimmt sich, was ihm zusteht. Das ist das Gesetz von Asa Karane. Man kann es verdammen, kann seine Verzweiflung hinauf in den ewig grauen Himmel schreien und sein Haupt unter Tränen mit Asche einreiben - doch ändern wird man das Gesetz nicht. Jedes Haus hat seine eigenen Regeln, doch diesem einen Gesetz müssen sich alle beugen."

    "Es gibt nichts zu danken, lieber Arbogast. Es ist ein Geben und Nehmen, bei dem keiner zu kurz kommt.


    Lebende Trophäen sind keine Investition, sie gelten als Luxus. Wir müssen uns gemeinsam deine Finanzen vornehmen und schauen, wie viel Prozent davon an Luxus vernünftiger Weise drin sind. Schau dich um, auch wir leben nicht arm wie die Kirchenmäuse. Man erarbeitet sich keinen Wohlstand, um hinterher so arm wie zuvor zu leben. Doch genießen wir sehr kontrolliert und prüfen genau, welche Spielereien wir uns tatsächlich leisten können und wollen.


    Da du deine menschlichen Trophäen aber ohnehin nicht mit hierher bringen möchtest, kann ich dir keinen Rat geben, Arbogast. Dass dein Interesse nur Männern gilt ist ... erfreulich." Er lächelte füchsisch. "Ein seltenes wie angenehmes Phänomen.


    Deinen Hund und deine Taudisschwinge kannst du natürlich mitbringen, so geizig sind wir nun auch wieder nicht. Nur züchte mit ihnen nicht unkontrolliert. Die Zucht unserer eigenen Meute, die aus Zughunden besteht - wir nennen sie Aschehunde - obliegt einem unserer Vasallen, der sich hervorragend mit diesen Tieren auskennt und die Auslese unter großer Sorgfalt und in vernünftigem Umfang betreibt."


    Dalibors Lächeln wurde etwas breiter. "Meine Brüder liegen mir sehr am Herzen, jeder aus meiner Familie, Arbogast. Ich vermute, dass du dies nicht nachvollziehen kannst aufgrund deiner grausamen Vergangenheit, doch ich möchte versuchen, es dir begreiflich zu machen, indem du erleben darfst, wie wir alle miteinander umgehen, denn auch du gehörst fortan dazu.


    Unsere Zuneigung ist in ihrer Art vielleicht nicht mit jener, sagen wir, beispielsweise der Wigbergs zu vergleichen, sie ist anders, aber sie ist nicht minder tief."


    Auch Dalibor hob sein Glas. "Auf uns." Er trank das Glas komplett aus, denn dieser Trinkspruch war von besonderer Bedeutung.


    "Bedingungen? Hätten wir die nicht vorher absprechen sollen? Nachträglich sind nur noch Wünsche drin, nicht wahr? Außer Frage steht die bedingungslose Loyalität gegenüber dem Haus Eibenberg. Du wirst fortan Teil davon sein - dein Vater hat dich freigegeben."


    Dalibor stellte nach dem feierlichen Schluck sei Glas ab, lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und musterte Arbogast.


    "Eine Mitgift gesteht er dir nicht zu, jedoch sollst du dein Hab und Gut mitnehmen dürfen, was wir gemeinsam abholen werden, damit nichts vergessen wird. Solltest du dich erneut am Spiel beteiligen, ist dies dein Untergang, wenn es nach deinem Vater geht. Und auch, wenn es nach mir geht - denn ich werde nicht dulden, dass du unser Haus wissentlich in einen Krieg mit Hohenfelde stürzt. Anders sieht es aus, sollte man dir ungerechtfertigt nach dem Leben trachten, dann genießt du unseren vollen Schutz.


    Geld zu verprassen ist nicht das, was dazu geeignet ist, deinen Ehemann oder Schwiegervater gnädig zu stimmen. Gehe gut mit deinen Finanzen um, gut wäre es, wenn du lernst, deinen Wohlstand zu mehren. Dabei stehe ich dir natürlich zur Seite. Nicht jede Ausgabe ist Verschwendung, manche sind Investition.


    Wichtig für dich ist zudem zu wissen, dass, solltest du irgendwo Kinder zeugen, diese außerhalb der Erblinie stehen werden, da du angeheiratet bist.


    Irgendwelche Wünsche deinerseits?"

    Nach dem Gespräch mit seinem Vater vergeudete Dalibor keine weitere Zeit. Er hatte zuvor schon gebadet und sich nach der Reise nach Hohenfelde wieder herrichten lassen, so dass er seinem Gast bedenkenlos wieder unter die Augen treten konnte. Inzwischen spürte er die Anstrengungen, hatte Wachträume und gehörte schnellstmöglich ins Bett. Arbogast würde vielleicht schon schlafen.


    Dalibor suchte das Gästequartier auf, wo Arbogast es sich mit einem Buch gemütlich gemacht hatte. Nach kurzem Klopfen trat er ein, begleitet von einem Diener mit einem Tablett, auf dem sich einige Aufmerksamkeiten befanden, ebenso eine Flasche Wein und zwei eiserne Becher. Dalibor machte es sich bei Arbogast in einem der Stühle bequem. Es war ein nobles Gästequartier, in freundlichen Farben, gelbe Wände, grüner Teppich und rot lackierte Möbel mit schwarzen Akzenten. Der Diener schenkte zwei Mal Wein ein und verschwand dann, wie es ihm befohlen worden war.


    Er betrachtete den Mann, der dort saß, lange Zeit, ohne etwas zu sagen, seine Miene war undurchdringlich, aber nicht unfreundlich.


    "Unsere Väter sind mit der Hochzeit einverstanden", sprach er schließlich. "Komm, stoßen wir darauf an ... Verlobter."

    "Noch sind wir keine Freunde, dafür kennen wir uns zu kurz", antwortete Dalibor freundlich. "Ich schätze die Situation so ein, dass wir Freunde werden könnten. In erster Linie möchte ich ihn mit seinen Fähigkeiten an unser Haus gebunden wissen. Ob er seines tatsächlich verlassen wird auch ohne die Ehe, wage ich zu bezweifeln. Indutiomarus hat ihn weder entadelt noch verstoßen. Er gab ihn frei zum Zwecke der Ehe."

    "Nun, Arbogast wünschte sich einen Traum, in dem wir in Freundschaft miteinander verheiratet sind. Diesen Traum, den ich für ihn flocht, fand ich durchaus erbaulich. Folglich könnte ich mir eben dies vorstellen, eine Ehe in freundschaftlicher Verbundenheit einzugehen. Ob einst Liebe daraus werden wird, vermag ich nicht zu sagen, halte dies aber auch nicht für notwendig.


    Mit der Aussicht auf eine Ehe, die des Zweckes wegen eingegangen wurde, habe ich mich von kleinauf arrangiert, Vater. Umso mehr überrascht mich, dass du nun in solchen Worten sprichst. Sie verunsichern mich. Was hat deine Ansicht geändert, die Pleite mit Mutter? Oder war deine Ansicht nie eine andere?"

    "Das Bett? Die Aussage verwirrt mich, Vater. Schließlich würde ich diesen Mann nicht ehelichen, um mit ihm Nachkommen zu zeugen! Dies würde entweder von erschreckender Bildungsferne künden oder von erschreckenden magischen Fähigkeiten meinerseits. Noch ist es keinem Sterblichen möglich, neues Leben außerhalb eines weiblichen Schoßes zu zeugen.


    Vielmehr erwog ich die Ehe aufgrund des mitspielenden Nutzens, der Phylakterien und seines alchemistischen Geschicks wegen. Dass diese Ehe einen politischen Nutzen hätte, wie zunächst gedacht, muss ich inzwischen leider negieren. Du hast ja gehört, wie Indutiomarus zu der Sache steht.


    Die Frage, warum Indutiomarus mir die Hand seines Sohnes gewährt, beantwortete er mir nicht. Er erklärte mir nur ihre tödliche Tradition. Arbogast erbat auf diese Weise Gnade von seinem Vater und dieser gewährte sie ihm, obgleich dies der Tradition widerspricht. Die Gründe dafür beließ er jedoch im Dunkeln."


    Er öffnete hilflos die Hände. Ihn hätte die Antwort gleichsam interessiert.

    Dalibor trat ein und schloss die Tür, ehe er platznahm. Er war wieder in seinen dicken Pelzmantel gewickelt, der die Farben ihres Wappens zeigte.


    "Danke der Nachfrage, mir geht es bestens. Der Fürst hat sich erstaunlich ... zugänglich gezeigt. Er gab mir seinen Segen unter zweierlei Bedingungen.


    Erstens: Indutiomarus wird uns keine Mitgift zahlen. Allerdings gewährt er Arbogast, sein persönliches Hab und Gut zu behalten. Möge er daraus seine Mitgift begleichen.


    Zweitens: Arbogast geht mit seiner Erlaubnis, er verlässt dieses Haus, er legt den Namen Hohenfelde ab, er entsagt dem Thron und der Erbfolge völlig. Er kehrt niemals zurück, er ist ab der Vermählung ein Eibenberg und so hat er sich zu verhalten. Dann wird Indutiomarus ihn als solchen akzeptieren. Kehrt er jedoch zurück und greift er in das Spiel ein, wird Indutiomarus ihn persönlich richten.


    Was sagst du dazu?"

    Nach der Reise ließ Dalibor sich zunächst wieder vorzeigbar herrichten. Verstaubt und verschwitzt wollte er seinem Vater nicht unter die Augen treten. Beim Bad im aufgewärmten Wasser döste er für zwei Stunden ein und erwachte, als sein Leibdiener gerade heißes Wasser nachgoss. Dass dieser ihn hatte schlafen lassen, war als gute Intuition zu werten, denn Dalibor hatte die Ruhe nach der Reise nötig gehabt. Nun aß und trank er etwas in der Wanne, ehe er sich abtrocknen, ankleiden und frisieren ließ, um dann seinen Vater aufzusuchen.


    "Vater?" Fragend blickte er durch die Tür. "Ich habe mit Indutiomarus von Hohenfelde gesprochen. Darf ich reinkommen und mich setzen?"

    "Ich freue mich! Heute noch wird Arbogast die glückliche Botschaft erhalten. Eine Anpassung der Strategie zu gegebener Zeit schließe ich nicht aus", räumte Dalibor ein. "Eine gute Marktbeobachtung ist das A und O. Wirtschaftsgelehrte, Mathematiker und Händler genießen auf Eibenberg hohes Ansehen. Meine Frage lautet: Was würde geschehen, wenn alle drei Söhne sich auf diese Weise aus dem Spiel verabschieden würden?"

    "So darf ich dies als Eure Zustimmung werten", sprach Dal erfreut. "Fürst von Hohenfelde, den Verzicht auf die Mitgift möget ihr als Investition in eine freundschaftliche Zukunft unserer Häuser betrachten. Arbogast wird bald den Namen Eibenberg tragen, er wird nach den Regeln unseres Hauses leben und als solcher nicht länger Teil des Spiels sein.


    Erlaubt mir noch eine Anmerkung: Sollten uns die Vorräte ausgehen, dann zückt ein Eibenberg nicht das Schwert, sondern den Rechenschieber. Dann rechnet er auf der einen Seite Zins und Zinseszins auf und lässt auf der anderen großzügige Gelder fließen, so dass andere das Schwert ergreifen. Am Ende gibt es nur einen Sieger und es ist nicht der Mann mit dem Schwert. Denn er wird am Ende des Krieges der Verlierer sein, auch wenn er diesen einen Kampf gewonnen hat.


    Gestattet Ihr mir eine Frage zu Eurer Tradition?"

    Der dicke Teppich musste gut sein, um Heizmaterial zu sparen. Aus gleichem Grund hatte zumindest Dalibor in seinem Gemach einen ebensolchen weichen Bodenbelag. In Hohenfelde wirkte der Teppich jedoch befremdlich, man hatte das Gefühl, alles hier müsse Stein, Eisen und Alchemie sein, um zusammenzugehören. Dalibor ließ sich trotz seines staubigen Zustands ohne zu zögern im Sessel nieder, denn es war nicht seiner und Indutiomarus hatte ihn darum gebeten.


    "Zunächst möchte ich meinen Dank für den freundlichen Empfang ausdrücken, Fürst. Warum Euer Sohn Euch nicht mit seinen Plänen konfrontierte, liegt in Anbetracht Eurer Tradition auf der Hand - er fürchtet Eure Reaktion. Da er in Eibenberg einheiraten und seinen Namen abstreifen würde, käme dies einer Flucht gleich, er entzieht sich dem Regelwerk. Diese Dinge sind mir bekannt.


    Jedoch frage ich mich, ob er mit seiner Einschätzung Eurer Interpretation des Regelwerks richtig liegt? Seine Botschaft an Euch und an seine Brüder ist eindeutig, sie lautet: Ich möchte leben. Ich erhebe keinen Anspruch auf den Thron.


    Kann dies als Verweichlichung gedeutet werden? Wohl kaum. Eine realistische Einschätzung der Lage ist eher Zeichen eines scharfen Verstandes und guten Urteilsvermögens, jetzt, wo seine beiden jüngeren Brüder sich verbündet haben.


    Was mich dazu bewegte, ihm zuzuhören, war kein Mitleid. Ich bin ein Sohn meines Vaters, mein Verstand funktioniert auf analytischer Ebene, ich habe Kosten und Nutzen für mein Haus abgewogen. Die Waagschale schlägt für unsere Seite aus. Jedoch war dies nicht der Grund, warum ich letztlich zustimmte.


    Freilich wird ein jeder Anwärter magisch untersucht, wie das bei allen Häusern der Fall ist in diesen von allen Göttern verlassenen Zeiten. Arbogast meinte seine Bitte aufrichtig. Und als ich ihn bat, mir einen Traum zu nennen, welchen ich ihm weben solle, um meine Kunstfertigkeit im Sektor der Illusionsmagie zu demonstrieren - auch ich möchte mich schließlich gut verkaufen und eine würdige Mitgift heraushandeln - wünschte er sich einen Traum, in dem wir beide alte Männer seien, in Freundschaft verheiratet.


    Das war alles."



    "Ist es nicht unhöflich, Gäste auszuhorchen? Noch dazu, ihr Äußeres zu kritisieren? Ihr lehnt Euch weit aus dem Fenster, Diener. Was, wenn ich ein vermummter und verstaubter Prinz wäre?", fragte er belustigt.


    Wenig später betrat Dalibor den Thronsaal und Indutiomarus reagierte erstaunlich offen. Vielleicht freute er sich über die Abwechslung.


    "Ein Mörder wäre wohl kaum so töricht, Euch von vorn erdolchen zu wollen, Fürst, es sei denn, er wäre ein Idiot."


    Dalibor trat vor den Thron, blieb aber in gebührendem Abstand stehen. Er nahm die Kapuze ab und zog den grau gepuderten Schal von seinem Gesicht. In seinem verschwitzten Roten Haar glänzte der goldene Reif des Prinzen von Eibenberg. Er verneigte sich ein wenig tiefer, als er es sonst getan hätte, aber nicht anbiedernd tief.


    "Ich grüße Euch, Fürst von Hohenfelde, und bedanke mich für die kurzfristige Gelegenheit zur Audienz. Mein Name ist Prinz Dalibor von Eibenberg, zweitgeborener Sohn des Erzhexers Halvor von Eibenberg. Ich bin hier, weil Euer Sohn Arbogast um meine Hand anhielt und ich das Angebot anzunehmen gedenke."

    Der Ascheschlitten flog über die Ebene, gezogen von zehn starken Hunden, deren Fell so grau war wie das Land. Staubwolken stoben wie grauer Schnee in einer langgezogenen Wolke hinter ihnen her. Die Kufen glitten butterweich über die Überfläche, wo Räder sich mühsam vorwärtskämpfen mussten. Eine gewöhnliche Kutsche würde Gefahr laufen, stecken zu bleiben, doch mit Schlitten ließ sich manch Weg in Rekordzeit zurücklegen. Kein Pferd war so ausdauernd wie ein Hund und vor allem war es mühsam, Pferde auf der sterbenden Insel zu ernähren, da an pflanzlicher Nahrung kaum mehr als Tang und Importprodukte zur Verfügung stand. Hunde aber fraßen äußerst gern Fleisch und Fisch, besonders letzterer wurde noch in ausreichendem Maße für die wenigen Bewohner Asa Karanes an Land gezogen.


    Niemand außer ihm war auf dem Schlitten, nur ein wenig Proviant für den Notfall. Gewiss, er hätte mit einer ganzen Leibgarde aufbrechen können, doch der organisatorische Aufwand hatte ihn davon abgehalten. Er hatte jetzt aufbrechen wollen und nicht irgendwann. Dalibor hatte Arbogast nicht mitgeteilt, dass er noch am heutigen Tag aufbrechen würde. Dass er allein dieses Treffen bewerkstelligen wollte, hatte einen guten Grund. Arbogasts würed nicht ohne Grund vor seinem Vater zittern. Was für ein Gespräch sollte das werden, wenn Dalibor in Versuchung geriet, zu beschützen, was gefühlt schon beinahe ihm gehörte? Es würde ihn erpressbar machen, formbar, und dieses Werkzeug würde Dalibor dem Erzhexer nicht in die Hand geben.


    Als Dalibor Hohenfelde erreichte, wirkte er wie ein fahrender Händler, so grau verstaubt und eingewickelt in Tücher bis auf die Augen. Doch er verlangte bei der Wache mit einer derartigen Nachhaltigkeit nach einer Audienz, dass man annehmen musste, er sei entweder lebensmüde oder spräche die Wahrheit - vielleicht traf auch beides zu.

    "Ich hätte deine kostbare Zeit nicht beansprucht, hätte ich die meine nicht vorher damit verbracht, abzuwägen. So sitze ich hier, weil ich der Ansicht bin, dass diese Verbindung sich lohnen würde.


    Natürlich bin ich auch bereit, mit Indutiomarus persönlich zu sprechen. Arbogast fürchtet seinen Vater. Wenn ich ihn als meinen Mann erwählen würde, so ist selbstverständlich, dass ich auch für ihn einstehe. Offen gestanden bin ich sogar gespannt darauf, der alten Viper gegenüberzutreten, die von ihren eigenen Söhnen gefürchtet wird.


    Aber da du von Sympathie sprachst ... ich bot Arbogast einen Traum nach seinem Wunsch an. Eine Prüfung, freilich. Vielleicht ahnte er es. Doch sein Wunsch erschien mir ehrlich. Er bat darum, davon zu träumen, dass er und ich alte Männer sind, in Freundschaft verheiratet, und er wünschte sich etwas mehr Fleisch auf den Rippen. Dieser Wunsch rührte an mir. Etwas Vergleichbares wünschte bisher niemand!"

    Dalibor nickte.


    "Ich denke schon, Vater. Er hat sich mir soeben vorgestellt. Ich habe ihn nie zuvor gesehen und nahm das Anliegen zunächst nicht ernst. Es handelt sich um den ältesten Sohn des Indutiomarus von Hohenfelde, um Arbogast von Hohenfelde. Mein erster Gedanke war, dass er die Hochzeit forciere um den Schutz unseres Hauses zu suchen. Man kennt ja die Art der Erbfolge von Hohenfelde.


    Natürlich hatte ich recht, er ist aus jenem Grund hier. Doch nahm ich mir die Zeit, ihm auf den Zahn zu fühlen. Hohenfelde ist keine schlechte Partie, wenn man die Morbidität außen vor lässt. Arbogast hat einige interessante Fähigkeiten vorzuweisen, unter anderem versteht er sich vortrefflich auf die Schaffung von Phylakterien."


    Bei dieser Erwähnung zuckte eine Braue von Dalibor vielsagend empor.


    "Entgegenkommend ist bei der Überlegung sicher auch der Umstand, dass er symathisch erscheint. Ich habe seinen Geist geprüft mittels einer Blutprobe, seine Absichten sind aufrichtig.


    Die einzige Sache, die mir Sorgen macht, ist genau jene, vor welcher er flieht, denn freilich würde ich nicht zulassen, dass Hohenfelde seine Erbfolgestreitigkeiten in unsere Familie hinaus ausweitet. Bei allem Wohlwollen ist dies ein nicht zu vernachlässigender Faktor, man weiß, wie Hohenfelde im Kriegsfall agiert und Krieg ist teuer."