Blutrote See - Kapitel 5 - Die Ankunft der Cygnus

  • Blutrote See - Kapitel 5 - Die Ankunft der Cygnus


    Die Nacht wich dem Morgen und langsam zog über dem Meer die blutrote Sonne auf. Ein Schatten mischte sich unter das Farbenspiel. Ein Schiffsschatten, länger als die Mouette und kürzer als die Choucas.


    Die Cygnus war angekommen und erbot beiden schlafenden Schwestern den Morgengruß. Zuerst wurde die Mouette gegrüßt, da sie vom älteren und erfahreneren Kapitän geführt wurde. Ebenso wurde das Schiff selbst begrüßt. Dann folgte die Choucas, ihr Kapitän war erfahren, aber einige Jahre jünger als Käptn De Brisay. Auch der Choucas wurde der Ehrengruß entboten, denn sie hatte schon so manche Schlacht überstanden und siegreich geschlagen.


    Die Cygnus schloss sich dem Päckchen auf hoher See an und machte auf der anderen Seite der Choucas fest, so dass das große Schiff in der Mitte als Stabilisator und Halt diente.

    „Wie ich sehe bin ich gerade rechtzeitig gekommen, zum Auftakt der Party“, grüßte James und drückte Silvano zur Begrüßung.
    „Willkommen an Bord, absolut korrekt. Gut zeitlich abgepasst Jimi“, gab Silvano zurück, drückte seinen Gast ebenso, bevor er ihn in die Kajüte führte.

    „Wir müssen reden“, sagte der Kapitän der Cygnus, als Vano die Kapitänskajüte hinter sich verschlossen hatte.
    „Angenehme Gespräche fangen niemals mit diesen Worten an“, stellte Mancini sachlich fest.

    „Unsinn Vano, betrachte es als Warnung oder noch besser als Chance den Kurs zu ändern, bevor Du in den Sturm fährst und Dein Schiff verlierst“, warnte James und nahm am Kartentisch Platz.
    „Rene hat mich bereits gewarnt, oder besser gesagt mich zur Rede gestellt. Es geht um die Beißer richtig? Weshalb ich die Truppe an Bord gelassen habe, ist leicht zu erklären – aber schwer verständlich“, antwortete Silvano und stellte eine Flasche Rum und zwei Becher auf den Tisch. Er goss ihnen beiden einen vollen Becher ein und stieß mit James an.

    „Dein Sturmtief hat einen Namen oder?“, grinste James während er genüsslich seinen Rum trank.
    „Wieso glaubt das jeder von mir?“, hakte Vano nach und ließ sich seinen Becher ebenfalls schmecken.

    „Weil Du nie irrational handelst, es sei denn es geht um Deinen Mann. Aus diesem Grund heizen wir auch den Handtaschen ein und das ist in meinen Augen völlig legitim. Sie haben nicht nur die Mouette samt Mannschaft grundlos angegriffen, sie haben Souvagner getötet.


    Sie haben Dir Deinen Mann genommen. Allein das verlangte schon militärische Vergeltung. Der Vergeltungsschlag Deinerseits war erfolgreich, aber für Dich persönlich ein Desaster Vano. Drum liegen wir hier, bereit die Sache gemeinsam zu Ende zu bringen.


    Für Dich, Davet, die gefallenen Brüder und für Souvagne selbst. Also entweder betrifft Dein irrationales Handeln Davet, oder Deinen neuen Mann. Und da die Beißer nichts mit Davet zu tun haben, kommt nur Dein neuer Mann als Ursache in Betracht. Das ist der Grund weshalb diese Gestörten hier an Bord sind. Sie sind mit Deinem Kerl verbandelt, oder einer von ihnen. Die Sache wirst Du mit Prince Ciel besprechen müssen. Wieso sie hier sind, interessiert mich erstmal nicht.

    Aber was sie hier tun, schon.


    Soweit ich informiert wurde, haben die Beißer einen Gardisten in ihrer Runde namens Patrice. Und jetzt wird die Sache heikel. Patrice diente dem Fahnenflüchtigen Robere Moreau und seinem fremdländischen Vater als Bumslappen.


    Ebenso soll sich der ehemalige Palaisin Bellamy Bourgeois und ein weiterer Fremdländer namens Arbogast an ihm vergangen haben. Laut meiner Kenntnis hast Du mit Deinem Partner tatenlos zugeschaut und ihr beide habt Euch dabei selbst vergnügt“, erklärte James.
    „Du bist erstaunlich gut über die Dinge an Bord der Choucas informiert. Warst Du dabei oder wieso unterstellst Du uns so etwas?“, fragte Silvano ruhig.

    „Vano ich war nicht dabei, aber Patrice war es. Und dieser hat sich hilfesuchend an den Duc höchstpersönlich gewandt. Ich bin hier um Dir zu helfen. Erstens um Dir bei dem Landkroko-Problem beizustehen und zweitens um Dir bei dem Beißer-Problem zu helfen.


    Fangen wir anders an.


    Ich habe eine gute Nachricht für Dich, dass solltest Du Dir nicht kaputt machen. Die gute Nachricht zuerst, dann die Warnung. Die Agenten der Autarkie wurden postum rehabilitiert und als Wiedergutmachung wurde jedem Kind der Agenten die Freiheit geschenkt und es wurde in den Stand des Nennadels erhoben.


    Kurzum Du trägst fortan einen Doppelname und bist aufgrund Deines leiblichen Vaters wie auch Adoptivvaters von Stand. Das hieße, selbst wenn Dich Mancini wirklich vor die Tür setzen würde, Du wärst immer noch von Stand. Was Santo niemals tun würde, aber Du führst nun zweimal den Titel Chevalier, einmal an die Scholle Mancini gebunden und einmal als Nennadel.

    Die Warnung folgt umgehend Vano.


    Lass es nicht soweit kommen, dass man Dich entadelt. Ohne Stand, dass bedeutet kein Amt als Kapitän mehr. Du würdest diesen Status verlieren. Wenn man Dich zudem in Unehren entlässt, bekommst Du nicht einmal mehr einen Posten in der Zivilschifffahrt als Kapitän, oder als Offizier.


    Du würdest die Choucas verlieren und Deine Tage auf See wären gezählt, jedenfalls in Souvagne. Wofür Vano? Für eine Horde Irrer, die ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben? Ich werde jetzt mal unfair – was hätte Davet zu der Situation gesagt? Was hätte er erwartet oder sogar verlangt, dass Du tust? Du weißt wie ich zu Dir stehe, wie Jaques zu Dir steht und unsere ganze Familie.

    Die Leute da draußen Vano, sind Deine Leute. Sie legen tagtäglich ihr Leben in Deine Hände, sie vertrauen Dir bedingungslos. Sie sind Deine Schiffs-Familie, einschließlich der Choucas. Landratten verstehen das nicht, aber sie ist Deine Frau. Ziehst Du tatsächlich eine Trennung in Betracht für ein Rudel dahergelaufener Krimineller?


    Treue sieht bei Dir sonst anders aus Vano. Ich weiß wie Du gestrickt bist, aber Liebe und Loyalität bedeutet nicht, dass man seinem Partner alles durchgehen lässt und alles völlig kommentarlos abnickt. Manchmal verlangt gerade die Liebe, dass man seinem Partner auf die Finger klopft und ihm eindeutig klar macht, bis hierher und nicht weiter für uns beide! Es geht um Dein Leben, Deine berufliche Existenz. Im Grunde geht es um Deine komplette Existenz oder wie lange überlebst Du auf dem Trockenen?

    Wir beide wissen, wie Davet entschieden hätte. Er hätte keine Gefahr für das Schiff an Bord akzeptiert und Du tust das ebenso wenig.


    Du duldest dass nur stillschweigend mit der Faust in der Tasche für Deinen Mann.

    Du wirst bitte mit Prince Ciel darüber in Ruhe reden, wie Du die Sache wieder gerade biegen kannst. Ich bin gerne bei dem Gespräch anwesend, falls Du Unterstützung benötigst. Dein Mann ist Dir hier kein Ratgeber, denn er ist eine Landratte.


    Noch eine Landratte möglicherweise, aber er wird niemals zum Salzbuckel, solltet Du Dein Schiff verlieren. Und dass kann wohl auch nicht im Sinne Deines Mannes sein, dass Du alles verlierst, was Dir etwas bedeutet Vano. Wenn Dein Mann Dich liebt, wird er sich für Dich und gegen seine alten Kameraden entscheiden. Eigentlich mehr noch, er würde sie unter Kontrolle bringen“, erklärte James freundschaftlich.

    „Wie lange ich auf dem Trockenen überlebe? Hoffentlich solange, bis ich wieder ins Wasser kriechen konnte. Ich bin nicht fürs Landleben geschaffen James.


    Die Choucas ist das einzige eigene Zuhause dass ich je besessen habe, ich werde sie nicht aufgeben. Falls man sie mir nehmen sollte, bleibt mir nur auszuwandern. Irgendwohin wo ich mir selbst ein Schiff anschaffe und wieder auf dem Wasser leben kann.


    Aber soweit soll es nicht zwangsweise kommen, sondern geplant und voller Freude und nicht unter Zwang und Verlust. Eine zweite Heimat in Ledwick hätte ich sehr gerne, da man von dort aus auf große Fahrt gehen kann. Aber Souvagne ist und bleibt meine Heimat, auch wenn ich gerne eine zweite mit Anschluss an die große See dazubekommen möchte. Du hast ebenso Recht wie Rene, ich werde mit Ciel reden. Deine Begleitung würde mich freuen, ich nehme Dein Angebot an“, lenkte Vano ein.


    Silvano und James tranken ihren Rum aus, während Boldiszar immer noch in der Hängematte schlummerte. Mancini kratzte sich über den Verband und deutete James an ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie hinaus aufs Achterdeck, dem erhöhten Deck des Schiffes.


    Dort machten sie es sicht mit einer Rauchstange und einer der Rumflaschen gemütlich, die Vano eingesteckt hatte. Genüsslich rauchend und mit halb geschlossenen Augen begrüßten die beiden die ersten warmen Strahlen der Morgensonne.


    Sie hatten den Platz dort für sich allein, denn nur dem Kapitän, seinen Offizieren und Seekadetten durften sich auf dem Achterdeck aufhalten. Vom Achterdeck aus wurde auf machen Schiffen das Morgengebet abgehalten und es wurden die Schiffsregeln verlesen. Zudem war es der Ort von dem aus die Befehle erteilt wurden, kurzum das Reich des Kapitäns.


    Die Geräusche der arbeitenden Matrosen auf allen drei Schiffen untermalte das Bild, dass die Natur auf die See zauberte.


    "Für Dich altes Mädel, auf gutes Gelingen", grinste Mancini und warf die geschlossene, extrem teure Rumflasche ins Meer, was James grinsen ließ.


    "Der Sonnenaufgang färbt das Meer passend zu unsere Mission", sagte James.
    "Blutrote See", stimmte Vano zu.