Der erste Geist - Quennel
Brandur von Hohenfelde
Brandur hatte alles für die vom Prince angeordneten Beschwörungen vorbereitet. Dafür, dass Prince Ciel an vorderster Front gegen die Nekromantie geiferte, hatte er erstaunlich viele Ausnahmewünsche für sich selbst. Die geräumige Kajüte, in welcher Brandur sich für die Vorbereitungen eingeschlossen hatte, duftete nach Räucherwerk. Der Nekromant hatte bei offenem Fenster die Ritualschellen erklingen lassen, die Ecken ausgeklatscht und Salz gestreut, um den Raum von Fremdenergien zu reinigen. Nun zog er mit Kreide die letzten Runen des Bannkreises, in dem der Tisch mit den Stühlen für die Gäste stand. Er nahm die Sicherheitsvorkehrungen heute besonders genau, da er die Geister zum Großteil nicht kannte und Parcival vermutlich ein sehr machtvoller Gegenspieler sein würde, der schwer zu beherrschen war. Doch er stand erst an zweiter Stelle. Zunächst hatte Ciel gefordert, das vor einigen Jahrzehnten ermordete Himmelsauge Quennel zurückzurufen. Brandur kontrollierte noch einmal, dass die beiden Kreise richtig gezeichnet waren, dann ließ er einen Matrosen nach den Teilnehmern schicken.
Linhard von Hohenfelde
Linhard war der Erste der die Kajüte seines Vaters erreichte, da ihn die Wiedersehensfreude und die Neugier trieb. Brandur war genau wie Ansgar ein Nekromant, aber er übte die Totenmagie völlig anders aus. Während Ansgar seine Hände förmlich in Blut gebadet hatte in seinem Schlachthaus, dort werkelte Brandur im würdevoller Sauberkeit und schuf Kunstwerke aus Knochen die ihres gleichen suchten. Lin vermisste schlagartig schmerzhaft den Knochendrachen, der eine ganze Weile der knöcherne Nabel seiner Welt gewesen war, belebt mit dem Geiste von seinem Großvater Dunwin. Beide waren momentan Meilen entfernt und er hoffte es ging ihnen gut. Sobald sie wieder Zuhause waren, würde er den Knochendrachen in sein Herrenhaus bringen lassen. Niemand hatte ein Anrecht auf das Geschöpf, dass sie in die Freiheit geflogen hatte. Denn nichts anderes hatte dieses Wesen getan. Lin schaute sich neugierig um und war gespannt was als nächstes geschehen würde. Der Geist von Dunwin hatte ihnen beigestanden und er erinnerte sich nur zu gerne an die gemeinsame Zeit, als sie als groteske Gruppe von Brandur, Dunwin, Archibald und Jesper durch die Lande gezogen waren und auf ihre ganz eigene Art für Gerechtigkeit gekämpft hatten. Er erinnerte sich an die versaute Hochzeit, an das Auftauchen Brandurs, an Daves Angriff, an Ansgars Morddrohungen und an das Ende seiner beiden Väter und deren Wiedergeburt auf so unterschiedliche Art und Weise. Mit Schaudern erinnerte er sich an die Beschwörung von Alastair, der sogar als Geist schwarz wie die Nacht gewesen war und der heimlich Archibalds wahrer leiblicher Vater war. Ein Umstand von dem Archibald nichts wusste, bis einschließlich heute. Jeder andere hatte davon erfahren, genauso dass Dunwin nun in Aimeric lebte, da Brandur den Vater von Archibald verheimlichen wollte.... und sich wie auch Dunwin dabei um Kopf und Kragen redete... Das war starker wenn auch extrem witziger Tobak, die ausstehende Messerstecherei wäre sicher hochinteressant geworden. Aber Kuni hatte den auf einmal erstaunlich flinken Dave aufgehalten. Lin wusste nicht ob er sich darüber freute oder bereute, dass es nicht zum Duell gekommen war. Soviel Hohenfelde war er doch, dass ihn ein gutes Duell mitriss. Auch wenn er nicht wusste, zu wem er gehalten hätte. Er kannte Daves Vergangenheit in groben Zügen, aber er kannte auch seinen Großvater als liebenden Geist. Die Beschwörung von Alastair hatte etwas sehr bedrohliches gehabt und letztendlich dachte er an Ciel und seinen gemeinsamen Ausflug mit ihm und das Bergen der Babys. Eine Gänsehaut kroch seinen Rücken hoch. Freundlich lächelte er seinen Paps an, als die anderen Gäste ebenfalls eintrafen und Platz nahmen. Lin grinste stolz.
Brandur von Hohenfelde
Brandur schenkte seinem Sohn ein Lächeln, während dieser mit den anderen am Tisch Platz nahm. Er selbst befand sich außerhalb der beiden Kreise. Im Gegensatz zu anderen seines Fachs zog er es vor, nicht sich selbst in einem Bannkreis einzusperren, sondern den Geist, um dessen Radius einzuschränken und selbst die volle Beweglichkeit zu behalten. Dass die Gäste in einem ebensolchen Kreis saßen, war ein zusätzlicher Schutz, von dem er nicht glaubte, dass er erforderlich sein sollte. Aber er wollte sich vom nekromantenfeindlichen Prince keine Nachlässigkeit nachsagen lassen. Er schloss die Fenster, zog die Gardinen zu und entzündete die Ritualkerzen, von denen er besser für sich behielt, dass sie aus Menschenfett bestanden. Brandur blickte feierlich in die Runde. »Hoheiten Prince Linhard von Hohenfelde und Prince Ciel de Souvagne, Capitaines und Chevaliers Silvano de Mancini, Rene de Brisay und James de Dusolier. Boldiszàr«, grüßte er feierlich die Anwesenden in der Reihenfolge, die ihnen seiner Meinung nach zustand. »Ihr habt heute die Ehre, einer Reihe von Beschwörungen aus fachkundigen Händen beizuwohnen - meinen Händen. Ich bin Brandur von Hohenfelde, auch bekannt als der Hexenmeister Amand von Trux und ich bin Nekromant des vierten Grades. Vor ihnen auf dem Tisch liegen Fingerringe. Diese sind aus Tombak, einer hochwertigen und vor allem für unsere Zwecke hocheffektiven Messinglegierung. Sie dienen der zusätzlichen Absicherung von euch, denn sobald ihr sie tragt, wird der Geist es schwer haben, in euren Körper zu fahren, sollte er wieder Erwarten aus dem Bannkreis entwischen und sich meiner Kontrolle entziehen. Ich möchte euch nun bitten, die Ringe anzulegen.« Er wartete, bis alle Anwesenden der Aufforderung nachgekommen waren. »Hat jemand noch eine Frage? Ansonsten beginne ich nun mit der Herbeirufung des Geistes von Quennel.«
Linhard von Hohenfelde
Die Angesprochenen nickten der Reihe nach und jeder Anwesende nahm sich einen Ring und setzte ihn auf. Linhard schaute Ciel abwartend an, denn er war sich sicher, dass sein Schwager zuerst jemand beschworen haben wollte. Linhard hatte niemanden, den er gerne gesprochen hätte. Wobei eigentlich schon, jeden aus Brandurs Familie, aber er schwieg dazu. Er würde seinem Vater nicht die Bürde auferlegen, seine verstorbenen Kinder zu beschwören, nur um seine Neugier zu befriedigen. Er konnte mit Brandur in einer stillen Stunde über sie reden. Die Reise würde lang werden und sie würden ausreichend Zeit haben. Ganz ohne Magie konnte sein Paps ihm seine Geschwister näherbringen. Alle anderen schienen einfach gespannt abzuwarten. Die Kapitäne schienen keine Angst zu haben, sie sahen ehr neugierig aus, was Linhard gefiel. Vielleicht aber auch nur im Moment, da sie noch nie einen Geist gesehen hatten. Seine Familie war nicht unbedarft was Nekromantie anging, aber bei Alastair war selbst ihm Bange geworden. Ich glaube wir sind alle soweit Paps«, sagte Lin freundlich und betonend, dass es sein Vater war der dieses Wunder vollbrachte.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel griff unter dem Tisch nervös nach Linhards Hand. Sie beide trugen einen der Ringe. Ciel wusste, dass Messing, insbesondere Tombak, gut gegen magische Beeinflussung abschirmte - er wusste jedoch auch, dass Ringe für diesen Zweck sehr wenig Masse enthielten. Damit es wirklich zuverlässig funktionierte, war ein Halsreif erforderlich oder ein Schmuckstück in äquivalenter Größe. Ciel nickte Brandur zu. »Beginne mit dem Ritual. Rufe uns Quennel zurück. Er hat uns einige Fragen zu beantworten.« Nicht zuletzt war Ciel sehr neugierig, wer der Mann war, der zu Lebzeiten zu gerissen gewesen war, um weiterleben zu dürfen.
Brandur von Hohenfelde
»Sehr wohl, Hoheit.« Der Nekromant nahm Aufstellung. Das Kerzenlicht begann zu flackern, obwohl kein Wind durch das geschlossene Fenster wehte und die Anwesenden kaum zu atmen wagten. Brandur stand mit geschlossenen Augen vor dem Bannkreis, in welchem der Geist erscheinen sollte. Manche Hexer zogen es vor, während der Trance zu sitzen, er jedoch fühlte sich stehend am wohlsten. Mit den Händen vollführte er einige verträumt wirkende Gesten, die keinen magischen Effekt hatten, sondern ein Spiegelbild seiner Wahrnehmung im Nexus waren, als er in dem Nebel der Energien nach dem erloschenen Lebenslicht des Himmelsauges Quennel tastete. Er fand ihn, lockte ihn, zog ihn zurück. ›Quennel ... der du ermordet worden bist, weil du zu viel wusstest ... kehre zu uns zurück. Offenbare uns das Geheimnis, für das du mit dem Leben bezahltest. Quennel, ich rufe dich ... zeige dich gut sichtbar in deiner alten, menschlichen Gestalt. Quennel, erscheine.«
Quennel
Quennel hörte den Ruf, hier im ewigen Nichts war alles anders als er es sich je vorgestellt hatte. Es gab weder ein Oben noch ein Unten, es gab weder Form noch Farbe, es gab nicht einmal Luft noch Licht und dennoch war alles auf sonderbare Weise vorhanden, auf eine völlig andere Wahrnehmungsweise waren hier die Abbilder der lebendigen Welt zu finden. Oder möglicherweise war auch die lebendige Welt ein Spiegelbild dessen, was diese Seite war. Erstarrt in ewiger Form, bis man in völliger Freiheit hierhin zurückkehren konnte. Losgelöst von allem, schwebend, liebend, mit sich selbst und der Welt im reinen. Sie alle flossen, schwebten, glitten dahin, angezogen von einer großen Macht, die keinen wahren Namen besaß und tausende Namen hatte - er nannte es nur das Nichts. Sanfte blaue Geschöpfe zogen an ihm vorüber, ihre jetzige Form verriet ihm nicht, was sie einst gewesen waren. Auch seine Gestalt war unwichtig geworden. Auch er schwebte immer weiter auf dieses Ziel zu, nicht wissend was er dort überhaupt wollte. Aber es rief ihn, sang in seinem Sein, mit der tiefen Botschaft dass er allein war und doch einem großen Ganzen angehörte. Er musste nur in dessen Schoß zurückkehren und dann... ja was dann? Er wusste es nicht, nicht mit Bestimmtheit. Er konnte nicht einmal sagen, was er sich selbst darunter vorstellte oder sich wünschte, aber je näher er dem Ziel kam, je ruhiger, zufriedener, gelassenener wurde er. Andere schweben widerspenstig dahin, wollten sich dem Ziel nicht nähern. Zwischen dem Meer aus hellblauen Gestalten sah man ab und an schneeweiße Formen dahingleiten. Wurde er von so einem Wesen gestreift fühlte er sich für den Bruchteil eines Augenblick erhaben, erfüllt ja sogar geliebt. Diese Wesen waren schon hier fast eins mit dem Ziel. Aber sie waren selten und sie waren schnell. Schnell obwohl hier weder Zeit und Raum eine Bedeutung hatte und trotz der Tatsache dass sie sich nicht zu beeilen schienen. Aber dann gab es noch die anderen... schwarz, dunkel, düster, grausam... ihre Präsenz machte ihm sogar hier Angst. Auch sie waren selten und er wusste nicht was sie waren. Sie fühlten sich an wie ein Geschwür dass sich widersetzte ins Ziel einzuschweben. Stattdessen lauerten sie in den Tälern, dahin wo man nicht hinab sinken durfte. Kam man dem Tal zu nah und ein Düsterer erblickte einen, galt es zu schweben wie man noch nie geschwebt war. Sah man einen Düsteren aufblitzen musste man in die andere Richtung flitzen... wenigstens war ihm sein Humor geblieben und sein Grips. Bis jetzt hatte ihn noch kein Düsterer erwischt. Er hatte gesehen was sie taten... ein Blauer der zu dumm war nicht auf die Schatten dieser Welt zu achten war von einem düsteren festgehalten worden. Seine Substanz, sein ich fing an zu flackern... und dann verfärbte sich der Blaue langsam aber sicher schwarz, wurde durchzogen von der Finsternis, wie ein Mensch den eine Blutvergiftung befallen hatte... wie er darauf kam? Er wusste es nicht... woher er diese Kenntnis hatte? Auch davon hatte er keine Ahnung... Er hatte gesehen wie der Düstere den Blauen verseucht und gefressen hatte, verschlungen war wohl der bessere Ausdruck. Und dann gab es die Grauen... noch seltener... noch widerlicher... sie erschienen blitzartig, raubten einen der Blauen und fraßen ihn an Ort und Stelle und verschwanden wieder. Manche Blauen waren wie die Grauen nur zu Besuch, wanderten nicht dem Ziel entgegen, sondern gingen eigene Wege... manche kehrten nie in ihre Welt zurück. Gemächlich schwebte er dahin, noch heute so wachsam wie einst und scheinbar wieder einmal nicht wachsam genug, denn jemand rief ihn. Unbehagen machte sich in ihm breit, ein Grauer! Das war ein Grauer und er rief ihn! Seine Substanz begann zu flackern, er wollte davon schweben, aber er konnte nicht. Die Stimme des Grauen war gefährlich, süß wie Honig und genauso klebrig... er musste ihr folgen... konnte sich nicht wehren und er tat es. Quennel... ja dass war er! Schlagartig wurde er in die Helligkeit gerissen, die nicht das Ziel war. Man zwang ihm seine alte Gestalt auf und er schaute sich um... ein Raum, finster, Menschen, sie starrten ihn an, er war zurück. Nur wo war er? Sein Blick fiel auf den Grauen, jenen der ihn gerufen hatte. »Wer bist Du? Was willst Du von mir?«, knurrte er und er hoffte es klang bedrohlich. Er richtete sich zu seiner vollen Höhe auf und warf seine langen, lockigen Haare in den Nacken.
Brandur von Hohenfelde
Brandur bemerkten, wie angespannt die Gäste waren in Anbetracht des Geistes, der sich herrisch präsentierte. Nur die beiden Hohenfeldes blieben ganz ruhig, denn nichts anderes waren sie gewohnt als die ständige Anwesenheit der Toten in ihrer Umgebung. »Mein Name ist Amand von Trux«, log Brandur, wohlwissend, dass der wahre Name eines der vielen Werkzeuge sein konnte, um zusätzliche Macht über eine Person zu erlangen. »Ich bin Nekromant und ich bin dein Beschwörer. Du hast mit deinem Tod Chaos hinterlassen, Quennel, und viele offene Fragen. Zunächst zeige dich deutlicher. Wir wollen dein Gesicht sehen und deine Kleider, so wie du sie am Tag deines Ablebens getragen hast. Du bist ermordet worden. Was geschah an jenem Tage und wer war es, der dich aus dem Leben riss?«
Quennel
Das Seelenlicht von Quennel nahm genau die Gestalt an, die er zu Lebzeiten trug. Er war groß, wirklich groß und konnte es vermutlich mit Francois in der Größe aufnehmen, wie Ciel feststellte. Aber da hörte die Ähnlichkeit auch schon auf, denn die Präsenz des Mannes war trotz der Geistform und seiner Verwirrung bedrohlich. Nicht zuletzt aufgrund des Wusts an Haaren die er wie ein alter Löwe trug. Der Geist schloss kurz die Augen, ehe er wieder Amand anstarrte. Einst war er ein Agent der Autarkie gewesen, einst war er ein Himmelsauge, einst war er ein Geistmagier... aber das war scheinbar bedeutungslos geworden. Was hatte er erwartet? Er nahm eine etwas entspannterte Pose ein, als er spürte, dass der Graue - dieser vermeintliche Trux ihn nicht fressen wollte. Der Mann log, eindeutig - log er nicht, wäre er zu verachten, seine Macht hingegen war dies nicht. »Meine Geliebte tötete mich, da ich den wichtigsten Grundsatz vergaß - kenne Deine Freunde. Was Deine Feind tun, weißt Du«, antwortete Quennel und ließ seinen eisigen Blick über die Anwesenden schweifen.
Ciel Felicien de Souvagne
»Sie hat dafür bezahlt«, platzte Ciel heraus und ignorierte den mahnenden Blick des Nekromanten. »Die alte Duchesse ist tot, hingerichtet, enthauptet für ihren Verrat. Sie ist tot und verrottet in einem anonymen Grab und es gibt niemanden, der um sie trauert. Was ist mit dir? Du hast sie geliebt und hast dafür sterben müssen. Trauerst du um sie?«
Quennel
Der Geist wandte seine Aufmerksamkeit Ciel zu und schwebte ein Stück näher, so dass Ciel die Kälte des Wesens spürte. »Duchesse Francoise Esme de Souvagne... ist tot? Das sind wundervolle Nachrichten, ich hoffe inständig, dass sie von einem Düsteren geholt wird... aber Du wirst nicht wissen was das ist Mensch... noch nicht... Du hast ihre Augen... wer bist Du? Geliebt? Geliebt ist vielleicht ein zu starkes Wort für die Bindung die ich zu Fran empfand«, gestand der Geist und wickelte sich ein seiner geisterhaften Locken um den Finger. »Nein, was ich liebte war die Macht, die Möglichkeit, die Manipulation und sie bot mir all dies. Aber ich schätzte sie... auf viele Weisen...«, grinste der Geist süffisant.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel kam hinter dem Tisch hervor und stellte sich vor den Geist. Nur das schmale Band des Bannkreises lag zwischen ihnen und Ciel spürte die eisige Kälte auf seinen Wangen und seiner Nasenspitze. »Ich bin Ciel Felicien, dem ihr zwei den Großvater und den Onkel genommen habt«, sprach Ciel wütend. »Und nun muss ich hören, dass du all dies nicht einmal aus Liebe getan hast, sondern aus verabscheuungswürdig egoistischem Trachten heraus!«
Quennel
»So ist es, aber Deine Oma war da nicht anders. Wie kommst Du auf die Idee, dass es meine Idee war Deinen Opa und Deinen Onkel aus dem Weg zu räumen? Nichts dergleichen habe ich behauptet. Es war die Idee Deiner Oma, sie war genauso eine falsche hinterhältige Natter wie ich, mit einer unvergleichlichen weichen Haut und einem warmen Schoß und Möglichkeiten von denen Du nichts verstehst, oder noch nicht. Macht ist immer lieblos Ciel, aber Liebe ist niemals machtlos. Manches tat ich aus Egoismus, manches aus Liebe. Keine Person ist zu hundert Prozent gut oder schlecht, weder Du noch ich«, antwortete Quennel.
Ciel Felicien de Souvagne
»Hör auf, auf diese Weise von dieser Frau zu sprechen«, befahl Ciel. »Es ist widerlich. Du hast die Frage deines Beschwörers und die meine ignoriert, als wir verlangten zu erfahren, wie du den scheinbar wohlverdienten Tod fandest. Des Weiteren bin ich als dein Prince mit Hoheit anzusprechen und mit dem korrekten Pronomen!«
Quennel
»Durch Leute wie mich, können Leute wie Du beruhigt schlafen. Leute wie ich, sorgen dafür, dass Ihr auf dem Zuckerguss der Welt leben könnt. Ich brecht doch keinen Milimeter in die Scheiße des Schokokuchens ein, nein Ihr lebt in Eurem Lummerland aus Zuckerguss. Ihr seht Leute wie mich doch gar nicht, Ihr haltet uns für selbstverständlich, Ihr meint wir wären dafür da um Euch zu bespaßen.... vielleicht sind wir dass, aber Spaß können auch die Ungesehenen haben. Sie meint sie hat mich benutzt? Hat sie vielleicht und während sie glaube sie benutzt mich als Werkzeug, benutzte ich sie genauso und ließ sie in dem Glauben. Niemals wäre ich so nah an die Krone herangekommen als durch eine der Krone. Sie wollte ihren Mann ausgeschaltet haben, sie wollte ihre Söhne ausgeschaltet haben - Söhne die sie für das blonde Schwein austragen musste, Söhne die ihr zuwider waren, Söhne die man ihr aufgezwungen hatte. Was schert es mich? Sie wünscht es, dann sei es so.... wenn der Preis meiner Belohnung stimmt... Dein Vater hätte nicht überleben sollen, dass war der eigentliche Fehler. Nun Dein Vater blieb gemeinsam mit dem Leibdiener Alains Zuhause und entging somit dem Unfall. Nun manchmal ist man machtlos gegen das Schicksal. Ich starb ganz profan, eigentlich lächerlich, nein mich hat es nicht beim Kacken erwischt sondern beim Ficken. Sie hatte mich vergiftet und ich starb auf der Schlange. Aber da Ihr darauf besteht Hoheit, nicht dass ich noch auf Block lande«, sagte der Geist und zwirbelte sich den Schnurbart ehe er sich formvollendet verbeugte. »Eure prinzliche Hoheit Ciel Felicien de Souvagne es war mir eine Ehre Euch gedient zu haben. Ihr würdet nicht derart Höhenluft schnuppern, säße Pompom auf dem Thron«, sagte der Geist und richtete sich ebenso würdevoll wieder auf. »Die Ziele Eurer Oma waren vermutlich sogar herer Natur, aber nicht all ihre Wegbegleiter teilten ihre Verblendung, wir teilen vor allem die Liebe zur Macht und das Bett«.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel lief puterrot an. Er hatte gemeinsam mit Massimo und Jules in Regen und Schlamm gekämpft. Er hatte seine Jugend zwischen Soldaten verbracht und ungezählten hilflos beim Sterben zusehen müssen, da er damals noch keine Bluthexerei beherrschte. Er trug gerade die einfachste und bequemste Kleidung, die er in seinem Schrank hatte finden können, denn er hatte Urlaub. Er war nicht geschminkt, hatte Glatze und trug keine Perücke. Und selbst jetzt noch wurde ihm unterstellt, dass er in einer Welt leben würde, die aus Zuckerguss sei. »Und was hast du mit dieser Macht gewollt, Quennel? Dir ein schönes Leben gemacht? Mein Vater hätte den Platz an der Spitze des Landes sehr gern seinem Bruder überlassen und niemand vermisst Onkel Pomy mehr als ich. Du verstehst es noch immer, die Wahrheit zu verdrehen und die Leute verrückt zu machen. Herzlichen Glückwunsch, ich bin ausgesprochen wütend.«
Quennel
Quennel tat etwas, womit die anderen sicher nicht gerechnet hatten, er setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und klopfte neben sich. »Meister der Manipulation, so leicht zu beeinflussen Ciel?«, fragte er freundlich. »Ein schönes Leben, nein nicht wirklich. Ein wertes Leben, dass ja. Meine Befähigung lag daran Magie zu beherrschen und in Leuten lesen zu können. Ihr Sehnsüchte, ihre geheimen Wünsche zu erkennen, ihnen genau den Köder vor die Nase zu halten, den sie sich selbst ausgesucht hatten. Ich habe gesehen wie sich mein Vater auf dem Feld zu Tode schufftete, ich habe gesehen wie meine Mutter im Kindbett starb als sie meinen Bruder entbunden hat. Es war niemandes schuld und doch trugen sie alle ihre Teilschuld. Ich schwor mir, nicht auf dem Feld zu enden und dort liegen zu bleiben, wo mein Vater sein Leben ließ. Im Grunde starb er dort, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte, genau wie sein Vater und der davor. Mein Vater hatte die Gabe, aber sie war unstet, nicht greifbar, er wurde getestet aber abgelehnt. Eine Chance, eine winzige Chance für einen Moment die Hoffnung auf mehr, auf eine warme sichere Zukunft. Aber es war nur eine verdorrte Karotte die man ihm vor die Nase gehalten hatte. Der Orden kann erbarmungslos sein Ciel. Sie wollen niemandem im Kollektiv, der nicht in die Struktur passt. In einer Welt aus Stahl und Stein ist kein Platz für Schwäche... Ich erbte seinen Funken und ich schwor mir dass ich den alten Zausel zur Rede zu stellen, der meinen Vater ablehnte. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt Ciel. Ich wurde einer von ihnen und ich wurde einer der Agenten. Ich gehörte zwei großen Mächten an und doch keiner. Gleich wer von beiden gewinnen würde, ich wäre auf der Siegerseite, aber was wenn beide fielen? Wenn sie sich gegenseitig in die Vernichtung rissen? Als ich Deine Großmutter kennenlernte, sie näher kennenlernte, da wusste ich sie ist die dritte Seite, jene Seite die gar nicht verlieren kann. Gleich wie gut wir unser Spiel spielen würden, die Orden unterstehen der Krone. Und mit der Zeit vergaß ich nicht nur wer ich wirklich war und wer ich bin, ich gewöhnte mich an die Macht, den Reichtum, die Weisungsbefugnisse, das sich die Leute vor Ehrfurcht nach uns umdrehten gleich welchen Rock ich trug. Ich habe nicht nur die Agenten verraten, ich verriet ebenso die Himmelsaugen, Fran, meinen Vater, meine Prinzipien, mich selbst und meinen Sohn. Was schert es mich noch, was die Leute über mich denken? Wieso sollte ich Dich weiter manipulieren? Meine Chance, meine Zeit ist vorbei. Ich habe niemals einen Groll gegen Dich, Deinen Onkel oder Deinen Großvater gehegt. Eigentlich hasste ich immer nur eine Person - mich selbst. Letztendlich wollte ich mehr sein als ich bin Ciel und spolperte über meine eigene Gier. Ob Dein Onkel ein guter Duc geworden wäre? Vermutlich ja, er war ein guter, weiser und recht offener Mann. Dein Vater war zu der Zeit ehr konservativ eingestellt. Aber ich denke, beide auf ihre Art eignen sich. Dein Großvater war klug genug, nicht mit all seinen Söhnen zu fahren. Er war leider dumm genug, es mit dem Kronprinzen zu tun. Nun ich wäre ein schlechter Berater, wüsste ich nicht, dass man in solchen Kreisen getrennt fahren soll - für solche Wenn-Fälle. Und ich wäre ein schlechter Attentäter, hätte ich genau darauf hingewiesen. Leon, der Leibdiener Deines Großvaters - oder was immer er tatsächlich gewesen ist, war nicht davon zu »überzeugen« auch Maximilien mitzuschicken. Dank Leon existiert Dein Vater noch und somit gibt es Dich. Deine Großmutter war eine vom Hass zerfressene Frau. Sie liebte nichts und niemanden, nicht einmal Parcival. Aber das er sie liebte, dass kann ich Dir bestätigen. Er sah Dinge in ihr, die diese Frau überhaupt nicht besaß. Vielleicht wünschte er sich das Ciel, vielleicht war sie nur eine Projektionsfläche seines Sehnens... ich konnte es ihm nicht verdenken. Letztendlich hätte ich gesiegt, hätte ich aus dem verbliebenen Orden meinen Orden geformt mit mir als Leiter, als Ratgeber für den Duc, für Deinen Vater. Hätte es Dein Vater ebenso wenig geschafft, nun dann säße vielleicht jemand anderes auf dem Thron... wer auch immer«, sagte der Geist versöhnlich.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel setzte sich vor dem Kreis im Schneidersitz nieder. Zwischen ihnen lag nur eine Armlänge Abstand. Ciel hatte eine Gänsehaut und er fror und es war nicht nur die Kälte des Geistes, die ihm alle Wärme aus den Knochen zu ziehen schien. Unsagbar traurig sah er Quennel an. Er drehte sich um und sah in den Schatten ein Augenpaar vor Hass glimmen - Boldiszàr. Ciel hingegen spürte keinen Hass mehr. »War es Parcival, der deinen Vater ablehnte? Ich möchte nicht unsensibel sein, aber vielleicht hatte er gute Gründe dazu. Die Himmelsaugen sind ein Orden von Elite-Kampfmagiern. Vielleicht hat er einfach die Anforderungen nicht erfüllt, denn das taten die wenigsten. Was ist aus deinem Bruder und aus deinem Sohn geworden? In diesem Raum sind zwei Söhne der ermordeten Agenten der Autarkie. Gibt es etwas, was du ihnen sagen möchtest?«
Quennel
Der Geist sah wie ihn ein schwarzhaariger Mann mit grauenvoller Narbe am Mundwinkel musterte als wollte er ihn zerfleischen. Der einäugige Mann neben ihm schaute ebenso grimmig, vermutlich hätten sie ihn in Fetzen gerissen, wäre er nicht schon tot. Es war gleich, ihre Rache würden sie nicht bekommen. Sie konnten froh sein noch zu leben, denn das war nicht geplant gewesen. »Nein Parcival war in meinem Alter Ciel, wir beide arbeiteten uns Seite an Seite hoch, zu der Zeit war Parcival noch ein junger Mann. Genau wie ich ebenso. Damit magst Du sogar Recht haben, vielleicht hat es einfach nicht gereicht, vielleicht hat es nicht sollen sein. Aber hast Du einmal vom Wein der Hoffnung getrunken? All Dein Sehnen darauf gesetzt? Und dann schlagartig die Ernüchterung? Die Träume eines kleinen dummen Bengels, der seinen Vater rächen wollte, der niemals Rachegelüste verspürte. Mein Vater sagte das selbe wie Du, seltsamerweise. Ich wollte die Welt retten, am Ende rettete ich nicht mal mich. Ironie des Schicksals oder? Mein Vater wie gesagt starb auf dem Feld. Mein Bruder lebt vermutlich noch heute, er war stets von kränklicher Natur, aber er bewirtschaftete das Feld. Er erbte es, Bürde und Pflicht zugleich. Als mein Sohn jung war, lebte er bei seinem Onkel, also bei meinem Bruder. Aber weder mein Bruder noch mein Sohn blieben mir. Mein Sohn wollte der Krone dienen, er wollte zur See fahren. Eine verrücktere Idee habe ich noch nie gehört. Ich verbot es ihm und ich verlor ihn. Er versuchte es eines Abends zu erlären und mein Bruder sagte, dass es sein sehnlichster Wunsch wäre. Er hatte etwas gespart, er würde ihm die Ausbildung finanzieren. Jedenfalls soweit das möglich war. Ich lehnte ab, ich sagte ihm er habe nicht den Funken geerbt um ihn zu verschleudern, er sollte versuchen bei den Himmelsaugen unterzukommen und zu lernen. Er wollte es nicht, er wollte damit nichts zu tun haben. Alles was in seinem Kopf herumspuckte waren Schiffe. Schiffe die in den Hafen hinein und hinausfuhren und einen forttrugen aus all dem Leid und fort von einem Vater der ehr Fanatiker war - denn so war ich. Als er erneut darum bat, zur See fahren zu dürfen schlug ich ihn. Ich prügelte ihm diesen Irrsinn aus dem Kopf. Mein Bruder warf mich aus dem Haus, er kündigte mir die Bruderschaft. Ich blieb über Nacht in der Nähe und wartete auf den Morgen. Als der morgen graute ging ich zurück zum Haus um mich zu entschuldigen, aber mein Sohn war nicht mehr da. Er war nachts weggelaufen und mein Bruder gab mir die Schuld daran. Er hat ihn sehr geliebt, vermutlich mehr als ich ihn liebte. Wobei... das stimmt nicht. Ich habe immer das Beste für ihn gewollt, aber ich war zu dumm, zu brutal und zu verbohrt es ihm zeigen zu können. Ich dachte ich prügele ihn in die richtige Richtung. Alles was ich erreichte war, dass ich ihn meinen Lebtag niemals wieder gesehen habe. Manchmal, wenn ich in einer Hafenstadt zu tun hatte und zum Hafen ging, fragte ich mich, ob er wohl auf einem der Schiffe arbeitet die dort ankern. Ich habe ihn niemals wieder gesehen, ich habe mich nicht einmal entschuldigen können. Das ist etwas dass ich bereue. Mein Bruder bewirtschaftet heute noch den Hof. Rüben, Zuckerrüben, damit verdient er sein Geld. Eine süß bittere Geschichte, ganz passend zu dem was wir anbauten. Nein ich kann den beiden nichts sagen, denn ich war es, der die Agenten verriet und der ihnen den Todesstoß versetzte. Aber in Gedenken an meinen Sohn, beschwor ich die anderen Berzans Wunsch zu erfüllen und den Kindern das Leben zu schenken, sogar dem von Mercer«, erklärte Quennel.
Ciel Felicien de Souvagne
»Wie heißen dein Sohn und dein Bruder?«, fragte Ciel, den die Geschichte tief bewegte. »Vielleicht möchten sie erfahren, was aus Quennel geworden ist, der alle verriet und am Ende sogar sich selbst. Wir sind hier gerade auf einem Schiff ... welch traurige Ironie. Ja, ich bin leicht zu manipulieren, da ich mein Herz zu nah an der Oberfläche trage. Es schmerzt mich, solche Geschichten zu hören und doch nichts daran ändern zu können, was einst geschehen ist. Ich wünschte ... ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen und dafür sorgen, dass in der Gegenwart alles gut wird.« Ciel stützte das Gesicht in die Faust und schüttelte den Kopf. Es gab so vieles, was er gern geändert hätte. Trotz aller weltlicher Macht, die ihm als Prince zur Verfügung stand, fühlte er sich vollkommen machtlos.
Quennel
»Nein Name unter dem man mich kannte war Quennel Perreault, aber wie Du Dir denken kannst, war der Name so echt wie alles andere an mir. Mein tatsächlicher Name lautet Corentin Giorgio la Caille, mein Bruder heißt Enrico Timeo la Caille, mein Sohn heißt Davet Salvatore la Caille. Nun das wir auf einem Schiff sind, macht für mich keinen Unterschied. Es muss Dich nicht schmerzen, meine Strafe habe ich wohl verdient. Meine Einsicht kam etwas spät, während meiner Wanderung dem Ziel entgegen. Während ich Düstere, Graue aber auch Weiße sah. Und sah ich Weiße, dann wurde mir vieles klar, sehr vieles. Es gibt keine Entschuldigung dafür, was ich jenen antat, die mich ertragen mussten. Weder meiner Familie, noch anderen. Es gibt für niemanden einen Grund um mich zu weinen«, sagte der Geist.
Silvano de Mancini
Silvano starrte den Geist mit einer Mischung aus Abscheu und derartigem Hass an, dass sogar der Geist zurückschreckte. »Du... Du hast keine Ahnung davon was Du getan hast! Wenn es da drüben einen Abgrund gibt, hoffe ich er verschlingt Dich! Dein Sohn? DEIN SOHN???«, brüllte Vano. »Er war niemals Dein Sohn! Benenne ihn nicht so Du bist in Wahrheit kein la Caille, Du bist Quennel, das Stück Scheiße, dass meine Eltern tötete, das die Eltern meines besten Freundes tötete, der meinen Mann tötete! Du bist schuld daran, dass wir weg gegeben wurden, wie Dreck, wie abgetragene Kleidung! Du bist dermaßen widerwärtig, dass man vor Dir nur fliehen kann, ich hoffe was immer ein Düsterer ist, er verschlingt Dich und kotzt Dich aus. Ich hoffe... nein ich wünsche Dir ewige Verdammnis, bis das eine Person behauptet - sie liebe Dich. Sei verdammt auf alle Ewigkeit niemals zu ruhen, fahr zum Abgrund!«, brüllte Vano, stieß hasserfüllt den Sessel um und verschwand nach draußen, während der Geist immer blasser wurde und panisch Ciel anschaute.
Boldiszàr
Neben dem umgefallenen Sessel erhob sich in den Schatten eine zweite Gestalt. Langsam, angespannt, wie ein Raubtier vor dem Sprung, stand Boldiszàr auf. Ohne ein Wort zu sagen, starrte er dem Geist bis auf den Grund seiner Seele, obgleich er über keinerlei Magie verfügte. Mit kontrollierten, kraftsparenden Bewegungen ging er zur Tür, ohne den Geist aus den blauen Augen zu lassen, bis er selbst den Raum verlassen hatte. Zwischen ihnen schloss sich die Tür. Quennel würde ohne eine Versöhnung mit den Söhnen derer, die durch sein Trachten gefallen waren, die Welt der Lebenden wieder verlassen. Weder von Silvano noch von Boldiszàr konnte er Vergebung erwarten.
Silvano de Mancini
Vano kam wieder zurück und wäre fast mit seinem Mann zusammengeprallt. »Boldi«, sagte er erleichtert und umarmte seinen Liebling fest und innig. »Ich habe Dich da eben hängen lassen. Es tut mir leid Schatz, es tut mir leid. Ich war so wütend und ich hoffe... nein ich sage nichts dergleichen in Deiner Gegenwart, lass es wen auch immer hören, etwas hört immer, zu verstehst Du? Man muss nur etwas laut genug denken, sagte Davet immer und irgendwer wird zuhören... egal wie bösartig oder grausam der Wunsch war, auch wenn Du ihn nicht so meintest, etwas hört Dir zu. Und es ist nicht immer nett was da zuhört. Gleich, das da drin meinte ich genauso wie ich es sagte. Absolut! Unumstößlich! Gnadenlos! Sag mal bitte was nettes«, flehte Vano aufgelöst.
Boldiszàr
»Er ist tot«, antwortete Boldiszàr mit einem so bösartigen Grinsen, dass er Bellamy erschreckend ähnlich sah. »Er hatte ein absolutes scheiß Leben und war in all den Jahren seines Triumphes nie wirklich glücklich. Unsere Eltern sind umgekommen, aber wir leben. Wir sind die lebende Niederlage, fleischgewordener Beweis seines Versagens. Am Ende ist er mit all seinen Plänen gescheitert. Er mag unsere Väter besiegt haben, aber er konnte sie nicht vernichten, denn ihr Andenken lebt in uns weiter. Und wir leben und es ist einfach nur geil, hier zu sein, Angesicht in Angesicht, während er da drin als Spukgespenst nach der Pfeife des Nekros tanzen muss!« Boldiszàr lachte schadenfroh.
Silvano de Mancini
Vano küsste Boldi liebevoll und grinste dann genauso diabolisch wie sein Mann. »Ja er ist sowas von tot, niemand wird sich an ihn in irgendeiner Weise gut erinnern. Jetzt weiß ich warum er seinen Vater gehasst hat und ich kenne seinen zweiten Vornamen. Möchtest Du ihn einmal sehen? Er liegt ganz unten im Bauch der Choucas. Dafür wie Du reagiert hast, hätte er Dich gemocht. Ihr seht so unterschiedlich aus Boldi, aber im Herzen seid Ihr Euch so ähnlich. Kämpfer durch und durch, dagegen bin ich meist nur eine heulende Memme mit Hang zum Massenmord«, lachte Vano und legte Boldi einem Arm um die Hüfte. »Komm mal mit«, bat er.
Boldiszàr
»Du hast ... Davets Leichnam aufgehoben?«, fragte Boldiszàr verblüfft. »Also schön ... dann lerne ich nun meinen Vorgänger kennen. Den Mann von dem ich denke, wir wären sicher gute Kameraden gewesen, sofern er mich nicht vor lauter Eifersucht von der Reling geschmissen hätte.« Er folgte Silvano. Etwas mulmig war ihm schon zumute. Boldiszàr mochte den Anblick von Toten nicht.
Silvano de Mancini
»Er war nicht eifersüchtig, nicht auf die Art. Hat er auch nie grund zu gehabt, ich bin sowas wie eine menschliche Klette. Kennst Du das Kindergedicht der Klette?«, lachte Vano. »...Du warst am Bach ich wette, ich seh´s an Deiner Klette. Du bist vorbei gegangen, sie hat sich angehangen, nun wirst Du ausgelacht. Ich hoffe mal Dich lacht keiner für mich aus, aber wer schon einmal versucht hat, Kletten aus Hundehaaren zu fummeln, weiß warum gelacht wird«, grinste Vano. »Kümmer Dich nicht drum, dass ich so einen Scheiß erzähle, ich muss mich abreagieren mit allem was mir in die Hirse kommt, sonst raste ich aus und esse wieder tagelang nichts, weil ich es nicht runter bekomme. Oder es kommt wieder hoch, wundere Dich nicht, falls mir das mal passiert. Und nebenbei - blöck mich nie an oder so ja, was immer Du mir zu sagen hast, sag es ruhig. Sonst bekomm ich die Kotzerei. Aber verrat das keinem, dass ist peinlich«, entschuldigte sich Mancini und führte Boldi bis nach ganz unten in die Choucas. Dort lag fest vertäut eine gewaltig große Kiste. Falls Boldi meinte darin lag der Leichnams Davets, musste der Mann eine Größe von ungefähr 4 Metern gehabt haben. Vano schloss die Kiste auf und öffnete den oberen Deckel. Drin lag eine gewaltige Statue. Boldi erkannte wer das war - Davet. »Da ist er«, sagte Vano und lehnte sich an Boldi an.
Boldiszàr
Boldiszàr war erleichtert, dass es nicht der Leichnam war, den er sich anschauen sollte, sondern das steinerne Abbild. »Darf ich ihn anfassen?«, fragte er und begann auch schon, mit seinen Wurstfingern die Details des Gesichts zu befühlen, den Bart und die Augen, die Nase und den Mund. Es machte ihn alles andere als froh. »Ich pass jetzt auf Silvano auf, ja?«, erklärte er Davet, so als ob die Statue ihn hören konnte. »Ich geb mein Bestes. Er spricht nur gut von dir und sagt, wir hätten uns gut verstanden. Ich glaub das auch. Schade, dass du nicht hier bist. Wir gehen die Krokos für dich töten. Allesamt, jeden von ihnen, wir rotten sie aus, ob Mann, Frau oder Kind. Ich hoffe, Silvano verliert nicht sein zweites Auge dabei, vielleicht kannst du von da oben ein bisschen mit helfen, auf ihn achtzugeben.« Er klopfte Davets steinernen Oberarm, streichelte ihn kurz und musste sich dann rasch abwenden.
Silvano de Mancini
Vano umarmte ihn von hinten um den Bauch und legte seinen Kopf auf Boldis Schulter ab. »Vano hofft auch dass er sein Auge behält und ist ganz brav was das angeht. Danke für die lieben Worte, sie bedeuten mir alles, genau wie Du. Ich passe ebenfalls auf Dich auf Boldi. Ich liebe Dich Knubbel. Tust Du mir einen Gefallen? Sieh zu dass ich von Dir keine Statue anfertigen lassen muss. Und wenn wir ein Bild von Dir malen lassen, dann von uns beiden, Seite an Seite«, flüsterte Vano ihm ins Ohr und küsste drauf. Er ließ seinen Mann behutsam los, verschloss die Kiste wieder und führte Boldi zurück in den Beschwörungsraum. Gemeinsam nahmen sie wieder Platz und musterten den Geist stumm.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel, der sonst dazu neigte, laut zu werden, saß ganz still da. Er sah den Totengeist ruhig an. In seinem Blick lag keinerlei Bosheit, nur ein tief empfundenes Mitleid und eine Müdigkeit von der Welt, die nicht zu seinem jungen Alter passte. »Eine Seele kann nicht von einem Menschen verdammt werden, sagt mein Meister«, erklärte er, nachdem Silvano und Boldiszàr sich wieder gesetzt hatten. »Das liegt nicht in unserer Macht. So unterschiedlich wir uns gegenseitig sehen, vor Ainuwar sind wir alle gleich. Der Edelmann und der Bettler, der Mönch und der Mörder. Nicht für das Jenseits, sondern für das Diesseits gelten unsere guten wie unsere schlechten Taten. Wir vollbringen sie für die Lebenden, nicht für unser Seelenheil. In den Meeren jenseits der Ufer der Physis herrscht der Zeitlose und seine Pläne begreifen wir nicht. Wie könnten wir uns anmaßen, unsere menschliche Moral auf das Reich eines Gottes anwenden zu wollen? Wie kleingeistig mutet das an, wie einfältig. Du warst ein Verräter und du warst ein Mörder. Vielleicht gibt auf ganz Asamura wirklich niemanden, der dir eine Träne nachweint. Aber deine Seele zu verdammen, dazu hat niemand hier das Recht noch die Macht. Danke, dass du bei uns warst und unsere Fragen beantwortet hast, Corentin. Ich werde für dich beten. Gehe in Frieden.«
Quennel
Das Gesicht des Geistes hellte sich auf und nickte ganz langsam und bedächtig. »Ich danke Dir für Deine Worte Ciel. Da drüben gibt es eine Macht, die uns alle anzieht. Niemand kennt ihren Namen und doch spürt man den Sog, das verlangen ihr näher zu kommen. Sollte es Ainuwar sein, grüße ich ihn von jenem ganz besonderen Prinzen, der sogar jemandem wie mir Gutes tat. Er möge Dich behüten«, sagte Corentin und verblasste.