Blutrote See - Kapitel 27 - Kälte

  • Kälte



    Silvano saß draußen auf der Terrasse und las ein Buch. Es war kalt geworden, sein Atem stieg in weißen Wolken auf, ebenso der warme Dampf seines Tees. Mancini störte die Kälte nicht. Er schaute über den dämmerigen Garten. Nicht mehr lange und die Nacht würde hereinbrechen. Mit dem Rücken saß er zu dem großen Fenster seines Zimmers, so dass das Licht des Raums auf die kleine Terrasse fiel.


    Vano gähnte, legte das Buch beiseite und zündetet die Sturmlaterne an, die auf dem kleinen Gartentisch stand, um noch etwas länger bei ausreichend Licht draußen sitzen zu können. Er rollte sich zusammen und betrachtete die kleine Flamme in dem Glaszylinder. Die Laterne erinnerte ihn an sein ehemaliges Schiff die Choucas.


    Im Sommer hatte er eine seiner Laternen mit nach Hause genommen, um Abends länger im Garten sitzen zu können. Heute war er froh um die Laterne, nicht nur weil sie ihm Licht spendete, sondern weil sie ein Andenken an die Choucas war.


    Vano fror zwar nicht, aber aus Gemütlichkeit legte er nun doch eine Decke über sich, die er hochzog und sich unter das Kinn stopfte.


    Seine Männer Boldi und Davet waren losgezogen um einige Piraten als Freibeuter für die Dhunische Küste Souvagnes anzuwerben. Direkt von der Neujahrsfeier bei den Dusoliers waren Davet, Boldi und noch einige andere aufgebrochen.


    Die Dusoliers, eine Großfamilie mit über 60 Personen die sich ein Haus und ein Leben teilten. Selten hatte er sich so gut und geborgen gefühlt, wie dort. Das Neujahrsfest bei der Familie war geprägt von Wärme, Zusammenhalt und Liebe.


    Dieses Jahr hatte er das erste Mal die Neujahrsfeier mit gemischten Gefühlen verlassen. Der Grund war einfach und hatte sogar einen Rang und Namen - Prince Ciel Felicien de Souvagne.


    Das Neujahrsfest war das Fest der Familie und der Liebe, Streit hatte dort nichts verloren. Mit einer anderen Person hätte er die Aussprache gesucht, mit Ciel nicht. Er verstand den Mann nicht und er begriff nicht, warum ihn dieser so abgrundtief hasste und seine Feinde dafür liebte.


    Agentensohn.


    Dass er ein Agentensohn war, daran konnte er nichts ändern. Niemand konnte sich seine Eltern aussuchen. Aber er wurde genau dafür verachtet, während Ciel Quennel postum sogar noch vergab. Er vergab dem Mörder unschuldiger Frauen und Kinder, er vergab dem Mörder seiner Mutter, er sah in dieser Bestie sogar etwas Gutes.


    Für ihn Opfer dieses Monsters hatte Ciel nur Verachtung übrig.


    Schlimmer noch, er verhöhnte ihn damit, dass er sich wohl auf seiner "schlimmen Kindheit" ausruhen wollte und diese als Rechtfertigung für alles nahm.


    Jene schlimme Kindheit, wo er mit ansah wie seine Mutter vor seinen Augen umgebracht wurde.
    Wo er selbst beinahe von Parcival umgebracht wurde, hätte ihn Santo nicht beschützt. Eine Kindheit, wo man ihn dafür bestrafte, dass seine Mutter vom falschen Mann einen Sohn empfangen hatte und sie wie auch ihn dafür tot sehen wollte. Und während seine Mutter wirklich gestorben war, hatte man ihm die Erinnerungen und sein Leben geraubt.


    Er war ein Ghul gewesen, nichts weiter. Er wusste wie man aß und schlief, das war alles. Er kannte nichts und niemanden, nicht mal sich selbst.


    Und darauf ruhte er sich angeblich aus.
    Ein Bett aus Sargnägeln...


    Hätte er es sich aussuchen dürfen, hätte er eine stinknormale Kindheit gehabt. Das Davet mit Ciel aneinandergeraten war, sobald er Thema wurde hätte Vano ihm vorher sagen können. Es war durchaus möglich, dass Ciel Davet mochte. Das glaubte Vano sogar.


    Aber Ciel konnte es nicht ertragen, die Verfehlung der Krone vor Augen zu sehen.
    Die Agenten der Autarkie waren unschuldig.
    Sein Vater war unschuldig.
    Seine Mutter ebenso.


    Und daran erinnerte sein Anblick Ciel. Er beherrschte zwar die Etikette des Adels in Vollendung, aber das war bedeutungslos. Er hatte Ciel auf der Choucas die Stirn geboten, er hatte ihm widersprochen und damit hatte der Prince sein Urteil über ihn gefällt - Agentensohn.


    Vermutlich wäre es Ciel lieber gewesen, man hätte auch die Kinder hingerichtet. Praktischer wäre es auf alle Fälle gewesen. Die Überwachung von den Kindern wäre weggefallen. Was Ciel zu dieser Sicht bewog, den Mörder zu schützen und die Opfer zu verachten, konnte Vano nicht verstehen.


    Logisch wäre sie alle zu verachten, oder wenn schon allen zu vergeben.


    Besonders ihn verachtete er. Vermutlich aus dem Grund, da Quennel seinen Vater Mercer verachtet hatte. Und sein Lieblingsmörder Parcival hatte Vano als Kind tot sehen wollen, vermutlich stimmte auch Ciel darin mit Parcival und Quennel überein.


    Sogar seinen übergroßen Truthahn hatte er nach dem Mörder benannt.
    Quennel.


    Mit so einer Person wollte Vano nicht mehr als nötig zu schaffen haben. Zumal wie er erfahren hatte, Ciel für Boldi Tekuro eingestellt hatte. Bellamy und Boldi mochte er. All das, was ihn zu einem Verbrecher abstempelte, war bei den anderen legitim.


    Sogar die brutalen Ausraster. Manche Dinge musste man hinnehmen wie sie waren. Vano dachte an die Caretta, ihr kleines Hausboot, dass in Ledwick lag. Vano beschloss am kommenden Tag in aller Frühe nach Ledwick abzureisen. Er würde bis Rückkehr seiner Männer in der Caretta wohnen und den Tag mit Angeln verbringen. Und je nachdem was anbiss, dass gab es dann am Abend gegrillt. Den Rest des Tages würde er gemütlich im Bett ausklingen lassen bei einem guten Buch und vielleicht dem einen oder anderen Glas Rum. Vano beschloss anstatt mit seinem Prachtadler mit seinem Sturmvogel nach Ledwick zu reisen.


    Sein Plan stand.


    Es war schon seltsam, wie sich das Blatt an nur einem Tag für ihn gewendet hatte. Mancini streckte sich und schaute in den stockfinsteren Garten. Die Flamme der Sturmlaterne brannte gleichmäßig vor sich hin.


    Silvano hoffte, dass die Choucas in Jaques Hände bleiben würde. Auch ein fremder Kapitän würde sie gut und anständig behandeln, dass stand außer Frage. Aber trotzdem versetzte es ihm einen Stich, sich die Choucas in fremde Hände vorzustellen.


    Er überlegte kurz, ob er sie vor der Abreise besuchen sollte, aber er verwarf die Idee. Vermutlich würde er nur sentimental werden. Das war das Letzte was er gebrauchen konnte. Er musste endlich einen klaren Schnitt machen und die Sache hinter sich lassen.


    Nach reiflicher Überlegung kam er zu dem Schluss, dass Ciel ihn verarscht hatte.


    Zwar hatte er ihm das Leben gerettet, aber er hatte ihn gebrandmarkt und ihm damit trotzdem das Leben genommen, jedenfalls das Berufliche. James hatte ihn diesbezüglich gewarnt, aber das bezog sich auf die Kriminalität und die Beißer, war aber genauso gut auf seinen angeblichen Wahnsinn anzuwenden.


    Vano musste sich eingestehen, dass er fertig war.
    Ciel hatte ihn auflaufen lassen, im wahrsten Sinne des Wortes - Havarie und er selbst war das Wrack.


    Kein Mensch der seine sieben Sinne beisammen hatte, würde einem Kapitän dienen, der als wahnsinnig galt. Ein Mann dessen Wort nichts mehr galt, so dass ein anderer für ihn entscheiden musste, wie für ein Kleinkind.


    Und auch in der zivilen Schiffart würde er aus dem gleichen Grund kein Bein mehr auf die Planke bekommen. Nicht einmal als Matrose, die Reedereien standen auf Glück. Niemand holte sich einen Unglückswurm an Bord. Schon gar nicht, wenn dieser Wurm Brief und Siegel darauf hatte, irre zu sein.


    Aber noch war nicht alles verloren.


    Er musste durchhalten und so gut es ging bei seiner Heilung mitwirken, so dass er wieder als mündiger Mensch eigene Geschäfte abschließen konnte. Sobald es soweit war, wollte er sich darum bemühen, sich in Ledwick eine neue Existenz und ein völlig neues Leben aufzubauen.


    Die Dschunke und das Hausboot würden ihm dabei gute Dienste leisten. Silvano hoffte, dass wenigstens der Plan gelang, denn alles Geld was er besessen hatte, steckte in der Dschunke und in dem kleinen Hausboot.


    Normalerweise war es ein lohnendes Geschäft Güter von A nach B zu transportieren. Er hoffte er konnte in dem gerade frisch angefangenen Jahr dort Anschluss finden.


    Falls nicht, blieb immer noch die Piraterie. Davet lebte schließlich auch davon, aber das wollte er auf keinen Fall allein entscheiden, denn ihm schmeckte die Vorstellung nicht. Alles in ihm sträubte sich dagegen, ebenso wünschte er sich, dass Davet der Piraterie entsagte. Alte Gewohnheiten saßen tief, vor allem jene der Marine.


    Möglicherweise musste er die Seefahrt ganz abschreiben, dann würde er Boldi folgen. Sein Mann hatte schließlich auch alles für ihn aufgegeben und war ihm in sein Leben gefolgt. Umgekehrt ging das natürlich auch. Vielleicht hatte auch Boldi oder Davet eine gute Idee. Ihm selbst waren die Ideen ausgegangen.


    Vano hatte sich gefragte, was er tun sollte, falls der Hof Davet als Familienmitglied anerkannte und er ab dato zur Krone gehörte. Nun war es soweit, Davet war offiziell als Bruder vom Duc anerkannt.


    Eines stand dann jedenfalls fest, Calli jemals zu heiraten, war damit ausgeschlossen.
    Es war schon seltsam, dass alle Wege über Ciel führten.


    Boldiszar diente einst Ciel, Fran aka Kabir hatte Ciel geheiratet und Davet war sein Halbonkel.
    Damit verlor er die gemeinsamen Freunde die er mit Fran gehabt hatte und er konnte nicht vor Boldi und Davet offen über Ciel sprechen. Jedenfalls nicht in diesem Land.


    Unter der Voraussetzung war es besser, das die Verhandlungen mit den Piraten gemütlich, friedlich und allein zu verbringen. Vielleicht würde er Jendro fragen, ob er nicht Lust hatte, ihn nach Ledwick auf eine ausgedehnte Angeltour zu begleiten. Der Gedanke gefiel ihm, genau wie Jendro selbst. Auf der Reise konnten sie seinen Gleiter auf einer Langstrecke testen. Vano grinste bei dem Gedanken gut gelaunt.


    Er kraulte Foufou den Kopf, nahm den alten, schwarzen Pudel in die Arme und wickelte sie beide fest in die Decke ein um die Nacht draußen auf der Terrasse zu verbringen.


    Diese Kälte konnte ihm nichts anhaben.
    Eine ganz andere Kälte war ein Teil seines Lebens geworden, nur Boldi und Davet konnten sie abstreifen.

  • Fisch am Haken oder Angeln



    Silvano de Mancini
    Silvano hatte es sich Zuhause bei seinen Eltern gemütlich gemacht, da er seine beiden Männer nicht zu den Verhandlungen mit den Piraten begleiten wollte. Wozu auch? "Kindergeschrei" konnten sie dort nicht gebrauchen und dem neunmal verfluchten Abgrund Princen wollte Vano auch nicht begegnen. Betrübt stellte er fest, dass niemand seine Wäsche gewaschen hatte. Aber nur die Leute waren beschissen, die sich nicht zu helfen wissen. Aus diesem Grund zog er einfach etwas von Santo an. Sie waren fast gleich groß nur Santo war etwas dicker. Also schnallte er den Gürtel enger und hoffte, dass es keinem auffiel. Vano strich Foufou durch die lockigen Haare und erklärte ihn, dass sie auf Angeltour gingen. Erneut begab er sich in den Garten, piff nach seinem Sturmvogel der dort auf dem großen Teich seine Bahnen drehte und sattelte das Tier. Danach stieg er mit Foufou auf. Tempete schwamm wieder hinaus auf den Teich, nahm dort im Wasser Anlauf und hob ab. Ganz ähnlich einem Segelflieger machte er sich auf und davon, die gigantischen langen Schwingen weit ausgestreckt. Obwohl das Tier kleiner war als ein Prachtadler oder Drachenhuhn besaß es wesentlich längere Flügel. Es dauerte nicht lange, dann landtete Vano vor dem Palast. Mit seinem Hund und dem Sturmvogel im Schlepptau begab er sich zu den Baracken und rief nach Jendro. "Jendro!!! Ich muss mit Dir reden", rief er gut gelaunt.


    Jendro Girad
    Jendro hatte einen langen und anstrengenden Diensttag hinter sich. Genüsslich seufzend ließ er sich ins heiße Wasser gleiten. Der Dampf ließ die Kameraden, die ebenfalls gerade ein Bad nahmen, hinter weißem Nebel verschwinden. Jendro lehnte sich zurück und entspannte sich in seinem Zuber, als ein kalter Windhauch von der geöffneten Tür hereinwehte, als Jacques in den Baderaum kam. „Jendro? Dein Blondie schreit nach dir.“ Damit war alles gesagt und der Kamerad verschwand wieder. Jendro stieg aus dem heißen Wasser, trocknete sich ab und zog frische Kleider über. Gedanklich war er hin und her gerissen zwischen Freude und Sorge, ob es Ärger wegen Boldiszàr und Davet gab. Sicherheitshalber machte er sich auf alles gefasst. Er zog die Mütze über die Ohren, klappte den Kragen hoch und trat hinaus in den kalten Nachmittag. Der Winter hatte den Schlossgarten in eine dicke Puderdecke gehüllt. Jendro erblickte Vano samt zwei Tieren. Ansonsten schien er allein zu sein. Erleichtert ging der Gardist auf Silvano zu, umarmte ihn und drückte ihm einen Kuss auf die eiskalten Lippen. „Na, Schnucki“, sprach er leise und schaute sich ein weiteres Mal misstrauisch um.


    Silvano de Mancini
    Vano umarmte Jendro zur Begrüßung und zog ihn fest an sich. Einerseits um dessen Nähe zu genießen, andererseits um ihn zu wärmen. "Meine Männer sind auf Mission, dass heißt Davet und Boldi sind mit dem Princen unterwegs um mit den Piraten zu verhandeln. Dass ich nicht dabei bin, siehst Du. Das dort ist Tempete, mein Sturmvogel. Ich weiß es ist etwas kurzfristig, aber ich lade Dich auf einen Angelurlaub nach Ledwick ein. Nur wir beide, samt Hund und Vogel. So könnten wir auch Deinen Gleiter testen auf Langstrecke. Vor Ort haben wir zwei Schiffe liegen. Einmal die Tordalk, wirklich ein Schiff und die Caretta, ein Hausboot. Dort werden wir wohnen, wenn Du zustimmst. Andernfalls reise ich allein, was nicht halb so lustig wäre. Der Plan sieht wie folgt aus, wir fliegen hin, angeln und dass was beißt grillen wir. Ansonsten vertreiben wir uns die Zeit. Bist Du dabei?", fragte Vano und erwiderte den Kuss.


    Jendro Girad
    „Urlaub?“, fragte Jendro und schaute einen Moment etwas dümmlich drein, ehe die Information innerlich bei ihm angekommen war und er sich wieder fing. Silvano lud ihn zu einem Urlaub ein, zu zweit, nur sie beide, ohne die zwei Nervensägen! Jendro packte Silvano an der Jacke und küsste ihn nun mit sehr viel mehr Leidenschaft. Wie hatte er diesen Mann vermisst! Damit, ihn einmal wieder unter vier Augen zu sehen, hatte er nach dem letzten Treffen nicht mehr gerechnet. „Ich rede mit meinem Coutilier, ob ich meinen Jahresurlaub nehmen kann. Warte kurz.“ Jendro verschwand noch einmal in der Baracke seiner Unitè. Eine Weile passierte nichts, außer, dass ein paar Kameraden zum Rauchen rein- oder rausgingen, dann kehrte Jendro mit einem vollen Reisesack mit Brustgurt zurück, breit grinsend. „Wir können.“


    Silvano de Mancini
    Vano grinste ihn über beide Ohren an und verstaute die Sachen auf seinem Sturmvogel. "In Ordnung, wo steht Dein Drache Jendro? Oder möchtest Du ihn nicht abholen? Das überlasse ich Dir. Möchtest Du Bescheid sagen wo Du bist? Oder musst Du keinen informieren? Dann können wir sofort los", antwortete Vano und setzte sich auf Tempete. "Setz Dich ganz dicht hinter mich, er ist was kleiner, aber ein sehr guter Flieger", bat Vano. Nachdem Jendro Platz genommen hatte, nahm Tempete Anlauf, jedenfalls dass was man bei seinen Paddelfüßen als Anlauf bezeichnen konnte, dann breitete er die Schwingen aus, in der Luft war das Tier schlagartig alles andere als plump. Die schlanken Schwingen trugen ihn wie Segel hoch in die Luft. "Zuviel versprochen?", schmunzelte Vano Jendro glücklich an.


    Jendro Girad
    Wie er es ihn angewiesen hatte, rutschte Jendro nah auf. Er spürte, wie sein Schritt gegen Silvanos Steiß stupste und kuschelte seinen Schwanz ganz dicht an ihn an. „Ich habe viel an dich gedacht“, flüsterte Jendro ihm von hinten ins Ohr, so dass Silvano seinen warmen Atem auf Ohr und Wange spürte. Als sie starteten, spürte Silvano, wie sich Jendro an ihm festhielt und wie sein Herz klopfte. „Wahnsinn“, rief er, als sie höher und höher stiefen und der Hof unter ihnen zusammenschrumpfte. Sie kreisten über den weiß bedeckten Dächern von Beaufort, um sie herum stöberte der Schnee. Schließlich waren sie so weit oben, dass die Stadt unter einem weißen Dunstschleier kaum noch zu sehen war. „Wahnsinn“, wiederholte er ruhiger, ein beinahe fassungsloses Erstaunen in der Stimme. „Und jetzt stell dir das mit eigenen Schwingen vor, Vano! Aus eigener Kraft, mit dem eigenen Körper den Wind zu spüren. Wir holen den Drachen! Meine Familie wohnt auf der Scholle der Chevaliers de Sonzier. Ettis Scholle. Halte auf diese Richtung zu, dann lotse ich dich.“


    Silvano de Mancini
    Vano kuschelte seinen Hintern gegen Jendro Schritt und drückte seinen Rücken gegen dessen Oberkörper. "Fliegen ist ein Traum der Menschheit, sagt man. Und das stimmt auch, es ist ein erhabenes Gefühl, wenn man sieht wie die Landschaft unter einen hinwegzieht, wie alles klein und bedeutungslos unter einem wird. Alles bleibt zurück, jedenfalls für einen Moment. Etti? Der Mann von Benito dem Quacksalber?", lachte Vano und tätschelte gut gelaunt Jendros Hand. Er folgte den Anweisungen von Jen und lenkte Tempete so, dass sie bald ihr Ziel erreicht hatten. Vano ließ den Sturmvogel runtergehen, der mit den Füßen und den Flügeln abbremste und eine lange Rutschpartie hinlegte, ehe er endlich stand. "Da wären wir. Keiner bei Dir daheim?", fragte Vano neugierig und half Jen beim Absteigen.


    Jendro Girad
    Jendros Füße landeten im dichten Pulverschnee. „Sieht nicht so aus. Jonas hat Dienst und meine Eltern scheinen ausgegangen zu sein. Komm.“ Ein Trupp Spitze kam bellend zwischen den Häusern, Schuppen und Holzstapeln hervorgeschossen. Als sie Jendro erkannten, hörten sie nicht auf zu kläffen, doch mischte sich ein freudiges Winseln darunter. Jendro ignorierte sie und stapfte mit Silvano in Richtung Scheune. Riesige Hühner gackerten überall herum. Sie hatten sogar an den Füßen dichtes Gefieder, so dass sie bei diesem Wetter problemlos draußen sein konnten. „Etti ist der Mann von Benito? Irgendwie schräg, aber es passt zu ihm. Jedenfalls sind wir hier auf seinem Land, ja.“ Etienne öffnete die riesige hölzerne Scheunentür. Darin waren keine Tiere, bis auf einen klobigen Ackergaul in seiner Box. Der Rest der Scheune erinnerte eher an eine Tischlerei. Alles war voller Sägemehl, überall lagen Stapel unterschiedlichen Holzes. Auf den Werkbänken stapelten sich die Werkzeuge, weitere hingen an den Wänden. Es schien, als wäre hier von jedem Holzbearbeitungswerkzeug Asamuras eines vertreten. Und in der Mitte, zusammengefaltet und in einer Plane eingewickelt lag aufgebockt der Drachen. „Hilfst du mir beim Tragen?“


    Silvano de Mancini
    Vano streichelte die flauschigen, wuselnden Hunde. Sie sahen aus wie buschige Füchse und waren vermutlich genauso frech. in der Scheune entdeckte er Hühner mit Schnee-Schuh-Federn, was Vano gefiel. Sie hatten von Natur aus warme Füße. Als sie weiter gingen, sah es nicht mehr aus wie in einer Scheune, sondern wie in einer Schreinerei. Mancini blieb stehen und schaute sich um. Er ließ zuerst den Gesamteindruck auf sich wirken, ehe er alles ganz genau inspizierte. "Wie heißt er?", fragte Vano schmunzelnd und ließ die Sägespäne durch seine Hand rieseln. Er schaute sich einige bearbeitete Holzstücke an, nahm sie zur Hand, untersuchte sie und legte sie vorsichtig wieder zurück. Danach gesellte er sich zu Jendro und fasste mit an. "Natürlich helfe ich Dir. Schöne Werkstatt, erstklassig ausgestattet...", kicherte Mancini und deutete Richtung Ausgang. "Du gehts vor", bat er.


    Jendro Girad
    Es war niedlich zu sehen, wie Silvano sich über das Sägemehl freute und alles wie ein neugieriges Kind untersuchte. „Nur keine Scheu, hier geht nichts so leicht kaputt“, ermunterte er ihn und wartete, bis Silvano alles in Ruhe angesehen hatte. Jendro hob anschließend das Gestell mühelos auf seine Schulter. Er hätte den Drachen auch allein tragen können, aber darum ging es hier nicht. Er wartete, bis Silvano bequem angepackt hatte und stapfte wieder nach draußen. „Wie kommt es, dass deine Männer nicht mitkommen? Schmollen sie?“ Er wartete, bis das letzte Huhn aus der Scheune gerannt kam, dann gab er der Tür einen Tritt, so dass sie zuschlug und schob den Riegel davor, damit der Wind sie nicht aufdrückte. Dann stapfte er in Richtung des Sturmvogels, der friedlich auf die Rückkehr seines Besitzers wartete, und von den herumflitzenden und aufgeregt lärmenden Hunden kaum Notiz nahm. „Der Drache hat bislang keinen Namen. Hast du einen Vorschlag?“


    Silvano de Mancini
    Vano packte den Drachen und schleppte das Heck von ihm während er Jendro folgte. "Nein sie schmollen nicht, sie arbeiten. Der Duc hat angeordnet, dass Davet und Ciel mit Piraten Kontakt aufnehmen. Jene sollen als Freibeuter für uns als Söldner arbeiten, ausgestattet mit Landesflagge und Prisenrecht. Und an den Verhandlungen nehmen meine Männer teil. Davet eh, er muss das federführend übernehmen und Boldi begleitet ihn zum Schutz. Man sagt man kann einen Sturm nicht reiten, dieser Drache kann es - Sturmreiter wäre ein guter Name. Oder etwas ähnliches, falls Du es weniger marzialisch magst, Wolkentänzer. Deine Hunde sind vielleicht eine Rasselbande, sag mal wieviele hast Du? Beim Zusammenbau gib genaue Anweisung, ich habe keine Ahnung. Nicht dass etwas schief geht. Bei den ganzen Sägespähnen hast Du bald Besuch, ich wette drum. Von einem Klabauter", lachte Vano und legte den Drachen ab. "Hier ist so gut wie überall. Lass uns loslegen. Je ehr wir fertig sind, je ehr sind wir da und machen es uns gemütlich. Erzähl mir was über Dein Haus, Deine Hunde, was auch immer. Falls ich komisch aussehe, wundere Dich nicht dass sind die Klamotten von meinem Vater", grinste Vano während Foufou argwöhnisch den Drachen beschnupperte und sie dann zufrieden musterte.


    Jendro Girad
    „Das letzte mal waren es sieben, aber es sind mal mehr und mal weniger. Sie gehören nicht nur uns, sondern allen Gehöften hier in der Umgebung, manchmal wandert einer ab oder ein Streuner gesellt sich hinzu oder es kommt ein Wurf Welpen.“ Jendro setzte den Drachen ab und legte ihn in den Schnee. Er streichelte Silvanos eiskalte, gerötete Wange. „Komm noch kurz mit ins Haus.“ Das Wohnhaus der Girads war bescheiden, aber gemütlich eingerichtet. Das Zentrum bildete ein Ofen, der als Wärmequelle und zum Kochen diente. Getrocknete Kräuter, Zwiebelzöpfe und ein paar Würste hingen von der Decke. Man sah, dass dies der Hauptaufenthaltsort der kleinen Familie war. Jendro führte Silvano in sein Zimmer, einen einfachen kleinen Raum mit Minikachelofen, der jetzt allerdings eiskalt war. Jendro öffnete seinen Kleiderschrank und zog Silvano aus. Dann zog er ihn neu an mit langer Unterwäsche, dicken Hosen und einem Wadenlagen Wintermantel, der in der Mitte ein Stück eingeschnitten war, so dass man bequem gehen konnte. Auch Schal, Mütze und Handschuhe zog er Silvano über, ehe er ihn auf die Nase küsste. „Besser. Komm wieder mit nach draußen.“ Der Winter empfing sie und der Schnee war ein richtiges Gestöber geworden. „Von hier aus können wir nicht mit dem Drachen starten. Pass auf, lass ihn uns schon anziehen und uns dann so mit deinem Vogel nach oben bringen. Wolkentänzer gefällt mir!“


    Silvano de Mancini
    Vano folgte Jendro brav ins Haus, schaute sich dort um und musste zugeben, so klein es auch war, so gemütlich und liebevoll eingerichtet war es auch. Jendro zeigte ihm keine zwei Sekunden später, dass nicht nur das Haus über diese Eigenschaften verfügte, sondern auch die Bewohner, allen voran Jen selbst. Er zog ihn aus und kleidete ihn passend der Witterung neu ein. Silvano wusste nicht was er sagen sollte, also bedankte er sich mit einer herzlichen Umarmung und einem Kuss, beides kam von Herzen. "Dankeschön für die Sachen, ich passe drauf auf", sagte er glücklich. "Dann heißt er ab heute Wolkentänzer. Leg los und sag mir was ich tun soll. Soll ich den Drachen quasi abschleppen mit Tempete? Ich nehme Dich sozusagen ins Schlepptau?", grinste Mancini. "Nebenbei, Euer Haus ist gemütlich. Falls Du mal einen Spitz übrig hast, kaufe ich ihn Dir ab. Man kann nie genug Wachhunde auf einem Schiff haben. Also auf gehts, sonst müssen wir Nachtfischen. Was auch nicht schlimm wäre, aber nachts sollten wir lieber drinnen sitzen und uns gemütlich in die Kissen kuscheln", lachte Vano.


    Jendro Girad
    „Wir haben immer Spitze übrig, such dir einen aus“, lachte Jendro. „Und auf dem Rückweg nehmen wir ihn mit. Jetzt ist es ungünstig für den langen Flug, wenn wir den Wolkentänzer noch unter seinem Namen einweihen wollen. Pass auf.“ Er half Silvano in ein Gurtgeschirr, was Schultern und Hüfte und umschlang. Er selbst zog sich ein ebensolches an. Dann klappte er den Drachen auf, warf ihn sich auf den Rücken und machte sie beide daran fest, so dass Jendros Bauch auf Silvanos Rücken lag. Selbst durch die dicke Kleidung spürten sie gegenseitig ihre Körperwärme. „Und jetzt müssen wir so irgendwie auf deinen Vogel kommen. Lass ihn so hoch wie möglich steigen!“


    Silvano de Mancini
    "Ehm ja...", grinste Vano und schüttelte gerade seine sehr unkeuschen Gedanken ab. "Gut, also pass auf, wir, ergo ich, klammere mich einfach an Tempete fest und lass ihn steigen. Er wird uns mit hochreißen und er steigt einfach weiter. Da wir selbst ja Fügel dabeihaben, kann uns nichts geschehen", erklärte Vano. Kurzerhand band er Foufou auf dem Sattel fest, der alles stoisch über sich ergehen ließ, als hätte er das schon hundert Mal erlebt und so war es auch. Danach klammerte sich Vano an den Sattel seines Sturmvogels und gab ihm das Zeichen zum Abfliegen. Tempete benötigte etwas mehr Schwung mit dem ganzen zustätzlichen Gewicht, dass er zu ziehen hatte, aber dann endlich waren sie in der Luft. Der Sturmvogel machte seinem Namen alle Ehre und stieg in kreisenden Bewegungen immer weiter in die Höhe, jedes noch so kleine Lüftchen ausnutzend. Weiter und weiter stiegen sie hoch bis ihr Atem in weißen Wolken von ihren Lippen gerissen wurde. Vano schaute Jendro über die Schulter an und drückte ihm einen Kuss auf, ehe er wieder nach vorne schaute. Als Tempete seine Flughöhe erreicht hatte, streckte er die gewaltigen Flügel so weit aus, wie er konnte und glitt ohne jeden Flügelschlag dahin. "Das meine ich, dass kann Dein Drache Wolkentänzer oder?", brüllte Vano nach hinten. Entgegen dem was viele glaubten, war es dort oben nicht still, der Wind hatte seine eigenen Geräusche. Aber Jendro wusste darum, wenn er mit seinem Drachen flog und Vano kannte die Geräusche wenn man den Wind in Segeln einfing. Seit langem fühlte er sich wieder richtig glücklich und frei. Er hoffte Boldi und Davet hatten wenigstens annähernd soviel Spaß wie er. Und wenn nicht, würde er den Spaß mit ihnen teilen. Natürlich nur das Gefühl, nicht die Information darum. Sie würden sich nur unnötig sorgen. Mancini musste lachen, als er in die Tiefe starrte, der Flug, der Wind, die Höhe, dass alles hatte etwas Berauschendes. "Es ist nicht Wahnsinn, es ist geil!", rief er Jendro zu.


    Jendro Girad
    Jendro, spürte den Wind, wie er an den Flügeln des Wolkentänzers zog, wie er sich unter die künstlichen Flughäute legte und das Gerät mit aller Macht zeigte, dass es nun mit dem Wind fliegen wollte. „Jetzt - lass los“, sagte Jendro und als sie es taten, griff der Wind und der Sturmvogel sauste unter ihnen hinweg. Unter ihren Füßen war nun nichts mehr als Tiefe und wirbelnde Schneeflocken. Der Drache glitt ruhig, sein Holz knarrte und quietschte leise unter der Last der beiden Männer, die an ihm hingen. „Ich liebe dich, Silvano“, sprach Jendro, lehnte sich nach vorn und der Wolkentänzer beschleunigte. Schneeflocken landeten lautlos in ihren Gesichtern, verfingen sich in ihren Wimpern und Brauen, bedeckten bald die ganze Kleidung. Jendro steuerte das Gefährt sicher und präzise durch die wechselnden Luftströmungen. „So lang waren wir noch nie damit oben!“, rief er begeistert in das wirbelnde Weiß und lachte. "Wir brauchen Schneebrillen!"


    Silvano de Mancini
    Silvano versteifte sich für einen winzigen Moment, ehe er sich wieder entspannte. `Ich liebe Dich´, hatte Jendro gesagt. Einfach so, scheinbar nebenbei und dennoch auf ganz besondere Art und Weise. Als der Drache beschleunigte johlte Vano gut gelaunt auf. "Du brauchst keine Schneebrille. Kneis Dein Auge was zusammen, dafür hast Du Wimpern. Die halten Schnee ab und auch Salz. Glaub es mir. Aber wir können es ja mal damit versuchen. Ich Dich auch Jen", brüllte Vano und schaute sich gut gelaunt die Landschaft unter ihnen an. Aber die war kaum noch zu erkennen. Es sah aus wie Butterland, oder besser gesagt Zuckergussland, mitten in den Wolken, der eisige Wind der über sie hinweg strich, es war unbegreiflich schön. "Danke dafür!", brüllte er zu Jen.


    Jendro Girad
    Jendro suchte mit seinen Lippen eine Stelle an Silvano, die noch frei war von Kleidung, fand erneut seine eiskalte, nun von geschmolzenem Schnee nasse Wange und küsste sie lang und innig, als sie durch den Schnee langsam, aber beständig abwärts glitten. All die Zeit über begleitete sie der Sturmvogel, der über ihnen glitt. Als Jendro seine Lippen wieder löste, sahen sie den schneebedeckten Grund.

  • Der Urlaub



    Einige Stunden später überflogen sie die Grenze und hielten genau auf die Küste Ledwicks zu. Sie flogen nun weitaus tiefer, die wunderschöne Landschaft zog unter ihnen hinweg. Sümpfe, Dörfer auf Stelzen, schwimmende Märkte und Gärten, seltsame Kristallgebilde von beachtlicher Größe und Schönheit, ein Fluss der mit seinen zig Ausläufern scheinbar im Nirgendwo der wasserreichen Natur verschwand.


    Vano liebte es und Jendro wurde von der Begeisterung angesteckt. Tausend Dinge unter ihnen die vorbeizogen und sie sich unbedingt anschauen wollten.


    Die Küste mit all ihrer Schönheit kam in Sicht. Traumhafte Strände, Schiffe von denen Jendro sich die Erläuterungen anhören musste und er auch brav alles abnickte, auch wenn er kein Wort verstanden hatte. Vano belohnte ihn dafür mit einem Kuss und deutete etwas später auf ein gigantisches Schiff, dass neben einem Zwerg vor Anker lag - die Tordalk. Daneben die kleinere Caretta.


    Sie gingen am Strand neben der Caretta herunter. Für einen Moment blieben sie einfach so liegen. Silvano verschränkte die Arme unter dem Kopf und musterte Jendro über die Schulter. Glücklich grinste er seinen Begleiter an, während er dessen Gewicht auf dem Rücken spürte. Jendro wuschelte ihm durch die Haare, küsste Silvanos Nacken und befreite sie beide von dem Drachen.


    Gemeinsam legten sie den Wolkentänzer wieder ordentlich zusammen, während Tempete auf sie zugewatschelt kam und es sich im Sand gemütlich machte.


    "Das ist die Tordalk", sagte Vano mit Ehrfurcht in der Stimme, als er zu dem Giganten aufschaute. Es war das erste Mal, dass er sein Schiff leibhaftig vor sich sah. Sie war gewaltig, größer als er sie sich vorgestellt hatte und das obwohl er Maße kannte. Er kannte jeden Entwurf, jede Ecke, jede Planke an diesem Schiff, allerdings nur von ihren Zeichnungen her. Das Riesenschiff vor sich zu sehen erfüllte ihn mit Stolz, Sehnsucht und Ehrfurcht.


    Jendro stellte sich neben Vano und folgte seinem Blick. Er war nicht minder beeindruckt. Eine Weile betrachteten sie das Wellenspiel und die meterhohe Bordwand. Das Schiff war schwarz, weiß gehalten und mit Rot abgesetzt. Die Luken unter dem Achterdeck waren in Rot abgesetzt die anderen restlichen auf dem Schiff in Weiß.


    Die gerippten Segel waren gerafft und weiter vorne am Bug war ein großes Auge angebracht worden. Natürlich besaß die Tordalk auf jeder Seite ein Auge.


    Dafür fehlten ihr die Spieren und das stehende Gut wie der Bugspriet, der Klüverbaum der Außenklüverbaum und alles was dazugehörte. Die Tordalk war eine Kurznase wobei sie gar keine Nase hatte, wenn man es genau nahm. Genau unter dieser winzigen Nase hingen sonst die beiden vorderen Anker, die zur Zeit das Schiff befestigten.


    Silvano legte Jendro einen Arm um die Hüfte um deutete auf die kleine Caretta.


    "Unser Hausboot, dort werden wir den Urlaub verbringen. Die Tordalk betreten wir nicht, der Erste der sie betreten wird, ist Boldi", klärte Vano Jendro auf, strich Jen über das breite Kreuz und trug mit ihm gemeinsam den Drachen ins Hausboot.


    In Sachen Gemütlichkeit stand die Caretta Jendros Wohnhaus in nichts nach. Silvano führte Jen gut gelaunt durch das kleine Hausboot vom Steuer, zum Aufenthaltsbereich, zu den Schlafzimmern und Bädern, wurde Jen alles gezeigt.
    Jendro verstaute seinen Drachen im Aufenthaltsbereich, so dass er quasi griffbereit bereit lag und machte es sich dort gemütlich, während Silvano die Angelausrüstung aus dem Schlafzimmer holte.


    Der Tag neigte sich dem Ende zu und die Nacht zog auf. Jendro hatte das Feuer in der Küche entfacht, Silvano hatte sich um den Fischfang gekümmert. Gut gelaunt saßen sie abends draußen im Aufenthaltsraum, aßen Grillfisch und schauten aufs Meer.


    "Gut gegrillt", grinste Vano.
    "Gut gefangen", lachte Jendro und streichelte Vanos Wange.


    Vano schmiegte sein Gesicht in Jendros Hand, küsste ihn lang und liebevoll, ehe er ihnen beiden einen Kaffee auf dem Herdfeuer zubereitete. Zuerst stellte er Jendro seinen Kaffee vor die Nase, bevor er sich selbst bedient. Vano umarmte Jen kurz von hinten und drückte seinen Kopf gegen den von seinem Gefährten. Er löste sich und gab ihm einen Kuss, ehe er sich wieder neben Jen setzte.


    "Ich würde sagen, wir schauen uns alles an, was wir gesehen haben. Jedenfalls ein Großteil davon. Einen schwimmenden Markt und einen schwimmenden Garten müssen wir auf alle Fälle besuchen. Und so ein Kristallgebilde möchte ich aus der Nähe sehen. Auf den Märkten können wir sicher herrlich Essen, frischer geht es nicht", freute sich Vano und streichelte Jendros Bein.


    "Das klingt nach einer guten Idee. Fahren wir mit dem Hausboot?", fragte Jen neugierig und aufgekratzt.
    "Na klar, dafür haben wir es doch. In den Hauptkanälen auf alle Fälle. Rest müssen wir mal schauen. Wir wollen ja nicht stecken bleiben", grinste Vano und Jendro grinste zurück.


    Girad legte ebenfalls seine Hand auf Vanos Schenkel und musterte ihn ganz genau, während er seinen Kaffee trank.


    "Schlafen wir gemeinsam in einem Schlafzimmer?", fragte Jendro unverblümt.
    "Ja wir schlafen gemeinsam", grinste Silvano breit, was Jen losgibbeln ließ.


    "Auch in einem Bett?", hakte Jendro genauer nach.
    "Sicher, ist doch viel schöner als allein im Bett zu liegen", grinste Vano noch eine Spur breiter.


    Mancini rutschte noch ein Stück näher auf und streichelte Jen den Rücken, während er seinen Kaffee schlürfte. Er saß so nah neben Girad, dass dieser seine Körperwärme spürte.


    "Falls Du noch was möchtest, sag es einfach. Erstausstattung ist an Bord, mit Kaffee, Tee, Dauerzeug wie Dauerwurst, Trockenfleisch und Fisch und Zwieback. Wir müssen morgen einkaufen. Schau was Du ausgibst, Du bekommst es nach dem Urlaub zurück. Versprochen Jen", erklärte Vano liebevoll.
    "Mach Dir darum keine Gedanken. Testen wir hier die Matratze?", fragte Jendro, genoss die Streicheleinheiten und kraulte Vano ebenso.


    "Ich bin noch nicht bereit", gab Vano zurück und schmiegte sich seitlich an.
    "Oh...", stockte Jendro verdutzt und schaute Vano perplex an, was Mancini losprusten ließ.


    "Das war keine Abweisung, ich bin gerade zu vollgefressen. Noch etwas sacken lassen und dann gehen wir ab ins Bett, Kuscheln und mehr, ganz wie Du magst. Morgen in aller Frühe vor der Hauptzeit ziehen wir los. Du kannst liegen bleiben und weiterschlafen, oder gesellst Dich zu mir", antwortete Vano. Er küsste Jendro lange und leidenschaftlich und drückte danach seine Stirn gegen die von Jen.


    "Lass im Bett sacken", befahl Jendro spielerisch, nahm Vano auf den Arm und trug ihn ins Schlafzimmer.

  • Reisebeginn mit Merlion



    Das erste Morgenrot zog sanft über dem Ledwicker Himmel auf und kündigte den neuen Tag an. Jendro rieb sich die Augen und schmunzelte Vano noch leicht verschlafen an. Silvano lächelte zurück, befreite sich sanft auf der Umarmung des Gardisten und kroch unter die Bettdecke. Er begrüßte Jendro mit einem Morgengruß der ganz besonderen Art. Ein Gruß, der sonst nur Boldi und Davet zustand, aber für die Dauer des Urlaubs waren sie Gefährten.


    Nach dem zärtlichen Morgenritual machten sich beide fertig und verließen mit der Caretta den Ankerplatz. Sie stoppten am Sidobini Markt. Der Sidobini Markt war der beliebteste der fünf schwimmenden Märkte Ledwicks und somit etwas ganz Besonderes. Jendro kaufte von der Caretta aus frisches Obst, Fisch und Gewürze.


    Kurz darauf legte Silvano an der zentralen Anlegestelle des Marktes an und bereitete ein ausgiebiges Frühstück zu. Jendro und Silvano saßen im offenen Aufenthaltsbereich der Caretta, ließen sich ihr reichhaltiges Frühstück schmecken und schauten dabei dem regen Treiben der Ledvigiani zu.


    "Jen ich schlage vor, heute besichtigen wir Sidobini und vielleicht noch eines der Kristall Gebilde. Wir stöbern durch die Geschäfte an Land, schnüffeln ein bisschen durch die Seitengassen und erstehen ein Souvenirs an unsere ganz besondere Zeit. Was sagst Du dazu", fragte Vano glücklich und goss Jen Kaffee nach.
    "Was hättest Du denn gerne als Andenken?", grinste Jen und schälte eine der unbekannten Früchte. Sie roch wie Himbeere, aber ihr Fleisch war gelb und unheimlich saftig.


    "Einen Merlion", gab Vano zurück, während Jendro ihm ein Stück von der Frucht in den Mund stopfte und sich dann selbst bediente.
    "Das wird gefährlich Vano, mit Meereslöwen ist nicht zu spaßen", lachte Jen.


    "Einen echten Seelöwen möchte ich auch nicht als Souvenirs mitschleppen, die werden ziemlich groß. Nein ich möchte einen Merlion, das Wahrzeichen Ledwicks als Tätowierung. Schlicht und schön wird er mich immer an unsere gemeinsame, glückliche Zeit erinnern. Ein Merlion ist ein Kämpfer und er ist ein Wassertier, was könnte besser passen?", fragte Vano und angelte sich selbst noch ein Stück Frucht von Jendros Teller.


    Jen schob den Teller in die Mitte, dass sie sich beide gut bedienen konnten.


    "Das klingt nach einem sehr schönen Andenken. Wohin soll der Merlion und wie groß soll er sein?", hakte Jen neugierig nach und musterte Vano eindringlich.
    "Also entweder klein auf meinem Unterarm, Innenseite. Oder groß auf meinem rechten Oberschenkel, dass überlege ich mir noch. Das ist ein Brauch, sich eine Tätowierung stechen zu lassen, von den besonderen Orten an denen man mit seinem Schiff gewesen ist", grinste Vano und aß noch ein Stück Frucht.


    "Soll ich mal böse zu Dir sein?", kicherte Jendro und beugte sich zu Silvano rüber um ihm einen Kuss zu geben.
    "Nur zu, ist es zu böse musst Du es abarbeiten", lachte Vano.


    "Du bist ohne Dein Schiff hier Käptn", grinste Jendro und zwinkerte Vano zu, der gut gelaunt losprustete.
    "Oh bitte! Die Choucas und ich sind unzertrennlich", gab Mancini zurück und entblößte kurz seine Flanke um Jendro die Tätowierung der Kriegsbrigg zu zeigen.


    Girad zog eine Augenbraue hoch und schob Vano den Teller mit den restlichen Fruchtscheiben hin.


    "Du hast viele Tätowierungen, hast Du überhaupt noch Platz für eine?", fragte er und zündete sich eine Rauchstange an.
    "Finde es doch raus", gab Vano liebevoll zurück und räumte den Tisch ab, bis auf den Früchteteller.


    "Nun ich weiß zwar wie Du nackt aussiehst, aber ich schaue besser noch einmal genau nach, die Tätowierung muss auch wirken", antwortete Jendro rauchend und schaute Vano beim Abwasch zu. Er hätte Mancini geholfen, aber dieser sah es wohl als seine Aufgabe an für das persönliche Wohl und für Ordnung zu sorgen. So genoss Jen noch etwas die kurze Pause und trank den Rest seines Kaffees aus.


    Nachdem Silvano für klar Schiff gesorgt hatte verließen sie die Caretta und brachen zu dem Teil Sidobinis auf, der auf dem Festland lag.


    Die Imbissbuden und Geschäfte erstreckten sich weit in die umliegenden Straßen. Zahlreiche Gästestätten und Tavernen boten für jeden Geldbeutel Übernachtungsmöglichkeiten direkt am Wasser an. Jendro und Silvano waren darauf nicht angewiesen, denn sie hatten ihre schwimmende Unterkunft, das Hausboot Caretta, bei sich.


    Die Hauptattraktion von Sidobini war eindeutig das Essen.


    Besonders die Meeresfrüchte unmittelbar frisch vom Grill, die auf vertäuten Holzbooten rund um die zentrale Anlegestelle zubereitet wurden, waren ein Kundenmagnet. Silvano schnuppert hungrig und Jendro musste über Mancinis Gesichtsausdruck dabei lachen.


    "Fisch hat es Dir angetan, aber Du kannst auch was auf den Rippen vertragen. Sag mal wann und wo bist Du gestrandet? Hast Du auch heimlich auf einem Felsen gehockt und gesungen?", fragte Jen mit einem Zwinkern, legte Silvano einen Arm um die Hüfte und drückte ihn beim Laufen an sich.
    "Absolut, das habe ich schon immer am liebsten gegessen. Das schmeckte von jeher nach Zuhause, obwohl ich keines hatte. Ich habe mir das Datum leider nicht notiert Jen und ob Du es glaubst oder nicht, ich kann sogar singen. Ich kenne sogar einige ziemlich schweinische Lieder", lachte Vano und erwiderte die Geste gut gelaunt.


    "Du darfst mir heute Abend ein Schlaflied singen", gab Jendro zurück und kaufte an einem Essensstand zwei überbackene Obstspieße. Einen davon drückte er Vano in die Hand, den anderen ließ er sich selbst schmecken.


    Schmatzend und gut gelaunt blieben sie vor einem kleinen Laden gestehen, der Tätowierungen anbot. Der Mann der in dem kleinen Kabuff hockte, sah aus wie wettergegerbtes Leder und war selbst mit zahlreichen Tätowierungen geschmückt.


    "Noch am Überlegen, einfach nur neugierig, oder konkrete Pläne?", fragte er freundlich und stopfte sich einen Batzen Kautabak in die Wangentasche.


    Silvano schaute sich den Burschen genau an und grinste als er erkannte wo er überall schon gewesen war.


    "Auf gewaltig großer Fahrt gewesen, meinen Respekt. Bei uns erstes Ankern vor Ledwick, mein Maat und ich benötigen einen Merlion. Aber einen der die Bezeichnung würdig ist. Jendro bekommt ihn auf die Schulter und ich auf den Unterarm Und zwar so, dass mich der Merlion anschaut", erklärte Silvano und Jendro nickte zustimmend.


    "Na dann pflanzt Euch mal", sagte der Kerl und zeigte Jendro und Silvano einige Entwürfe.


    "Du suchst unsere Löwen aus", entschied Silvano und blätterte mit Jendro die Vorlagen durch.
    "Gerne", freute sich Jendro und drückte Vano erneut an sich.


    Jendro traf seine Wahl und einige Stunden später hatten Silvano und Jendro den gleichen Merlion als Andenken auf der Haut.


    Merlion-Tätowierung
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  • Der Merlion bleibt



    Die Tage in Ledwick vergingen wie im Flug. Jendro und Silvano schauten sich alles an, was ihrer Meinung nach besonders wichtig war. Dazu gehörten in erster Linie die Kristallgebilde, die dazugehörigen Sinterterrassen und Thermalquellen.


    Die beiden ließen es sich nicht nehmen, in den Thermalquellen zu baden. Die heißen Quellen lockerten wirklich jeden Muskel. Zudem wurde ganz in der Nähe angeboten, sich mit Heilschlamm einreiben zu lassen. Jendro und Vano glaubten nicht so Recht daran, vor allem da der Schlamm etwas gelblich wirkte und wie Furz stank.


    Trotzdem gönnten sich die beiden auch den Spaß, ließen sich mit Schlamm einreiben und fest in Tücher wickeln und verschliefen so gut den Vormittag, bis sie ausgeruht und mit seidenweicher Haut erwachten. Ein kaltes klärendes Bad und die Reise von ihnen ging weiter.


    Besonders hatten es ihnen die Kristallpilze angetan. Sie bewunderten gemeinsam mehrere der exotischen Gebilde, bevor sie sich zum einem der schwimmenden Gärten aufmachten. Auf dem Speiseplan standen Früchte und Fische und beide fielen am Abend wie Steine ins Bett und schliefen auch genauso tief.


    Die letzten Tage verbrachten sie geruhsam wieder an der Hauptanlegestelle in Sidobini. Der Ort wie auch der schwimmende Markt hatte es ihnen angetan. Sie beobachteten das Treiben der Einheimischen, genossen die Köstlichkeiten der Fischbratereien und schlemmten was die einheimischen ledwicker Früchte anging.


    Sie aßen die berühmte ledwicker Kürbissuppe, kosteten süßsauer eingelegte Blumenknospen und Fischpudding. Der Fischpudding schmeckte für beide so schräg, wie er bereits dem Namen nach klang.
    Abends saßen sie noch lange draußen im Aufenthaltsbereich und spielten Karten im Schein der Laterne und genossen ein ledwicker Stark-Bohnen-Bier oder ließen den Tag mit einem guten Kaffee ausklingen.


    Jendro gönnte sich wie jeden Abend eine Rauchstange und schaute Vano zu wie dieser alles ordentlich verstaute.


    "Es ist soweit, wir brechen auf?", fragte er freundlich, drückte die Rauchstange im Aschenbecher aus und umarmte Vano von hinten um den Bauch.
    "Ja wir müssen so langsam aber sicher wieder nach Hause. Zuerst bringen wir die Caretta zurück und dann geht es ab mit Tampete zurück nach Souvagne", antwortete Vano und kuschelte sich an Jendro.


    "Hast Du Deine Leute vermisst?", fragte Jen und zog Vano hinter sich her in den Innenbereich des Hausbootes.
    "Natürlich habe ich meine Männer vermisst, alles andere wäre gelogen. Aber Du bist ein erstklassiger Gefährte Jendro und jeder der Dich mal abbekommt, kann froh drum sein. Du bist ein absolut guter Kerl und unser Urlaub hat mir richtig gut getan. Danke für alles Großer", sagte Silvano mit Wehmut.


    "Noch ist der Urlaub nicht vorbei und das Kompliment gebe ich zurück. War eine echt schöne Zeit und uns bleiben unsere Löwen. Vielleicht auch was mehr, die Freundschaft... Maaten wie Du es nennst", gab Jen zurück und ging vor ins Schlafzimmer.
    "Stimmt noch ist der Urlaub nicht zu Ende und ich bin gerne Dein Maat", grinste Vano und schaute Jendro dabei zu wie er sich bettfertig machte.


    Kurzum Mancini schaute Jendro zu, wie er sich auszog und ins Bett kroch.


    Jendro klopfte mit aufforderndem Blick neben sich und keine zwei Sekunden später sprang Foufou ins Bett, was Jen und Vano schallend loslachen ließ.


    "So war das nicht geplant!", gibbelte Jen.
    "Moment, ich helfe", lachte Vano und schob Foufou ans Bettende, ehe er sich mit in die Koje quetschte.


    Am nächsten Morgen brachen sie auf zur Tordalk, um die Caretta zu ihrem alten Anlegeplatz zurück zu bringen. Es wurde noch einmal geangelt, gegrillt und sich verabschiedet. Daheim würden sie keine Gelegenheit dazu haben sich ordentlich zu verabschieden, nicht in der Art wie sie es sich beide wünschten.


    Vano küsste Jendro auf seinen Merlion der auf seiner Schulter prangte, Jendro erwiderte die Geste und küsste den Merlion auf Vanos Arm.


    "Der Merlion bleibt uns, Maaten Vano. Denk immer daran, wenn es Dir mal schlechter geht. Erinnere Dich an die schöne Zeit, ich werde es genauso halten. Du kannst jederzeit vorbeikommen hörst Du? Und denk an Deinen Spitz", sagte Jendro innig.
    "Der Merlion bleibt. Du bist bei mir ebenso jederzeit willkommen und wenn Du meine Hilfe brauchst, ich bin da Jen", gab Vano zurück.


    Nach der liebevollen Verabschiedung traten sie die Reise nach Souvagne an.