Rote Spuren im weißen Schnee


  • Rückblick, Thogrim, Dorf des Bärenclans


    Eine Menschentraube hatte sich um das große Lagerfeuer im Zentrum des rudimentären Dorfes des Bärenclans versammelt. Das stetige Murmeln der Anwesenden wurde einzig von dem Knistern der verbrennenden Holzscheite begleitet. Kadlin war erst am heutigen Abend von einer mehr oder weniger ernüchternden Jagd zurück gekehrt. Nur ein einziger Schneehase hatte sich in einer ihrer ausgelegten Fallen verfangen, ansonsten war sie mit leeren Händen zurück gekehrt. Mürrisch beäugte die unzufriedene Jägerin das Geschehen, wandte sich dann an den nächst besten Mann und fragte: „Was ist denn hier los?“. Der Kerl hatte ihr nur mit einem halben Ohr zugehört, seine Augen ruhten auf einem alten Mann, der für den Moment noch schweigend einen dampfenden Becher in den klammen Fingern hielt. Der Alte saß ihnen zugewandt auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers und blickte abwesend in die tanzenden Flammen. Der Mann sah fremd aus mit seinen leicht schief gestellten, beinahe schwarzen Augen und dem spärlichen Bart. „So ein komischer Vogel… Was der wohl hier will?“, raunte die junge Norkara und sprach dabei mehr an sich selbst gewandt, als dass sie tatsächlich eine Antwort auf ihre Frage erwartete. „Er nennt sich selbst ‚Der Wanderer‘.“, erklang eine wohlvertraute Stimme direkt hinter ihr. Eine große, von Schwielen besetzte Hand legte sich auf ihre Schulter und bewirkte, dass Kadlin augenblicklich erstarrte. „Bruder…“, entgegnete die Jägerin kühl und widerstand nur schwer dem Drang einfach fortzulaufen. Hätte sie gewusst, dass die Wahlfänger während ihrer Abwesenheit zurück gekehrt waren, so wäre sie gewiss heute nicht hier erschienen.


    Gerade als Kadlin all ihren Mut zusammen genommen hatte, sich der Anwesenheit ihres Bruders zu stellen, erklang ein lautes Räuspern. Augenblicklich, man mochte es kaum glauben, wurden alle Gespräche eingestellt und die Aufmerksamkeit galt einzig dem fremden, alten Mann. Der Alte schloss die Augen und begann mit einer tiefen Stimme zu erzählen. Sein Akzent klang fremd und irgendwie vermochte die Singsang ähnliche Betonung es Kadlin voll und ganz für sich einzunehmen: „Groß wie ein ausgewachsenes Pferd, das Fell weiß wie frisch gefallender Schnee, die Fänge lang wie Dolche und Augen so kalt wie Eis. Wo ER auftaucht, zieht Verderben über das Land, tödliche Kälte die einem die Luft in den Lungen gefrieren lässt. Niemand, der versuchte IHN zu erlegen, ist jemals von der Jagd zurück gekehrt…“. Ein lautes Raunen ging durch die Reihen der Zuhörer, doch der Greis vermochte erneut durch eine Handbewegung Herr der Lage zu werden. Dann fuhr er unbeirrt fort: „Der Geisterwolf von Arashima wird er genannt und man munkelt er wurde von den Frostalben geschickt um Schrecken und Verderben über das Land zu bringen. Geboren aus Schnee und Eis, bringt ER den lautlosen Tod über mein Volk. Keine Falle vermag IHN zu halten, kein Pfeil vermag IHN zu treffen und kein Mann vermag IHN zu töten. Allein SEINE Anwesenheit bringt ewigen Winter…“. Ein kleines Mädchen kauerte sich Angst erfüllt in die Arme seiner Mutter, einige Männer schauten stur zu Boden, um ihre Gefühle nicht zu zeigen. Ein prickelnde Gänsehaut zog sich über Kadlins Körper und ihr Herz begann wie wild zu schlagen. „Der Geisterwolf von Arashima…“, wiederholte sie leise die Worte des Fremden.



    Gegenwart, Arashima, Herz des Winters


    Ein tiefes Knurren erklang aus Norgrims Kehle. Irgendetwas schien dem Rüden Angst einzujagen, vielleicht hatte er auch bereits Witterung aufgenommen. Leichter Schneefall setze ein und einzelne Schneeflocken verfingen sich in dem kastanienbraunen Haar der Norkara. Kadlin zog sich mit den Zähnen einer ihrer warmen Fäustlinge aus und strich mit ihrer zierlichen Hand beruhigend durch das silbergraue, dichte Fell Norgrims. „Ruhig mein Großer…“, flüsterte sie leise. Sie waren bereits seit einigen Tagen unterwegs, niemand war ihnen in dieser Zeit begegnet. Die Jägerin hatte stets die Augen offen gehalten und nach Spuren im Schnee Ausschau gehalten, doch der immer wieder einsetzende Schneefall machte ihr zu schaffen. Sie war eine Norkara und die Kälte gewohnt, auch die Einsamkeit bereitete ihre keine Schwierigkeiten. Und dennoch… Dieses Land war ihr durch und durch fremd und löste tief in ihr eine gewisse Unruhe aus. Niemand würde an diesem Ort nach ihr Suchen, niemand würde sie retten, wenn sie einen Fehler beging. Sie durfte einfach keine Fehler machen! Norgrim leckte sich nervös über die Schnauze und blickte zu seiner Herrin auf. Diese treue Seele würde sie niemals im Stich lassen, sie gehörten zusammen wie Pech und Schwefel. Ein entschlossenes Lächeln legte sich auf Kadlins Lippen und während sie dem Blick Norgrims folgte, sagte sie entschlossen: „Wir werden es allen zeigen! Und wenn ich ihnen den Kopf des Wolfes zu Füßen lege, dann wird mich niemand mehr wie ein kleines Mädchen behandeln!“. Ihre Stimme schien innerhalb weniger Augenblicke vom dichten Nadelwald verschluckt zu werden und erneut legte sich eine unheimliche Stille über die Gefährten.

  • <Nicht...stehen...bleiben.>. Vokarit zwang seinen Körper zu gehorchen. Wieder und wieder setzte der Alb einen Fuß vor den anderen, unerbittlich dem leichten Schneefall und dem scharfen Wind trotzend. Dann war da auch noch dieser Hunger. Das Gewicht seines Brustpanzers zog ihn in Richtung Erdboden, doch was sollte er tun? Den letzten ihm verbliebenen Schutz aufgeben? Sie hatten ihm alles genommen. Sein befestigtes Lager war zerstört, seine Männer fort, entweder tot, vermisst oder sonstwo in diesem verdammten Landstrich. Was mochte nur aus denen, die bis zuletzt übrig waren geworden sein? Viele waren es nicht. Vokarit hoffte, dass Nuharis irgendwie überlebt hatte. Sein Bannerträger war bis zuletzt nicht von seiner Seite gewichen, hatte seinem Herren immer treu beigestanden. "Du hängst schon wieder deinen Verlusten nach, was? Überleben ist jetzt erst einmal wichtiger.". "Schnauze.". Es war das einzige, was der Alb seiner Gedankenwelt entgegenzusetzen hatte. "Es lag nicht an dir, das wissen wir doch beide.". Ein schwacher Trost mit sarkastischem Unterton. Wieder warf Vokarit einen Blick zurück. Irgendwo dort hinter ihm waren sie, so viel war sicher. "Wenn, dann gehen wir hier wenigstens zusammen drauf.".
    Bald schon begann auch der gefühlt letzte Muskel in Vokarits Körper zu streiken. Er konnte nicht weiter, musste sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Doch wo sollte er nur einen geeigneten Unterschlupf finden? Stimmen unterbrachen seine Gedanken. Da war jemand. Vokarit blieb stehen und lauschte. Es handelte sich um zwei Personen, keine Frostalben. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen als er leicht in die Hocke ging. Dennoch bewegte sich der Alb lautlos voran.


    "Komm schon, die schaffen wir.". Vokarit hatte die beiden Arashi nun eine gefühlte Ewigkeit beobachtet. Es musste sich um einen Spähtrupp handeln, zumindest wenn man bei diesem Rebellenpack überhaupt von so etwas reden konnte. Sie schienen sich sicher zu fühlen. Waffen waren nicht in Griffreichweite und von Wachsamkeit und Vorsicht konnte man bei dieser Gesprächslautstärke nicht wirklich reden. Es zischte leise, als der eine Mann eine weitere Handvoll Zutaten in den Topf warf und umrührte. Dieser Geruch... Vokarits Blick verfinsterte sich, als ihm ein kleines Bündel schräg hinter dem Mann am Kochfeuer gewahr wurde. Ein frostalbischer Helm lag dort, der Lichtschein des Feuers spiegelte sich schwach darin. "Wo die den wohl herhaben?". "Finden wir es heraus.". Vokarit zog sich zurück und wartete im Schutz der Schatten auf seine Gelegenheit.


    Es dauerte nicht lang, da verließ einer der Späher das kleine Lager um sich vor dem Essen noch einmal zu erleichtern. Hunger und Erschöpfung waren fast vergessen als Vokarit seinen Dolch zog. Jetzt musste es schnell gehen. Eben hatte der Kerl seinem Kumpanen noch etwas über die Schulter hinweg zugerufen, da lag er auch schon in seinem eigenem Blut am Boden. Der Mann am Feuer sagte etwas, schien dann eine Frage zu stellen. Als die Antwort ausblieb erhob er sich und fragte erneut und etwas lauter. Vokarit stürmte los, jede Sekunde war nun entscheident. Unter Aufgebot seiner letzten Kraftreserven warf sich der Alb auf den überraschten Arashi, der hastig versuchte seinen Speer zu erreichen. Erfolglos. Vokarit befreite die blutüberströmte Klinge aus dem nun leblosen Körper und schob diesen von sich weg. Ein paar Sekunden lag er einfach nur da, atmete tief durch und kroch dann in Richtung Kochfeuer. Was auch immer in dem Topf sein mochte, er würde nichts davon übrig lassen.

  • Der Ausblick auf das Meer aus Baumwipfeln wärmte Sasuke die eingefrorenen Glieder und er atmete befreit durch. Selbst im tiefsten Winter gelang es den Schneemassen nicht, denn Duft der Nadelhölzer vollkommen zu ersticken, auch wenn die Bäume unter der Last knarzten und ächzten – Musik in Sasukes Ohren. Das Herz des Winters.
    Heimat.
    Zumindest beinahe.
    Jenseits des großen Nadelwaldes war alles, wonach er sich sehnte, alles, wofür er lebte und wofür er kämpfte. Er war nun so nah; und doch konnte er nicht dorthin zurück. Noch nicht.
    Sasuke nahm einen weiteren tiefen Atemzug und schulterte seinen Beutel neu, dann machte er sich an den Abstieg von der kleinen Anhöhe. Mit jedem Schritt sank er tief in den Schnee, der unablässig weiter aus einem grauen Himmel fiel und Sasukes dicken Fellmantel weiß färbte. Nachdem er notgedrungen durch einen Bach hatte waten müssen, waren seine Füße längst zu steifen Klötzen gefroren, was nicht hieß, dass sie nicht schmerzten und sich nach Ruhe und der Wärme eines Feuers verzehrten. Sasuke bezweifelte, dass Feinde in der Nähe waren, immerhin hatte er seit Tagen keine Spuren von Lagern oder Kämpfen zu Gesicht bekommen. Trotzdem würde er nicht rasten, ehe der Wald ihn in seine schützenden Arme geschlossen hatte. Er musste neue Kräfte tanken und nachdenken.


    Schon seit Wochen streifte er willkürlich durch das Land, in der verzweifelten wie lächerlichen Hoffnung, auf ein Zeichen von Dimulon Eisträumer zu stoßen. Schon seit Wochen überfiel er wahllos zerstreute Truppen von Alben oder schlich sich nachts in deren Lager, wann immer das Risiko, geschnappt zu werden, gering genug war. Und stetig hatten ihn seine Füße dabei nach Osten getragen, obwohl er wusste, dass es zwecklos war. <Du kannst nicht nach Hause. Noch nicht. Nicht so.>
    Trotzdem hatte er die Richtung beibehalten, als zöge ihn eine unsichtbare Macht dorthin zurück. Zunächst hatte er versucht, es zu leugnen, dann, als das nicht länger haltbar war, beschlossen, dass er die Pause in einigermaßen sicherer Entfernung zu Cynabal dringend brauchen konnte, ehe er sich von Neuem auf die Jagd begab. Er brauchte neue Vorräte und vor allem brauchte er einen Plan. Er hatte keine Jahre lange Ausbildung genossen, um dann wie der erste Mensch durch die Landschaft zu irren, bis die Kälte oder ein Feind Erbarmen zeigte und ihn ins Reich der Toten schickte. Denke wie dein Feind. Was würde Eisträumer tun? Endlos hatte er die Frage im Geiste gewälzt und war zu keinem zufriedenstellendem Ergebnis gekommen. <Ich brauche nur ein wenig Ruhe>, sagte er sich und sein Körper würde es ihm danken. Die letzten Meter des Abhangs rutschte er mehr, als er ging und stöhnte auf, als sich die Wunde am Oberschenkel meldete. Zwar war der Schnitt gut verheilt – der Kälte und Sasukes gutem Gedächtnis über wilde Heilpflanzen sei Dank – trotzdem konnte die junge Haut jederzeit wieder aufreißen und der Kampf gegen die Entzündung begänne von Neuem. Es war nicht die einzige Verletzung, die er bei seinen Angriffen auf die Alben hatte erleiden müssen, doch es war mit Sicherheit die schwerwiegendste. Noch ein Grund sich auszuruhen. Nur ein paar Tage die gute Heimatluft schmecken und ungestört die Gedanken ordnen und fokussieren. Nur ein paar Tage Frieden.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau


  • D
    er kaum wahrnehmbare Geruch von Feuer trat Kadlin in die Nase. Als Jägerin hatte sie gelernt all ihre Sinne einzusetzen und auf jene noch so kleine Besonderheit zu achten. Der Wind kam aus Richtung Westen und verriet ihr, welchen Weg sie einschlagen müsste um der Spur zu folgen. Doch der Geisterwolf würde wohl kaum ein Lager errichten und so begann sie unschlüssig auf ihrer Unterlippe herum zu kauen. Wo ein Feuer war, da waren auch Menschen und Kadlin stand nicht gerade der Sinn nach Gesellschaft. Sie tastete nach dem toten Hasen, den sie vorhin erlegt hatte und der nun leblos an ihrem Gürtel hing. Ihr Magen knurrte laut auf, sie hatte seit gestern nichts gegessen und rohes Fleisch linderte zwar den Hunger, war aber unter Umständen nicht sonderlich gut verdaulich. „Was meinst du?“, fragte sie Norgrim und der Rüde sah sie mit seinen wissenden Augen an. „Du hältst es für eine blöde Idee…“, sagte Kadlin grinsend und kraulte den Hund zwischen den Ohren. Was gäbe sie nicht drum sich an einem flackernden Feuer wärmen zu können, den Duft von Hasenbraten in der Nase und das saftige Fleisch zwischen den Zähnen, während das warme Fett ihre Mundwinkel hinunter lief. „Ich denke, einen kleinen Blick können wir schon riskieren mein Großer“, sagte sie entschlossen und sie schlüpfte zurück in ihren dicken Handschuh, um anschließend nach ihrem Speer zu greifen. Leichtfüßig, mit dem federnden Schritt einer Jägerin machte sie sich auf den Weg und nach einem kurzen Zögern folgte auch Norgrim und flankierte seine Herrin mit einigem Abstand.


    Der Weg war weiter, als man hätte annehmen können, doch immer wenn Kadlin nicht mehr weiter wusste, nahm Norgrim witternd die Spur wieder auf. Auf die Nase des Rüden, konnte man sich stets verlassen. Plötzlich erregte ein leises Röcheln die Aufmerksamkeit der Norkara und sie deutete ihrem Hund still zu bleiben. Leise und vorsichtig näherte sich die Jägerin dem Geräusch und entdeckte rote Spuren im weißen Schnee. Blut! Die Alarmglocken schrillten aufgeregt in ihrem Kopf und das Herz pochte wie wild in ihrer Brust. Und dann sah sie ihn… Einen Mann, scheinbar schwer verletzt am Boden liegend. Der bereits zum Tode verurteilte umklammerte hilflos mit beiden Händen eine klaffende Wunde an seiner Kehle. Kadlin blickte sich panisch um und ging augenblicklich in Deckung. Was sollte sie nun tun? Sie konnte dem Mann nicht mehr helfen, das verriet ihr die beträchtliche Menge an Blut, die bereits eine große Lache um den Verletzten gebildet hatte. Ihr Blick verdunkelte sich, als sie zu ihrem Jagdmesser griff. Niemand hatte es verdient auf solch eine Art allein im Schnee zu verrecken. Die schräg gestellten Augen des Opfers waren weit aufgerissen und blickten sie entschlossen an. Mit schmerzverzerrtem Gesicht löste er eine Hand von der Wunde, zeigte mit einem blutverschmierten Finger erst auf das hinter ihnen liegende Lager und deutete ihr dann leise zu sein. „Shhh….“, flüsterte Kadlin kaum hörbar und ein dicker Kloß bildete sich in ihrer Kehle. Sie hatte schon viele Tiere erlegt und nie hatte sie dabei auch nur eine Sekunde gezögert. Doch einen hilflosen Mann zu erstechen? Konnte sie das wirklich tun?

  • Es waren zwei Portionen von irgendeinem einheimischen Essen, mehr konnte Vokarit nicht darüber sagen. Lag das vielleicht an seinem gefühlt unstillbarem Hunger? Bald schon hatte er auch den letzten Bissen verdrückt und fühlte sich besser. Zwar immer noch erschöpft, aber besser. "Hast du da nicht noch etwas vergessen?". Vokarit schaute in den Topf. Leer. "Nicht in dem Topf, da hinten!". Da war ja noch was! Vorsichtig tastete sich der Alb zu dem Bündel weiter hinten, wo er zuvor den Helm gesehen hatte. Er war noch da. Wer hätte ihn auch an sich nehmen sollen? Mit leicht zittrigen Händen untersuchte Vokarit den Helm. Es handelte sich um eine Ausführung wie sie von leichter Kavallerie der Frostalben getragen wurde. An der Unterseite des Nackenschutz hatte der Vorbesitzer scheinbar sein Zeichen hinterlassen. Vokarit hatte es noch nie zuvor gesehen, doch war ihm das Einheitensymbol daneben vage bekannt. "Ob die den Helm als Trophäe mitgenommen haben?". "Möglich. Sie werden ihn zumindest nicht einfach gestohlen haben, warum sollten sie auch?". "Könnte doch sein, dass einer der anderen Feldherren irgendwo in der Nähe sein Lager aufgeschlagen hat? Oder sie haben gegen eine Patrouille gekämpft? Hey, wie auch immer, dann bist du ja vielleicht doch nicht ganz allein.". Vokarit schnaubte verächtlich. "Wie könnte ich das denn bitte auch?". "Stimmt.". Der Frostalb beschloss den Helm erst einmal an sich zu nehmen. Er passte ihm nicht ganz, doch war es besser als gar kein Kopfschutz.


    Vokarit durchsuchte das Gepäck der beiden Arashi. Neben eher improvisiert scheinenden Ausrüstungsgegenständen und etwas Verbandszeug fand er immerhin etwas Proviant, einen noch fast vollen Trinkschlauch und eine Decke. Ihm war nicht wirklich kalt, doch würde das dicke Stück Wollstoff ein guter Schutz gegen die Witterung sein. Auch die anderen Fundstückte behielt er für sich. "Was jetzt?". Er dachte nach. "Wer weiss, wie viele von denen noch hier in der Nähe sind oder ob es Nachzügler gibt.". Vokarit nickte zu dem Leichnam, der einen halben Meter von der Feuerstelle entfernt lag. "Aber ich muss mich kurz ausruhen.". Vokarit setzte sich etwas abseits des Feuers an einen Baum und begann mit der Pflege seiner Ausrüstung, den fein geschmiedeten Brustpanzer behielt er an. Er wünschte sich seine Gefährten zurück und betete still, dass es ihnen gut gehen mochte. "War da was?". Vokarit verharrte in seiner Position, nur seine Augen bewegten sich, der Blick zuckte umher. Er war sich nicht sicher. Dann knackte etwas in unmittelbarer Umgebung, Vokarit schnellte hoch und griff nach seinem Schwert. Der schwache Schein des Feuers spiegelte sich in der leicht gebogenen Klinge des Langschwerts als Vokarits linkes Knie nachgab. "Hsssssssst!!", zischte er mit schmerzverzehrtem Gesicht. Das war zu schnell! Sein geschundener Körper rebellierte, doch spürte der Alb auch Adrenalin in sich aufsteigen. Litt er nun auch noch an Verfolgungswahn oder würde er bald sein Leben so teuer wir möglich verkaufen dürfen?

  • Mit einem der Dolche nahm Sasuke die Fische aus und schnitt sie in kleine Stücke, damit sie schneller einfroren. Er hatte Glück gehabt und mehrere Zopen und ein paar Bodenrenken fangen können, die nun seine leeren Vorratstaschen füllen würden. Wenn er doch nur ein bisschen Salz gehabt hätte... so musste die Kälte reichen, um das wertvolle Fleisch haltbar zu machen. Eigentlich konnte Sasuke langsam keinen Fisch mehr sehen, doch besaß er keine Fernwaffen, um einen Vogel zu schießen und um Fallen für kleine Nager oder Raubtiere zu stellen, fehlte ihm die Zeit. So würde es auch heute wieder ein eintöniges Mahl aus gebratener Zope und einem Eintopf aus Wurzelknollen und Pilzen werden. Immer vorausgesetzt, das klamme Holz und wenige Reisig ließe sich entzünden. Sasuke seufzte. Das Leben in der Stadt hatte ihn bequem gemacht. Direkt nach seiner Ausbildung hätte er monatelang in der Wildnis ausharren können und nun sehnte er sich bereits nach wenigen Wochen nach einem warmen Bett, gewürzten Speisen und einem kräftigen, heißen Tee.
    Nachdem der Fisch zerteilt war, zerkaute Sasuke etwas Engelwurz und Bärlauch und legte sein Bein frei, um die alte Wunde damit einzureiben. Früher hätte er so etwas als Kratzer bezeichnet. Heute zuckte er bei jeder neuen Belastung zusammen wie ein wehleidiges Kind. <Früher hätte ich so eine Wunde gar nicht zugelassen...>
    Bequem und nachlässig und alt, das war er geworden.
    Das Krächzen und Flügelschlagen aufgescheuchter Krähen ließ Sasuke innehalten. Er sah nach oben und in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, doch die Bäume versperrten ihm den Blick. Regungslos blieb Sasuke sitzen und fokussierte sich stattdessen auf sein Gehör. Zu seiner Linken knarzte ein Baum, irgendwo rieselte Schnee von einem Ast. Ansonsten: Stille. Es konnte alles sein. Ein Wolf oder ein Bär, ein Jäger aus einer der vielen Siedlungen um das Herz des Waldes herum, ein Trupp Rebellen... oder Alben. Von keinem davon wollte Sasuke im Schlaf überrascht werden und er beschloss nachzusehen. Leise erhob er sich, gab die Fischstücke in den Topf, schnürte sein Bündel und huschte zwischen die Bäume.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau


  • K
    adlin schloss die Augen und atmete tief durch. Das Jagdmesser in ihrer Hand wog auf einmal schwer wie Blei. Dicke, rote Blutstropfen fielen in den weißen Schnee als sie plötzlich taumelte. Ein leises Knacken war zu hören, als sie unachtsam rücklings auf einen Zweig trat. Die erfahrene Jägerin kämpfte gegen die Übelkeit an, die sie zu übermannen drohte. Sie hatte es wirklich getan. Ihr Stich war gezielt gewesen, mitten ins Herz, kurz und schmerzlos. Das war es zumindest, was sich die junge Frau einredete. Eine kalte Nase stupste sie an. Norgrim! Kadlin fiel auf die Knie, schloss ihren Hund in die Arme und vergrub das Gesicht im winternassen Fell ihres Gefährten. Ein tiefes Grollen erklang aus Norgrims Kehle, während er irgendetwas – oder irgendjemanden – hinter seiner Herrin fixierte. Alarmiert hob die Norkara den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um mit ihrem Gewissen zu hadern. Sie wechselte das Messer in die linke Hand und klaubte mit der Rechten ihren fallen gelassenen Speer auf. Langsam und behutsam ging sie voran, während Norgrim hinter ihr im Schatten der Bäume verschwand. Er würde das Lager umrunden und wenn nötig von der gegenüberliegenden Seite eingreifen. Ein leises Keuchen ließ Kadlin erneut innehalten und half ihr den Angreifer zu lokalisieren. Behutsam trat sie in den Lichtschein des Lagerfeuers, nicht ohne einen raschen Blick auf den zweiten Leichnam zu werfen. Dort stand sie nun, in sicherer Entfernung zu dem Alben, der sein Schwert bereits gezogen hatte.

    N
    eugierig legte Kadlin den Kopf schief und betrachtete ihr Gegenüber. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen Alben gesehen und doch wusste sie ganz genau, was ihr da gegenüber stand. Sie hatte Geschichten gehört, düstere Geschichten über eben jenes grausame Volk. Der fremde Krieger mochte gefährlich sein, was nicht zuletzt die zwei Toten im Lager bewiesen und doch hatte er irgendetwas an sich, was Kadlin zögern ließ. „Hast du das getan?“, fragte sie einer spontanen Eingebung folgend und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf den Toten. Sie wusste nicht, ob der Fremde sie verstehen konnte, wusste nicht, ob er ihre Sprache beherrschte. Ihre großen, moosgrünen Augen blickten ihn fragend an, folgten jeder seiner Bewegungen. Die eigenen Waffen drohend erhoben, ließ Kadlin selbst jedoch keinen Zweifel daran, dass sie sich zur Wehr setzen würde, käme er auf die dumme Idee sie anzugreifen. Der Krieger sah erschöpft aus und auch wenn er ihr vermutlich an Kraft überlegen war, so schien die Norkara für den Moment in deutlich besserer körperlicher Verfassung zu sein. Ein dunkler Schatten löste sich hinter dem Alben aus dem Dickicht des Waldes und begann große Kreise um das Lager herum zu ziehen. Norgrim knurrte mit einem tiefen Bass und fletschte angriffslustig die Zähne. Ihr treuer Gefährte würde ihr ohne zu zögern in den Kampf folgen und ihr beistehen. „Ich an deiner Stelle, würde mir das Ganze gut überlegen…“, sagte die junge Frau selbstsicher und hob herausfordernd eine Augenbraue.

  • "Das ist keiner von diesem Rebellenpack.", stellte die Stimme in Vokarits Kopf erstaunt fest. "Ich sehs.", presste der Alb zwischen den Zähnen hervor. Er umfasste den Griff seines Schwertes nun fester und bereitete sich auf eine Abwehrreaktion vor. Er konnte diese...ja...diese...Frau nicht einfach so angreifen. Es lag nicht etwa daran, dass er sich vor ihr fürchtete, viel mehr traute er seinem Körper nicht zu gegen sie zu kämpfen, denn schließlich wusste er nichts über sie und ihre Fähigkeiten. Bei den Rebellen war es einfacher. Das waren Bauern, Milizionäre und lächerliche Soldaten. Doch hatten sie es trotzden geschafft... Vokarit schüttelte den Kopf um diesen Gedanken nicht zuendedenken zu müssen. Jedenfalls war ein plötzlicher Angriff seinerseits ausgeschlossen. Nicht in diesem Zustand. Vorsichtig und langsam bewegte sich der Alb nach rechts, weiterhin auf die ihm gegenüber achtend. Er ließ die Frau nicht aus den Augen, während er mit der freien Hand nach seinem Bündel tastete. Schließlich bekam der Alb es zu fassen und hob es auf. "Ich werde jetzt einfach weitergehen. Ich überlasse euch dieses Lager und das, was ihr darin findet. Es ist Krieg, zu dieser Zeit ist alles kostbar.". Kurz zuckte sein wachsamer Blick in Richtung Leichnam. "Oder gehört ihr zu ihnen?". Ein Knurren hinter sich hörend wirbelte Vokarit herum. "Was haben wir denn da?". Der Alb warf der Norkara einen anerkennenden Blick über die Schulter hinweg zu und nickte knapp. Ein tierischer Begleiter also. "Du hattest auch mal ein Haustier, weisst du noch? Frostschuppe, der Waran? Schönes Reittier.". "Sag seinen Namen nicht!", blaffte Vokarit nach links, so als würde er eine dort stehende Person zurechtweisen. Es war jedoch für die Norkara und auch ihren Begleiter offensichtlich, dass da niemand war. Trotzdem zuckten sie bei Vokarits Ansage im Feldherrenton zusammen, mit solch einer Reaktion hatten sie nun wirklich nicht rechnen können. "Ich glaube du verstörst gerade ein wenig deine neuen Freunde.". Vokarit schaute nun zwischen Kadlin und Norgrim hin und her. "Jedenfalls werde ich...". Ein dumpfes, metallisches Poltern erklang, als der Reiterhelm aus Vokarits Bündel rutschte und auf den von den Spähern festgetrampelten Boden fiel. Dort kullerte er unkontrolliert umher, dann direkt in Richtung Kochstelle. Vokarit hechtete dem Helm hinterher. Er bekam diesen zu packen, begrub ihn unter sich und rollte sich ab, so wie er es während seiner Ausbildung gefühlt viel zu oft trainiert hatte. Wie sich herausstellen sollte war es nicht eine seiner besten Ideen. Sämtliche Luft wurde beim Aufprall auf dem Boden aus Vokarits Lungen gepresst und er schnappte nach seiner Dreipunktlandung lauthals nach Luft. Hastig verstaute er den Helm etwas unbeholfen in seinem Bündel und hob wieder das Schwert in Richtung seiner, nunja, seiner was eigentlich? Seiner Jäger? Häscher des Feindes? Waren sie ihm gefolgt? Warum sie? "Wisst ihr, wer ich bin?". Vokarit fragte die Frau nun gerade heraus und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. "Das könnte interessant werden. Ob sie wirklich hinter dir her sind?". "Wir werden sehen.", flüsterte Vokarit. Er war jedenfalls bereit für das Ende. Falls es soweit kommen musste, so würde er aber mindestens einen von beiden mit sich in die Finsternis des Todes reißen. Seine Seele mochte am Wahnsinn lecken, doch war dies Fluch und Segen zugleich, selbst in Situationen wie diesen. Und das sah man ihm auch an.

  • Das Knurren eines wilden Tieres bestätigte Sasuke, dass er in die richtige Richtung ging. Ein Wolf vielleicht? Vorbehaltlich lockerte er das Langschwert in der Scheide und tastete auf die andere Seite nach den Griffen seiner Dolche. Normalerweise mieden die Tiere das Zusammentreffen mit einem Menschen und Sasuke hielt es ebenso. Niemals würde er eines grundlos verwunden. Wenn es sich allerdings um ein ausgehungertes Exemplar handelte, war Vorsicht besser als Nachsicht.
    Geduckt und so leise wie möglich ging Sasuke voran. Der Wind drehte ein wenig und trug den Geruch von verbranntem Holz heran. Also doch kein wildes Tier... Oder nur eines, dass die Überreste eines verlassenen Lagers nach Essbarem absuchte? Sasuke ging vom Schlimmsten aus und stellte sich auf kriegerische Truppen ein, von welcher Fraktion auch immer. Vorsorglich verlangsamte er sein Tempo.
    Da! Er hörte Stimmen, konnte aber die Worte nicht verstehen. Erneut das Knurren... Sasuke ging nun so langsam wie möglich. Bislang hatte er nur zwei Stimmen vernommen, ein Mann und eine Frau. Der Aussprache nach handelte es sich bei dem Kerl um einen Alben, doch die Frau? Schwer zu sagen... ebenso wenig konnte er sicher sein, dass nicht noch mehr Personen in der Nähe waren, ganz zu schweigen von dem Tier, das, wenn der Wind ungünstig stand, sofort seine Witterung aufnehmen würde. Trotzdem ging Sasuke weiter. Er musste wissen, womit er es zu tun hatte.
    Nur wenige Schritte weiter stieß er auf einen Körper im Schnee. Schnell verschaffte sich Sasuke einen Überblick und presste die Lippen zusammen. Arashi... Er schickte ein stummes Stoßgebet zu Segira für den gefallenen Kameraden. Das Werk des Alben! Keine Frage. Jedoch... trotz des einsetzenden Dämmerlichts erkannte Sasuke zwei tödliche Wunden, von denen eine frischer wirkte, als die andere. Was ging hier vor? Ein Scheppern erklang von vorn. Noch immer neben der Leiche stehend, hob Sasuke den Blick und spähte zwischen den Bäumen hindurch in das Licht eines kleiner werdenden Feuers. Da war der Alb, ein Krieger ohne Zweifel und in seinem Rücken erkannte er den Schemen des Tieres, kein Wolf, eher ein Hund. Die zweite Person stand mit dem Rücken zu ihm. Der Kleidung nach war sie keine Albe. Beide hatten ihre Waffen gezogen, griffen sich aber nicht an. Unschlüssig verharrte Sasuke. Der Drang, den gefallenen Landsmann zu rächen, loderte in seinem Inneren, doch er versuchte die Gefühle zu beherrschen. Wut und Hass führten zu Fehlern und er konnte sich keine weiteren Fehler erlauben. Er musste wissen, was hier vor sich ging, wagte sich aber noch nicht näher heran.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau


  • W
    achsam beobachtete Kadlin den Alben, sie ließ ihn keinen einzigen Augenblick aus den Augen. Es hatte den Anschein, dass er diese zwei Arashi ermordet hatte, auch wenn er selbst auf ihre Frage nicht reagiert hatte. Sie durfte ihn also nicht unterschätzen, sich nicht einfach von ihm überrumpeln lassen. Schweigend hörte sie sich seine Worte an. Er wollte ihr das Lager kampflos überlassen, zumindest hatte er das gesagt. Einen kurzen Augenblick dachte sie darüber nach und wollte gerade eine passende Antwort geben, als der plötzliche Ausbruch des Alben sie aus dem Konzept brachte. Kadlin zuckte kaum merklich zusammen und wich ein paar Schritte zurück. Was war mit diesem Kerl? Redete er etwa… mit sich selbst? Bestimmt hörte er Stimmen oder hatte mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen. Auf jeden Fall erschien er ihr unbeholfen, vielleicht war er auch verletzt und litt unter Wundbrand. Die Norkara legte den Kopf leicht schief und antwortete dann: „Ich weiß nicht, wer du bist. Ich kämpfe in niemandes Krieg und habe nicht vor mich auf irgendeine Seite zu stellen.“. Unentschlossen was sie nun tun sollte, blickte sie den Alben an. Wenn sie ihn fort schickte, könnte sie sich nicht sicher sein, ob er nicht nachts zurück kehren würde um auch ihr die Kehle durchzuschneiden. Die zweite Möglichkeit gefiel ihr jedoch noch weniger. Sie konnte ihn jetzt angreifen, in seinem Zustand hatte sie gewiss den Vorteil auf ihrer Seite. Doch wenn sie kämpften, dann gewiss auf Leben und Tod. Sie selbst war allerdings weder bereit zu sterben noch dazu erneut zu töten.

    U
    nentschlossen begann die junge Norkara auf ihrer Unterlippe herum zu kauen. Was sollte sie nun tun? Dann fiel ihr noch eine dritte Option ein, eine die ebenfalls gewisse Risiken mit sich brachte, aber in Anbetracht der Ausgangssituation vielleicht die beste Entscheidung war. „Ich will nicht gegen dich kämpfen…“, sagte sie ruhig und steckte zum Beweis ihr Jagdmesser weg. Jetzt nur noch mit einem Speer bewaffnet, blickte sie dem Alben in die Augen. „Es steht dir frei zu gehen, doch wenn du willst…“, sie deutete auf das Lagerfeuer, bevor sie weiter sprach: „… kannst du auch bleiben.“. Sie drehte sich und ging um das Feuer drum herum, sodass es nun zwischen ihr und dem Alben lag. „Norgrim!“, rief sie dann deutlich und der Schatten zwischen den Bäumen trat hervor. Das Nackenfell des Rüden war immer noch gesträubt, es schien als würde der Hund die Entscheidung seiner Herrin nicht gut heißen. In leicht geduckter Haltung schlich er an dem Fremden vorbei. Kadlin zückte erneut ihr Messer und schnitt eine der Hasenkeulen von ihrer Jagdbeute, um sie ihrem treuen Begleiter zuzuwerfen. Dieser schnappte mit kräftigen Kiefern nach dem Fleisch und verschwand zwischen den Bäumen um zu fressen. Mit geübten Handgriffen begann die Jägerin nun den Hasen zu häuten und ließ immer mal wieder den Blick zu dem Alben gleiten. „Du könntest dich nützlich machen und etwas Feuerholz nachlegen.“, sagte sie so beiläufig wie möglich und bemühte sich dabei gelassen zu klingen. Sie wollte auf den Krieger nicht wie ein ängstliches, kleines Mädchen wirken.

  • Der düstere Blick von Vokarit klarte etwas auf. Er nahm eine etwas entspanntere Haltung ein, jedoch weiterhin wachsam und bereit für einen etwaigen Angriff. "Mich nützlich machen...", murmelte der Alb und beobachtete die Szenerie. Er hatte sich scheinbar zu sehr daran gewöhnt mit "Herr" angesprochen zu werden. Die Stimme in seinem Kopf lachte schallend. "Jah! Aber unbedingt! Los, tu gefälligst auch mal was!". Vokarit kniff die Augen fest zusammen und atmete tief durch. <Ganz ruhig.>. Seine Gedanken kreisten umher. Was nun? Etwas weiter ausruhen, ja, das würde nicht schaden...ganz im Gegenteil sogar. Aber wie konnte er sich sicher sein, dass er nicht Opfer einer List werden würde? Die junge Frau war nicht von hier. Konnte er ihren Worten überhaupt Glauben schenken? "Hast dus bald?". Vokarit sog scharf Luft ein. "Kannst du nicht einmal still sein?". Die Norkara blickte kurz auf und bemerkte schnell, dass sie mit diesem Satz nicht gemeint sein konnte. "Wie könnte ich? Außerdem hast du immer noch kein Holz nachgelegt.". Vokarit schaute zu dem kleinen Haufen Holzscheite hinüber und ging darauf zu. Norgrim folgte Vokarits Bewegungen und der Alb meinte sogar einmal ein leises Knurren von dem Tier vernommen zu haben. Halbherzig nahm Vokarit einen der Scheite und legte ihn in das kleine Feuer.
    "Was solls...", sagte er leise zu sich selbst und steckte nun auch seine Klinge weg. Dann sammelte der Alb schnell seine Ausrüstung zusammen und setzte sich auf die andere Seite des Feuers, direkt gegenüber von Kadlin auf den Boden. "Der große Vokarit Kaltherz befolgt Anweisungen einer kleinen Frau und traut dieser völlig fremden Person scheinbar auch noch?". Vokarit ignorierte die verhöhnenden Worte in seinem Kopf. Er saß einfach nur still und regungslos da, starrte durch die nun langsam größer werdenen Flammen Kadlin und ihren Begleiter an. Wieder flogen Gedanken, Fragen und Vermutungen durch seinen Kopf, doch ließ er sich nichts anmerken. Er dachte nach, schätzte ab, beobachtete. Dann unterbrach Vokarit plötzlich die eingekehrte Ruhe. "Ihr gebt vor in keinem Krieg zu kämpfen. Aber wenn es so ist wie ihr sagt, was führt euch dann hierher? Aussicht auf leicht verdientes Geld? Beute? Abenteuer?". Die eine Hand lag locker auf dem Schwertknauf, mit der anderen Hand massierte sich Vokarit nun den Schmerz aus dem seitlichen Halsmuskel. Er konnte noch nicht genau sagen was er von der fremden Frau halten sollte. Es schien als sei sie nicht von höherem Stand, eher so etwas wie eine einfache Jägerin. Ob sie seinen Rang erkannt hatte? Natürlich war es aufgrund seiner Ausrüstung schon fast offensichtlich, dass er kein einfacher Soldat sein konnte. "Du willst also wissen wer dich umbringt, falls es soweit kommt?". "Welchem Handwerk geht ihr nach?". Für Vokarit war klar, dass er handeln müsste sobald Worte wie Söldner oder Kopfgeld in der Antwort der Frau vorkamen.

  • Eine Norkara, zweifelsohne. Der zweite Blick auf ihre Kleidung, der tierischen Begleiter und nun, da Sasuke wusste, worauf er hören musste, auch die Aussprache… Bei der Frau musste es sich um eine Norkara handeln, Kleidung und Ausrüstung nach aus einem der nördlichen Clans. Allerdings brachte ihn diese Erkenntnis nicht wirklich weiter. Immer wieder streiften Norkara durch Arashima, wenn meist auch eher in Küstennähe und nur in den allerwenigsten Fällen waren sie in den Befreiungskrieg verwickelt.
    Die Information, die das auflodernde Feuer Sasuke über den Alben schenkte, war schon eher gewinnbringend. Dies war mitnichten ein einfacher Soldat, dies war ein Anführer. In den letzten Jahren hatte Sasuke zu viele albische Rüstungen gesehen, um die Besonderen darunter zu verkennen. <Wenn er ein Anführer ist, warum ist er alleine? Oder… ist er das?> Sasuke wagte nicht, sich zu rühren und lauschte angestrengt nach dem Gespräch am Feuer, ebenso wie in den Wald hinein. Ein offener Kampf mit dem Alben war an und für sich bereits riskant genug. Solange er nicht ausschließen konnte, dass dessen Truppe sich in der Nähe befand, war es reine Torheit. <Und die Frau? Auf wessen Seite würde sie stehen, wenn ich einen Angriff wage?>
    Nein - es war keine Option, nicht im Augenblick. Er brauchte mehr Information.


    Das Verhalten des Alben gab ihm Rätsel auf. Mit dem Kerl stimmte etwas nicht. Er schien verwirrt und uneins. … und er hatte die Frau nicht angerührt. Im Gegenteil: er erwählte offenbar ihre Gesellschaft in dem Lager, das er zuvor erobert hatte. Warum? Scheute er einen Kampf? War er geschwächt oder verletzt und brauchte Hilfe? Sasuke konnte keinen Anzeichen einer größeren Wunde erkennen, doch das mochte nichts heißen. Diese Alben waren zähe Wesen. Er hatte schon Krieger mit aufgerissenen Bäuchen weiter kämpfen sehen.
    Langsam aber sicher fand die Kälte einen Weg zurück in Sasukes Stiefel. Zeit, sich für den nächsten Schritt zu entscheiden. Sein Blick fiel auf den Hund, der noch mit seiner Mahlzeit beschäftigt war. Wenn er sich zurückziehen wollte, dann jetzt, so gerne er das Gespräch am Feuer weiter verfolgt hatte. <Es ist zu früh. Ich kann mit keinem Alben gemütlich am Feuer sitzen und nachts, wenn ich schlafe, schlitzt er mir die Kehle durch.> Still wie ein Schatten trat Sasuke einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen. Er würde sich ein kaltes Nachtlager in ausreichend Entfernung einrichten und die beiden am nächsten Tag verfolgen. Die Norkara wirkte mitnichten schutzbedürftig, doch irgendetwas musste der Alb bezwecken. Sasuke sah sich in der Pflicht, dies herauszufinden.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau


  • D
    er Alb verhielt sich weiterhin merkwürdig, doch Kadlin ließ sich nicht beirren. Sie atmete erleichtert aus, als der Krieger es ihr gleich tat und endlich seine Waffe weg steckte. Immer wieder murmelte er vor sich hin, sprach mit Geistern, die sie nicht sehen konnte. Doch als er endlich Feuerholz nachgelegt hatte und die Flammen an neuer Kraft gewannen, ließ er sich ihr gegenüber nieder. Die Jägerin war in der Zeit nicht untätig gewesen, sondern hatte den Hasen vorbereitet. Nun griff sie nach einem Stock und befreite ihn mit ihrem Messer von der Rinde, ehe sie das Wild darauf steckte und begann es über dem Feuer zu braten. Sofort breitete sich ein köstlicher Geruch aus und mit der Zeit tropfte das Fett hinab und zischte immer mal wieder in der Hitze der Flammen. Erneut begann Kadlins Magen fürchterlich laut zu knurren, sie hatte Hunger und das Wasser lief ihr bereits im Mund zusammen. Die Worte des Alben unterbrachen die Wartezeit und die Norkara blickte überrascht auf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie zusammen am Feuer sitzen und sich unterhalten würden. Also räusperte sie leise, bevor sie auf seine Fragen antwortete: „Ich bin Jägerin und genau deswegen bin ich auch hier. Ich bin auf der Jagd nach etwas Großem… Wie ich schon sagte, der Krieg interessiert mich nicht, ich werde dieses gegenseitige Abschlachten nie verstehen können.“. Sie blickte den Alben durch das Feuer hindurch direkt in die kalten Augen und zeigte dann auf eine der Leichen, die unweit entfernt lag. „Ich weiß, was du getan hast. Was haben die Männer dir getan? Waren sie eine Gefahr für dein Leben? Für mich sieht es eher so aus, als wurden sie aus dem Hinterhalt heraus angegriffen und abgeschlachtet wie Vieh.“, konfrontierte sie ihr Gegenüber mit den Tatsachen.

    W
    ährend die Jägerin auf eine Antwort wartete, nahm sie das Wild vom Feuer und biss beherzt in das zarte Fleisch. Sie hatte einen Bärenhunger, der dringend gestillt werden musste. Zufrieden kauend lehnte Kadlin sich entspannt zurück. Ihr Anblick hatte etwas Wildes an sich. Die Narben im Gesicht glühten Rot ob der Kälte und in ihrem zerzausten Haar hatten sich einige Schneeflocken verfangen. Ihre Essgewohnheiten waren wirklich wenig Damenhaft, doch das interessierte die junge Frau herzlich wenig. Gerade wollte sie in die verbliebene Keule beißen, als sie plötzlich inne hielt. In ihrer Miene arbeitete es, sie schien über irgendetwas nach zu denken. Dann kam ein leises Seufzen über ihre Lippen. „Hast du Hunger?“, fragte sie mit einem Tonfall, der deutlich klar machte, dass sie selbst mit der Entscheidung die sie getroffen hatte, nicht ganz zufrieden war. Sie blickte den Alben fragend an und streckte ihm das köstliche Fleisch widerwillig entgegen. Sie sollte ihn wirklich freundlich stimmen, ihm keinen Grund liefern sie nicht doch noch anzugreifen. Für was auch immer sich der Fremde entschied, sie würde diese Nacht ganz gewiss keinen Schlaf finden. Vielleicht mochte sie etwas naiv und leichtsinnig sein, mit diesem Krieger das Lager zu teilen, doch für dumm ließ sie sich gewiss nicht verkaufen. Sie war noch jung und sie hing an ihrem Leben, es gab noch so viele Dinge, die sie erreichen wollte. Plötzlich etwas besorgt hielt sie nach Norgrim Ausschau. Der Hund hatte sein karges Mahl förmlich verschlungen, doch nun war er weit und breit nicht mehr zu sehen. Vielleicht hatte er beschlossen sich selbst noch einen Nachschlag zu erlegen, dieses Verhalten war nicht untypisch für den Rüden. Er würde bis zum Morgengrauen zu ihr zurück kehren, da war sich die Norkara ganz sicher.

    S
    ich zufrieden über die blutige Schnauze leckend lag Norgrim im tiefen Schnee. Das dichte, silbergraue Fell schützte ihn vor der eisigen Kälte der hereinbrechenden Nacht. Ein leises Knirschen im harschen Schnee ließ ihn plötzlich aufhorchen. Seine empfindlichen Ohren stellen sich aufmerksam auf und er streckte die Nase in den Wind um Witterung aufzunehmen. Da war doch jemand! Die klugen, eisblauen Augen blickten in die Dunkelheit des Waldes. Sollte er Alarm schlagen? Doch als die kaum hörbaren Geräusche sich entfernten, blickte er nur kurz zum Lager zurück und entschied sich dann, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Seine großen, kräftigen Pfoten versanken nur wenig im Schnee, als er sich aufrichtete um dem Geruch zu folgen. Der erfahrene Jäger brauchte nicht lange, um die Quelle der Geräusche auszumachen. Ein schwarzer Schatten in der Dunkelheit, dem Geruch zu Folge ein Mann. Der Rüde legte neugierig den Kopf schief und nahm dann eine lauernde Haltung ein. Dieser Mensch schien für seine Herrin keine direkte Gefahr zu sein. Er hatte sich nicht gezeigt, sich versteckt gehalten und sich wieder entfernt. Der Fremde hatte nichts Unrechtes getan, es gab keinen Grund ihn anzugreifen. Dennoch hatte Norgrim das Bedürfnis ihn im Auge zu behalten, nur um ganz sicher zu sein, dass er nicht in aller Heimlichkeit zurück kehren konnte. Es war seine Aufgabe Kadlin zu beschützen und er würde sie mit seinem Leben verteidigen. Die Menschenfrau war seine Familie, sie zwei zusammen bildeten ein Rudel. Er hatte sich ihr untergeordnet, denn sie war stark und wusste immer den richtigen Weg einzuschlagen. Er folgte ihr schon seit vielen Jahren, sie waren gute Gefährten geworden.

  • Vokarit ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Schließlich zuckte sein linker Mundwinkel leicht nach oben, dann folgte er dem suchenden Blick der Norkara. Der Hund war verschwunden. Mit einer knappen Handbewegung, schon fast eher beiläufig lehnte Vokarit das ihm angebotene Fleisch ab. Dann sprach er plötzlich mit seltsamer, schon fast tonloser Stimme:"Ihr weisst nicht, was ich getan habe.". Trotz der Wärme des Feuers lag auch eine Eiseskälte auf den ruhigen Worten des Alben. Er saß aufrecht da, legte den Kopf leicht schief und seine Augen verengten sich. "Wie kann sie es nur wagen?!". "In einem Krieg ist jeder Feind eine Gefahr für das eigene Leben.". Nun schaute Vokarit verächtlich zu dem toten Körper, dann zuckte seine Aufmerksamkeit abrupt wieder zurück auf die Jägerin. "Glaubt mir.", sagte er dann und schüttelte langsam den Kopf. "Hinterhalt...abgeschlachtet wie Vieh.". Er wiederholte Kadlins Worte quälend langsam und mit düsterem Unterton. Vor Vokarits innerem Auge spielten sich Szenen der Vergangenheit ab. Bilder tanzten in seinem Kopf umher. Bilder seiner toten Kameraden. Bilder derer, die einen dieser feigen Angriffe der Rebellen irgendwie überstanden hatten. Bilder von sterbenden Alben. Wut hatte sich in seinen Gedärmen entzündet und nagte an ihm. "Der nächste Krug geht auf sie! Auf all die gefallenen Kameraden!". Vokarit griff sich an den Gürtel, doch seine Finger tasteten ins Leere. <Natürlich...>. Er erinnerte sich an das Fehlen seines geliebten Weinschlauches und ließ die Hand schließlich auf seinem Knie ruhen. "Letztendlich...", Vokarit versuchte die Bilder in seinem Kopf wie eine Fliege zu verscheuchen. "Letztendlich hat das alles nichts zu sagen. Krieg hält sich an keine Regeln und am Ende sind es alles Schergen, die ihr Leben für ihre Herren hergeben. Zahlen auf Papier, wenn überhaupt.". Natürlich hatte Vokarit kaum jemanden von seiner kleinen Streitmacht gekannt. Sie waren alle nur seine Werkzeuge, abgesehen von seinem Bannerträger und vielleicht sogar dem ein oder anderen höheren Offizier. Verluste schmerzten eher aufgrund der fehlenden Klinge in den Reihen. "Aber vielleicht habt Ihr ja wirklich Recht.". "Was?!". "Es kann gut sein, dass Ihr dieses gegenseitige Abschlachten nie verstehen werdet.". Vokarit erhob sich langsam, zuckte knapp mit den Schultern und ging ein paar Schritte auf und ab. "Wie jagt Ihr eure Beute? Ich nehme an damit?". Er nickte in Richtung Kadlins Speer. "Legt Ihr Fallen? Große Fallen für das, wonach auch immer ihr sucht?". Vokarit stellte noch ein paar weitere Fragen, die jedoch nicht Kadlin als Person sondern eher ihrer Profession galten. Falls sie es sich doch anders überlegen und Jagd auf ihn machen sollte wäre die ein oder andere Information sicherlich hilfreich. Langsam wich nun auch wieder der Schatten aus Vokarits Blick und seine Stimme klang wieder etwas weniger bedrohlich.

  • In was er für eine sichere Entfernung hielt, löste Sasuke seinen Beutel und breitete die Decke auf einem notdürftig vom Schnee befreiten Flecken Erde aus. Anschließend hing er seine Vorräte an einen Ast, um keine ungebetenen Gäste anzulocken. Nur eine Hand voll Pilze und zwei der bitteren Wurzelknollen behielt er sich für ein karges Abendbrot. Er versuchte nicht an den gebratenen Hasen zu denken, den die Norkara gerade verspeiste. Beim Essen ließ er die Gedanken schweifen. Beide, sowohl die Norkara als auch der Alb, waren ziemlich tief in Rebellenland vorgedrungen, wenn auch aus unterschiedlichen Richtungen. In keinem Fall mochte dies einen tieferen Grund haben, trotzdem war es augenscheinlich. Wenn nur ein wenig mehr von der Unterhaltung der beiden zu Sasuke durchgedrungen wäre! Möglicherweise bot sich morgen eine Möglichkeit, näher heran zu kommen, wenn sie denn weiterhin in Gesellschaft blieben. Natürlich durfte er auch den Hund nicht vergessen. Ein falscher Tritt, einmal eine schlechte Windrichtung und das Tier wüsste sofort um seine Anwesenheit. Ein Wunder eigentlich, dass er ihn nicht jetzt schon entdeckt hatte. Sasuke schob es auf die Ablenkung durch frisches Hasenfleisch, fragte sich aber, ob er damit nicht nur versuchte, sich selbst zu beruhigen. Ganz unwillkürlich suchten seine Augen die Umgebung ab, lauschten seine Ohren nach einem Hecheln oder Knurren und tastete seine Nase nach einem fremden Geruch. Doch da war nichts, nur das Rauschen der fernen Baumwipfel, das Knacken der Äste unter der Schneelast und die tiefer werdende Stille der hereinbrechenden Nacht.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau


  • K
    adlin reagierte fast schon erleichtert, als der Alb das Fleisch ablehnte. Sie hatte wirklich riesigen Hunger und es war mehr eine Frage aus Anstand gewesen. Während der Krieger versuchte sich zu erklären, biss die junge Norkara in das saftige Fleisch und kaute anschließend genüsslich. „Hmmh…“, murmelte sie dabei leise schmatzend. Als sie fertig war, nagte sie gewissenhaft die letzten Reste von den dünnen Knochen. Fleisch war einfach zu kostbar, um auch nur ein wenig davon zu verschwenden. Anschließend warf sie die Knochen achtlos nach hinten und wischte sich wenig damenhaft mit dem Handrücken das Fett von den Lippen. Die Frage nach ihren Jagdmethoden ließ die junge Frau innehalten. Wieder blickte sie auf und schaute dem Alben furchtlos und direkt in die Augen. Wenn er versuchte sie auszuhorchen, dann tat er es auf jeden Fall nicht sonderlich unauffällig. Kadlin konnte sich ein schiefes Grinsen nicht verkneifen und griff nach ihrem Speer. Der Krieger hatte schon beinahe abfällig danach gefragt. Auf Fremde machte ihre Waffe einen einfachen und keinen besonders gefährlichen Eindruck, doch wenn man damit umzugehen wusste, konnte sie genauso tödlich sein wie das Schwert des Kriegers. Fast schon liebevoll drehte die Jägerin den Speer in ihren Händen. Das Holz war alt und abgegriffen, doch der metallene Keil am Ende war scharf wie ein Rasiermesser. „Ein guter Jäger passt sich stets an seine Beute an. Einige Tiere sind verdammt schlau und man muss sie überlisten, um ihnen überhaupt nah genug zu kommen. Fallen sind manchmal ein gutes Mittel zum Zweck, jedoch nur wenn man sich entsprechend die Zeit dafür nimmt.“, antwortete sie vage auf seine Fragen.

    D
    ann blickte sie wieder auf und legte den Speer beiseite. Die Flammen tanzten munter in der provisorischen Feuerstelle und erhellten das mürrische Gesicht der jungen Frau. Im Schein des Feuers schien es so als würden die roten Narben auf ihrer Wange beinahe leuchten. „Ganz schön merkwürdig…“, sagte sie dann nachdenklich. „Ich hätte schwören können, dass du mir sofort einen Dolch zwischen die Rippen jagst, sobald du die Gelegenheit dazu bekommst.“, fügte sie hinzu und lachte dann amüsiert auf. „Oder es zumindest versuchen würdest…“, stichelte sie mit einem schelmischen Grinsen. „Vielleicht verstehe ich tatsächlich nichts vom Krieg, vielleicht kann ich deine Entscheidungen und Handlungen niemals nachvollziehen… Dennoch sitzen wir hier, gemeinsam und friedlich. Wenn du willst und mir vertraust, kannst du dich ruhig ein wenig erholen. Ich werde die Nachtwache übernehmen.“, bot sie dem Fremden ganz ohne Hintergedanken an und wandte sich dann vom Feuer ab. Es war Zeit ihre Sinne zu schärfen und das Licht ruinierte ihr die Nachtsicht. Die junge Norkara lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und verschränke die Arme unter der Brust. Sie war ausreichend warm gekleidet, ihre Pelze boten ihr Schutz vor der eisigen Kälte der Nacht und dem bissigen Wind. Die moosgrünen Augen blickten gen Himmel. Erneut hatte starker Schneefall eingesetzt und legte sich wie ein weißes Leichentuch über die Leichen der Arashi. Die gesamte Situation wirkte auf einmal so friedlich, im Wald war es ruhig, die Nacht setzte ein und der zunehmende Mond lag hinter einer dichten Wolkendecke verborgen.

  • Schweigend folgte Vokarit Kadlins Erklärung. Der Hauptmann meinte Parallelen zwischen ihrer beider Handwerk zu erkennen. Sein Blick fiel auf die Narben auf der Wange der Frau. Vokarit erinnerte sich zurück an einen seiner Soldaten, der ungefähr in ihrem Alter gewesen sein mochte. Er hatte sich mehrmals verbotenerweise aus der Schlachtlinie zurückgezogen, wurde am Ende Opfer seiner eigenen Feigheit, auf der Flucht und ohne, dass seine Klinge je das Blut eines Feindes gekostet hatte. Oder der andere, der töricht genug gewesen war und den Feind in schwieriges Gelände verfolgt hatte. Es war ein leichtes für die Rebellen gewesen den Alb wie ein Stück Vieh zu töten. Vokarit verzog das Gesicht. "Die kurze hätte die Kerle vermutlich einfach platt gemacht. Vielleicht hätte sie es sogar mit einem aus der vierten Kompanie aufnehmen können?". Vokarit musste sich eingestehen, dass es wohl stimmen mochte. Als die junge Frau weitersprach zuckten seine Augen wieder zurück. Sie mocht zwar fähiger, mutiger oder gerissener sein als manche seiner mittlerweile wohl toten Männer, doch schien es ihm als bereite er ihr trotzdem noch so etwas wie Unbehagen.


    Ein leises Klingen war zu hören als Vokarit sich anders hinsetzte. Er ließ Kadlins Gedanken über den Krieg unkommentiert und schnürte sich sein Bündel um. "Ich werde noch ein wenig rasten, dann aber zeitig weiterziehen.". Vokarit hörte sich selbst diese Worte sagen. Irgendetwas war anders. "Oho!". Tatsächlich. Es kam ihm so vor, als sei gerade ein Stück seiner Befehlsstimme wiedergekehrt von der er geglaubt hatte sie sei verloren. "Der Weg ist noch weit. Ich muss noch bis nach...". Wohin eigentlich? Vokarit unterbrach sich. Wenn er das nur wüsste.
    Dann legte der Alb die Hände zusammen, schloss die Augen und atmete tief durch. So saß er da, nahm die Stille um sich herum wahr und fühlte wieder mehr Kraft in seinen Beinen. Schnee fiel leise hinab und sammelte sich auf Vokarit, der wie versteinert einfach nur da saß und mehr und mehr in seiner Gedankenwelt versank. Langsam aber sicher wich auch der Schmerz.


    "Zu mir!", brüllte Vokarit. "Die Reihen schließen! Verdammt noch mal, schließt die Reihen!". Der Lärm um ihn herum schien seine Befehle zu verschlucken, ebenso der dicke Qualm, der von den Feuern um sie herum ausging. "Schilde!", schrie plötzlich jemand von links und Vokarit riss den Arm hoch. Das Trommeln von einschlagenden Pfeilen war von der anderen Seite seines Schildes zu hören, zwei eiserne Pfeilspitzen fanden ihren Weg hindurch, richteten jedoch keinen weiteren Schaden an. Die Schreie von getroffenen Soldaten ertönten und wieder lichteten sich die Reihen. "Ausrichten! Ausrichten!". Die Linie geriet ins Wanken, als der Kampfeslärm an Intensität zunahm. Eine Gruppe Rebellen brandete gerade wie eine Flutwelle in seine Einheit und begrub gute Männer unter sich. "Schlagt sie zurück!". Vokarit wirbelte mit der Klinge umher und fühlte das Adrenalin in sich kochen. Er stürmte voran. Irgendwo hinter ihm folgten seine Getreuen. Dann vergrub er die Klinge links und rechts neben sich in Fleisch, Knochen und Blut. "Nuharis!", bellte er über die Schulter zu seinem Bannerträger hinüber. "Nehmt ein paar Männer und...NUHARIS!". Ein Pfeil ragte aus dem Brustpanzer des Bannerträgers, der ungläubig auf den gefiederten Schaft starrte. "Nein!". Nuharis wurde von einem Schlag am Hinterkopf getroffen und der Alb kippte mit einer halben Drehung zur Seite hin um. Ein Rebell griff nach dem fallenden Banner, doch einer der Offiziere stürzte sich auf ihn. Vokarits Gesicht verzog sich zu einer irren und blutverschmierten Fratze als sich langsam ein roter Schleier über sein Blickfeld legte. Er lachte.


    Keuchend zuckte Vokarit zusammen und riss die Augen auf. Etwas Schnee fiel von ihm hinunter. Er hatte sich in einer Art Trance befunden, jetzt war er wach. Sein Herz hämmerte laut in seinem Brustkorb und es dauerte ein paar Sekunden bis er sich wieder gesammelt hatte. Er war im Wald. Fernab der Schlacht. Im Wald. Da war Feuer. Überall. Und Blut. Hier nicht, hier war nur ein kleines Lagerfeuer. Ein Kochfeuer. Vokarit erinnerte sich. Auch hier gab es Tote. Er war durch die Gegend geirrt, Wind und Wetter ausgesetzt. Doch er erinnerte sich. Ja. Sein Weg hatte ihn vom Schlachtfeld fortgeführt. In die Wildnis. Hier war er falsch. Er hatte etwas zu erledigen. Er musste zurück. Er musste es einfach wissen. "Ich gehe.". Vokarit stand auf, griff hastig seine Habe zusammen und stampfte los, direkt in die Richtung aus der er gekommen war. Vermutlich hatte er Kadlin mit seinem plötzlichen Handeln aufgeschreckt, wenn es so war hatte er es nicht wirklich mitbekommen. "Wie Ihr sagtet, ein guter Jäger passt sich stets an seine Beute an.". Der Alb grinste düster, denn in ihm begann eine kleine Flamme zu wachsen. "Lass mich raten...Und sie dort drüben ist erst der Anfang!?". Vokarit schüttelte sachte den Kopf und flüsterte ein leises "Nein." nach links.


    "Was für eine freundliche Verabschiedung.", höhnte die Stimme in seinem Kopf. "Nicht nötig.", zischte Vokarit als er das improvisierte Lager bereits ein Stückchen hinter sich gelassen hatte. Er hatte das Gefühl, dass er die Norkara wiedersehen würde.

  • Sasuke verschwendete keinen Gedanken an ein Frühstück. Im Nu waren seine Habe auf seinem Rücken verstaut, die Spuren der Nacht verwischt und er befand sich auf dem Weg in Richtung des Lagers. Die Glieder schmerzten ihm und zumindest eine Tasse heißer Tee hätte ihm gut getan, doch das musste warten, wenn er den Aufbruch des seltsamen Paares nicht verpassen wollte. Es war schon beinahe hell und kleine Flecken Blau zwischen den Bauwipfeln und den grauen Schneewolken ließen auf einen freundlichen Tag hoffen. Freuen konnte sich Sasuke darüber im Augenblick nicht. Viel mehr ärgerte er sich, dass er so lange geschlafen hatte. <Vermutlich sind sie schon lange weg! Oder tot – zumindest einer von beiden.> Er konnte die negativen Gedanken nicht aussperren, bis etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregte.
    Spuren im Schnee.
    Sie waren nicht ganz frisch, jedoch bedeckte sie nur eine dünne Schneeschicht und Sasuke war sich sofort sicher, woher sie stammten. Es gab nur einen kleinen Unterschied zwischen den Abdrücken von Wölfen und Hunden, doch wenn man wusste, worauf man zu achten hatte, konnte man sie kaum verwechseln. Sasukes Blick huschte in alle Richtungen, obwohl er nicht erwartete, das Tier zu entdecken. <Es ist mir gefolgt…>, schoss es ihm durch den Kopf. Und dann? Hatte es ihn etwa beobachtet, ausgespäht wie ein Kundschafter? Das hieß wohl, dass zumindest die Frau mittlerweile von seiner Anwesenheit wusste, schloss er verbittert. Er hatte überhaupt nicht gemerkt gehabt, dass er verfolgt worden war. Seine Sinne und seine Vorsicht ließen wirklich zu wünschen übrig. „Sie hat einen fähigen Gefährten, so viel ist sicher“, sagte er dieses Mal laut und setzte mürrisch und wachsam seinen Weg fort.
    Zwar war es nicht weit, trotzdem war es bereits heller Tag, als er am Ort des Geschehens ankam. So lange hatte er geschlafen… Sasuke unterdrückte erneut einen Anflug innerlicher Selbstzweifel. Er brauchte gar nicht näher heran treten, um zu sehen, dass das Lager verwaist war. Lediglich die Glut schickte noch ein schwaches Rauchfähnchen gen Himmel. Wenigstens entdeckte er keine weitere Leiche und kein frisches Blut auf dem Boden. Sasuke seufzte. Er war zu spät und es blieb ihm nichts, als den Boden nach Spuren abzusuchen und die Verfolgung aufzunehmen.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau


  • E
    s überraschte die Jägerin, dass der Alb ihr ausreichend Vertrauen entgegen brachte, um sich etwas Ruhe zu gönnen. Vielleicht hatte er einfach ein gutes Gespür und hatte ihre Wesenszüge schnell durchschaut. Sie würde schließlich niemals einen Mann einfach ohne Grund ermorden… Dann dachte sie an den Arashi. Er hatte noch gelebt und sie selbst hatte ihm sehr wohl das Messer tief in die Brust gerammt. Bei dem Gedanken breitete sich eine Eiseskälte in der Brust der jungen Frau aus. Sie hatte es getan! Doch es war gewiss nicht ihre Mordlust gewesen, die sie dazu getrieben hatte. Eher im Gegenteil! Der Mann wäre ohnehin gestorben, sie wollte nur sein Leiden beenden. Kadlin begann sich vor Unbehagen auf der Unterlippe herum zu kauen, als plötzliche Geräusche sie auffahren ließen. Es war die Stimme des Alben, die sie vernommen hatte. Sie blickte zu ihm hinüber und machte unsicher einige Schritte auf ihn zu. Der Krieger schien sie nicht mehr wahr zu nehmen, seine Augen waren geschlossen, er warf den Kopf hin und her und stammelte undeutlich vor sich hin. „Hey! Wach auf! Du träumst!“, sagte Kadlin zu ihm, unentschlossen was sie tun sollte. Doch ihre Worte bewirkten rein gar nichts. Den Blick auf sein Schwert gerichtet, jederzeit bereit einem Angriff auszuweichen, zog sie sich mit den Zähnen einen Handschuh aus und trat lautlos an den Träumenden heran. „Shhh…..“, flüsterte die Norkara leise und legte sacht ihre Hand auf seine Stirn. Der Alb glühte förmlich und leichte Schweißperlen hatten sich auf seiner Haut gebildet. Er musste unter einem schrecklichen Fieber leiden, doch sie hatte nicht die Möglichkeiten irgendetwas dagegen zu tun.

    K
    adlin hatte beschlossen den Alben einfach in Frieden zu lassen und entfernte sich vorsichtig rückwärts. Vielleicht hatte er eine Wunde und litt unter Wundbrand, in diesem Falle wäre er ohnehin verloren. Oder war es doch einfach nur der Geist eines alten Dämons, der in ihn gefahren war und ihn plagte? Sie griff nach einem Stück Holz, nahm ihr Messer zur Hand und begann zu schnitzen. Sie musste sich irgendwie wach halten, ein wenig Beschäftigung bei der Wache konnte nie schaden. Nach einiger Zeit erhob sich der Alb im Lager und begann unbeholfen seine Sachen zusammen zu sammeln. Seine Worte waren wieder deutlicher und sie blickte ihn über die schmale Schulter hinweg an. Was wollte er ihr mit seiner Aussage mitteilen? Sollte sie die Jägerin oder die Gejagte sein? Seine Richterin oder sein Opfer? Oder sprach er immer noch wirr und seine Worte bezogen sich letzten Endes gar nicht auf sie? Wie dem auch sei, der Alb drehte sich einfach um und ging. „Warte! Du solltest nicht….“, setzte Kadlin noch an, doch er schien sie nicht mehr gehört zu haben. Oder er wollte ihre Einwände auch einfach gar nicht hören. Kadlin zog die Stirn kraus und blickte auf das Stück Holz in ihrer Hand. Ein kleiner Bär mochte mit viel Fantasie zu erkennen sein, sie hatte ihn geschnitzt ohne wirklich darüber nachzudenken, was sie tat. Sie ließ die Figur achtlos in den Schnee fallen, als ein haariges Ungetüm aus der Dunkelheit trat. Die Norkara lächelte erleichtert, als sie Norgrim erkannte und wuschelte ihrem treuen Gefährten durch das zottelige Fell.

    N
    atürlich konnte Norgrim ihr nicht erzählen was er erlebt oder gesehen hatte. Doch allein die Tatsache, dass er die halbe Nacht unterwegs gewesen war, ließ Kadlin vermuten was der Rüde getrieben hatte. „Wessen Fährte hast du aufgenommen? Wir sind nicht allein im Wald, nicht wahr?“, fragte sie und kraulte den Hund hinter den Ohren. Dieser blickte aufmerksam in die Richtung, aus welcher er gekommen war und leckte sich aufgeregt über die Schnauze. „Du bist ein guter Junge…“, flüsterte Kadlin und erhob sich dann müde. Sie war die gesamte Nacht wach geblieben, selbst nachdem der Alb gegangen war. Immer wieder hallten seine Worte durch ihren Kopf: "Wie Ihr sagtet, ein guter Jäger passt sich stets an seine Beute an.". Sollte sie seinen Spuren folgen? Nein, schalt sie sich selbst eine Närrin. Was sie mit diesem Alben am Hut? Sie suchte eine ganz andere Beute! Doch zuerst wollte sie heraus finden, wer sich noch in ihrem unmittelbaren Umfeld aufhielt. Leichtfüßig und darauf bedacht möglichst wenig Spuren im Schnee zu hinterlassen, huschte sie ein Stück tiefer in den Wald hinein. Doch sie hatte nicht vor Norgrims Spuren weiter zu verfolgen, stattdessen erklomm sie einen astreichen Baum und legte sich in erhöhter Position auf die Lauer. Es dauerte tatsächlich nicht lange und eine menschliche Gestalt tauchte im Licht der Morgendämmerung unter ihr auf. Kadlin wartete, bis der Arashi an ihr vorüber war und begann sich im Lager umzusehen. Sie war nicht sehr hoch geklettert und das Knirschen des Schnees unter ihren Füßen, als sie von dem Ast sprang auf welchem sie soeben noch gesessen hatte, verriet deutlich ihre Anwesenheit. „Was willst du hier?“, fragte sie mit lauter, klarer Stimme, ihren Speer fest in den Händen haltend.

  • Mit jedem seiner Schritte kamen mehr und mehr Erinnerungen zurück. Vokarit hatte das Gefühl von einer weit entfernten Macht angezogen zu werden. So musste sich ein Fisch an einer Angel fühlen.
    Frisch gefallener Schnee erschwerte Vokarits Vorankommen und schließlich begann er seine Kräfte einzuteilen. Wieder und wieder musste er sich bremsen als er sich dabei ertappte wieder an Tempo zuzulegen. "Was willst du denn dort? Da wird niemand mehr sein.". Vokarit ignorierte die Stimme nun schon eine ganze Weile. Ob die Norkara ihm folgte? Dem Alben war es letztendlich gleich, er gab sich nicht einmal Mühe seine Spuren zu verwischen. Seine Priorität lag nun woanders.


    Es dauerte eine ganze Weile, bis Vokarit in die Nähe des Schlachtfeldes kam. Erste Spuren von bereits ausgefochtenen Kämpfen waren zu erkennen. Hier und da waren Reste von Lagerstätten zu sehen, tiefe Wagenspuren und letztendlich die ersten sterblichen Überreste. Vokarit war erstaunt. Wie lang war er ziellos umhergewandert? War er wirklich SO ziellos durch die Gegend gezogen? Die Entfernung zu dem improvisierten Lager mit der Norkara kam ihm gar nicht mal so weit vor. Vokarit warf einen kurzen Blick über die Schulter, wurde dann aber von Geräuschen abgelenkt. Dort vorne links war jemand! Der Alb blieb abrupt stehen und seine Hand wanderte an den Knauf seiner Klinge. Regungslos stand er da und lauschte. Tatsächlich! Stimmen! Sie unterhielten sich! Leicht geduckt machte Vokarit die letzten Meter über die kleine Anhöhe...


    Der Anblick des Schlachtfelds war von grauenhafter Schönheit. Überall lagen Leichen, bereits von einer leichten Schicht Neuschnee bedeckt. Sie wirkten wie Statuen, die aus Marmorblöcken gehauen worden waren. Dann erkannte Vokarit zwei Gestalten, die gerade dabei waren die Leichen nach Wertgegenständen zu durchsuchen. "Verschwindet hier!", bellte Vokarit und erhaschte so schlagartig die Aufmerksamkeit der Personen. Sie erhoben sich. "Ich habe gesagt ihr sollt verschwinden!". Der Alb zog sein Schwert und ging gelassen auf die Personen zu, die nun die Hände hoben. Nach ein paar Schritten kam Bewegung in die Gestalten, sie drehten um und flohen. "Schade...", bedauerte die Stimme in Vokarits Kopf. "Willst du nicht hinterher?". Der Alb schüttelte den Kopf. "Ich muss es einfach wissen. Es gibt viel zu tun.". Vokarit wirkte etwas verloren, so ganz als einzig lebende Person zwischen den vielen Leichen. Doch er suchte weiter und weiter. Irgendwann musste Vokarit jedoch eine Pause einlegen. Er kniete sich einen Moment lang hin und atmete tief durch. Plötzlich funkelte etwas in seinem Augenwinkel und erregte so seine Aufmerksamkeit. "Na, was haben wir denn da?". Vokarit hastete los.