Alle Mann an Bord
Leala an Bord
Leala schaute sich neugierig auf der Tordalk um. Das Schiff war viel riesiger, als sie es sich vorgestellt hatte. Silvano führte seine Mutter von den Stauräumen, bis zu den Privatgemächern. Vor seiner Kajüte blieb er stehen und machte eine einladende Geste. Leala betrat die Wohneinheit und schaute sich um.
"Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken ich wäre in Deiner Kajüte auf der Choucas", sagte sie freundlich.
"Das ist ja auch so gewollt Ma, ich muss mich Zuhause fühlen, ob ich je wieder die Choucas befehlige, weiß ich nicht. Aber die Tordalk ist ebenfalls ein wundervolles Schiff. Auf ihre Art und Weise, sonst hätte ich sie nicht für uns gekauft, beziehungsweise bauen lassen.
Ich bin gespannt wie sich die Große fährt, Davet hat Erfahrung mit einer Dschunke, ich nicht. Aber sie sollen leichter zu fahren sein. Das glaube ich, allein schon wenn Du Dir die Segel betrachtest. Die zig Möglichkeiten der Ausrichtung, Handhabung vom Deck aus, statt klettern und und und.
Sie haben einige Vorteile unter anderem auch den geringen Tiefgang. Ich lass mich überraschen. Der Witz an der Tordalk ist, dass Du sie im Sitzen steuerst. Das hat was Gemütliches, aber sie ist auch ein Handelsschiff und kein Kriegsschiff wie die Choucas.
Der Platz des Steuers hat zwei Plätze neben sich. Das heißt Du steuerst und links und rechts kann einer neben Dir sitzen. Zudem ist es überdacht. Da musste ich an James und sein Brückenhaus denken. Ganz so abgeschlossen ist es nicht, aber es bietet trotzdem etwas Schutz vor der Witterung", bot Silvano an.
Leala setzte sich vor den kleinen Tisch und schaute sich das Schiffsmodell an. Silvano hockte sich neben seine Mutter.
"Das Modell ist die Choucas oder? Woher hast Du es Schätzchen?", fragte sie neugierig.
"Das habe ich selbst gebastelt. Die Einzelteile habe ich geschnitzt und miteinander verleimt. Ich habe die Choucas eins zu eins in Miniatur nachgebaut.
Für den Fall, dass ich mal etwas für die Choucas planen muss und einfach so zum Spaß. Immer abends, wenn ich nichts zu tun hatte, habe ich an dem Modell gebastelt. Das war meine Feierabend-Beschäftigung. Du kannst die Mini-Choucas auch auseinander nehmen und Dir so die einzelnen Decks und die Einrichtung anschauen", erklärte Vano gut gelaunt.
"Du hast Talent, sie ist wunderschön geworden. Schnitzt Du noch andere Dinge, oder hast Du mal ein Flaschenschiff gebaut?", fragte Leala und legte Vano einen Arm um die Schulter.
"An einem Flaschenschiff habe ich mich schon versucht, aber leider ist es mir nicht gelungen. Das Schwierige daran ist, wenn Du zum Schluss die Maste aufrichten musst. Um das hinzubekommen musst Du räumlich sehen können, drum wird das leider nichts Ma.
Kleinkram wie Anhänger oder Tiere habe ich als Zeitvertreib ebenfalls geschnitzt, aber keine Ahnung in welcher Kiste ich die gelassen habe Ma. Wenn ich sie finde gehören sie Dir. Machen viele Seeleute, sprich das Schnitzen. Dann hast Du was zu tun, in der geringen Freizeit, es macht Freude und ein Messer hast Du eh immer einstecken", grinste Vano.
"Du liebst die Choucas sehr, nicht wahr? Deine Tätowierung, das Modell, Deine Art über sie zu sprechen Schätzchen", sagte Leala und drückte ihren Sohn an sich.
"Sie war mein erstes eigenes Schiff, sie hatte vorher keinem Kapitän gehört, nach ihrer Geburt - ihrem Stapellauf war sie in meiner Hand. Und ich gehörte auch zu keinem anderen Schiff als Kapitän. Wir beide sind zusammen Kapitänstauglich geworden.
Sie war alles für mich und dass einen Großteil meines Lebens lang. Wegbegleiterin, Freundin, Frau, Zuhause, Zuflucht, Waffe - das alles. Sie war in meiner Welt stets eine feste Konstante, genau wie das Meer. Sie war etwas das immer da war seit 193 und von dem ich stets dachte, dass es immer da sein würde, gleichgültig was geschieht.
Und dann wurde sie mir weggenommen.
Damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Allerdings hätte ich damit rechnen müssen. Nenne mir jemanden, der mir wichtig war und mir geblieben ist Ma.
Dass ich Boldi abgesichert wissen möchte kommt nicht von ungefähr. Ich will ihn nicht verlieren.
Lass die Leute über mich denken was sie wollen, sie haben weder mein Leben gelebt, noch meine Erfahrungen gemacht. Boldi wird jedenfalls keine Erinnerung, dafür sorge ich", antwortete Vano.
"Silvano ich verstehe Dich. Du hast die Choucas aber nicht verloren Maus. Mit Boldi hast Du einen hochanständigen Ehemann gefunden. Im Grunde hast Du ihn wieder, Ihr kanntet Euch seit Eurer Kindheit. Davet ist zu Dir aus dem Abgrund zurückgekehrt und Du hast uns.
Dazu jetzt dieses schöne Schiff. Du darfst es ruhig wagen Dich zu freuen. Werdet Ihr selbst ein Geschäft eröffnen, oder andere Geschäfte beliefern?", fragte Leala.
"Natürlich liebe ich sie Ma und nebenbei Du hast ja Recht. Ich freue mich auf die Jungfernfahrt der Tordalk mit meinen Männern. Ohne die beiden ginge es mir nicht halb so gut. Im Gegenteil es ginge mir total beschissen.
Boldi hat ohne zu zögern meine Vormundschaft übernommen. Wer hätte das getan, bei den Kloppern die ich gebracht habe? Wenn er mich nicht liebt, wer dann?
Und ohne Paps und Dich, gäbe es mich nicht mehr. Ihr habt mich immer beschützt und aufgepäppelt. Von daher ja ich freue mich, vor allem dass Ihr ebenfalls dabei seid. Das ist etwas ganz Besonderes.
Schön wäre ein eigenes Geschäft. Mal schauen was sich ergibt. Wir fahren für uns und für andere. Passagiere nehmen wir nicht mit. Sicherheitsrisiko", gab Vano zurück.
"Wieso, was machen die denn an Bord?", hakte Leala erstaunt nach.
"Nichts normalerweise. Aber manche Passagiere sind keine, sondern Piraten. Ein großes Schiff zu kapern ist Schwerstarbeit. Also schleusen sie am Hafen einige Leute als harmlose Passagiere ein. Dann zu einem gewissen Zeitpunkt lassen jene die Tarnung fallen und schneiden der Besatzung, vor allem dem Kapitän und den Offizieren die Kehlen nachts durch.
Das Schiff dümpelt führungslos dahin und muss nur noch eingesackt werden. Allein das Schiff an sich hat bereits einen hohen Wert. Und so kannst Du es ohne Beschädigung in Deinen Besitz bringen. Darum werden große Handelsschiffe meist von kleineren Kriegsschiffen begleitet und sie fahren im Konvoi. Also im Verbund als Gruppe Mama, so können sie sich beistehen", klärte Silvano seine Mutter auf.
Leala nickte ganz langsam.
"Gut überlegt Schätzchen, was Du alles weißt. Wer begleitet uns?", fragte sie ängstlich.
"Meine Choucas unter Kommando von Lilian Bastien de la Vergne, meinem ersten Offizier, wenn ich nicht an Bord bin. Und Davet, also Davets Aquila ist unser Geleitschutz Mama und er wird hoffentlich noch wissen wie man ein anderes Schiff beschützt", gibbelte Vano.
"Falls nicht bekommt er es mit mir zu tun", lachte Leala.
"Streich ihm die Kekse", grinste Vano.
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