Shocai [Shezem, Sandjäger]

  • Shocai


    :punkt: Kurzinfo


      Name: Shocai
      Volk: Shezem (Sandjäger)
      Alter: 25 Warmwasserzeiten
      Größe: ca. 2,50 m (von der Flosse bis zum Kopf) bzw. 1,76 m (Landwandlergestalt)
      Statur: für einen Sandjäger schmal gebaut, im Vergleich zum Menschen jedoch muskulös
      Beruf: Reinigungskraft, Muschelkratzer, Algenpflücker u. a. Hilfsarbeiten
      Herkunft: Kelpwald im Eismeer
      Derzeitiger Wohnort: Obenza (Sündentempel)
      Familienstand: Hochzeitswanderung war bisher nicht erfolgreich.
      Sprache: Asameisch (starker Sandjägerdialekt)



    :punkt: Aussehen


      Shocai ist ein noch junger Sandjäger. Als solcher trägt er die Äußerlichkeiten von Hai und Mensch in sich vereint. Seine Haut ist am ganzen Körper gleichmäßig silbern, so wie auch seine Augen. Das getigerte Muster, welches seine älteren Artgenossen auf dem Rücken tragen, ist bei ihm sehr blass. Er ist noch gut einen Kopf kleiner als ein ausgewachsener Sandjäger und eher schlank, wohingegen erwachsene Artgenossen sehr bullig gebaut sind.


      Sein Gesicht ist langweilig und nichtssagend und seine fast fehlende Mimik macht es auch nicht besser. Shocai hat keinerlei Haare und besitzt kleine, runde Ohren, mit denen er hervorragend über und unter Wasser hören kann. Noch besser jedoch funktioniert seine Nase, die wie die aller Sandjäger bereits winzigste Mengen Blut erschnuppern kann. Er hat erst wenige Narben, da er noch zu jung ist, um sich mit ausgewachsenen Sandjägern anzulegen, mit Ausnahme einer frischen Bisswunde am Unterbauch.


      Üblicher Weise bewegt Shocai sich nackt. Da man ihm an Land jedoch häufig auf die Bisswunde starrt, die sich unmittelbar über seinem Intimbereich befindet, trägt er in Gestalt eines Landwandlers einen einfach geschnittenen Männerrock aus schlichtem grauen Stoff, um vor den Blicken seine Ruhe zu haben. Der Rock zerreißt bei einer Gestaltwandlung nicht, wie es eine Hose tun würde, sondern bleibt lose um den Haischwanz liegen, so dass er ihn auch unter Wasser tragen kann und sich für kurze Wandlungen nicht extra umziehen muss.



    :punkt: Charakter und Mentalität


      Auf den ersten Blick wirkt er wie ein Langweiler, womit man nicht ganz Unrecht hat. Er ist nicht gerade bekannt für seine Redseligkeit oder seinen Ideenreichtum. Shocai ist eher zurückhaltend, weicht Begegnungen häufig aus, da er es gewohnt ist, von den älteren Schwarmmitgliedern von seinem mühselig erjagten Essen und von den besten Schlafplätzen verscheucht zu werden. Er fügt er sich in dieses Schicksal und wartet, bis seine Zeit als Getigerter gekommen ist. Er weiß, wenn er sich mit einem überlegenen Sandjäger messen wollte, würde dies mit schweren Verletzungen oder seinem Tod enden.


      Auch außerhalb des Schwarms geht er Konflikten bestmöglich aus dem Weg. Ängste oder Schmerzen verbirgt er gekonnt unter Gleichgültigkeit, denn Zeichen der Schwäche können im Meer nur allzu schnell ein Todesurteil bedeuten. Auch unter Landwandlern wahrt Shocai seine kühle, desinteressiert wirkende Fassade.


      Wie alle Sandjäger betrachtet er Nyel als Gottheit und verzichtet mit Ausnahme seiner Fähigkeit zur Gestaltwandlung aus Stolz auf das Wirken von Magie.



    :punkt: Fähigkeiten


      Im Allgemeinen ist Shocai ein rechter Taugenichts. Es gibt nichts, was er besser könnte als der Durchschnitt. Weder ist er sonderlich geschickt, noch ist er sonderlich intelligent. Allerdings gibt es umgekehrt auch nichts, was er überhaupt nicht lernen könnte. Am besten aufgehoben ist der junge Sandjäger, wenn er an Land geht, bei Hilfsarbeiten aller Art. Seine mürrische Art ist hervorragend dazu geeignet, einem die Stimmung und Freude an der Sache zu verderben, weshalb man ihn am besten für Aufgaben einteilt, die er allein erledigen kann.


      Shocai ist aufgrund seines noch jungen Alters eher zurückhaltend, wenn Ältere – ob Sandjäger oder nicht – ihn verbal oder körperlich angreifen. In der Regel sucht er sein Heil in der Beschwichtigung oder Flucht. Erst langsam wird ihm bewusst, dass seine Gestalt an Land dazu geeignet ist, allein durch kleine Drohgesten wie das Zähnezeigen unliebsame Begegnungen glimpflich ausgehen zu lassen, ohne dass er das Feld räumen muss. Da Shocai momentan im Sündentempel als Reinigungskraft arbeitet und gelegentlich mit zudringlichen Gästen zu tun hat, macht er gerade eine harte Schule durch, um zu lernen, sich klar und deutlich auszudrücken, wenn es sein muss, um sich die Gäste vom Leib zu halten, auch wenn es sich um ältere Personen handelt.



    :punkt: Stärken und Schwächen


      + es gibt nichts, was er mit einiger Übung nicht wenigstens ein bisschen könnte
      + zäh in Körper und Geist, auch schlimme Erlebnisse lassen ihn eher kühl
      + kann sich gut unterordnen
      + kann Angst und Schmerzen gut verbergen


      - kann nichts wirklich gut
      - wenig durchsetzungsfähig
      - kann sich verbal schlecht ausdrücken
      - wenig sympathisch
      - sozial ungeschickt



    :punkt: Reiserucksack


      Shocai besitzt nichts als den grauen Männerrock, den er trägt sowie eine Handvoll Perlen, die er sich bei der Arbeit verdient hat. Was er damit anfangen soll, weiß er noch nicht, aber er hält es für eine gute Idee, ein paar Perlen in der Hinterhand zu haben. Er verwahrt sie in seiner billigen Mietwohnung im Feuchtkeller von Noldils Sündentempel.



    :punkt: Lebenslauf


    Larvenstadium und Entwicklung zum Jungshezem


      Shocai schlüpfte einst als nur fingergroße Larve unter Hunderttausenden aus dem Ei. Sein gesamtes Dasein als Junges verbrachte er auf sich allein gestellt in den warmen Gewässern um die Rabeninseln. Seine Erinnerung setzt erst ein, als er alt genug war, die jedes Jahr zur Warmwasserzeit eintreffenden erwachsenen Shezem auf ihrem Heimweg ins Eismeer zu begleiten. Dass er als einer der wenigen Hundert von den einstmals hunderttausenden Jungen lange genug überlebte, um eines Tages als Halbwüchsiger gen Norden zu reisen, verdankte er nichts Anderem als einer Reihe von ungezählten Zufällen.


    Das Erwachsenwerden


      Einige Jahre verbrachte er im Männerschwarm des Eismeeres. Das Gesetz des Stärkeren war ihm schon in seiner Kindheit bewusst geworden und so änderte sich eigentlich wenig für ihn, nur, dass die Gefahren nun eine andere Gestalt hatten. Anfangs begnügten sich die Männer damit, ihn von den sicheren Schlafplätzen zu vertreiben und ihn zu verfolgen, um ihm seine Beute abzunehmen, so dass er, wie die anderen Jungshezem auch, nur langsam wuchs und lange Zeit sehr schlank blieb. Als er jedoch älter wurde und sein beginnendes Streifenmuster darauf hinwies, dass er alt genug war, um sich zur Warmwasserzeit mit auf die Hochzeitswanderung zu begeben, wurden die älteren zusehends aggressiv. Shocai hatte ihnen nichts entgegen zu setzen, hielt sich verborgen, jagte nur heimlich und ging Konfrontationen so gut es ging aus dem Weg. Nicht wenige seiner Altersgenossen sah er an ihren Verletzungen verenden oder verhungern. Er sah aber auch andere, etwas älter als er, die überlebten mit all ihren Narben und Verstümmelungen und sah sie erwachsen werden, bis sie starke Sandjäger waren, mit muskulösen, getigerten Körpern, stark genug, ihre einstigen Peiniger auf Abstand zu halten, aus dem Weg zu räumen oder aus dem Kelpwald zu vertreiben. Und solch ein Anblick brachte ihn bisweilen zum Lächeln, obwohl er sonst kaum dazu bewegen war, eine Miene zu verziehen.


      Shocai konnte es kaum erwarten, selbst so groß zu sein, dass er sich ohne Angst im Schwarm bewegen konnte. Er versuchte jedoch zunächst die umgekehrte Taktik und rieb sein beginnendes Tigermuster mit Steinen von der oberen Hautschicht, auch wenn es schmerzhaft war und ihn viel Blut kostete. Anfangs half dies, die Übergriffe zu dezimieren, denn wenn die Haut heilte, blieb sie lange vollständig streifenlos. Ohne Streifen galt er bei den Erwachsenen noch nicht als Rivale. Sie stahlen ihm die Beute, doch sie bissen ihn nicht mehr. Nach einiger Zeit musste er die Haut jedoch so großflächig und so tief herunterreiben, dass es kaum noch zu ertragen war. Es wurde immer schwieriger, sein Tigermuster zu verbergen. Auch wenn es noch immer sehr blass war, so war es doch deutlich genug zu erkennen. Zu dieser Zeit begann das Meer sich zu erwärmen. In der Vergangenheit hatte Shcoai Unverständliches beobachtet, wenn das Wasser für einige Monate seine beißende Kälte verlor. Die Sandjäger waren unruhig geworden, noch weitaus bissiger als sonst und nach heftigen und blutigen Auseinandersetzungen waren sie irgendwann einfach davongeschwommen. Zurück im Kelpwald blieben nur die verdutzten Jungshezem und die Alten, die am ganzen Leib schon dunkelgrau waren und betrübt davon redeten, die Reise nicht mehr zu schaffen oder des Kämpfens müde zu sein. Einige Monate später waren die ausgereisten Sandjäger wieder zurückgekehrt, um ein gutes Viertel dezimiert. Jene, die es wieder heimgeschafft hatten, waren erschöpft, aber äußerst zufrieden.


    Die Hochzeitswanderung


      Shocai hatte sich geschworen, niemals diese gefährliche Reise anzutreten und jene, die es taten, für geisteskrank erklärt, doch dieses Jahr war es anderes. Die Wärme des Wassers fuhr unter seine Haut und sorgte für ein angenehmes Kribbeln. Er fand keinen Schlaf und verspürte kaum noch Hunger. Rastlos kreiste er und wenn ihm ein Gleichaltriger begegnete, der die gleiche Unruhe spürte, tauschten sie hasserfüllte Blicke und zeigten ihre Zähne. Shocai konnte nicht einmal sagen, warum er so gereizt war, am liebsten würde er um sich beißen und sinnlos alles zerfleischen, was in seine Nähe kam. Einzig sein junges Alter hinderte ihn daran.


      Ein älterer Sandjäger mit einem herrlichen Tigermuster, das fast schon schwarz war, bemerkte, dass Shocai trotz seines fast unsichtbaren Musters bereits das gleiche Verhalten zeigte, wie die Erwachsenen. Er beschloss, dass jemand, der sich wie ein Erwachsener benahm, auch wie ein Erwachsener zu behandeln sei. Je zeitiger man einen Rivalen unschädlich machte, umso besser. Er lauerte Shocai auf und überfiel ihn aus dem Hinterhalt. Shocai wusste nicht, wie ihm geschah, als man ihn von unten mit festen Händen packte. Shocai wand sich mit aller Kraft. Der Ältere setzte einen einzigen, starken Biss an und der zielte auf den Unterleib, um den angehenden Rivalen zu kastrieren, bevor er zu einer ernsthaften Konkurrenz werden konnte. Doch der Jüngere war bereits stärker, als erwartet und wand sich derart, dass die hakenförmigen Zähne ihr Ziel verfehlten und sich in den Bauch gruben.


      Shocai gelange es, sich loszureißen und zu entkommen. Er zog eine Wolke von Blut hinter sich her. Er floh hinaus ins offene Meer, wohin sein Verfolger sich nicht wagte und dort wartete er, bis die Wunde aufhörte zu bluten. Dann kehrte er unbemerkt in den Kelpwald zurück und hielt sich fortan noch mehr verborgen als zuvor, während die anderen ihre Kämpfe fortsetzten. Er hätte nun warten und in Ruhe genesen sollen, doch als das Wasser noch wärmer wurde und die Unruhe unerträglich, gab es für ihn kein Halten mehr. Shocai verließ die Bucht, zusammen mit tausenden anderen.


      Die Reise dauerte viele Wochen und das Meer wurde so warm, wie Shocai es sich kaum hatte erträumen können. Die Sandjäger waren bester Laune, die Beißereien hatten aufgehört. Stattdessen strich im Vorbeischwimmen hin und wieder scheinbar zufällig eine Hand über seine Flossen oder jemand schwamm so dicht über ihm, dass dessen Bauch über Shocais Rücken glitt. Auch Shocai spürte, dass ihm zusehends nach Nähe zumute war. Nach langer Reise begann das Wasser süß zu riechen. Und dann sah er das erste Mal die Frauen, starke, elegante Jägerinnen, die ihm auf Anhieb gefielen.


      Er beobachtete, wie sich rasch Pärchen fanden und sich Bauch an Bauch schmiegten, wie sie die Haischwänze umeinander schlangen, wie sie in den bunten Korallen lagen und sich in übereinander in Anemonen wälzten. Shocai hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper vibrierte, er suchte nach einer Partnerin, doch keine würdigte ihn mehr als nur eines kurzen, abschätzenden Blickes, ehe sie sich wegdrehte. Es schien, dass die Frauen jene Sandjäger bevorzugten, die älter waren als er, die größer und kräftiger waren und ein besonders intensives Tigermuster hatten. Shocai bereute, dass er sein Muster heruntergerubbelt hatte. Ja, es wurde ihm richtig peinlich, denn er verstand nun, dass er aussah wie eine Frau, was vielleicht die Zärtlichkeiten ihm gegenüber während der Wanderung erklärte. Er fühlte sich unsagbar gedemütigt und schwamm davon, um die Hochzeiten der anderen nicht mehr sehen zu müssen. Er hatte das Gefühl, weder den Frauen noch den Männern jemals wieder unter die Augen treten zu können. Er schwamm fort vom Ort seiner Schmach, bis das Meer flacher wurde. Viele Schiffe verkehrten hier und wenn er den Kopf aus der Wasseroberfläche reckte, sah er Landwandler am Ufer, wo sie ihre Häuser errichtet hatten, viele und große Häuser.


      Während er unter einem Steg im Schatten ruhte, überlegte er ob es gut war, jetzt schon wieder ins Eismeer zurückzukehren und sich den Beißereien zu stellen. Vorsichtig betastete er die hässliche Wunde. Wäre es nicht besser, mit der Heimkehr zu warten, bis er so groß und stark war wie die anderen, mit einem prächtigen Streifenmuster auf dem Rücken? Niemand würde ihn mehr wieder erkennen und niemand würde es wagen, ihn mehr anzugreifen oder wie eine Frau zu behandeln. Und zur Warmwasserzeit würden die Frauen würden sehen, was für ein prachtvoller Sandjäger er war und ihn nicht länger abweisen. Damit hatte er sich entschieden. Vorerst würde er sich fernhalten vom Eismeer und den Rabeninseln.



    Die Gegenwart – Shocais Zeit als Reinigungskraft in Noldils Sündentempel


      Shocai fand eine stundenweise Anstellung in Noldils Sündentempel als Reinigungskraft. Wenn er dort nicht arbeitete, durchstreifte er die Mondlagune oder den Golf von Obenza und jagte. In der Stadt gab es ein ganzes Viertel von Shezem aus unterschiedlichsten Schwärmen, von denen er sich jedoch fernhielt. Er freundete sich im Tempel mit einem Giftstachler namens Lahiko an, einem lebensfrohen, freundlichen Kerlchen, der ebenfalls dort arbeitete, jedoch in einem anderen Gewerbe. Shocai fand irgendwann heraus, dass Lahiko im Freudenhaus arbeitete und sich durch warme Bäder in Paarungsstimmung versetzte. Shocai rollten sich bei dem Gedanken fast die Fingernägel hoch. Er blieb lieber bei seiner schlecht bezahlten Tätigkeit als Reinigungskraft. Dennoch behielt er Lahiko als seinen einzigen festen Sozialkontakt. Hauptsache, er war nett und betrachtete ihn nicht als Rivalen, den man beißen und dem man das Essen stehlen musste. Ein so friedliches, ja, freundschaftliches Nebeneinander war neu für Shocai und teilweise überforderte es ihn.


      Shocai verbringt seine Zeit damit, darauf zu warten, dass er dereinst stark genug ist, um unbehelligt ins Eismeer zurückkehren zu können. Er begutachtet jeden Tag sein Streifenmuster im Spiegel. Daneben an der Wand hat er Markierungen angebracht, die sein Größenwachstum und seine Gewichtszunahme verzeichnen.