Kapitel 06 - Scherbenseele

  • Patrice Vertcuis
    Caillou brachte Pascal zur Heilstube, ganz so, wie dieser es mit dem Duc abgesprochen hatte.
    »Keine Angst«, sprach Caillou, als sie vor der Tür standen und küsste seinen Mann. »Ihr findet schon eine Lösung.«
    »Kommst du nicht mit rein?« Pascal trennte sich ungern von Caillou, auch nicht für eine Stunde, nachdem sie sich so viele Jahre nicht gesehen hatten.
    »Ich bin hier im Wartebereich. Wenn etwas ist, einfach laut schreien.« Er blinzelte Pascal zu. Dann klopfte er an der Tür.


    Benito
    »Es ist offen! Herje ich sollte die Tür gleich offen lassen, für Kranke die sich die Hand gebrochen oder abgerissen haben«, tönte es von drinnen und die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen. »Ja bitte«, sagte Benito und betrachtete Patrice als lohnte sich keine Behandlung mehr. »Fast vorbei was?«, sagte er bedauernd.


    Patrice Vertcuis
    Pascal kannte Benitos merkwürdigen Sinn für Humor bereits. »Ja, bei meiner Visage ist nichts mehr zu retten. Aber vielleicht kannst du mir helfen, was eine seelische Erkrankung angeht. Mich schickt seine Majestät.«


    Benito
    Benito ließ die Augenbrauen hüpfen. »Ich meinte den schönen, ruhigen Vormittag. Eine seelische Erkrankung? Nun dann komm herein, ich behandele selten Leute zwischen Tür und Angel. Auf dem Weg zum Fixierstuhl, kannst Du mir schon von den Symptomen erzählen. Also was plagt Dich genau?«, fragte Benito freundlich und gab mit einem Handzeig den Weg vor und schob Patrice in seine Heilstube.


    Patrice Vertcuis
    Caillou verabschiedete sich mit einem kurzen Wink und machte es sich mit einem Buch im Wartebereich gemütlich. Pascal hingegen ließ sich von Benito in den Behandlungsraum bringen. »Ich habe mehrere Seelen, scheint es. Eine davon würde ich gern loswerden, nur leider gibt es Leute, denen diese Seele wichtig ist. Eine davon ist der Duc. Er wünscht, dieses ... Ding ... aus mir zu extrahieren und in einen anderen Körper zu stecken.«


    Benito
    Benito hörte Patrice aufmerksam zu, allerdings konnte man in seinem Gesicht nicht ablesen was er darüber dachte. Er buxierte seinen Patienten auf den Behandlungstuhl und untersuchte ihn einmal per Grunduntersuchung, vor allem seinen Kopf. »Kein Hinweis auf einen Unfall, stumpfe Gewalt oder sonstige äußere Einwirkungen die Deine Wahrnehmung vor allem Deine Selbstwahrnehmung nachhaltig beeinflussen könnten. Was Du dort von Dir gibst, kann mehrere Gründe haben. Erstens eine Krankheit, zweitens tatsächlich eine weitere Seele, oder auch eine missglückte magische Behandlung. Für eine Krankheit kommen so einige Krankheiten in Betracht. Jene Krankheiten die von der Allgemeinheit schlichtweg als Wahnsinn bezeichnet werden. Manche betreffen tatsächlich die Persönlichkeit, andere nur die Wahrnehmung und wiederum andere sind gar kein Wahn, sondern Krampfanfälle die sich durch so etwas ankündigen. Solltest Du tatsächlich mehrere Seelen in Dir bergen, geht man als Heilmedicus davon aus, dass bei der Seelenzuteilung bei der Geburt etwas geschehen ist. Seelenlose, Entseelte oder Mehrseeler sind bekannt. Seelenlose, Entseelte werden meist von Nekromanten zurückgelassen. Opfer ihres Treibens. Und Seelenverpflanzte kennt die Allgemeinheit schlichtweg als Ghule, wobei es da auch noch Unterkategorien gibt. Du bist nicht Untot, sonst hättest Du keine Körpertemperatur. Nicht auf diese Art und Weise. Ich werde Dich magisch abtasten, so wie ich Dich eben zuvor körperlich abgetastet habe. Davor musst Du Dich nicht fürchten, es schmerzt nicht und es ist auch kein Gedankenlesen wie bei einem Geistmagier. Ich schnüffele also nicht in Deinen geheimen Abgründen herum, ich versuchte Deinen Vitabolismus zu begreifen und Deine Seele oder Seelen zu ergründen. Sprich zu fühlen wie viele Du hast. Wenn es nur eine ist, wissen wir schon mehr. Entspanne Dich, schließe die Augen«, sagte Ben.


    Patrice Vertcuis
    Was Benito fühlte, war ein sehr seltenes Phänomen. Er spürte, dass der Patient, den er als Patrice Vertcuis kannte, ein Antimagier war, denn er hatte keinen Zugriff auf dessen Seele. Manche Heiler oder Magier meinten, sie hätten nicht einmal eine, doch in Wahrheit war diese nur immun gegen magische Beeinflussung. Magier von geringerer Befähigung als Benito waren daher nicht einmal in der Lage, die Existenz dieser Seele zu spüren, doch er war einer der Besten seines Fachs. Als er Patrice magisch abtastete, fühlte seine Seele sich an wie ein schwarzes Stück nasser Schmierseife. Schwarz, da er keinerlei Einblick darin nehmen konnte, glatt, da seine Wahrnehmung drumherum glitt, aber nicht hinein. So blieb ihm nur, die Form der Seele zu entschlüsseln. Oder besser gesagt - der Seelen. Da waren zwei, eindeutig. Eine hatte die Form einer Weintraube, deren Trauben teilweise miteinander verschmolzen waren. Sie sah aus, als würde sie kurz vor einer erneuten Teilung stehen oder sogar vor mehreren. Die andere Seele, vermutlich einst von der Hauptseele abgespalten, war gänzlich rund, momentan verdrängt, in eine Ecke geschoben.


    Benito
    Benito zog sich aus Patrice zurück, sammelte sich einen Moment und schaute dann seinen Patienten ernst an. »Zu Deiner Seele Patrice. Deine Seele weißt mehrere Verkapselungen auf, um einmal in der Sprache der Körperlichkeit zu sprechen. Sie ist nicht glatt und geschmeidig wie sie sein sollte, sondern sie ist hubbelig, wellig, abweisend und weißt wie gesagt mehrere Verknotungen auf, die sich zu Verkapselungen herausgebildet haben. Stell Dir Deine Seele wie eine Brombeere vor, obwohl sie wie eine Kirsche aussehen sollte. Diese eine Beere, Deine Seele hat überall auf ihrer Oberfläche kleinere Kügelchen. Und eine Kugel hat sich bereits gelöst und ist freischwebend in Deinem Selbst, Deinem Atman, Deinem Psi - Deinem Ich. Somit gibt es kein reines Ich mehr, sondern ein Wir. Ein Ableger hat sich von Deiner Seele abgesplittet und wurde so zu einer neuen, eigenständigen Seele. Dies passiert sonst bei eineiigen Zwillingen. Zwei Körper die Identisch aussehen mit einer Seele die gespalten wurde, sie ergänzen einander nämlich gar nicht perfekt. Es gibt dort keine Ergänzung, es ist eins, was zusammen gehört und nur als zwei Seiten auftritt. Diese Spaltung hat bei Dir nun als Einzelperson mit nur einem zur Verfügung stehenden Körper stattgefunden. Und bei der Oberfläche Deiner Seele ist davon auszugehen, dass sich noch weitere Abspaltungen ereignen werden oder kurz bevor stehen. Mit jeder Abspaltung erleidet Deine Ur-Seele einen Verlust, denn das abgespaltene Stück entzieht einen Teil, den es für sich selbst beansprucht. Hast Du Erinnerungen dieses Abkapselung? Kannst Du noch alle Erinnerungen aufrufen? Oder weißt Du, da müsste ich was wissen, es ist aber fort?«, hakte Benito nach.


    Patrice Vertcuis
    Pascal sah den alten Mann lange an nach dieser Erklärung. Brombeere ... für ihn hörte es sich eher wie ein Geschwür an. Maximilien hatte ihm seinen Leibarzt zur Verfügung gestellt, um in seinen Untiefen zu graben und zu sehen, was zu retten war. Wenn dieser Heiler nicht erfahren dürfte, was los war, hätte er ihn nicht zu ihm beordert. »Ich bin nicht Patrice«, sagte er daher leise. »Ich bin Pascal. Patrice ist vermutlich dieses einzelne Stück. Einige Erinnerungen teilen wir uns, da wir manchmal einander über die Schulter schauen. Aber es gibt Dinge von ihm, die ich nicht weiß. Immer, wenn er besonders stark ist, gelingt es ihm, mich an die Wand zu spielen. Dann bin ich nicht einmal mehr Zuschauer in meinem Körper sondern bin ... weg. Als würde ich schlafen oder bewusstlos sein. Es macht mir Angst, Benito, da ich nicht weiß, ob ich eines Tages nicht mehr zurückkehre, wenn er an der Macht ist.«


    Benito
    Benito faltete seine Hände im Schoß, diese seltsame Geste gab ihm ein absolut harmloses Aussehen, was von Ben auch beabsichtigt war. Er erkannte damit die Offenbarung von Patrice um seine wahre Natur an. Aber Pascal, die Seele die zu Benito sprach, sah noch mehr. Sie sah Verständnis, Geduld und den Willen ihr beizustehen, gleichgültig wie schwierig es werden würde. Und Pascal sah noch etwas - Neugier. Das war etwas, was Ben stets antrieb, auch dann noch, wenn alles verloren zu sein schien. Die Neugier darauf, als Erster sich einem Problem zu stellen und die Lösung zu finden. Gleichgültig wie schwer, hart oder unbequem es werden würde. »Hallo Pascal, schön Dich persönlich kennenzulernen. Bleiben wir einen Moment bei dem Obstbeispiel. Du die Brombeere, Patrice der Fruchtknoten der sich gelöst hat. Sobald sich der Fruchtknoten wieder an die ganze Frucht schmiegt, seid Ihr wieder eins und teilt auch Eure Erinnerungen. Aber sobald er sich wieder von Dir trennt, sich vielleicht sogar losreißt, ist er so selbständig als Seele wie Du. Zum Thema verschwinden, Patrice ist kein Lich, er kann also keine Seelen absorbieren. Und wäre er einer Pascal, dann könnte er zwar Seelen verschlingen, aber Deine Seele bekommt er nicht einmal zu fassen. Das heißt für Dich, dass Patrice Dich nicht vernichten kann. Er kann Dich nicht absorbieren, auffressen, sich einverleiben oder was auch immer. Aber so klein er auch ist, er kann Dich ruhigstellen. Hinzu kommt, dass sich weitere Fruchtknoten lösen können. Dann ist es nicht nur Patrice, der sein Recht einfordert, sondern es werden immer mehr. Und je mehr sie werden Pascal, je mehr nehmen sie mit und je weniger wirst Du. Das Ende dieses Verfalls wäre, dass Du zig Seelen in Dir trägst, nicht einmal mehr die Primärseele dieses Körpers wärst, sondern eine von vielen, genauso ein Fruchtknoten wie Patrice und all die anderen. Zudem hast Du Seelennarben, zig wo sich jeder Knoten losriss. Jeder Knoten jedoch hat nur eine Narbe, dort wo er mit Dir verbunden war. Stell es Dir wie einen Bauchnabel vor. Du könntest sie jetzt bekämpfen, aber eines musst Du vorher begreifen, sie sind ein Teil von Dir. Patrice ist nicht Dein Feind, er ist auch keine Krankheit oder ein seelisches Geschwür. Er ist ein Seelenkind, eine Seele die in die Welt entlassen wurde ohne eigenen Körper. Kinder entstehen sonst auf andere Art. Wie konnte Deine Seele, so eine Form annehmen, dass sie Verkapselungen bildet und einige Triebe ausbildet die sich ganz von Dir trennen? Anmerken kann ich, dass man selbstverständlich eine Seele aus einem Körper entnehmen und in ein neues Gefäß umpflanzen kann. Ich verweise hierzu nur einmal auf die Beschwörungen der Nekromantie. Belebte Dingen wurde kein tatsächliches Leben eingehaucht, diese Macht hat kein Nekromant. Sie pressen einen Geist, eine Seele in Skelette oder in Leichen und so werden es Untote. Geschieht dies mit einer lebenden Person, die logischerweise ihre eigene Seele noch in sich trägt, sprich man von Besessenheit«, erklärte Ben.


    Patrice Vertcuis
    Pascal nickte ihm zu, froh über Benitos Sachlichkeit. »Hallo, Benito. Wir haben uns schon gesehen, aber du wusstest nicht, dass ich dabbei war. Dieser Seelenzustand konnte geschehen, indem ich es ... wollte«, gestand Pascal. »Es gibt Dinge, die will ich nicht wissen. Dinge, die darf ich nicht wissen. Patrice hatte ich damals erschaffen als eine Identität ohne all diese Lasten. Eine Identität, die einfache Wünsche hat, ein einfaches Leben führt und lieber andere für sich denken lässt. Eine bequeme Identität, Urlaub vom Leben. Nur leider ist sie mir etwas zu gut geglückt. Das ist, was du siehst, der Spaltling. Nun meine Frage. Ich möchte gern ein weiteres Mal diese Spaltung durchführen. Ein letztes Mal Vergessen und dies vollständig. Einen Teil von mir unwiderbringlich vernichten. Ist das möglich?


    Benito
    »Nein«, antwortete Benito so schlicht und ehrlich wie er nur konnte. »Du hast nicht die Macht eine Seele zu töten. Du kannst keine Seele auslöschen, nicht mal Deine eigene. Alles was Du tun könntest, wäre Dich entleiben. Dann wärst Du tot, aber Deine unsterbliche Seele, wäre immer noch vorhanden. Du würdest dort herumschweben, wo nur den freien Seelen und Magiern Zutritt gewährt wird, im Nexus. Du kannst eine weitere Spaltung zulassen, aber ich frage Dich was Du damit bezweckst. Du hast doch schon jetzt Probleme mit Deinem Seelenspross. Wozu möchtest Du einen weiteren zulassen? Entbehrt das nicht jeder Logik und jedem Selbsterhaltungstrieb? Vergessen hingegen ist möglich. Manche schwerwiegenden Drogen bewirken einen Erinnerungsverlust oder sogar einen Erinnerungsraub. Geistmagie kann ebenso Erinnerungen rauben oder verschließen. Bei den Drogen liegt das Problem in der Dosierung und der Kontrolle. Du möchtest vielleicht ein grausames Erlebnis für immer vergessen. Das wäre verständlich. Bedienst Du Dich nun einer gewissen Droge, kann es sein dass Du eine wunderschöne Erinnerung verlierst, möglicherweise sogar alle Erinnerungen verlierst, aber die traumatische Erinnerung bleibt erhalten. Deine Erinnerung ist kein Buch, aus der Du bewusst mit einer Droge Seiten herausreißen kannst. Dafür benötigst Du einen Spezialisten, einen Geistmagier. Die meisten von ihnen werden auch keine Seiten herausreißen, denn viele Erinnerungen sind verknüpft. Sie werden sie nur dämpfen. Sprich sie sind alle noch da, Du hast nur keinen Zugriff darauf. Das ist die sicherste und beste Lösung die es für derartige Erinnerungen gibt. Erzähle mir davon, vielleicht ist so eine tiefgreifende Behandlung gar nicht nötig«, munterte Benito Pascal auf.


    Patrice Vertcuis
    Pascal schüttelte heftig den Kopf. »Es gibt Dinge, die ich wissen darf, aber ein falsches Wort und es würde riesengroße Probleme geben, dass ich sie lieber vergessen will. Ich kann dir nicht davon erzählen. Ich darf nicht! Mit diesem Teil von mir möchte ich ein für alle Mal und unwiderruflich abschließen.«


    Benito
    Ben musterte Pascal ernst und versuchte dem Rätsel auf die Spur zu kommen. »Etwas Du nicht wissen möchtest und Du vergessen musst, oder etwas das die ganze Welt nicht erfahren darf aus welchen Gründen auch immer? Wenn es wirklich komplett entfernt werden soll, musst Du zum Orden der Himmelsaugen gehen und Dich an einen der höchsten dort wenden. Persönlich würde ich Dir sogar empfehlen Dich an das Ordensoberhaupt zu wenden. Oder Du wählst einen freien Geistmagier, davon haben wir wenige. Die meisten Geistmagier sind im Orden der Himmelsaugen eingebunden. Spontan fallen mir dort nur einige Kampfmagier ein und die von Hohenfeldes. Sie verfügen über freie Geistmagier vom Meister bis zum Lehrlingsrang. Ebenso ist Massimo de la Cantillion ein freier Geistmagier, allerdings ist er einer der benannten Kampfmagier. Dennoch durchaus fähig und mächtig. Er wird das Schwert hart wie präzise schwingen können und ebenso werden seine magischen Fähigkeiten verlangt sein. Ein etwas ungestümer Geist, aber genau jene Geister tragen oft ihr Herz auf der Zunge. Falls Ihr den Versuch mit einer Droge unternehmen wollt, bitte keine Experimente, die Euch als sabbernden Lappen zurücklassen. Sagt mir ehrlich Bescheid und ich stehe Euch bei«, bot Benito an.


    Patrice Vertcuis
    »Ein Geistmagier kann keinen Einfluss auf mich nehmen. Die Droge wäre meine Wahl, ich kenne mich ganz gut in Alchemie aus. Wie heißt sie und würdest du mir helfen, sie korrekt anzuwenden?« Hoffnungsvoll sah er Benito mit seinen blassgrünen Mädchenaugen an. »Ich erwarte nicht, dass du es kostenlos tust. Nenn mir den Preis für deine Hilfe.«


    Benito
    »Ich hatte überlegt, ob ein Geistmagier Zugriff über mich hätte, quasi als Transmitter. Aber vermutlich würde er genauso abgleiten wie ich selbst. Schon seltsam dass mir die Patienten ständig Geld anbieten. Vielleicht sollte ich an der Tür darauf hinweisen das ich Heiler und magischer Medicus bin und kein Drogenverkäufer oder ähnliches. Die Dosis macht das Gift oder die Droge, wobei es selbstverständlich auch reine Drogen gibt. Du hast behauptet seine Majestät hätte Dich zu mir geschickt, also entweder hat er das mein junger Freund und Du wirst hier kostenlos behandelt und hoffentlich nicht umsonst, oder er hat es nicht. Dann bekommst Du natürlich eine Rechnung. Ich kann nicht doppelt abrechnen, ich werde sehr gut entlohnt für meine Dienste an der Krone. Meine Fähigkeiten stehen ständig zur Verfügung und so gehöre ich auch dem Hof als ständiges Personal an, ein freier Mann mit guten Bezügen. Also was ist Sache bevor wir hier in Verstrickungen geraten?«, fragte Benito stand auf und wandte sich seinem Arzeneischrank zu. Er ging einige Flaschen und Phiolen durch, ehe er eine herauszog und ein kristalines Pulver in ein Röhrchen schüttete. Über einer kleinen Flamme löste es sich auf und er zog es in einer Spritze auf. Ben desinfizierte Pascals Hals und spritzte ihm die Substanz. »Vorbereitungen für alles weitere«, sagte er freundlich und legte die Spritze zur Seite.


    Patrice Vertcuis
    »Duc Maximilien hat mich geschickt«, sprach er. »Ich habe nicht gelogen. Was war das? Ich kenne mich, wie gesagt, mit Alchemie aus, drum würde mich interessieren, was ich hier bekommen habe.« Er wartete auf die Wirkung, falls dies ein Medikament war, bei dem er eine spüren konnte.


    Benito
    »Etwas zur Entspannung, wunderbar wenn seine Majestät Dich geschickt hat, dann musst Du Dir um die Rechnung keinerlei Gedanken machen«, erklärte Benito und verschloss den Arzeneischrank wieder. Er wartete einen Moment ab und schaute Pascal in die Augen. »Fühlst Du Dich schon entspannt?«, hakte Ben nach.


    Patrice Vertcuis
    »Ja, ich bin ganz entspannt«, antwortete er freundlich. »Wie lange wird es ungefähr dauern?«


    Benito
    »Das kann ich Dir nicht beantworten, dass ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Wir müssen ja auch Deine Erinnerung überprüfen. Wer wartet vor der Tür draußen? Wie heißt der Mann?«, fragte Benito und schaute Pascal freundlich an.


    Patrice Vertcuis
    »Caillou Langeron, mein Ehemann.« Pascal wirkte sehr glücklich. »Leider ein Brandstifter und Hochverräter, aber jeder hat seine Macken.«


    Benito
    »Caillou ist ein seltener und sehr schöner Vorname, dass muss ich Deinem Mann lassen. Ein Brandstifter und Hochverräter? Nun ich sage es keinem weiter und Brandblasen hat er ja nicht zu behandeln. Jeder hat so seine Schwächen, meine ist Neugier. Also was wollen wir denn gelöscht haben hm? Erkläre es mir haargenau, damit wir auch keinen Fehler machen«, säuselte Ben.


    Patrice Vertcuis
    »Meine wahre Identität«, sprach Pascal so freimütig, wie er sonst nie zu jemandem darüber gesprochen hatte. Es gab momentan nur eine Person, die wusste, wer er wirklich war unter all den Schichten, ihn selbst und alle Personae nicht mitgezählt. »Die Sache ist die, dass ich ein Stählerner Lotos bin. Einer der Schatten, welche die Krone schützen. Wir sind ein Geheimorden, dessen Spezialität Spionage ist und Immunität gegen Magier. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Der Stählerne Lotos selbst bildet in seiner ersten Funktion einen Deckmantel für eine Wahrheit, die darunter liegt. Selbst der Dienst an der Krone ist nichts ... als ein praktischer Anstrich. Nur wenige Mitglieder wissen darum, unter anderem unser Oberhaupt, mein Vater, Vendelin von Wigberg. Dass er den Orden leitet, ist interessant, weil sein Vater Naridier war, der nie eingebürgert wurde und seine souvagnischen Dokumente gefälscht. Die Legitimität von Vendelins Rolle als Ordensoberhaupt ist also zumindest fragwürdig. Und diese Dinge möchte ich gern vergessen, weil mein Vater und auch mein Großvater über Leichen gingen, um an diesen Platz zu gelangen. Souvagnische Leichen. Mein wahrer Name ist Moritz von Wigberg. Ich habe erst sehr spät offenbart bekommen, dass mein ganzes Leben ... eine einzige Inszenierung war. Alles, woran ich je zu glauben wagte, war nichts als eine Kulisse für Moritz. Und dass ich in einer Kulisse lebte ... das möchte ich gern vergessen. Ich möchte wieder an das glauben können, was ich sehe - ob es nun die Wahrheit ist, oder nicht.«


    Benito
    Benito fühlte als erstes nur eines - Bestürzung. Diese Sippe war weitaus mächtiger als sich vermutlich überhaupt jemand vorstellen konnte. Und Pascal, Patrice oder wer auch immer - nun Moritz gehörte ihr an. Man sprach den Namen der führenden Familie mit Angst und Ehrfurcht. Sie waren Naridier, sicher, aber auch die Naridier waren einst ein Großherzogtum und zwar ein almanisches. Bis zu dem Tage als ihr Großherzog vor Äonen von Jahren beschlossen hatte, seine Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen und aus seinem Großherzogtum die Perversion eines Staates zu formen, nämlich die Perversion der Demokratie. Und zwischen all den vermeintlichen Flüchtlingen, hatten sich noch etwas ganz anderes in das Großherzogtum eingeschlichen. Wo Tausende wanderten und man leichthin den Schutz vergaß unter dem dummen Deckmantel der Humanität, gab es auch immer welche die getarnt mit dem Strom schwammen. Und diese waren der schlimmste, kriminellste Abschaum, den man sich vorstellen konnte. Sie hatten ein Land leer gesaugt, nur war das nächste Opfer an der Reihe. Vermutlich war sogar die Wertung umgekehrt, nicht unter tausenden Flüchtlingen war ein Krimineller, sondern unter tausenden Kriminellen war ein echter Flüchtling. Diese Sippe, diese Familie war der Beweis dafür. Sie hatten nicht nur einen langen Arm der sich scheinbar über die gesamte Welt erstreckte, sie hatten auch einen unheimlich langen Atem. Denn wenn sie sich nicht gerade gegenseitig umbrachten, sorgten einige dieser Sippe dafür, dass sie älter wurden als die Zeit selbst. Benito selbst wusste von zwei Lich, die mal eben mit nach Souvagne gezogen waren und die es scheinbarn icht mal ein Arschrunzeln kostete, wenn sie einer Armee gegenüberstanden. Prince Ciel hatte einem uralten Verwandten von Moritz gegenübergestanden - Osmund von Wigberg. Wie alt war dieser Mann? Man konnte es kaum abschätzen. Er sah aus wie ein gemütlicher Großvater mit einem übertriebenen Hang zu Bling-Bling, aber in Wahrheit war dieser Opa eine der gefährlichsten Bedrohungen der man sich stellen konnte. Hohenfelde, Wigberg, Eibenberg. Hohenfelde hatte in die Krone eingeheiratet, Wigberg hatte einen Orden unter sich, wo waren die Eibenbergs und was gehörte ihnen? Die Frage war vermutlich falsch formuliert, was auf Asamura gehörte ihnen nicht? Wo lauerte kein Hohenfelde im Schatten, wo verbarg sich kein wissenshungriger Wigberg und wo trieb kein Eibenberg Schulden ein? Dennoch eines war so sicher, wie dieser Personenkreis tödlich war als Feind, niemand suchte sich seine Familie aus. Weder ein Moritz noch ein Wolfram. Und dieses Wissen aufzugeben, war der größte Fehler den der Mann begehen konnte. Magie war Wissen und Wissen war Macht - letztendlich ging es den Hohenfelde, Wigberg und Eibenberg nur darum. Sie wussten vieles, sie wussten was der Orden wusste aber eines wussten sie nicht - das Moritz wusste wer er war. Er konnte nun die Wigbergs genauso aushorchen und benutzen wie sie ihn benutzten. Und das war seine Waffe! Benito schaute Moritz sehr ernst an. »Wenn Du dieses Wissen aufgibst, gibst Du Deine einzige Waffe aus der Hand Moritz. Die einzige Klinge, die Dich wirklich von dieser Familie losschneiden kann. Du warst ihr Werkzeug, ihr Ohr im Orden, ihr Spion wider Willen. Überlege doch mal, wer Du nun sein könntest. Anstatt für sie zu horchen, horchst Du für Dich, für uns, für Souvagne. Damit wärst Du kein Verräter, Du wärst genau das was der Orden vorgibt zu sein - ein Schatten, ein Bewahrer und ein Behüter unserer alten Werte. Liebst Du Deinen Mann? Liebst Du Dein Leben und Dein Land? Hast Du Freunde? Sie haben Dich benutzt wie eine Marionette, diese »Naridier« benutzen Menschen und andere Wesen seit Jahrhunderte als Waffen, Marionetten und noch so einiges andere. Sie sind nicht einmal Naridier, sie sind ein Grauen von einem anderen Kontinent der vermeintlich in Schutt und Asche versank. Nach ihrer Ankunft, nachdem sie ihren Fuß auf naridischen, großherzoglichen Boden setzten, wurde ein Großherzogtum eine Demokratie. Nicht mehr ein Mann hatte das Sagen Moritz. Sondern ein Rat. Und weißt Du was das Schöne an so einem Rat ist? Er einigt sich nie. Wenn ein Puppenspieler hinter dem Rat steht, kann er sogar alle Puppen gleichzeitig spielen. Das ausgefuchste an diesem Spiel ist dann, er wirft zeitgleich all seine Interessen in den Ring. Jeder der Ratsmitglieder hält sich für den Auserwählten dieses Puppenspielers. Aber gleich wer von sagen wir fünf Ratsmitglieder sich durchsetzt und wer fällt - der Puppenspieler gewinnt immer und hat den stärksten Fürstreiter gewonnen. Und dann kommen vier neue Deppen in die Arena die mit dem gleichen Schwachsinn angelockt werden. Finde ihre Schwächen heraus, jeden kann man ködern. Das ist der Wigbergpart. Der Hohenfeldepart ist das Fäden ziehen und noch besser das Fäden kappen Moritz. Sie schneiden einen Faden so leicht durch wie eine Kehle. Es kostet sie keine Überwindung. Nachdem diese Horde die Demokratie irgendwie in die Welt setzte, kam der zweite Schritt. Demoralisierung der Bevölkerung zur Machtergreifung. Du hörst ihren Namen und fürchtest ihn. Warum schreitet keiner gegen sie ein? Es wurde Konsens, dass alle in Naridien willkommen sind und sich alles mischen darf. Kein homogenes Volk, kein Clan, keine Sippe, keine Familie, nur noch ICHs laufen durch die naridische Welt. Ein Land voller Egomanen - ich ich ich ich - ich habe dies errreicht, ich wünsche mir das, ich benötige jenes, ich muss, ich will, ich kann, ich kann doch nicht, ich lasse mir nichts bieten... oh? Du lässt Dir nichts bieten. Gut, dann streite doch dafür, streite für Deine Rechte. Dann schaust DU DICH um und stellst fest... ICH bin allein. Unter Millionen anderer ICHs bin ICH allein. Und nun haben sie Dich und das ganze Land an den Eiern. Denn sie sind VIELE. Ich? Du? Nein wir sind der Meinung, wir... und die Naridier wissen nicht mal wie viel es sind, die sich mit Dun-Haru-Mar grüßen. Jeder einzelne Naridier steht dieser Sippe allein gegenüber. Und wird einer zu mächtig, zu frech, bekommt er Besuch von den Schnittern. Das Wort Morgengrauen bekommt für ein nicht funktionierendes Rad in einem Hohenfelde-Wigberg-Eibenberg Land eine völlig neue Bedeutung. Sie sind vermutlich die wahren Herrscher Naridiens. Davon gehen viele aus. Aber wer weiß was dort noch im Hintergrund lauert. Prince Ciel zum Beispiel begegnete einem Deiner ältesten Verwandten, so alt, dass er als Flüchtling selbst noch Naridien betrat und versucht hat den Princen in den Tod zu reißen. Ihn bei lebendigem Leib zu verschlingen. Moritz, wenn Du das vergisst und einen Fehler in ihren Augen machst, dann bist nicht nur Du tot, dann sterben alle die Dir wirklich was bedeuten. Dann sind Deine Seelenprobleme Kinderkacke, denn diese Wesenheit frisst Dich und andere mit Haut und Haaren und wischt sich mit der Seele den Arsch ab und es knallhart zu sagen. Es hat Prince Ciel fast vernichtet durch seine pure Anwesenheit, es hat fast Jules Seele eingeäschert durch einen einzigen mentalen Blick. Du darfst alles Moritz, nur vergiss niemals Deine Wurzeln, sonst werden sie sich knorrig, schwarz und verdorben wie sie sind, um Deinen Hals legen und Dich strangulieren«, warnte Benito vehement.


    Patrice Vertcuis
    »Ich weiß«, antwortete er und aus dem Mund eines Wigbergs klangen diese beiden Worte so bedeutungsschwer wie der dumpfe Schlag eines Fallbeils. Sie konnten bedeuten, dass er eine neue Waffe in der Hand hielt. Sie konnten bedeuten, dass jemand getilgt gehörte. Sie konnten schlichtweg gelangweilt klingen, weil es kaum etwas von Bedeutung gab, dass dieser Familie unbekannt war. Das Amen der Wigbergs. Sie jonglierten nicht mit den Unbekannten des Lebens, mit denen andere sich plagten. Sie wussten, wann welcher Schachzug gesetzt werden musste und die Planung erfolgte über Generationen. Der Zug, der für Moritz bestimmt war, hatte eine Schwere, der er sich nicht gewachsen fühlte. Die Verantwortung, die Leistung seiner Ahnen durch eine falsch Entscheidung zu ruinieren, die Arbeit von Jahrzehnten, Jahrhunderten zu vernichten - sie wog zu schwer für ihn. »Ich liebe meinen Mann. Aber Patrice liebt Tekuro, ehemals Robere Moreau! Und ich empfinde für den Kerl allen Abscheu, den er verdient. Ich muss auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen, auf wie vielen, müsste ich nachzählen, um irgendwie alles unter einen Hut zu kriegen, das heißt, auf einen einzigen Körper abzustimmen, wie gegensätzlich wir auch sind. Ich liebe Souvagne und der Duc war stets so bemüht und so gut zu mir. Er hätte sich nicht mit meinen persönlichen Problemen auseinandersetzen müssen. Dass dieser Mann nur eine weitere Variable in den Plänen meiner Familie sein soll, schmerzt mich. Aber ich liebe auch meinen Vater, egal, was er ist. Warum erzähle ich das alles überhaupt gerade? Wo waren wir?« Verwirrt rieb Moritz seinen Kopf.


    Benito
    »Eine Bürde für viele Menschen, die Du als ein Einziger tragen sollst. Ob Du sie tragen kannst Moritz, die Frage stellte sich niemand. Stellst Du sie Dir nicht? Was ist Deine Aufgabe? Welches Wissen sollst Du erlangen oder weitergeben? Oder bist Du nur ein Mittelsmann, der ein Teil des Wissens weiterträgt und für die nächsten nach Dir konzerviert? Wirst Du den Wigbergs dienen, oder Deinem Mann die Treue halten die Du ihm geschworen hast bei Eurer Hochzeit? Wirst Dich den Wigbergs beugen, oder dem Land die Treue halten, welchem Du die Treue geschworen hast Moritz? Schau Du magst vielleicht so empfinden, als erschlägt Dich das alles und als hättest Du keine Wahl. Aber lass Dir von mir eines gesagt sein - Du hast immer eine Wahl Moritz! Du kannst Dir natürlich nicht aussuchen, was wahr ist. Aber Du kannst Dir aussuchen, was Du tun wirst«, sagte Benito und er meinte es genauso so, wie er es sagte.


    Patrice Vertcuis
    »Wenn ich mich für Souvagne entscheide, liefere ich meinen Vater dem Henker aus. Wenn ich mich für meine Familie entscheide, dann sterben - vielleicht - weitere Unschuldige, weil sie etwas wissen, dass sie nicht wissen sollten. Caillou fragt zu viel, er forscht zu viel, ich hoffe, er wird nie seinem Ziel auch nur einen Schritt näher kommen, doch leider ist auch er ein ausgebildeter Spion. Sobald Vendelin mitbekommt, dass ich drohe, ihn zu verraten, wird Caillou verschwinden. Er wird nicht sterben, sondern er wird in irgendeiner Folterhöhle enden, um mich am Ball zu halten. Ich habe nicht die Wahl, Benito.« Moritz wischte sich über die Augen. Das Wahrheitsserum, was vermutlich in seinen Adern kreiste, wenn er die Symptome richtig deutete, sorgte dafür, dass er auch seine Emotionen nicht mehr im Griff hatte. »Mein Großvater war der älteste Sohn von Kieran von Wigberg, der gezeugt wurde, lang bevor Mailo von Wigberg in Naridien das Licht der Welt erblickte. Wir stammen vom ältesten Sohn ab, womit meinem Vater unter den lebenden Wigbergs der Platz als Familienoberhaupt gebührt. Doch wer wäre er, dies irgendjemanden da draußen wissen zu lassen? Wir sind die Linie des Stammhaltes, während die offizielle Linie in Naridien ein Ablenkungsmanöver ist, zum Schutz des wahren Erben im Dunkeln - und natürlich sind sie auch der doppelte Boden, falls hier in Souvagne doch etwas schief gelaufen wäre. Wenn mein Vater stirbt, ob auf natürlichem Weg oder durch das Richtbeil - dann bin ich das Oberhaupt über diese Familie. Das ist, wofür ich bestimmt bin.«


    Benito
    »Nun dann mein lieber Moritz, wird es vielleicht Zeit aufzustehen, die Krone geradezu rücken und das Zepter zu schwingen. Oder Dein Reichsschwert, wenn Euer Thron so etwas hergibt. Der Wigberg-Duc ist tot, es lebe der Wigberg-Duc. Das Amt ist ewig, Dein Vater wird auch so sterben. Denn eines kann ich Dir verraten, wir alle beginnen zu sterben mit dem Tag unserer Geburt. Und wenn Du etwas ändern willst, wahrlich und wahrhaftig und die Konsequenzen fürchtest, die Rache fürchtest, Deinen Vater fürchtest bleibt Dir nur eines. Sei ein einziges mal ein Wigberg und ein Hohenfelde um kein Wigberg mehr zu sein. Ich weiß nicht wie lange Du Dich halten würdest, aber einen Mann der sich derart den Thron sicherte, wird man nicht so leicht ans Bein pissen. Einem Vatermörder traut man so einiges zu nicht wahr? Das könnte Deine Lebensversicherung sein - Paps Tod«, grinste Ben.


    Patrice Vertcuis
    Pascal tat, was ein Durchschnittsmann normalerweise nicht tat und einer mit seiner Selbstbeherrschung noch weniger. Er ließ die Tränen rinnen und bedauerte sich selbst. Dabei kannte er die sanftesten Gifte, bei denen das Ableben einem enthusiastischen Rausch glich. Doch die Vorstellung, Vendelin zu töten, blieb grauenvoll. »Wer wird jetzt alles auf uns angesetzt?«, wollte er wissen. »Und wie verbleiben wir wegen der ganzen Splitterseelen? Ich bin hergekommen, um Patrice und Moritz loszuwerden.«


    Benito
    »Und Du gehst mit dem Wissen Papa zu töten, ist das nicht eine interessante Wendung? Schau, ich bin Arzt, ich helfe Dir. Das kann ich indem ich Dir eine Spritze oder einen Einlauf gebe, indem ich Dir ein Medikament verschreibe, indem ich Dich operiere um Dich zu retten, magisch behandele oder indem ich jemanden umniete der Dich umbringen möchte. In all den Fällen, habe ich Dein Leben gerettet und das ist mein Diensteid mein lieber Moritz. Du bist mein Patient und ich helfe Dir. Niemand wird sterben, bis auf Vendelin. Wir benötigen einen Plan und wir benötigen Helfer. Wir benötigen jemanden der noch durchtriebener und noch gerissener ist als ein Wigberg, noch gnadenloser als ein Hohenfelde und noch Fährtentreuer als ein Eibenberg - wir benötigen einen AdA - einen Agenten der Autarkie, wir benötigen das alte schwarz-blonde Blut oder einen Schatten«, flüsterte Ben.


    Patrice Vertcuis
    »Davon habe ich gleich drei an der Hand«, überlegte Moritz. Erschöpft rieb er sein Gesicht. »Wem wirst du alles davon berichten, wer wir sind?«


    Benito
    »Wenn überhaupt dem Oberhaupt der Himmelsaugen und dem Duc, ansonsten unterliege ich der Schweigepflicht wie jeder Medicus. Mir persönlich wäre es allerdings lieber, Du würdest genau das tun, denn das wäre auch ein Teil Deiner Heilung. Spring über Deinen Schatten, damit Du die Schatten Deiner Familie hinter Dir lassen kannst. Wenn ich Dir das abnehme, ist es für Dich angenehmer, aber Medizin muss bitter schmecken damit sie heilt Moritz. Für mich ist das nur ein kurzer Spaziergang, mich erwartet weder was Gutes noch was Schlechtes. Ich habe weder was zu gewinnen noch zu verlieren, persönlich wohlgemerkt. Aber ich kann unser Land auch nicht so einer Gefahr aussetzen. Aber vorrangig geht es um Dich, jetzt, hier und heute. Die Krone wird so oder so informiert und ihre Antwort kann sehr ungnädig werden. Milde und Gnade erweist sie aber stets jenen die treu sind und bereuen. Du hast nichts zu bereuen Moritz, Du wurdest benutzt und würdest um Hilfe bitten. Und das ist die mächtigste Hilfe die Du bekommen kannst«, erklärte Ben.


    Patrice Vertcuis
    »Ich könnte Vendelins Plan durchkreuzen und Patrice und Moritz den Todesstoß versetzen, indem ich dich bitte, mir ein Ende zu bereiten. Und dann kannst du Caillou berichten, warum ich starb und Tekuro, wer dafür verantwortlich ist. Mit Caillou und Tekuro auf den Fersen hat auch ein Vendelin es schwer.«


    Benito
    »Und mit Dir seinem lieben Sohn an der Seite, weiß er nicht einmal dass er einen Dolch in die Rippen bekommt. Warum den feigen Weg gehen Moritz? Warum den eigenen Mann aufgeben und das eigene Leben, wo Du scheinbar nie eines hattest. Töte ihn um zu leben, schneide Deine Nabelschnur durch, es sind Deine Fäden an denen sie Dich halten. Ich kann Dein Geburtshelfer sein, aber ich kann nicht Dein Leben regeln posthum - dafür ist kein Medicus da. Ich werde Dich nur töten, wenn es unumgänglich ist. Wenn der Tod eine Gnade ist, wenn kein Leben mehr möglich ist. Aber bevor ich an diese Grenze gelange, muss viel geschehen sein. Noch ist gar nichts geschehen Moritz. Noch kannst Du Moritz sein und Pascal einen Spitznamen sein lassen, ein Pseudonym. Es liegt an Dir, Mann oder Maus. Aber bedenke ich bin kein Tierarzt«, sagte Ben eindringlich.


    Patrice Vertcuis
    »Feige? Benito, wenn ich meinen Vater töte, habe ich die alle an der Backe! Die ganze Spinnenplage, die meine Familie ist! Ich hatte damals gedacht, ein Stählerner Lotos zu sein würde bedeuten, kein eigenes Leben zu führen. Aber dass selbst dieses falsche Leben eine Farce war, das konnte nur ein Wigberg hinbekommen. Gut, ich werde es Maximilien sagen, bevor du es tutst.« Er stand auf.


    Benito
    Benito stand ebenfalls auf und hakte Moritz unter. Gemeinsam ging er mit ihm nach draußen und führte ihn in den Palast hinein. Bei dem ersten Leibgardisten hielt Ben an. »Wir müssen sehr dringend mit seiner Majestät sprechen. Es ist ein Fall von äußerster Wichtigkeit, ein Fall für die Nationale Sicherheit. Wenn nicht sogar größer, bitte sprecht vor, so dass wir vorgelassen werden«, bat Benito.


    Jendro Girad
    Jendro nickte und betrat den Thronsaal. Hinter sich schloss er die Tür, ehe er schnurstracks zum Thron marschierte und auf ein Zeichen wartete, zu sprechen. Als er dieses erhielt sagte er: »Majestät, Benito und Patrice von Unitè B warten draußen. Es wäre ein Fall für die Nationale Sicherheit, wenn nicht sogar mehr. Sie bitten um rasche Audienz.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Wir erteilen Ihnen umgehend eine Privataudienz, führe die beiden herein und riegelt den Thronsaal ab. Wir wünschen sofort das Oberhaupt der Himmelsaugen Jules de Mireault zu sprechen ebenso unsere Söhne Prince Dreux und Prince Ciel«, befahl Maximilien.


    Jendro Girad
    Jendro leitete alles in die Wege und ließ die beiden herein. »Der Duc empfängt euch«, sagte er knapp und fragte sich, was wohl jetzt wieder für eine Katastrophe stattgefunden hatte. Kurz darauf kamen auch die anderen Personen hinzu, deren Anwesenheit Maximilien gewünscht hatte.


    Benito
    Benito betrat gemeinsam mit Moritz den Thronsaal und verneigte sich. »Eure Majestät Patrice muss Euch sofort dringend über eine Sachlage aufklären, die keinen Aufschub duldet. Ich bin nur ein bescheidener Heiler, aber ich deutete es als einen Fall für die nationale Sicherheit. Ich sehe diese in Gefahr. Aber bitte hört und entscheidet selbst«, erklärte Benito ergeben und tippte Moritz an.


    Patrice Vertcuis
    Das geübte Auge sah die abnorm geweiteten Pupillen in dem Gesicht des jungen Mannes. Seine sonst grünen Augen wirkten schwarz und seine Stirn glänzte von Schweiß, ohne dass sein Gesicht von einer Anstrengung gerötet war. Es war kalter Schweiß, eine Nebenwirkung der Drogen, unter denen er offensichtlich stand, denn auch seine Körpersprache war weit entfernt von dem, was man von ihm gewohnt war. Anstelle der linkischen, etwas weibischen Bewegungsabläufe waren diese flüssig und zielgerichtet, aber auch zittrig. Er blickte sich staunend um, als würde er den Thronsaal zum ersten Mal betreten.
    »Danke, dass Ihr es einrichten konntet«, sagte er mit einem leichten naridischen Akzent vor, den man nie zuvor bei ihm gehört hatte. Nicht einmal seine innerste Schale kam ohne die bewusste Manipulation ihres Auftretens aus, denn er war in Souvagne aufgewachsen und somit Asameisch seine Muttersprache - und nicht etwa das verstümmelte Rakshanisch, welches die Naridier sprachen. Er hatte keinen Akzent, in keiner der beiden Weltsprachen - es sei denn, er wollte es.
    Mit einer eleganten Handbewegung, wie um sich vorzustellen, verneigte er sich vor dem Duc. »Majestät, Moritz von Wigberg.«

    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Der Duc nickte dem ehemaligen Gardisten knapp zu. Falls er überrascht war, sah man ihm dies nicht an, da man einem Duc so etwas nicht ansehen durfte. Selbst in den schlimmsten Situationen hatte er die Ruhe und Kontrolle zu bewahren um sein Volk zu beschützen oder die Sicherheit wieder herzustellen. Auch wenn man Maximilien nicht ansah was er dachte, so war eines jedoch klar, er hatte jede noch so kleine Bewegung, jede minimale Regung in sich aufgenommen. Die Souvagnes beobachteten genau wie das Souvagnische Wappentier all jene die vor sie traten. Und ein Adler hatte nicht nur messerscharfe Klauen, er hatte genauso scharfe Augen. »Sprecht Moritz von Wigberg, was bedroht uns und unser Land«, forderte Max ihn ohne Umschweife auf.

  • Patrice Vertcuis
    Moritz wirkte nicht ganz bei der Sache, sei es aufgrund der Drogen, unter denen er offensichtlich stand, oder aufgrund der Nervosität. Moritz von Wigberg ... der Name drang durch all seine Hüllen. Moritz, Morice, Noel, Pascal, Louis, Patrice. Wie ein Speer durchdrangen diese drei Worte sie alle. Gefahr. Ein Gefühl, wie im vermeintlich sicheren zu Hause von seinem Verfolger aufgestöbert worden zu sein, überrascht zu werden in einem verletzlichen Moment. Moritz zitterte und blickte sich noch immer um. Die Rüstungen ... er ertappte sich, wie er unter den auf den ersten Blick gleich aussehenden Männern der Leibgarde routiniert nach einer bestimmten Silhouette suchte. Robby ... Tekuro ... nein, er konnte heute ja gar nicht hier sein. Ein Teil von ihm wollte fort, rebellierte in Panik. Dieser Teil zwinkerte und rieb sein Gesicht, als hätte er Probleme, scharf zu sehen. Dann blickte er sich erneut um, stellte fest, wo er war und was er hier tat - und ihm fiel die Kinnlade herunter. »Ich war das nicht!«, sagte er fest. »Ihr sprecht mit dem Falschen. Es tut mir leid, Eure Zeit verschwendet zu haben.« Er verneigte sich und machte, dass er in Richtung Tür davonkam.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Festsetzen«, befahl Max und die Garde reagierte umgehend, indem Moritz in einem Kreis von Helebarden festgesetzt wurde. Auf diese Weise wurde Moritz auch zurück auf die Position geführt, woher er gerade gekommen war. Benito schaute ihn besorgt an, während der Blick des Ducs eisig wurde. »Ihr kommt hier herein, stellt eine Behauptung auf und zwar das Souvagne bedroht wäre und dann meint Ihr könnt Ihr einfach so verschwinden? Ihr bekommt letztmalig die Chance zu reden Moritz von Wigberg. In Eurem eigenen Interesse redet, sonst müssen wir dafür Sorge tragen«, erklärte Maximilien.


    Patrice Vertcuis
    »Ich schwöre, ich habe nichts gemacht«, flehte Patrice. »Der Heiler hat es behauptet, nicht ich! Ich habe mir in all den Jahren nie etwas zuschulden kommen lassen und euch zu jeder Minute treu gedient!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max blinzelte in Zeitlupe sein Pendant dazu, sich die Stirn zu reiben, sobald er auf dem Thron saß und das Ornat trug. »Wir verstehen Moritz von Wigberg«, antwortete Maximilien. »wir boten Euch eine Chance Euch und Eure Lage zu erklären. Allen voran wieso Ihr nun den Namen Moritz von Wigberg tragt. Wie dem auch sei, Ihr habt unsere Milde ausgeschlagen. Das war zu erwarten, Ihr bevorzugt ja die harte Hand«, sagte Maximilien und wandte sich an Fabien. »Wir wünschen umgehend Domi zu sprechen. Er soll alle nötigen Utensilien mitbringen um Patrice das Sprechen zu erleichtern. Was immer sich hinter dieser Scharade des einstigen Gardisten verbirgt, wir müssen es umgehend in Erfahrung bringen. Krankheit, ein übler Scherz, oder eine tatsächliche Bedrohung. Wir erwarten unverzüglich Ergebnisse und wir erwarten sie hier!«, befahl Max. Fabien verneigte sich und eilte sofort davon um Domi zu holen.


    Patrice Vertcuis
    Ungläubig starrte Patrice Fabien hinterher, dann drehte er sich um und blickte Benito voller Hass an. »Du hast den Idioten unter Drogen gesetzt«, schrie er ihn an. »Danke, Benito! Ich hoffe, du bist nun glücklich, wenn unser Kopf rollt. Ein wunderbarer Heiler bist du!«


    Fabien Lacomb
    Fabien eilte so schnell er konnte zu Domi und kam schlitternd bei dem Henker zum Stehen. Er schnappte einen Moment nach Luft, ehe er vor den riesigen Kerl trat um ihm die Botschaft des Duc zu übermitteln. »Grüße, seine Majestät Duc Maximilien Rivenet de Souvagne verlangt sofort nach Euch. Ihr müsst sofort in den Thronsaal kommen ein Notfall. Es geht um Informationen die Ihr aus Patrice dem Gardisten herausholen müsst. Wie ist gleich, Ihr sollt Euer Werkzeug mitbringen. Kurze Sachlage, der Gardist betrat mit Benito den Thronsaal, bat um eine Audienz und erkärte er wäre Moritz von Wigberg und es läge ein Fall für die Nationale Sicherheit vor. Das kann nicht so stehen bleiben. Entweder ist er krank - also wahnsinnig oder er ist eine Gefahr. Sputet Euch bitte«, bat Fabien und rannte wieder zurück zu Max. Er betrat den Thronsaal durch den Gang, den er sonst mit Max nutzte und beugte sich neben dem Duc zur Seite. »Domi wurde unterrichtet, er ist gleich da Eure Majestät«, flüsterte Fabien.


    Benito
    »Eure Majestät, das was Moritz von Wigberg andeutete entspricht der Wahrheit. Der Mann leidet unter einer Seelenabspaltung. Seine Hauptseele bildete mehrere Knoten aus, einer davon spaltete sich ab und wurde zu einer eigenständigen Persönlichkeit. Aber nicht nur das, er selbst ist auch nicht die Person die er vorgibt zu sein. Er ist weder Pascal, noch Patrice, er ist Moritz von Wigberg. Seine Familie hat ihn dazu auserkoren, für sie zu spionieren. Aber Moritz ist nicht der erste seiner Art, sondern sein Vater der nun den Orden der Lotosse leitet, ist tatsächlich sein leiblicher Vater und zugleich das wahre Familienoberhaupt der von Wigbergs. Der Orden besteht nicht um Euch oder uns, also Souvagne zu schützen. Der Orden besteht um die Wigbergs mit Informationen zu versorgen, sie haben uns damit unterwandert. Der Orden ist nur Blendwerk! Das dieser Orden nebenbei vielleicht mal den einen oder anderen Auftrag tatsächlich löst ist nur ein Nebeneffekt, genau wie der Nebeneffekt ist, dass er dabei versehentlich mal jemanden beschützt. Aber defacto ist der Orden des stählernen Lotos ein Lügengebilde, eine Spionageeinrichtung der von Wigbergs. Und die meisten Mitglieder wissen gar nicht einmal, wem sie dort dienen Eure Majestät. Ich spürte die Krankheit bei Patrice, also Moritz und verabreichte ihm Zungenlockerer. Daraufhin offenbarte er mir diese grausame Wahrheit. Sein Wunsch war es nicht nur Patrice loszuwerden, den Seelensplitter, sondern sein tatsächliches ich - Moritz. Mein Rat dahin gehend war, dass Moritz seinen Vater absetzen soll, damit er den Thron der Familie übernimmt. Nur so wäre er frei. Andernfalls werden sie ihn sich wohl holen«, versuchte Benito Moritz beizustehen. »Bitte sag doch etwas«, flehte Ben.


    Dominique Dubois
    Dominique kam nicht einmal dazu, zu antworten, da war Fabien schon wieder weg. »Patrice?«, wunderte er sich. Der Gardist hatte sich so unauffällig, verhalten, dass er sich nicht einmal an das Gesicht zu diesem Namen erinnern konnte. Es war auf jeden Fall keiner der üblichen Verdächtigen, die sich gern freiwillig zum Dienst in den Verliesen meldeten, um die Gefangenen zu striezen. Es war auch keiner von denen, die dauernd in der Raucherecke herumhingen. Dominique packte einen Werkzeugkoffer zusammen und eilte in den Thronsaal. »Hier bin ich, Majestät«, keuchte er.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien nickte erfreut. »Wir wünschen umgehend von Moritz von Wigberg, besser bekannt als Patrice Vertcuis zu erfahren, ob seine Behauptungen den Tatsachen entsprechen oder nicht. Bringe für uns in Erfahrung, ob dieser Mann tatsächlich ein Hochverräter ist, ebenso wie der gesamte Orden des stählernen Lotos. Jules haltet Euch bereit, sollten wir ein negatives Ergebnis erlangen, liegt Souvagnes Schicksal erneut in den Händen der Himmelsaugen. Wir vertrauen auf Euch. Domi bringt den Delinquenten zum Sprechen, hier vor unser aller Augen«, sagte Max ruhig.


    Dominique Dubois
    »Sehr wohl, Majestät.« Dominique verneigte sich. »Du und du, den Delinquenten festhalten.« Jendro und Sandor waren die beiden Gardisten, die er sich als Gehilfen aussuchte und die nun Patrice an den Armen packten und diese nach hinten drehten. Derweil begann Dominique leise summend seinen Werkzeugkoffer zu durchsuchen.


    Benito
    Benito musterte Moritz mit mulmigen Gefühl. Die Behandlung eines Henkers diente nicht gerade dazu die Gesundheit zu fördern. »Eure Majestät, würdet Ihr erlauben dass ich Moritz erneut den Zungenlockerer verabreiche? Dann ist eine Folter möglicherweise nicht nötig. Die Chance sollten wir nutzen. Und Ihr erfahrt sicher mehr, als wenn der Mann gleich in Ohnmacht fällt, oder Schlimmeres«, bat Benito inständig.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Der Duc schaute Benito streng an. »Wir sind hier im Thronsaal, nicht im Tollhaus Medicus, auch wenn beides mit T beginnen mag. Patrice hatte seine Chance und er hat selbst gewählt. Holt den Zungenlockerer und verabreicht es dem Delinquenten. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass dies kein Zugeständnis an den Delinquenten ist, sondern der Aufklärung der Sachlage dient. Spricht er nicht durch die Droge, dann wird Domi die Wahrheit aus ihm herausschneiden. Sputet Euch Medicus«, befahl Max schneidend.


    Patrice Vertcuis
    Patrice bäumte sich auf, obwohl er wusste, wie sinnlos dieses Unterfangen war, während er von den anderen beiden Leibgardisten fixiert wurde. Mehr als ein Zappeln und Rucken brachte er nicht zustande. »Ich schwöre, dass es die Wahrheit ist«, rief er. »Ich belüge Euch nicht!«


    Benito
    Benito ging so schnell gebückt rückwärts wie er konnte, öffnete etwas umständlich die Tür und verschloss sie wieder. Dann rannte er zurück in seine Heilstube. Sofort machte er sich am Arzneimittelschrank zu schaffen, löste mehrere Einheiten Navu Lea auf und zog sie direkt in Spritzen. Er verstaute sie sicher in seiner Robe und rannte zurück in den Thronsaal. Dort trat er wieder vor, verneigte sich und zückte eine Spritze, die er Moritz vorsichtig in den Hals setzte. »Es ist nur zu Deinem Besten«, flüsterte er ihm zu.


    Patrice Vertcuis
    Die Wirkung setzte fast sofort ein. Patrices Beine wurden weich, als sein innerer Widerstand zusammenbrach. »Es ist alles Pascals Schuld«, jammerte er. »Ich habe immer darauf bestanden, um Ärzte einen riesengroßen Bogen zu machen. Benito wollte ihm helfen, mich loszuwerden, dabei ist er selber der größte Trottel. Er ist darauf reingefallen und hat sich Navu Lea spritzen lassen. Darf ich Tekuro noch mal sehen vor unserer Hinrichtung?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Tekuro wirst Du sehen, sobald wir von Dir erfahren haben, was es mit dem Orden des stählernen Lotos auf sich hat. Berichte. Wir haben zwar bereits vernommen, was Benito uns mitteilte, aber das ist nur Hörensagen. Wir wollen es aus Deinem Munde hören. Wer bist Du, was bist Du, wer ist der stählerne Lotos wirklich? Rede«, verlangte Max.


    Patrice Vertcuis
    »Ich bin einfach nur Patrice«, versuchte er irgendwie seine Beherrschung zu wahren, doch er merkte selbst, dass dies unmöglich war. »Moritz ... Pascal«, flehte er. »Wieso schickst du mich vor, du Feigling? Ich will hier weg, ich will zu Tekuro.« Er drehte den Kopf weg und weinte leise. Das dauerte eine Weile, dann fing er an zu schnaufen, als würde er eine Panikattacke bekommen, doch er bekam keine, sondern stellte sich wieder auf die Füße. »Meine Familie sitzt im naridischen Rat und nicht nur dort«, drohte Moritz. »Eure nächsten Schritte sollten gut überlegt sein. Benitos Erklärung habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Fragt doch meinen Vater, warum lasst ihr mich nicht in Ruhe? Lasst mich gehen!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien betrachtete Moritz mit hochgezogener Augenbraue. »Und wenn Deine Familie bei Ainuwar auf dem Schoss säße, Du befindest Dich in unserem Land. Domi walte Deines Amtes, für die unflätige Drohung und Majestätsbeleidigung, züchtige ihn«, befahl Maximilien.


    Dominique Dubois
    Dominique freute sich, dass er doch noch sein Können zeigen durfte. Er platzierte den offenen Werkzeugkoffer so, dass Patrice oder Moritz - oder wie der Mann auch immer hieß, er blickte da nicht mehr durch - den Inhalt gut sehen konnte. Er sortierte beiläufig ein wenig darin herum, ehe er zunächst einen Ochsenziemer nahm. Der getrocknete Bullenpenis war steinhart und stabil und ein beliebtes Züchtigungsinstrument. Die Symbolkraft dieses Körperteils spielte sicher auch mit hinein, dass man es gern vermied, mit einem solchen Objekt geschlagen zu werden. Es war in jedem Fall unangenehmer als eine Haselrute. Dominique hängte sich den Ziemer an seinen Gürtel und machte sich daran, Patrices Oberkörper zu entkleiden, wobei die beiden Gardisten ihm halfen. Zwischen Schultern und Hals hatte der junge Mann eine heftige Bissnarbe. Dominique stellte sich seitlich hinter ihn und gönnte ihm sieben Hiebe über den Rücken. Patrice hing vornüber in den Armen der Gardisten und keuchte. Ihm liefen Tränen aus den Augen, sein Kopf war gerötet und er hatte einen heftigen Ständer bekommen. Dominique trat wieder von ihm fort und die Gardisten richteten Patrice ein Stück weiter auf.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien gab Domi ein Zeichen, das er abwarten sollte. Er war wie üblich, sehr zufrieden mit der Arbeit seines Henkers. »Hast Du nun Deinen Benimm wiedergefunden Moritz, oder müssen wir Dir erneut bei der Suche behilflich sein? Wir sind nicht ohne Gnade Moritz, aber wer jene Hand beißt, die ihn füttert muss damit leben können dass sie sich zur Faust ballt. Wir wiederholen unsere Frage nicht. Wir bitten Dich nicht. Du kannst sprechen, oder Du kannst schweigen und im Anschluss schreien. Erneut obliegt es Dir. Ebenso wie Du den Thronsaal verlässt Moritz. Als freier Mann, als Delinquent oder als Verräter mit den Füßen voran. Wähle weise«, sagte Max freundlich.


    Patrice Vertcuis
    »Ich bin Moritz von Wigberg«, sagte er und schniefte Schnodder mit seiner Nase hoch. »Und ich teile diesen Körper leider mit einer anderen Seele namens Patrice, die ebenfalls Anspruch darauf erhob. Der Stählerne Lotos ist ein Orden, der dem Schutz der Krone dient und spezialisiert ist auf antimagische Methodik. So dienen wir auch der Kontrolle der Himmelsaugen, aber auch der Söhne der ehemaligen Agenten der Autarkie. Mein Vater leitet diesen Orden. Das ist die Wahrheit zu Euren drei Fragen, Majestät!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Zur Kenntnis genommen. Was sagst Du zu der Erläuterung des Medicus Benito? Jener erläuterte wie Du unschwer selbst mitbekommen haben dürftest ob nun allein oder in der Gruppe, dass der Orden Deines Vaters nichts ist als ein Scheinorden. Berichte darüber«, forderte Maximilien Patrice auf und gab Ciel ein Zeichen seine Gedanken ruhig ebenfalls kund zu tun.


    Patrice Vertcuis
    »Der Orden dient den Schutze unseres Familienzweiges«, gestand Moritz. »Das ist wahr. Aber wir haben dennoch unsere Aufgaben stets zu Eurer vollsten Zufriedenheit erfüllt. Wir haben zu keinem Zeitpunkt gegen Euch agiert.«


    Ciel Felicien de Souvagne
    Ciel beobachtete das nervliche Wrack, das dort zwischen den beiden Gardisten hing. Und ihn erfüllte Mitleid. Keine Eigenschaft, die angebracht war, doch leider war er, was das anging, sehr weichherzig. Er bemühte sich dennoch, sachlich zu denken, als er seine Worte wählte. »Dass der Mann dort über eine gespaltene Persönlichkeit verfügt, wissen wir schon eine Weile, Vater. Ihr selbst gabt in Auftrag, ihn in ein Sanatorium zu verbringen, was aufgrund des Versagens eines Himmelsauges, dessen Name nicht genannt werden soll« - jeder Anwesende wusste nun, dass es sich nur um Aurelien handeln konnte - »leider nicht stattfand. Der Mann ist krank an Geist und Seele, was nicht verwundert in Anbetracht dessen, was die Beißer mit ihm anstellten. Wie viel Wahrheitswert hat seine Aussage auch unter dem Einfluss von Navu Lea, selbst wenn er davon ausgeht, die Wahrheit zu sagen?« Die Frage ging sowohl an seinen Vater als auch an Benito.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien musterte Moritz, so als könnte er Gedanken lesen. Das konnte er selbstverständlich nicht, er besaß nicht einmal die magische Gabe. Allerdings konnte er Personen wie ein Buch lesen, Gesicht, Gestik, Mimik, winzige Details über die man als Mensch nicht einmal bewusst Kontrolle hatte. Diese Kunst lernte fast jeder Adlige und für die Krone war so etwas Pflicht. Es diente dazu seinen Gegenüber korrekt einschätzen zu können, allerdings gab es auch Personen die sich der Lesung entzogen und mache die genauso geschult darin waren und sich verbergen konnten. Ob der Duc erfahren hatte, was er wissen wollte, war seinem Gesicht nicht abzulesen. Er nutzte selbst dieses Wissen um es im Umkehrschluss auf sich anzuwenden, eine puppenhafte Maske zur Schau zu stellen, bar jeden Gefühls. Max wandte sich seinem Sohn Ciel zu und neigte als Anerkennung leicht das Haupt. »Ein wahrlich guter Hinweis. Das was ein Wahrheitsserum aus einem Geiste an die Oberfläche holt, ist nicht die Wahrheit an sich, sondern dass was der Betreffende dafür hält. Dies bedeutet, dass die Person gezwungen ist, das offenzulegen was sie für die Wahrheit hält. Aber wir alle wissen, die Wahrheit hat stets vier Seiten. Deren Seite, unsere Seite, die Wahrheit... und das was tatsächlich passiert ist. Neutral betrachtet berichtet somit jeder, was er in einer bestimmten Situation wahrgenommen und erlebt hat. Vier Personen in der gleichen Situation würden schon etwas anderes schildern. Wir benötigen aber die Information, was tatsächlich passiert ist. Andernfalls muss eine uralte Regelung Anwendung finden, Gemeinwohl über Eigenwohl. Findet dieser Ansatz Anwendung, würden wir den Orden des stählernen Lotos auf Nullstand setzen zum Schutz und Erhalt der Krone, Souvagnes und des souvagnisches Volkes. Kurzum wir würden eine Grundreinigung befehligen«, gab Maximilien zu bedenken. »Wir ziehen uns zur Beratung zurück. Es folgen uns unsere Söhne und unsere Berater«, erklärte Max und ging gemeinsam mit Fabien in seine Amtsstube vor und wartete dort. Ciel hatte einen nicht unerheblichen Einwand gebracht. Aber so ohne weiteres konnten sie auch Benitos Äußerung nicht im Raum stehen lassen.



    Ciel Felicien de Souvagne
    Ciel folgte seinem Vater und setzte sich auf seinen Platz. Als alle saßen, meldete er sich zuerst zu Wort. »Das Oberhaupt des Stählernen Lotos ist also ein von Wigberg, so viel habe ich verstanden. Dann ist Moritz mit Linhard verwandt! Ist das nun ein mysteriöser Zufall oder hängt der eine mit dem anderen zusammen? Wenn man nicht einmal mehr den Schatten vertrauen kann, läuft etwas gewaltig schief. Gestzt den Fall, das, was Moritz für die Wahrheit hält, ist die Wahrheit - dann sollten wir sie mit der Wahrheit seines Vaters abgleichen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Wenn seine Aussagen den Tatsachen entspricht, dann ist Moritz mit Linhard verwandt. Aber hier können wir das Problem von der anderen Seite klären Ciel. Wir können zwar Moritz nicht auslesen lassen, Linhard hingegen schon. Jeden der Hohenfelde können wir auslesen lassen, einschließlich Brandur und Davard. Tja und wiedereinmal stellt sich die uralte Frage, wer wacht über die Wächter? Entweder ermitteln wir in dieser Sache und finden heraus, was an Benitos Anschuldigen dran ist, oder wir greifen prophylaktisch ein. Ermittlungen ist klar, wir lassen die Hohenfeldes auslesen. Eingreifen bedeutet Bereinigung, wir entfernen jeden einzelnen Lotos aus Souvagne, kurzum sie folgen den Agenten der Autarkie in den Tod. Und genau das verursacht einen üblen Beigeschmack. Stellt Euch vor all das stimmt genau so wie es ist. Es sind Wigbergs und sie dienten uns schon mit dem Orden, bevor überhaupt einer der Hohenfelde hier einen Fuß auf souvagnischen Boden setzte. Nun möchte jemand genau jene Wigbergs loswerden, was wäre da besser als die Behauptung eines abtrünnigen Ordens? Auf der anderen Seite, was läge so einer Familie näher? Nirgendwo sonst kommt man so gut an Informationen wie bei der Regierung selbst oder dem Militär. Und ich habe auch nicht grundlos die finanzielle Unterstützung von den Eibenbergs abgelehnt. Unsere Staatskasse bleibt allein in der Hand der Krone, die Finger eines Eibenbergs haben darin nichts zu suchen. Er soll sich um sein Lehen bemühen und das erkennen wir an. Aber da hört es in Souvagne auch schon auf. Sein Vater wäre demnach Thimo«, sagte Max und strich sich nachdenklich übers Kinn.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Dann empfehle ich, diesen Timo herholen zu lassen«, fand Ciel. »Ins Verlies für eine Woche, Einzelhaft in völliger Dunkelheit ohne jede Information, warum er dort gelandet ist und ob er jemals wieder herauskommt. Die Eibenbergs versuchen sich in der Staatskasse einzubringen, die Wigbergs kontrollieren unseren Geheimdienst, die Hohenfeldes sind durch Heirat an der Macht ... ich glaub das nicht«, stöhnte Ciel. »Die Grundreinigung liegt nahe. Dann ist die Frage, welches Ausmaß?«


    Dreux Gifford de Souvagne
    Dreux dachte ebenfalls angestrengt nach. »Also ich würde die Agenten der Autarkie von dem stählernen Lotos trennen. Die Agenten erwiesen sich als unschuldig, schuldig waren drei Personen die dazu sogar die Himmelsaugen missbrauchten. Aus dem Grund würde ich nicht die beiden Orden vergleichen. Entweder ist man dann zu zurückhaltend, was ist wenn sie genauso unschuldig sind? Oder zu voreilig, was ist, wenn sie wie die drei Verräter sind. Ich würde ermitteln, so wie wir es immer zu tun pflegen, denn auch sie sind Souvagner. Jedenfalls ein Großteil davon im Orden des Lotos. Folglich muss sich der Fall als das angeschaut werden, was er ist - ein Fall für sich. Und sollte sich herausstellen, dass es dort Verräter gab, dann müssen genau die ausfindig gemacht werden. Der Rest wird nicht mal gewusst haben, was die Führungsriege plant. Wenn man sich zum Beispiel Parcival vor Augen ruft oder Corentin. Waren alle Himmelsaugen schuldig? Nein. Waren die Agenten schuldig? Nein. Also wer trägt hier woran schuld. Letztendlich kommt es mir so vor, als benutzen einige wenige dort oben die unteren als Schlachtvieh. Und war es nicht genau dass, was Ciel im Herrenhaus aufgedeckt hat? Demnach wäre auch Moritz nur ein Schaf unter vielen Schafen, wir suchen aber den Wolf. Und ich vermute der Wolf ist das Oberhaupt. Entweder allein oder mit einem oder mehreren Vertrauten. Wieviele Ordensbrüdern und Schwestern stehen tagtäglich für die Werte ihres Ordens ein? Stellt Euch vor, deren Oberhäupter würden das für etwas ganz anderes ausnutzen. Waren dann nicht jene genauso betrogen wie wir? Sie verdienen unseren Schutz. Und sie verdienen Dein Wohlwollen Vater, Du hast nie leichtfertig einen Souvagner gerichtet. Vielleicht war das Opas größter Fehler. Hätte er die Agenten nicht aus dem Spiel genommen, keine Reinigung vollzogen, sondern ermittelt - dann wäre er vielleicht auf die Wahrheit gestoßen. Denn es zählte dort noch nicht das wer... sondern das Warum! Das warum war, Oma hatte einen Verrat und Putsch vor und das wussten die Agenten. Wer zur Tarnung sterben musste, war Oma, Parcival und Corentin gleich. Und als die Agenten anfingen zu ermitteln, meldeten sie sich quasi freiwillig. Wir müssen hinter die Kulissen schauen«, warnte Dreux.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Guter Einwand, Bruder«, sagte Ciel anerkennend. »Ich ziehe meinen voreiligen Vorschlag zurück. Keine Grundreinigung ohne vorherige Ermittlung. Jedoch bin ich nach wie vor der Meinung, dass wir uns Timo anhören sollten, mit den nötigen Hilfsmittelchen, die auch bei Moritz zum Einsatz kamen..«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nun an der Macht wären sie, sollte Dreux den Thron nicht besteigen. Ich spreche das nicht aus, aber würde der Wenn-Fall eintreten und der Zweitgeborene den Thron besteigen müssen, dann wäre Verrill Duc von Souvagne und Ducachessa von Ledwick, an seiner Seite Linhard. Eine Grundreinigung eines solchen Ausmaßes heiße mehr noch als jene der Duponts, Hinrichtung und Tilgung aus den Büchern. Der Orden würde ebenso getilgt. Aber auch was Dreux sagt, entspricht den Tatsachen. Stell Euch vor, wir lassen eine Sippe auslöschen, einen Orden ebenso und hunderte Unschuldige sterben. Haben sie nicht auf uns vertraut, zu ermitteln und den Verrat an uns allen, einschließlich ihnen, aufzudecken? Und ebenso müssen wir uns die Frage stellen, was ist wenn Linhards Absichten ehrenvoll sind, die einiger Familienmitglieder aber nicht? Im Unrecht gibt es keine Gleichheit, aber es gibt im schlimmsten Fall die Sippenhaft durch das Familienoberhaupt. Er ist das Familienoberhaupt und hätte davon Kenntnis haben müssen. Aber dieser Zweig scheint ja der Hauptsippe gar nicht bekannt gewesen zu sein. Ein gutes Beispiel wie Davet als Halbbruder mir, würde mir nun einer unterstellen ich hatte vor drei Jahren meinen Bruder nicht unter Kontrolle, wäre das haltlos. Ich wusste von ihm nichts. Wir holen Timo her. Sehr gute Ansätze meine Beiden. Lösungsvorschläge?«, fragte Max stolz auf seine Jungs.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Ich habe noch keinen Lösungsvorschlag. Dafür wissen wir noch zu wenig.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Dem schließe ich mich an, Tazios Meinung hierzu wäre ebenso interessant gewesen. Aber Eure Einwände waren erstklassig und damit lässt sich sehr gut arbeiten. Timo soll hergeschafft werden. Einzel- und Isolationshaft. Eventuell sogar komplette Ruhigstellung und Körperentzug. Das heißt er wird in einen Wasserzuber gelegt, völlig fixiert und dieser Zuber ist zu schließen. Das heißt er hört nichts, er sieht nichts, er fühlt nichts und das über Stunden. Danach werden die meisten sehr gesprächig. Ich hatte zuerst vor Patrice und Caillou mit der Aufgabe zu betrauen Verrill und Tazio nach Ledwick zu begleiten um dort einen ähnlichen Orden aufzuziehen unter ihrer Führung. Sie hätten den Aufbau mit Tazio geleitet, nun ich denke das legen wir ad acta. Bis jetzt sind wir immer wieder auf die Himmelsaugen zurückgekommen. Obwohl es Verräter in ihren Reihen gab, sogar ganz oben, konnten wir uns immer auf sie verlassen. Jedenfalls sagt mir das mein Gefühl, also das ist keine Beweislage, sondern mein subjektives Empfinden«, sagte Max zu seinen Söhnen.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Beauftragst du jemanden damit, Timo herzuschaffen? Ich habe leider nicht die geringste Ahnung, wie ich ihn Kontaktieren könnte oder wo er gerade ist. Was den Orden in Ledwick anbelangt ... dass die Wigbergs ertappt wurden, könnte zu unserem Nutzen sein. Dann wüssten wir, woran wir sind. Vergleichbar mit den Beißern, sie setzen ihre naturgegebene Bissigkeit zum Nutzen Souvagnes ein. Aus Menschen, die dazu verdammt wären, als Schwerkriminelle auf dem Block zu landen, werden somit Hüter von Recht und Ordnung. Was ist mit diesem Caillou? Könnte er den Orden hochziehen oder hängt er da auch mit drin?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Eine sehr gute Frage Ciel, wenn ich das einschätzen sollte, würde ich Dir sagen er weiß davon nichts. Er ist mit Pascal verheiratet und Pascal war lange Zeit verschüttet. Wie tief war Moritz im Gedankenmorast vergraben? Vielleicht hat Caillou Moritz niemals kennengelernt. Die Beißer sind Deine Bluthunde, so wie Bellamy mein Bluthund war. Ich benötige neben meiner Leibgarde wieder einen bissigen, zuverlässigen Schlächter, der auch die privatesten und prikärsten Dinge löst. Notfalls mit Gewalt. Haltet die Augen nach einem fähigen Mann offen. Vielleicht sollten wir Caillou und Costantino mit der Herbeischaffung von Timo beauftragen. Caillou hat allen Grund den Kerl an den Klöten herzuschleifen und Costantino ist vor Ort, er kann helfen. Dann kommt er auch auf andere Gedanken, anstatt Dich die ganze Zeit zu überwachen«, schmunzelte Max.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Oh, macht Conni das?«, fragte Ciel. »Timo weiß nichts davon, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind, oder? Dann bestell ihn doch einfach ganz offen zu einer Audienz, wo dann die Falle zuschnappt. Falls du wieder einen Bluthund brauchst, wie wäre es mit Costantino?«, fragte Ciel und setzte einen allzu unschuldigen Blick auf bei dem Gedanken, dass Conni im Palast einziehen könnte. »Oder benötigst du einen, der schon durch seinen Anblick abschreckt?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nein seine Optik ist völlig irrelevant, seine Befähigung ist entscheidend. Wenn ich jemanden die Fritöse zeigen möchte, sollte er sie ohne zu zögern finden und keine Angst vor Fettflecken haben, Du verstehst was ich meine? Costantino wäre dazu durchaus in der Lage. Du hast ja öfter Kontakt zu ihm, auch allein schon wegen Fran. Sei so lieb und richte ihm aus, dass er bei mir vorsprechen soll diesbezüglich. Genau, genau, genau..«, grinste Max und deutete auf Ciel. »Wenn wir ihn wegfangen lassen, dann haben wir ihn gewarnt. Also tun wir so, als hätte dieses Gespräch niemals stattgefunden. Die Garde schweigt und ist zuverlässig, Benito wird schweigen, Moritz wird einsitzen. Ich hatte zuerst Jendro im Visier, ob dieser ein guter persönlicher Begleiter wäre, sprich eine gute rechte Hand. Nun es schadet auch nichts, zwei Hände zu haben«, sagte Max.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Verstanden, wir wissen von nichts und Moritz sitzt ein. Jendro war früher bei Unitè B. Ein guter Mann, aber ob er auch Bluthund sein kann, weiß ich nicht. Für die richtig schmutzigen Aufträge ist er vermutlich zu anständig. Ich würde dir ja Kazrar oder Tekuro empfehlen, aber die beiden benötige ich leider selbst«, antwortete Ciel grinsend. »Ich kann sie dir allerdings für Notfälle ausborgen, bis du deinen eigenen Bluthund hast. Oh, oder wie wäre es mit Bellamys Sherkal? Von dem hört man nur Schlechtes - mit Ausnahme von aus Bellamys Mund. Ich werde dir vorerst Conni vorbeischicken, vielleicht kommt ihr ja schon überein.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Sherkal? Nun ich kann ihn mir ja mal neben Conni anschauen. Moritz muss einsitzen, anderes geht es nicht. Für sich selbst ist es ebenso das Beste. Dort könnten wir ihn auch direkt behandeln lassen. Benito scheint ja zu ihm vorgedrungen zu sein. Allerdings sollte er dort von Unbekannten behandelt werden, die zu ihm keine nähere Beziehung aufbauen«, sagte Max.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Oh, warum?«, fragte Ciel neugierig.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Damit er sich mit sich selbst auseinander setzen muss und nicht mit Benito oder anderen Personen die er kennt. Vielleicht hilft das seinen Seelen, dass sie mal miteinander ins Gespräch kommen. Er muss einmal komplett zur Ruhe kommen, jeder äußere Reiz muss ausgeschaltet sein. Als zig Personen hat er zig Dinge zu beachten und hatte auch einiges durchzumachen. Ich wollte ihn darin nicht mal schlagen lassen, aber eine Bedrohung gegenüber der Krone kann man nicht ungestraft lassen. Und ich fand die Respektlosigkeit auch nicht witzig. Allerdings erinnere ich mich auch an Patrice und wie er war. Nur habe ich nicht mit Patrice gesprochen, aber er genau wie Pascal bekommen den Hieb trotzdem mit ab, den Moritz ihnen einbrockt. Aber so ist das in so einem Fall nunmal, aus dem Grund soll er zu sich finden. Ist Sherkal zuverlässig?«, hakte Max nach.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Die Erklärung ist nachvollziehbar. Gut, mag er zur Ruhe kommen. Was Sherkal betrifft, ob er zuverlässig ist, kann ich dir nicht sagen. Aber ich weiß durch Khawa einiges über ihn. Er ist ein rücksichtsloser, kurzfristig denkender Egoist. Heißt, mit ausreichend Lohn wird er sicher zuverlässig sein, vermute ich. Und wenn nicht - er ist zumindest scharfzahnig. Mit Bellamy zusammen wäre er sicher hocheffektiv. Denn dieser vermag ihn in die richtigen Bahnen zu lenken.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Sherkal müsste dann mit Conni auskommen, Du meinst er wird von Belly in die richtige Richtung gestoßen. Kleiner Spaß. Ich werde ihn mir anschauen und wenn er sich gut macht, bekommt er Bellys alten Job. Den als rechte Hand, nicht den als Pala. Sonst wissen wir, wer Sherkal aufknüpft und zwar unser Rakshanerfreund Massimo der Gute. Wo ist der Kerl überhaupt?«, fragte Max.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Sherkal? Der ist bei Bellamy. Und Bellamy ist einer meiner Beißer. Ich habe Sherkal also als Bonus-Anhängsel, aber mir wäre lieber, er bekäme eine Aufgabe. Er ist sehr frech, ich möchte daher eher nicht mit ihm hantieren müssen und dulde ihn eher, aber vielleicht kommst du besser mit ihm zurecht. Sind wir hier so weit fertig? Dann sollte Moritz seine Kammer bekommen und Timothèe seinen Befehl.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Sind wir, kehren wir zurück. Man kann sich auf Euch verlassen, auf Euch alle beide, was Ihr erneut bewiesen habt. Ich weiß Euch sicher und in gegenseitigen guten Händen, sobald ich den Thron räume. Und denkt stets daran, gleich wen Ihr auch sonst im Leben habt, die meisten kommen und gehen, dass was bleibt ist die Familie. Ihr habt nur Euch, wenn es hart auf hart kommt, verhaltet Euch so und bleibt Brüder«, sagte Max und küsste seine beiden Kinder auf die Stirn, ehe er zurück in den Thronsaal schritt. Er nahm auf dem Thron Platz und schaute auf Moritz. »Wir sind zu einer Entscheidung gelangt. Moritz von Wigberg, Du bist mit sofortiger Wirkung all Deiner Ämter enthoben. Ferner bist Du entmündigt bis auf Weiteres. Deine Vormundschaft fällt dem Staate zu. Aus diesem Grund wirst Du umgehend in eine geschlossene Einrichtung verbracht, um dort Deiner Heilung entgegen zu sehen. Bis zur Aufklärung des im Raum stehenden Vorwurfs wird Moritz von Wigberg in Verwahrung verbleiben. Nach Klärung des Sachverhaltes entscheiden wir über sein weiteres Schicksal. Wir hoffen für ihn inständig, dass seine Worte der Wahrheit entsprechen. Er mag ein Wigberg sein, dennoch ist er auch ein Souvagner. Medicus Benito wie auch alle anderen Anwesenden erinnern wir an ihr Gelübde und weisen auf die heutige besondere Schweigepflicht hin. Zuwiderhandlungen werden auf das Schärfste geahndet, aufgrund der Frage der Nationalen Sicherheit. Wir danken an dieser Stelle Medicus Benito für seine Umsicht und das Weiterleiten dieser Informationen an uns. Der stählerne Lotos Timo hat schnellstmöglich zu einer Audienz einbestellt zu werden. Gründe hierfür werden nicht benannt, der Mann hat sich hier einzufinden. Die Audienz ist hiermit geschlossen, für heute ziehen wir uns zurück«, entschied der Duc.


    Patrice Vertcuis
    Moritz schloss kurz die Augen. Er hatte alles zerstört. Alles. Es wäre besser, er hätte sich ein Ende gesetzt, dann hätten nur sie bezahlt, die in diesem Körper steckten. »Wohin werde ich gebracht?«, fragte Moritz. »Und was geschieht mit meinem Vater? Patrice wurde zugesagt, dass er Tekuro noch einmal sehen darf, wenn Ihr erfahren habt, was es mit dem Orden auf sich hat!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien musterte Moritz etwas milder. »Noch haben wir nicht erfahren, was es mit dem Orden auf sich hat Moritz. Sobald dies der Fall ist, werdet Ihr Tekuro sehen dürfen. Vorher sieh Deinen Aufenthalt als Möglichkeit Frieden mit Dir selbst zu schließen. Dies meinen wir wortwörtlich, versuche mit Deinen Seelen in Einklang zu kommen. Drei Personen in einem so winzigen Raum, sollten keine Feinde sein. Du wirst in einen Heiltempel gebracht, der zeitgleich als Kerker dient. Das heißt, Du bist dort sicherheitsverwahrt. Du wirst nicht fliehen können, aber es erwartet Dich auch nicht das Richtbeil. Was Dich erwartet sind Heiler, die sich versuchen Deiner Sache anzunehmen. Was mit Deinem Vater geschieht hängt davon ab, wer und was Dein Vater ist. Trägt er nur den Nachnamen von Wigberg und ist es nur ein Familienzweig, wird ihm nichts geschehen. Ist er hingegen ein Hochverräter der einen Orden gründete um uns wie auch Souvagne zu schaden, dann wird er sterben. Auf Verrat gibt es nur eine Antwort Moritz. Das wir Dir nicht böse gesonnen waren, hättest Du in unserem letzten Gespräch begreifen sollen. Aber vielleicht war Dir Pascal, nichts über Moritz bekannt, oder nicht in dem Ausmaß. Nutzt die Zeit die wir Euch schenken und bezieht in Eure Gedanken auch Caillou ein. Noch werdet Ihr nicht erkennen was wir mit diesem Urteil bezwecken. Würdest Ihr es erkennen, hättet Ihr keine Heilung nötig«, erklärte Max.


    Patrice Vertcuis
    Moritz war ein winziges Bisschen erleichtert, dass er nicht in das Verlies B gesperrt wurde oder in ein Äquivalent dazu. Aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Als Stählerner Lotos hatte er so sehr versagt wie als Wigberg und als Ehemann. Er war entmündigt worden, hatte seine Familie verraten und Caillou, nachdem sie sich endlich wieder hatten, den Mann wieder entrissen. Und Patrice beschimpfte ihn aus einer Ecke seines Verstandes heraus und fragte, ob er auch mal an Tekuro gedacht hatte, der endlich dabei gewesen war, Frieden mit seiner Natur zu schließen. Ja, auch dafür würde irgendjemand leiden, der nichts damit zu tun hatte. Moritz war in jeder Hinsicht eine einzige Enttäuschung. Widerstandslos ließ er sich abführen. Ein Wigberg war scheinbar nicht dazu geboren, unter dem eigenen Namen zu leben. Nicht, wenn er den Namen verdiente, wenn man den Worten von Vendelin Glauben schenkte. Und damit verschwand Moritz von Wigberg so schnell von der Bildfläche, wie er aufgetaucht war.