Buch 1 Hohenfelde -- Kaptitel 01 - Der Hexenmeister

  • Der Hexenmeister


    Naridien, Jahr 202 nach der Asche.
    Ruinenstadt Trux, Katakomben unter der Nachtburg. Sezierkeller.


    Kasimir wiederholte sein Anliegen, diesmal dringlicher. »Mein Herr, es gibt Neuigkeiten von der Chaosfront.«


    Amand sah noch immer nicht von dem verbliebenen Teil der Leiche auf, an dem er gerade arbeitete. Bereits heute Morgen hatte er nicht das Bedürfnis verspürt, sich damit auseinanderzusetzen, sich stattdessen in den Keller zurückgezogen und jeden Gedanken seiner einsamen Arbeit gewidmet. Die förmliche Anrede, die sein Leibdiener gewählt hatte, und der leise Ton bezeugten, dass Kasimir sich seiner momentanen Lästigkeit durchaus bewusst war. Es mussten wichtige Neuigkeiten sein, wenn er sich wider besseren Wissens erdreistete, den Hexenmeister ein zweites Mal am selben Tage darauf anzusprechen und ihn gar bei seiner Arbeit zu stören, obwohl er die Tür zum Sezierkelller hinter sich geschlossen und so zum Ausdruck gebracht hatte, dass er heute weder Handreichungen noch Gegenwart Kasimirs wünschte. Es war einer der Tage, an denen blanker Hass auf die Welt wie ein Nebel in seinem Verstand hingen und er nur die Gesellschaft schweigender und regloser Körper ertrug. Amands Kiefermuskeln spannten und entspannten sich wieder auf Kasimirs Worte hin. Das Skalpell fuhr mit chirurgischer Präzision durch das weiße Bindegewebe, welches Musculus sartorius auf quadriceps femoris hielt. Keine Muskelfaser wurde beschädigt, die Stränge sauber voneinander getrennt.


    »Schließe die Tür und setz dich. Meine Person erlaubt dir, Bericht zu erstatten.«


    Er sparte sich den Hinweis, sich kurzzufassen. Kasimir wusste darum. Die behandschuhten Finger des alten Hexenmeisters zogen den Muskelstrang endgültig von seiner Unterlage ab und legten ihn zu den anderen in die stählerne Wanne. Sie war bis zum Rand gefüllt. Das Fleisch würde er mumifizieren, da er keine Verwendung dafür hatte, es aber weder vergeuden noch an die streunenden Ghule verfüttern wollte, damit diese sich nicht allzu wohl in der Gegend der Nachtburg fühlten. Das Skelett, für das er sich interessierte, war nach mehreren Stunden Arbeit fast vollständig freigelegt, die Knochen lagen in achtprozentiger Kalilauge, damit sich die letzten anhaftenden Fleischflocken zersetzten. Den kompliziert zu bearbeitenden Rumpf hatte der Hexenmeister als erstes entbeint. Im Gegensatz dazu, wie man ihn gelehrt hatte, bevorzugte er es, sich von innen nach außen zu arbeiten. So war die Konzentration bei den schwierigen Stellen am höchsten. Die einfach zu bearbeitenden Gliedmaßen entbeinte er zum Schluss, um seine Arbeit entspannt ausklingen zu lassen.


    »Die letzte Schlacht hat begonnen. Die Zeichen stehen auf Sieg für die Söhne des Chaos«, begann Kasimir.


    Seine Stimme war angenehm und an guten Tagen konnte Amand ihr lange zuhören, während sein Leibdiener ihn über die Geschehnisse der Welt in Kenntnis setzte und er dabei arbeitete. Sie war sanft und unaufdringlich, Kasimirs Sprache wohlgewählt. Manchmal war es kaum zu glauben, dass er keiner Adelsfamilie entstammte, sondern dem Bürgertum, so höflich und gebildet wie er sich gab und so korrekt, wie er sich zu jedem Zeitpunkt verhielt. Hätte Amand noch Kontakt zu anderen seines Standes, so würden diese ihn sicher um einen solchen Leibdiener beneiden.


    »Die Zwerge waren hartnäckig, doch ihre Reserven sind, wie es aussieht, nun endgültig erschöpft. Die Belagerung dauert schon zu lange. General Barlok Eisenhand hat eine letzte Unterredung mit Tarrik Tarkan ausgeschlagen und damit das Schicksal seines Volkes besiegelt. Der Tarrik hat das Blutrecht ausgerufen, Festung Dunkelbruch ist zur Plünderung freigegeben und es ist nur noch eine Frage von Stunden, bis der letzte Widerstand der Zwerge überwunden ist. General Eisenhand hat Boten in alle Richtungen entsandt, doch ich bezweifle, dass sie noch einmal rechtzeitig Hilfe holen können.«


    »Der General ist ein fähiger Mann. Womöglich geht es ihm gar nicht darum, Hilfe anzufordern, sondern um die Absicherung des Rückzugs der Überlebenden nach dem Fall.«


    »Damit mögen Sie Recht haben, mein Herr. Aber in beiden Fällen würde sich die Südfront noch näher in unsere Richtung verschieben. Das ist es, was mir Sorgen bereitet.«


    Unbeeindruckt von der Nachricht legte Amand das Skalpell in die Schale mit der warmen Reinigungsflüssigkeit und griff sich eines mit längerer und dickerer Klinge.
    »Meine Person mutmaßt gar, dass uns die Front überholen wird. Trux und die Nachtburg werden bald inmitten von Rakshanistan liegen und nicht länger Teil von Naridien mehr sein.«


    Kasimir ließ eine Pause, in der er das Gesagte verarbeitete. »Wenn es meiner Wenigkeit gestattet ist, zu fragen: Was wird dann aus uns, mein Herr?«


    Amand durchtrennte in Ruhe eine Sehne, wozu er mehrmals mit geringem Druck in die selbe Stelle schnitt. »Nun, du könntest dich in eine Fledermaus verwandeln, Kasimir und als solche den Schauplatz des Krieges verlassen, dir einen neuen Wirkungskreis suchen. Du bist ein gebildeter und fähiger Mann, es dürfte dir ein Leichtes sein, eine neue Anstellung zu finden, ganz ungeachtet der Vorurteile, denen Du und Deinesgleichen ausgesetzt seid.«


    Kasimirs weißes Gesicht, das man fälschlicher Weise für das eines jungen Mannes halten konnte, bekam rote Wangen, doch nicht ob des Lobes, sondern aus Zorn. Seine edel geschwungenen Brauen zogen sich zusammen. »Amand, Sie wissen, dass ich das nicht tun werde. Mein Platz ist an Ihrer Seite und hier bleibe ich, darum wäre ich, sofern es Ihnen nichts ausmacht, Ihren treusten Diener zu diesem Sachverhalt in Kenntnis zu setzen, dankbar zu erfahren, was Sie zu tun gedenken. Gedenken Sie zu warten, bis die Rakshaner Trux plündern und die Nachtburg schleifen? Gut. Dann warte auch ich. Warte an Ihrer Seite, bis der Sturm über uns hinweggefahren ist und dann sehen wir, was übrig bleibt.«


    Fast hätte Amand ein verächtliches Geräusch von sich gegeben. Doch er verzog nur die Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln. Kasimir meinte seine vor Edelmut triefenden Worte vermutlich tatsächlich Ernst, doch wenn es hart auf hart kam, würde er ihn am Ende doch allein lassen, um die eigene Haut zu retten. Der Hexenmeister hatte schon vor Jahrzehnten alle entsprechenden Illusionen abgelegt. Er war zu alt, um noch an Treueschwüre zu glauben. Eine Lektion, die zu lernen schmerzhaft gewesen war. Die Erfahrung würde einmalig bleiben, er beging den selben Fehler kein zweites Mal. Kasimir würde früher oder später von selbst merken, dass auch seine Treue endlich war.


    »Das Blut hat meine Person für dich abgefüllt und zum Trocknen vorbereitet«, sagte Amand scheinbar zusammenhanglos, doch es gab einen Zusammenhang. »Das Granulat kannst du zu einem späteren Zeitpunkt in Wasser auflösen. Zur besseren Haltbarmachung hat meine Person eine Neudosierung von Natriumchlorid ausprobiert. Berichte doch zu gegebener Zeit einem Gelehrten, wie es dir bekommen ist, das dürfte der Nahrungsversorgung deiner Art entgegenkommen und manch Problem lösen, wenn es denn funktioniert. Der Vorrat müsste inzwischen einige Monate reichen, wenn du sparsam damit umgehst. Die Vorratskammer ist, wie du weißt, ohne das Wissen um ihren Platz kaum zu finden. Verborgen in der Gestalt einer Fledermaus kannst du auch eine längerfristige Heimsuchung durch die Chaostruppen gut überdauern und dir regelmäßig Blut anmischen, ohne dich in Gefahr zu begeben und bist nicht mehr auf meine Zuarbeit angewiesen.«


    »Amand, Sie wollen doch nicht ... Sie können nicht zulassen, dass Ihnen etwas geschieht!«


    »Mein Leben ist längst vorbei, Kasmir. Das weißt du. Ich bin nicht lebendiger als die Toten, mit denen ich mich umgebe. Wenn mir etwas zustößt, dann mag es verspätetes Schicksal sein. Dass ich überhaupt noch lebe, ist nichts als einem Fehler Dunwins zu verdanken, es hätte nicht sein sollen. Es war aber so, also lebe ich. Doch ohne Freude. Ich bin alt und müde, Kasimir. Die nahenden Krieger schrecken mich so wenig wie die Aussicht, im Schlaf ein Herzversagen zu erleiden, das mich jeden Tag treffen könnte.«


    »Sie haben viele Verwandte im Süden! Dort könnten Sie um Unterschlupf ersuchen, wenn das Chaos kommt.«


    »Man merkt, dass du ein sehr einfaches und behütetes Leben hattest. Du bist fast schon entzückend naiv. Habe ich dir nicht oft genug von meiner Familie erzählt? Meine Verwandten sind von allen meine erbittertsten Feinde. Ein Überfall der Rakshaner wäre weniger tödlich, als auf eine Familienfeier derer von Hohenfelde zu gehen und zu offenbaren, dass man den letzten Anschlag überlebt hat.«


    Kasimirs schönes Gesicht erhellte sich und seine Augen blitzten, so als ob er einen Einfall hatte, der den Hexenmeister doch noch umzustimmen vermochte.
    »Dann ist es also müßig, Ihnen davon zu berichten, dass Ihr Neffe Davard nach all den Jahren doch noch heiraten wird? Das liegt also ebenfalls außerhalb Ihres Interesses?« Kasimir lächelte aufmunternd, so als ob er hoffte, dass diese Information den Einspanzer zu durchbrechen vermochte. Doch wenn er eine emotional geartete Reaktion erhofft hatte, die Amand dazu brachte, die Versöhnung mit seiner Familie zu suchen und mit ihm vor den näherrückenden Truppen zu fliehen, wurde er enttäuscht.


    Der Hexenmeister legte in aller Seelenruhe die letzten Muskelstränge in die Wanne und den befreiten Oberschenkelknochen zu den anderen in die Kalilauge. Damit war er fertig für heute. Er zog die Handschuhe aus und warf sie in die Wanne mit den Abfällen, die verbrannt werden sollten, wozu vor allem die Organe und die Verbrauchsmaterialien gehörten. Er breitete beide Arme aus und wartete. Kasimir eilte ihm auf dieses Zeichen hin zu Hilfe und half dem alten Mann, die Schutzkleidung aus gefettetem Leder abzulegen. Amand zeigte mit dieser Geste, dass seine schlechte Laune von heute Morgen durch die Arbeit abgeklungen war und er wieder normale Interaktion wünschte. Auch seine Sprechweise war fortan wieder etwas weniger förmlich.


    Während Kasimir seine Kleidung in einem Korb zusammenlegte, um sie später zu reinigen, wusch Amand sich mit intensiv parfümiertem Wasser und einem alchemistischen Desinfektionsmittel eigenhändig von Kopf bis Fuß, was für einen Mann seines Standes ungewöhnlich war, nicht jedoch für ihn. Kasimir räumte während der Zeit auf und reinigte den Arbeitsplatz. Er hatte wie immer nur wenig Arbeit, denn der Hexenmeister ließ sein Material vor Arbeitsbeginn gründlich ausbluten und sorgte auch während der Sezierung und Präparation für größtmögliche Hygiene. Binnen Kurzem war der Sezierkeller somit bereit für das nächste Präparat.
    Nackt bis auf ein paar Schlappen, die er jedoch an der Tür zurückließ, verließ Amand hernach seinen Arbeitsraum. Hinter ihm ging Kasimir mit erhobener Öllampe. Der Hexenmeister wollte nichts von dem, was sich hier unten abspielte, mit hinausnehmen und so ging er gewaschen und unbekleidet, von künstlichen Düften umweht, damit ihm auch der Geruch nicht folgte. Der Sezierkeller war ein Ort der körperlichen und geistigen Reinigung, sowohl für sein Präparat als auch für ihn und aller Schmutz blieb darin zurück. Als er durch den Kellergang hinaufstieg, fühlte er sich besser.


    Lang und schwarz glitt sein Schatten vor ihm über das Kopfsteinpflaster. Das einsame Leuchten der Lampe war das einzige Licht in den stockfinsteren Eingeweiden der nächtlichen Burg und ihre Schritte das einzige Geräusch. Was anderen Angst eingeflößt hätte, flößte dem Hexenmeister ein Gefühl tiefer Ruhe ein. Normalerweise hätte er nun nicht gesprochen, doch in Anbetracht der Information wandte er sich doch noch einmal an seinen Leibdiener.


    »Davard heiratet also. Berichte mir davon, Kasimir. Wie hast du es in Erfahrung gebracht?«


    »Unserer Beobachter in Shohiro hat es berichtet. Es befindet sich ein entsprechender Aushang beim Rathaus. Die Einladung richtet sich in der Regel an die gesamte Familie. Entsprechend auch an Sie, mein Herr.«


    »Nun, mit meinem Erscheinen dürfte niemand rechnen oder sich gar darauf freuen, vor allem nicht, wenn ich im lebendigen Zustand angeliefert werde und nicht als Kadaver. Ich meinerseits hatte nicht damit gerechnet, dass mein jüngster Neffe überhaupt noch heiraten wird. Er ist mittlerweile über Vierzig. Wer ist die Glückliche?«


    »Eine Frau Varmikan Eisseher.«


    Amand hielt abrupt inne. »Eine Bürgerliche? Dabei sollte man doch meinen, dass Dunwin seine Söhne vernünftig erzogen hat!« Er wollte verärgert mit dem Spazierstock klopfen, doch der befand sich bei seiner Kleidung, auf die sie gerade zuhielten.


    Bevor sie die Treppe hinaufgingen und in das Atrium traten, bogen sie ab. Amand zog seine Kleider an, die er vor dem Beginn der Arbeit hier abgelegt hatte, weit weg vom Schmutz der Katakomben, nah am Weg hinauf ins Freie, so dass sie nach Nachtluft dufteten und nicht nach Keller rochen. Jede Bewegung schmerzte und er musste sich auf dem Stuhl niederlassen, um Unterhose, Kniestrümpfe, Bundhose und Schnallenschuhe anziehen zu können. Es dauerte. Sein Leibdiener stand dabei und hielt die Lampe. Ihm war es verboten, seinem Herrn Hilfe anzubieten, ehe der alte Hexenmeister nicht selbst danach verlangte.


    »Dieser Umstand ändert natürlich vieles, Kasimir«, setzte Amand ihre Unterhaltung fort. »Eine Bürgerliche!« Er zog sein Hemd an, das Wams darüber und schüttelte verächtlich das vollständig kahlrasierte Haupt, während er sein Halstuch band. »Nun, da mein geschätzter Bruder nun nicht mehr unter uns weilt, werde ich mir selbst vor Ort ein Bild der Lage machen. Dunwins Jüngster scheint ja seit der Abwesenheit seines Vaters völlig neben sich zu stehen, dass er das Familienvermögen und Erbe an eine standeslose Sippe verschleudert. Und sein Ältester scheint nicht in der Lage zu sein, für Ordnung zu sorgen und Davard wieder auf den rechten Weg zu bringen. Ansgar ist somit womöglich ungeeignet für seinen Posten. Ich gedenke in Erfahrung zu bringen, was sich noch alles in der Familie geändert hat seit dem Ableben meines werten Bruders.«


    »Sie meinen, um nachzusehen, ob die Zeichen günstig stehen für eine Rückkehr aus dem Exil?«


    »Um nachzusehen und meinen rechtmäßigen Platz als Familienoberhaupt in Anspruch zu nehmen, wenn sich die Gelegenheit in Anbetracht der fragwürdigen Führung als günstig erweisen sollte.«


    Amand stützte sich auf seinen Spazierstock und stand sehr langsam auf. Er schloss die Augen, damit seine Schmerzen nicht den Weg auf sein Gesicht fanden, bis er sich zur vollen Größe aufgerichtet hatte.


    »Ich werde nicht alleine bei dieser Hochzeit erscheinen. Du wirst mich begleiten, Kasimir und zuvor besuchen wir jemanden, der mich ebenfalls begleiten wird. Ohne Verstärkung zu einer Familienfeier zu erscheinen war noch nie eine gute Idee.«


    Er stieg durch die verwilderte Schönheit der Nachtburg, kam an zahlreichen geschlossenen Türen vorbei, hinter denen keine Stimmen zu hören waren, kein geschäftiges Treiben, kein Klappern von Geschirr, nur Stille. Im nächtlichen Burghof rief kein Kauz, schrien keine kämpfenden Katzen, bellte kein Wachhund. Nur der Wind pfiff über die Mauern und schwarzes Geäst raschelte.


    Da er seine Dienerschaft so klein wie möglich hielt, hatten sie zu viel Platz in der geräumigen Anlage. Die Nachtburg wirkte zu jeder Zeit still und einsam, da sie nur sehr wenige der vielen Räume regelmäßig benutzten. Als die vorherigen Burgherren auf der Flucht vor dem näherrückenden Chaos verlassen hatten, war das meiste Inventar hier verblieben, das nun dem Hexenmeister gehörte. Die Ölporträts an den Wänden hatte Amand jedoch abnehmen lassen. Die nackten Wände gefielen ihm besser und in manchen Räumen gab es schön anzusehende Tapete. Auf einer war eine Adelsfamilie abgebildet, die gemeinsam im Garten saß und Tee trank, während die Kinder spielten. Dort trank auch Amand gern Tee, allein. Auf den kunstvoll geschnitzten Möbeln lag der Staub, der Garten war verwildert und jedes Kinderlachen längst verstummt. Er war der Einzige hier, der lebte. Kasimir war so tot wie seine übrigen Diener. Zumindest traf das zu, wenn man das Leben nach medizinischer Lehre definierte. Amands Ansicht nach hingegen war Kasimir das einzige lebende Wesen, das die Nachtburg durchstreifte und er selbst ein wandelnder Toter.


    »Ich werde die Harpyien auftauen lassen. Wir nehmen den Wyvern.«


    Zwei Tage später war der Hexenmeister Amand von Trux reisefertig. Er nahm Abschied von seiner liebsten Kreation Viola. Er ließ sie in ihrem schönsten Kleid vor sich stehen, mit ihren übertrieben weiblichen Proportionen und dem reglosen Puppengesicht und zog den Hut vor ihrer unnatürlichen Schönheit. Seine penibel manikürten Finger strichen über ihre knochenweiße harte Wange. Ganz bewusst hatte er sie so unnatürlich und übertrieben perfekt gestaltet, um sie von jener abzugrenzen, die er verloren hatte und die einst ebenso den Namen einer Blume getragen hatte. Er nahm ihre Hand in die seine, spürte die Feinmechanik, wie sich jedes Fingerglied nach seinem magischen Willen bewegte. Nur zu sprechen vermochte sie nicht.


    »Leb wohl, meine Liebste«, sagte er sanft und ließ sie seine Umarmung erwidern und zärtlich über seinen Rücken streicheln. Ihr harter Leib, geformt aus dem Knochenschmelz dutzender Toter, drückte sich gegen seinen. Sie war zu wertvoll, um sie mitzunehmen. Er drückte ihr einen Kuss auf die weißen Lippen und ließ sie sich auf einen Stuhl setzen und erstarren, bis dass er zurückkehren und sie erneut erwecken würde. Er verschloss die Tür und auch jene davor und die, die zuletzt kam.


    Entgegen dem, was man vielleicht vom Gefährt eines Nekromanten erwarten mochte, war dieses nicht schwarz, sondern blendend weiß. Das war bei genauer Überlegung nicht verwunderlich, denn Amand war ein Meister der Knochenmanipulation. Während andere seiner Zunft sich mit Heerscharen von Zombies umgaben, bevorzugte Amand die geruchsneutrale, glatte Form, die man mit einer ausreichenden Menge an Substantia corticalis und Geduld herstellen konnte - so wie diesen ebenmäßigen Himmelsgleiter in Drachenform mit seinen mehrere Meter breiten Schwingen und gegliedertem Schweif, der von untoten Harpyien gezogen wurde. Aus der Ferne mochte es aussehen, als ob dies ein echter weißer Drache sei, denn die Schwingen konnten zur Steuerung mittels Hebel bewegt werden.


    Amand und Kasimir stiegen ein und legten die ledernen Gurte an. Das Gepäck hatte Kasimir bereits verstaut. Über ihnen schloss sich die Luke. Amand legte die magischen Fäden um die Harpyien und wie Marionetten erwachten sie zum Leben, warfen sich in ihre Zuggeschirre und zerrten den Gleiter über die Straße, die als Startrampe diente. Nach einiger Zeit begann der Wind unter die mit Leichenhaut bespannten Schwingen zu greifen und der Wyvern erhob sich in die Lüfte, zeitgleich ließ Amand die Harpyien steigen. Selbstredend waren sie alle weiß gefiedert. Sie stiegen höher und es wurde eisig, doch sie waren warm gekleidet, da sie oft auf diese Weise reisten. So erreichten sie recht bald Daijian.


    Schlitternd landete zuerst der Wyvern auf seinen Gleitkufen. Funken stoben, als Amand den Bremshebel zurückzog. Da er der Nekromant war, musste er den Gleiter selbst steuern und konnte die Reise nicht Kasimir überlassen, wie das bei einer Kutsche möglich gewesen wäre. Als die Geschwindigkeit ausreichend heruntergebremst war, landeten auch die Harpyienzombies auf ihren Füßen, rannten noch ein Stück und hielten dann. Das Gefährt kam zum Stillstand. Die Kufen qualmten und es stank nach verbranntem Knochen. Sie stiegen aus, Kasimir entlud das Gepäck.


    Der Wyvern hatte vor dem Anwesen des einzigen noch lebenden Verwandten gehalten, den Amand momentan für nützlich hielt und nebenbei die einzige Person, von der er glaubte, dass sie sich - möglicher Weise - über sein Erscheinen freuen könnte. Wolfram von Wigberg, der Sohn seines Cousins.

  • Wolfram



    Wolfram hatte es sich vor seinem Haus im weitläufigen Garten gemütlich gemacht. Viele Pflanzen, Büsche und Blumen hatte er gepflanzt, die für bestimmte seltene Insektenarten eine Nahrungsquelle darstellten. Wolfram liebte nicht nur Pflanzen, sondern auch Falter und deren zerbrechliche Schönheit.


    Diese Tiere erinnerten ihn daran, wie zerbrechlich das Leben sein konnte, aber auch wie hart etwas scheinbar Zerbrechliches im Überlebenskampf war. Besonders mochte Wolfram die Mondmotten oder auch Phosphor-Falter genannt. Es waren wunderschöne weiß-grünlich-schimmernde Nachtfalter, die meist so gegen Mitternacht auf Nahrungssuche gingen.


    Die kleinen Schönheiten trugen ihren Beinamen nicht umsonst, sie waren phosphoreszierend, so dass sich Licht dass auf sie viel in ihren winzigen Flügelschuppen speicherte. Für ein Lebewesen dass keine Verteidigungsmöglichkeit hatte, war es keine gute Idee von Mutter Natur, dass es wie eine Kerze in der Dunkelheit leuchtete.


    Aber es ging wie so oft nicht nur um das erste Offensichtliche und Augenscheinliche, sondern es ging um mehr. Es ging nicht um den einzelnen Falter, sondern um den Erhalt der Art. Glühwürmchen leuchteten aus dem gleichen Grund, sie suchten einen Partner.


    Der Magier saß bei einer guten Tasse Tee und in eine Decke eingehüllt vor seinem Haus und genoss die Nachtmusik der Natur. Er liebte sein Haus in Daijan, weit ab von jeder Zivilisation, jedem Nachbarn und den Verwandten.


    Er führte hier im Vergleich zu seiner Familie ein bescheidenes Leben, aber eines dass ihn sehr glücklich machte. Es gab keine Mauern die ihn erdrückten. Er lebte in einem kleinen, gemütlichen Haus und sein Garten war seine größte Leidenschaft.


    Zur Seite standen ihm sein Dienstmädchen Margot, welches sich um seinen Haushalt kümmerte und Benaunois sein Dienstbursche, der den Rest rund ums Haus erledigte. Wolfram selbst hatte keinerlei Geschick was das Führen eines Haushalts anging. Zu seinen beiden Bediensteten pflege er ein umgängliches Verhältnis.


    Aber wer den Kampfmagier kannte, der hätte auch nichts anderes vermutet. Wolfram war von Natur aus eine sehr umgängliche und besonnene Person. Und gerade das machte ihm zu einem Außenseiter in seiner Familie.


    Wolfram war es gleich, er hatte sein Leben zu leben und die Verwandten das ihre. Er legte weder Wert auf Macht noch auf Prestige. Wolfram lagen andere Dinge am Herzen, dazu zählte auch ein guter wie auch freundlicher Umgang mit seinen Bediensteten.


    Die Nächten wurden bereits kühler und der Herbst stand vor der Tür. Bevor das Wetter umschlug und es zu nass und regnerisch wurde, musste er noch seine Kürbisse ernten.


    Das waren Wolframs Gedanken, während er schön eingemummelt vor sich hin döste. Das irritierte Schnauben von Fuchs, seiner uralten Stute, holte ihn sofort zurück in die Realität. Wolfram war zwar eine friedliche Natur, aber er war kein Idiot. Seine Hand schloss sich alarmiert um das Helft seines Schwertes.


    Er sollte sich wieder einen Hund zulegen überlegte Wolfram. Aber nachdem die alte Maggie ihren letzten Atem ausgehaucht hatte, war er lange Zeit nicht dafür bereit gewesen, einem neuen Hund einen Platz an seiner Seite zu schenken. Es musste ein passendes Tier sein. Kein junger Hüpfer, sondern einer der Unliebsamen, jenes Tier für das sich sonst niemand interessierte.


    Meist wählte er Wesen die schon alt waren. Ein altes Geschöpf zu entsorgen kam für ihn nicht in Betracht, da es sich meist mehr um seine Mitmenschen verdient gemacht hatte, als die Menschen selbst.


    Nun im Moment waren solche Gedanken ehr müßig und hinderlich. Da er in der Nacht den Feind nicht ohne weiteres ausmachen konnte und zudem die Lichtquelle im Rücken hatte, griff Wolfram auf seine Gabe zu. Er tastete die Umgebung nach Farben, kurzum nach Lebenszeichen ab. Die Farben von seiner Bediensteten und Fuchs erkannte er sofort und ignorierte sie.


    Einen Moment später nahm er andere, fremde und doch vertraute Farben wahr und zwar von oben. Wolfram stutzte irritiert und kniff seine dunklen Augen zusammen in der vagen Hoffnung doch etwas erkennen zu können. Und der Magier erkannte auch etwas.


    Ein knochenweißes Gefährt kam per Luftweg auf sein Haus zu, gezogen von weißen Harpyien. Als Wolfram bewusst wurde, dass er mit offenem Mund gen Himmel starrte schloss er ihn bewusst und räusperte sich leise. Das Gefährt setzte zur Landung an, landete und kam Funkenstiebend zum Stehen.


    Zwei Männer stiegen aus.
    Ein Untoter laut Wolframs mentaler Abtastung.
    Und ein Toter, vielmehr ein Totgesagter – Brandur von Hohenfelde.


    Wolfram steckte sein Schwert weg und ging ihnen gemessenen Schrittes entgegen. Vor einen beiden Gästen blieb Wolfram stehen und empfing sie mit einem freundlichen Lächeln.


    „Bemerkenswertes Gefährt und ein ebensolcher Auftritt Brandur. Du siehst aus als wärst Du frisch dem Abgrund entsprungen. Was die alte Weissagung bestätigt, Totgesagte leben länger. Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, sagte Wolfram und drückte Brandur kurz zur Begrüßung. Kasimir nickte er knapp und freundlich zu.

  • Brandur spürte während des Fluges, wie jemand seine Farben abtastete. Er erkannte Wolframs warme Anwesenheit, doch es war fraglich, ob man Brandur anhand seiner Farben noch erkannte, wenn man nicht genau wusste, um wen es sich bei ihm handelte. Er nahm es nicht an, dass es Wolfram bekannt war. Die Ereignisse, die Brandurs Leben einst zerrissen hatten, waren an seiner Seele nicht spurlos vorübergegangen. Seine Farben waren nun anders, wenn man da überhaupt noch von Farben sprechen konnte bei diesem Schleier aus Tristesse und Dunkelheit. Diesem Umstand war es vermutlich zu verdanken, warum kein Mitglied seiner mörderischen Familie ihn bislang in seinem Exil hatte aufspüren können.


    Brandur war sicher, dass Dunwin mehr als einmal im Nexus nach ihm gesucht hatte um sich zu vergewissern, dass er auf wirklich tot war. Und das war er. Der Mordanschlag war gelungen. In der Nacht des Blutes war Brandur Amand von Hohenfelde zusammen mit seinen Kindern, seiner Frau und seiner Geliebten gestorben, auch wenn sein Körper den Sturz von den Zinnen und den reißenden Fluss als einziger überlebt hatte. Den kläglichen Rest, den sein Vater während seiner Kindheit und Jugend nicht geschafft hatte zu zerstören, hatte Dunwin in dieser Nacht vernichtet.


    Ausdruckslos betrachtete Brandur das Anwesen seines Großneffen zweiten Grades, während Kasimir das Gepäck auslud und den Wyvern parkfertig machte. Es sah so anders aus als das Anwesen, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, nicht dunkel und wehrhaft, sondern licht gebaut und voller Leben. Der Garten zeigte selbst in der Nacht seine herbstliche Pracht, Leuchtmotten flirrten herum und im Mondlicht leuchteten große Kürbisse, überall wippten geschlossene Blüten herbstlicher Blumen im kühlen Nachtwind.


    Und da kam auch schon Wolfram auf ihn zu, um ihn zu begrüßen, trotz der späten Stunde. Er kam gemessen Schrittes, so das Brandur Zeit hatte, ihn zu betrachten und die Informationen zu verarbeiten, während Kasimir die Koffer abstellte und sich schräg hinter seinem Herrn positionierte. Auch an Wolfram waren die Jahre nicht spurlos vorübergegangen, doch in einem ganz anderen Sinne als bei ihm selbst. Während Brandur von der Last einer schier unerträglichen Existenz gezeichnet war wie verwitterter Stein, wirkte Wolfram wie der herbstliche Garten, in dem sie sich begegneten, auf eine reife Weise erblüht, als würde alle verstreichende Zeit ihn nur noch glücklicher und schöner machen wie reifende Früchte oder guter Wein, er strahlte rundum reine Ausgeglichenheit und Zufriedenheit mit sich und der Welt aus. Brandur war nicht imstande, etwas anderes als Neid und Verbitterung bei diesem warmen, vor Leben erstrahlenden Anblick zu empfinden.


    Der Abstand zwischen ihnen schwand dahin und Wolfram drückte ihn. Es war nur eine kurze Berührung, doch Brandur spürte sie fast schon unangenehm intensiv. Es war die erste Berührung eines lebendigen Menschen seit vierzehn Jahren. Wolfram fühlte sich warm an, regelrecht heiß, er roch nach Leben, Birkensamen hatten sich in seinem Haar verfangen und eine Leuchtmotte krabbelte über seinen Ärmel und flatterte hinauf zu den Sternen. Einen Moment lang wurde Brandur schwindlig dabei und Kasimir griff ihm rasch unter den Arm. Als Wolfram die Umarmung wieder gelöst hatte, betrachtete der Hexenmeister das von der Sonne braungebrannte Gesicht und die vor Freude oder Aufregung gut durchbluteten Wangen. Ein Schatten legte sich über sein eigenes altes und kreideweißes Gesicht, unwirsch schüttelte er Kasimirs Hand ab.


    »Die Freude ist ganz meinerseits«, erwiderte er steif. »Es verwundert meine Person jedoch, dass du nach all den verstrichenen Jahren und dem, was geschehen ist, erkannt hast, wer heute vor dir steht, wo doch nicht einmal der eigene Bruder meiner Person imstande war, den scheinbar Verstorbenen zu orten. Zumindest nahm meine Person dies bislang an. Ist es gestattet zu fragen, seit wann du davon Kenntnis hast, dass meine Person noch auf Tasmeron weilt und wem dies alles ebenfalls bekannt ist?«

  • Wolfram beobachtete wie Brandur alles um sie herum musterte, geradezu wie ein Schwamm mit den Augen aufzusaugen schien. Der Kampfmagier konnte es ihm nicht verübeln. Sein Zuhause unterschied sich so stark von dem seiner restlichen Familie, dass es regelrecht ein familiärer Kulturschock sein musste, vor seinem Haus und in seinem Garten zu stehen.


    Wer aus einer Welt der Nekromantie, des Todes und der Gebeine entstammte, schmückte selten sein Haus mit fröhlichen Farben, bunten Blumen und dem Grün des Lebens an sich.


    Wolfram hatte allerdings nie die Schwärze seiner Familie angenommen, weder in der Gestaltung seiner Umgebung, noch in der Seele geschweige denn in seinem Verhalten. Er war aus der Art geschlagen, wie einige Verwandten seine Art freundlich umschrieben. Die meisten anderen hielten ihn schlichtweg für verrückt und wahnsinnig.


    Dem Kampfmagier war es gleich. Er hatte sich zum Großteil von seiner Familie, deren Zwängen und Banden losgesagt und lebte seit Jahrzehnten das Leben, dass er sich wünschte.


    Seine Verwandten bevorzugten die Erde der Gruft, er bevorzugte die frische Erde eines blühenden, lebenden Gartens. Aus diesem Grund verstand Wolfram auch die Sorge seines Gastes.


    Ein von Hohenfelde hatte nur Erde an den Händen, sobald er jemanden in einem Grab ein- oder ausgegraben hatte. Bei ihm hier sah die Sache völlig anders aus.


    Wolfram gönnte Brandur den Moment um sich zu sammeln. Er fühlte sich vermutlich völlig fremd hier und fehl am Platz. Dabei wusste er gar nicht, wie richtig er hier eigentlich war.


    Die steife und zurückhaltende Art von seinem Gast schreckte den Kampfmagier nicht ab. All seine Gäste, ob Fell oder Federn, Haut oder Haar hatten beim ersten Eintreffen so reagiert. Und niemand kannte den Hintergrund von Brandur so gut wie Wolfram, außer vielleicht ein anderer von Hohenfelde selbst.


    "Eines sei Dir vorneweg versichert Brandur - Du bist hier willkommen und Du bist hier sicher. Dazu sei es Dir gerne gestattet meine Gedanken zu lesen, so denn Du dies möchtest.


    Zu Deiner Frage, seit wann mir bekannt ist, dass Du noch lebst. Seit dem Du angekommen bist. Deine Farben kamen mir entfernt vertraut vor. Dazu Deine Gestalt - nun ich habe eins und eins zusammengezählt. Außer mir weiß niemand davon, dass Du noch unter den Lebenden weilst Brandur.


    Und von mir erfährt es auch niemand, solltest Du dies nicht wünschen.


    Welcher Deiner Brüder sollte nach Dir gesucht haben? Nun wenn ich es richtig in Erinnerung habe schrieben wir das Jahr 188 als Dunwin Dich samt Deiner Familie aus dem Leben riss. Verzeih mir das Aufwühlen dieser Erinnerung.


    Du bist vor Deinem Bruder Kunwolf gefallen. Kunwolf hätte Dich suchen können Brandur, er war ein fähiger Magier. Aber kurz nachdem Du gegangen warst, fiel Kunwolf samt seiner Familie. Dunwin tötete sie alle kurze Zeit später.


    Somit trat Alastair die Lehnsherrschaft an Dunwin ab.
    Dunwin hatte damit keinen Grund mehr nach Dir suchen zu lassen, er hatte sein Ziel erreicht.


    Die Vorgaben seines Vaters nach zwei Stammhaltern war erfüllt, der Tradition einziger männlicher Nachkomme zu sein wurde Genüge getan, er bekam wonach er trachtete, er wurde Familienoberhaupt der Hohenfelde.


    Nun er hätte später in einer ruhigen Stunde nach Dir suchen lassen können Brandur, aber dazu kam es nicht mehr. Denn entgegen seiner eigenen Vita die mit Blut seiner Verwandten geschrieben war, wandten sich seine Söhne davon ab. Sie brachen mit der Tradition. Keiner der beiden, weder Ansgar noch Davard, haben je versucht den anderen zu töten.


    Im Gegenteil, soweit mir bekannt ist, hat Ansgar sogar mehrfach seinem jüngeren Bruder das Leben gerettet. Letztmalig bei dem schweren Reitunfall im Jahre 183. Da war es Ansgar der seinen Bruder am Leben hielt, bis der Heiler eintraf. Sehr zum Leidwesen von Dunwin. Seine Söhne sorgten für keine klare Struktur. Es ist einfach den Nachfolger zu benennen, sobald nur einer übrig bleibt.


    Aber es blieben zwei. Und irgendwann forderte Alastair Dunwin auf, einen Nachfolger zu benennen. Die Wahl viel dann standesgemäß auf den Erstgeborenen - folglich wurde Ansgar Familienoberhaupt der von Hohenfelde.


    Und nun wirst Du nicht mehr von Deinem Bruder Dunwin verfolgt, da er gemeinsam mit Deinem Vater Alastair von seinen beiden Söhnen beseitigt wurde. Sie waren nicht annähernd so nutzlos, schwach und weich wie er dachte. Sie wusste halt nur, wer die Klinge im Herzen verdient hatte und wer nicht.


    Nun das müssen wir aber alles nicht hier draußen besprechen. Folge mir ins Haus, Du kannst bleiben so lange Du möchtest. Und überlege Dir, ob Du nicht vielleicht selbst einen Neuanfang mit Deiner Familie wagen möchtest. Zu mir bist Du schließlich auch gekommen, was ein erster Schritt ist. Ich freue mich über Deinen Besuch. Und ich stehe Dir bei, wie immer auch Deine Entscheidung aussehen mag", erklärte Wolfram und führte seine beiden Gäste ins Haus.


    Ein Dienstmädchen und ein Dienstbursche kamen herbei geeilt um Kasimir die Koffer abzunehmen. Vor Brandur blieben sie kurz stehen, der Diener verbeugte sich, während das Mädchen einen Knicks machte.


    "Brandur dass sind Margot und Beaunois, die guten Seelen dieses Hauses. Solltest Du etwas wünschen oder benötigen, sprich sie einfach an. Mehr Dienerschaft benötige ich nicht, ich halte es lieber klein und persönlich. Folge den beiden bitte und richte Dich gemütlich ein. Sobald Du mit Sack und Pack angekommen bist, geselle Dich zu mir in die Stube, dann können wir uns in Ruhe unterhalten.


    Vor allem was Dich zu mir verschlagen hat und was Du so die ganze Zeit erlebt hast. Erinnere mich bei der Gelegenheit auch gleich daran, dass ich Dir die Hochzeitseinladung von Deinem Neffen Davard zeige. Der Gute heiratet, stell sich dass einer vor.


    Soweit ich dem Familienklatsch einiger loser Zungen entnehmen konnte - kurzum Eloise um genau zu sein, soll sein Mann ein "Eisprinz" sein. Sie erzählte mir, dass besagter Varmikan tatsächlich ein Frostalb sei. Stell sich dass mal einer vor, ein Frostalb. Man sagt sie seien schön und gefährlich, aber ob Eloise Klatsch den Tatsachen entspricht, weiß ich nicht zu deuten Brand. Die Hauptsache des Klatsches ist eine andere, sie heiraten laut Eloise aus Liebe. Genau wie einst Ansgar Fingard ehelichte.


    Wie dem auch sei Brand, komm an, packe Deine Sachen aus und komm gleich in die Stube. Ich setze uns erstmal einen guten Kaffee auf. Bis gleich mein Lieber", sagte Wolfram freundlich und verschwand Richtung Wohnzimmer.

  • "Es mag dir als grobe Unhöflichkeit erscheinen, doch meine Person wird dein Angebot in Anspruch nehmen, den Geist ihres Gegenübers zu überprüfen. Du hast dafür sicher Verständnis."


    Brandur zögerte auch gar nicht länger, sondern verschaffte sich Zugang im Geist Wolframs, wühlte darin herum, stöberte in allen Winkeln und prüfte, ob er irgendetwas vor ihm verbergen wollte, ob es Bereiche gab, die er ihm nicht offenbaren wollte. Natürlich gab es immer Dinge oder geheime Fantasien, persönliche Abgründe, von denen man nicht wünschte, dass ein Fremder Zugang zu diesen Gedanken hatte, doch Brandur interessierte weniger ihr Inhalt, sondern vor allem das Gefühl, was damit einherging, wenn er diese Bereiche bedrängte. Sobald er Scham spürte, ließ er davon ab, ohne sich dem Verborgenen weiter zu widmen, um Wolframs Intimsphäre nicht zu verletzen, wenn er jedoch Angst oder sogar eine entschiedene aggressive Abwehr spüren sollte, würde er diesen Stellen besonderen Wert beimessen. Wenn es ihm nicht gelänge, zu diesen durchzudringen und sie zu überprüfen, würde er Wolfram sein tiefstes Misstrauen aussprechen.


    Er selbst gab während ihrer mentalen Verbindung so gut wie gar nichts seiner selbst frei, er ließ Wolfram lediglich seine Gefühle ihm gegenüber spüren - ausgeprägte Besorgtheit, Überforderung mit der Situation, zurückhaltendes, aber vorhandenes Wohlwollen. Auf diese Weise sollte Wolfram sehen, dass Brandur momentan kein Feind war - jedoch auch seine Freundschaft nicht im Voraus verschenkte und seine Meinung durchaus ändern konnte, sollte es Anlass dazu geben.


    "Das Aufwühlen meiner Erinnerungen durch deinen Bericht vermag mich nicht zu kränken", erwiderte Brandur, der nach der vertrauensvollen Überprüfung nun zum Zeichen, dass er etwas weniger reserviert zu sein gedachte, aufhörte, von sich als 'seine Person' zu sprechen. "Dass Kunwolf samt seiner Familie gefallen ist, habe ich gespürt und seinen Tod bedauert, auch, wenn ich selbst wenig vorher sein Ableben durchzuführen beabsichtigt hatte. So waren die Dinge nun mal gestaltet. Als Dunwin und Alastair fielen, zog dies eine erhebliche Erschütterung des Nexus nach sich, die mir ebenfalls nicht entging. Ich überlegte, ob es Zeit sei, aus dem Exil zurückzukehren und nahm die geplante Hochzeit zum Anlass, nach dem Rechten zu sehen."


    Einen Moment schwieg er, stützte sich auf seinen Spazierstock und sammelte sich. Er hatte lange nicht am Stück so viel geredet. In der Regel hörte er eher zu, was Kasimir zu berichten hatte. In weiser Voraussicht geleitete Wolfram den erschöpften Brandur ins Haus, stellte ihm die Dienerschaft vor und bot ihm Kaffee an, den dieser auch dankend annahm.


    Brandur verweilte bis zur Hochzeit bei Wolfram. Die meiste Zeit verbrachte er allein im herbstlichen Garten, betrachtete die Blüten und Früchte und dachte nach. Zum Kaffee saßen er und Kunwolf gemeinsam beieinander und unterhielten sich, wobei Brandur sich jedoch mit Informationen über sich sehr bedeckt hielt. Weder berichtete er von seiner Nachtburg, noch davon, was er sonst in all den Jahren getrieben hatte, sondern beließ es bei oberflächlichen Themen. Es lag weniger daran, dass er Wolfram nicht traute, sondern daran, dass er jenen nicht traute, denen er diese Informationen womöglich weiterreichte.


    Als der Tag der Hochzeit gekommen war, verbrachte Brandur noch mehr Zeit als sonst im Bad, wo Kasimir ihm half, sich zurechtzumachen. Er legte Brandur eine knöcherne Weste um, die er selbst gefertigt hatte und die gleichzeitig als Schutz gegen Dolchstöße und als Mieder diente, um den schmerzenden Rücken zu stützen und den im Alter erschlafften Körper optisch zu straffen. Im Gegensatz zu anderen Adligen hatte Brandur wegen seiner Verkrüpplungen nach Kampf und Sturz nicht die Vorraussetzungen, um sich regelmäßig um körperliche Ertüchtigung kümmern zu können und auch wenig Lust darauf verspürt, sondern sich lieber der nekromantischen Arbeit gewidmet.


    Gemeinsam mit Kasimir, Wolfram, und wen auch immer Wolfram mitzunehmen gedachte, stiegen sie in den Wyvern und machten sich bereit zum Abflug. Wolfram wurde die Ehre zuteil, neben Brandur ganz vorn zu sitzen. Sie waren in dicke Reisedecken eingeschlagen. Es herrschte bestes Flugwetter, doch sie flogen Nachts, um Kasimir zu schützen, so dass sie vermutlich die letzten Gäste sein würden. Wenn es schlecht kam, wäre die Trauung dann bereits vorbei.

  • Wolfram beabsichtigte noch etwas zu Brandurs Ausleseankündigung zu äußern, aber da war der Nekromant auch schon in seinen Geist eingedrungen und durchstöberte ihn nach Herzenslust. Wolfram war für einen Moment wie paralysiert. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Brandur so schnell reagieren würde. Auf der anderen Seite, war Brandur ein Hohenfelde und ein sehr mächtiger dazu.


    Wolf konnte Brandur nicht aus seinem Geist vertreiben, selbst wenn er dies beabsichtigt hätte. Dafür war sein Gegenüber viel zu mächtig. Wolfram hatte auch nicht vorgehabt, ihm den Zutritt zu verweigern, ansonsten hätte er das Angebot nicht unterbreitet.


    Nur war er von der Schnelligkeit und Heftigkeit überrascht und überrumpelt. Für einen Sekundenbruchteil kämpfte er den Drang nieder, sich gegen den Zugriff zu wehren. Nicht da er etwas zu verheimlichen hatte, es war vielmehr ein Reflex.


    Immerhin wusste er warum Brandur so reagierte, als Vorsicht und aus Angst. Auch wenn Brand nichts von sich an Informationen preisgab, so übermittelte er doch seine Gefühle. Und die bestätigten Wolframs Vermutung.


    Also ließ er seinen Gast gewähren und duldete stillschweigend die sehr intensive Kontrolle. Er hätte eh nichts anderes tun können.


    Es gab kaum Themen die Wolfram peinlich waren. Eine einzige Information war mit Scham behaftet, aber diese las Brandur nicht aus, da er freundlicherweise um diese Gefühle einen Bogen machte.


    Brandur konnte nichts finden, was ihn hätte ängstigen können. Wolfram hatte alles was er zu ihm gesagt hatte, genauso gemeint. Er hatte die Wahrheit gesprochen.
    Als die Überprüfung vorbei war, rieb sich Wolfram den schmerzenden Schädel. Einen Kaffee benötigte er nun ebenfalls.


    Wolfram hörte Brandur aufmerksam zu. Brandur beschrieb seine Empfindungen beim Ableben von Kunwolf, Dunwin und Alastair. Wolfram hatte nichts im Nexus gespürt, aber diese Personen hatten ihm auch nicht dermaßen nahegestanden, dass er ein Band zu ihnen geknüpft hätte.


    Das Brand trotz allem den Tod seines Bruders Kunwolf bedauerte, freute Wolfram. Es gab ihm Hoffnung, dass bei Brand noch nicht alles verloren war, obwohl sein Vater Alastair alles daran gesetzt hatte aus ihm etwas zu formen, dass jegliche menschliche Emotion verloren hatte.


    Zu was immer Brand geworden war, er war noch in der Lage Mitleid zu empfinden und zu erkennen, was man ihnen angetan hatte. Wolfram legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter.


    "Ihr hättet Euch von Alastair abwenden sollen Du und Kunwolf, falls Euch die Möglichkeit geboten worden wäre. Man hat Euch gegeneinander ausgespielt Brandur. Das ist keine Vorhaltung, denn ich weiß selbst wie schwierig das ist von so einer Familie loszukommen. Wir gehören der gleichen Sippe an Brand.


    Bei uns ist es nicht anders. Aber das ist deren Spiel und nicht mein Spiel. Wenn sich alle um das Geld und die Macht streiten, dann sollen sie es haben. Sie haben Recht und ich habe meine Ruhe.


    Deine Neffen haben ein anderes Zeitalter in Deiner Familie eingeläutet. Schaue nur nach dem Rechten. Eventuell gefällt es Dir sogar", erklärte Wolfram.


    Mit den Worten ließ er Brandur erst einmal in Ruhe ankommen. Brandur brauchte einige Tage um sich zu aklimatisieren. Die meiste Zeit verbrachte er im Garten, was Wolfram sehr freute. Er selbst nutzte den Garten auch für jede Gelegenheit. Zum Nachdenken, zum Entspannen, zur Freude, zur Arbeit - eigentlich war er so gut wie immer im Garten.


    Brand und er hatten sich in den Tagen seines Besuchs angewöhnt, gemeinsam Kaffee zu trinken. Wolfram genoss die Zeit, auch wenn Brandur nicht viel von sich und seinen Erlebnissen erzählte. So etwas störte Wolf nicht. Brand hätte genauso gut schweigen können. Solange es ein zufriedenes und angenehmes Schweigen war.


    Der Mann war eines der unliebsamen, misshandelten und geprügelten Geschöpfe. Manche Wunden brauchten ihre Zeit, manche Wunden heilten nie. Und dennoch hatte Wolfram nie eines dieser Geschöpfe aufgegeben. Man konnte nicht alle retten, aber man konnte dafür sorgen, dass wenn sie eines Tages gehen mussten, dass sie es nicht mit Angst im Blick taten. Sondern sich vielleicht doch an ein zwei schöne Stunden in ihrem Leben zurück erinnern konnten, wenn es auch sonst der reine Abgrund war.


    Und selbst wenn Brandur sich im Nexus nur an den Herbstgarten und ihre Tasse Kaffee in Freude zurück erinnerte, war dies besser als nichts.


    Wolframs Haus in Daijan war wie heraus geschnitten aus der Zeit. Hier wurde nur auf die Uhr und den Kalender geachtet, sobald es einen trifftigen Grund dafür gab. Ansonsten ging alles seinen friedlichen, ruhigen Lauf. Es gab weder Hetze noch böse Worte. Dies war seine Welt und hier herrschte das Ruhige, Gemütliche und Schöngeistige. Selbst sein uraltes Pferd wurde nicht angebunden, sondern konnte sich frei bewegen.


    Am Tage der Hochzeit zog Wolfram seine beste und vor allem sauberste Robe an und gönnte sich vorher eine ausgiebige Zeit im Bad. Dann war es schon Zeit für den Aufbruch. Wolfram nahm weder Margot noch Beaunois mit. Gleichgültig was bei Brandurs Neffen vor Ort geschehen würde, er würde Brandur beistehen.


    Gut gelaunt nahm Wolfram in dem Flugefährt Platz und konnte sich ein breites, kindisches Grinsen nicht verkneifen. Er war gespannt auf den Flug.

  • Familiengespräch - zwischen Brandur und Ansgar -- 17-09.202



    Brandur von Hohenfelde
    Dabei wollte ich nur gratulieren.


    Ansgar von Hohenfelde
    kann jeder behaupten *schmoll*


    Ansgar von Hohenfelde
    *Linie mit dem Fuß auf den Boden zieh*


    Brandur von Hohenfelde
    Glaubst du mir etwa nicht? Das kränkt mich!


    Ansgar von Hohenfelde
    aber natürlich glaube ich Dir Onkel.


    Brandur von Hohenfelde
    Das widerum glaube ich dir nicht. *g*


    Ansgar von Hohenfelde
    glaubst Du mir etwa nicht, dass ich Dir glaube? Das enttäuscht mich und trifft mich tief in meiner Seele sfg


    Brandur von Hohenfelde
    Wir haben uns gegenseitig zutiefst beleidigt, wir sollten eine Blutfehde beginnen, um unsere Ehre wiederherzustellen.


    Ansgar von Hohenfelde
    das dürfte ein Problem werden, wir gehören der gleichen Familie an.


    Brandur von Hohenfelde
    Mist!


    Ansgar von Hohenfelde
    sfg


    Brandur von Hohenfelde
    Was machen wir jetzt?


    Ansgar von Hohenfelde
    uns vermutlich töten
    darauf läuft es doch letztendlich immer hinaus nicht wahr?


    Brandur von Hohenfelde
    Guter Vorschlag! Ich fange an. *fg*


    Ansgar von Hohenfelde
    und das obwohl Ihr Friedfertigkeit versprochen habt? Ihr fangt um 00:01 Uhr an
    ab dato zählt es als neuer Tag und niemand ist mehr an sein Wort gebunden. Weder Ihr noch ich...


    Brandur von Hohenfelde
    Ich habe aber den zweiten Kuchen noch nicht probiert. Darum kritisiere ich diesen Vorschlag aufs schärfste.


    Ansgar von Hohenfelde
    Meiner Person entzieht sich die Kenntnis was Ihr mit dieser Aussage bezweckt Onkel. Heißt das Ihr beabsichtigt Euer Wort zu brechen oder beabsichtigt Ihr Eure Frist zu verlängern, zwecks Verzehr eines Stück Torte? Ersteres werde ich passend quittieren, zweites dulde ich gerne


    Brandur von Hohenfelde
    Nun, ein Tag besteht bekanntlich aus mehr als nur wenigen Stunden und als ich von diesem Tage sprach, meinte ich daher nicht nur den kurzen Zeitraum bis Mitternacht. Wie sollte ich in dieser Zeit ein vernünftiges Bild von der Lage erhalten? Mein Leibdiener hat noch eine Taschenuhr übrig, ich werde ihn bitten, sie dir zu überlassen, damit du dich selbst vom Stundenumfang eines Tages auf dem Ziffernblatt überzeugen kannst.


    Ansgar von Hohenfelde
    Touche liebster Onkel, ich verzeihe Euch diese Bissigkeit großmütig, da mich der Umstand Eurer Lageerörterung erfreut und Ihr nicht versucht mich zu hintergehen. Vielmehr steht Ihr mehr zu Eurem Wort als es nötig gewesen wäre. Ihr hättet mich betrügen können... nur zu bildet Euch Eure Meinung


    Brandur von Hohenfelde
    Ich bin ein von Hohenfelde, aber ich bin nicht risikofreudiger als nötig. Ich wiederhole: Wenn ich Euch oder irgendjemanden sonst hätte tot sehen wollen, wäre ich nicht persönlich erschienen. Aus Fehlern lernt man.


    Ansgar von Hohenfelde
    jedenfalls begeht unsereins keinen Fehler zweimal, dies ist gewiss. Nun da Ihr hier seid und niemand tot sehen wollt und ich heute ebenso nicht beabsichtige jemanden zu töten, könnt Ihr getrost die Lage sondieren. Ihr habt meinen Segen dazu


    Brandur von Hohenfelde
    Das werde ich, mein Lieber Ansgar. So viel Feuer in deinem Herzen. Der gute Dunwin hat es nicht zu ersticken vermocht. Vielleicht hat er es ja geschürt, ohne es zu wissen? Er selbst war eher wie eine Gletscherlawine, wenn sein Zorn losbrach. Es dauerte, aber es kam heftig und oft unerwartet und er begrub jeden unter seinem Eis. Dein Zorn ist leichter zu wecken und ist feuriger. Du drohst viel, bevor du handelst.


    Ansgar von Hohenfelde
    Ein Kompliment aus Eurem Mund? Oder vortrefflich verpackter Hohn? Für ersteres habt Dank. Solltet Ihr zweites beabsichtigt haben... trete ich den Beweis an, dass ich mich nicht provozieren lasse gg
    Dazu fällt meiner Person gerade eine witzige Annekdote ein, bezogen auf Eure Beschreibung meines werten Vaters. Er war nicht nur aus Eis, er liegt gerade auch auf Eis. Erheiternd gg


    Brandur von Hohenfelde
    Ich möchte ihn gern sehen.


    Ansgar von Hohenfelde
    nennt mir einen guten Grund warum und ich gestatte es


    Brandur von Hohenfelde
    Einen guten Grund? Was ist ein guter Grund aus deiner Sicht? Ich bin neugierig, ihn da tot liegen zu sehen, meinen kleinen Bruder.


    Ansgar von Hohenfelde
    Ein guter Grund wäre dass Ihr ihn selbst tot sehen wolltet. Euch von seinem Tod überzeugen möchtet. Nun ich gestatte Euch ihn zu sehen. Aber Ihr werdet ihn weder anfassen, noch Euch nur eine Sekunde Eurer Magie bedienen dort unten. Ihr versteht warum nicht wahr?


    Brandur von Hohenfelde
    Ich weiß, dass er tot ist. Ich bin ein Nekromant und kein Geistmagier, doch das Leben meiner Familie zu spüren war mir seit jeher vergönnt - oder ich dazu verflucht. Ich brauche seine Leiche nicht zu sehen, um seinen Tod zu glauben. Ich wusste es lange, bevor man mir davon berichtete. Natürlich verstehe ich deine Sorge. Keine Magie. Ihn zu berühren dürfte ohne diese kaum eine nennenswerte Auswirkung haben.


    Ansgar von Hohenfelde
    Nun da irrt Ihr Euch... oder auch nicht. Wie Ihr korrekt anmerkt seid Ihr kein Geistmagier. Dave las ihn gerne aus. Von mir aus schaut ihn Euch an, Euren "kleinen Bruder". Ihn so zu titulieren klingt für meine Person... nun für mich abstrakt. Es verharmlost ihn. Oder Ihr seht ihn anders, ich weiß es nicht.


    Brandur von Hohenfelde
    Es ist die dritte Möglichkeit. Ich habe ihn gern so angesprochen zu seinen Lebzeiten, um ihn damit zu verspotten. Dunwin hat sich sehr darüber geärgert, er hatte, mit Verlaub, ausgeprägte Minderwertigkeitskomplexe. Mit so etwas konnte man ihn wunderbar necken, ohne sich große Mühe dafür machen zu müssen, wie ein Kompott zu vergiften.


    Ansgar von Hohenfelde
    Die hatte er nach wie vor, er hat sein Weltbild von das Eures Vaters abhängig gemacht und zeitgleich hat er es verachtet. Nun man kann nicht einem Bild entsprechen, dass man zeitgleich hasst. Er hat es versucht. Aber das hat ihm weder die Zuneigung noch die Anerkennung Alastairs eingebracht. Er blieb was er war, ein Nichtmagischer Bastard


    Brandur von Hohenfelde
    Nichtmagisch, ja, Bastard, vielleicht. Demnach siehst du deinen eigenen Sohn also ebenfalls als Bastard, da ihm die Gabe fehlt.


    Ansgar von Hohenfelde
    Ein sagen wir mal unbequemes und leidliches Thema. Lin ist kein Bastard, ich bitte das zu beachten ja? Er ist mein leibliches Kind, aber nun es lässt sich nicht leugnen, er hat ein Problem. Ihm fehlt die Gabe


    Brandur von Hohenfelde
    Nun, auch Dunwin war meines Wissens nach Alastairs leibliches Kind, es sei denn, du weißt mehr als ich. Wo ruhen er und mein Vater?


    Ansgar von Hohenfelde
    Korrekt Onkel, damit habt Ihr vollumfänglich Recht. Bastard ist nur ein Schimpfwort unsererseits für eine Unperson, der wir unser Missfallen auszusprechen gedenken. Wir hätten ihn auch als umagischen-Penner titulieren können. Bastard bezieht sich nur auf die abwertende Schmach die diese Dispektierlichkeit mit sich bringt. Folgt mir *Vorgeh zum Labor*


    ****

  • Wolfram ritt mit dem geborgten Pferd Richtung Heimat. Geborgt klang für Wolf besser als gestohlen, denn letztendlich hatte er nicht vor dass Pferd zu stehlen. Er kannte zwar den Besitzer nicht, aber sollte jemand aus der Verwandtschaft oder dem weiteren Bekanntenkreis ein Pferd als vermisst melden, dann würde die Person selbstverständlich von ihm sein Pferd wieder ausgehändigt bekommen.


    Die Handlung war aus der Not heraus geboren worden. Brandur war gemeinsam mit Lin und Dunwin geflohen. Wohin, dass konnte Wolfram nicht wissen, womit sie geflohen waren, war logisch - mit Brandurs Kutsche.


    Per Luftweg waren sie schneller als jeder Reiter und sie konnten problemlos jedes Hindernis überwinden. Da er gemeinsam mit Massimo Brandurs Rückzug gedeckt hatte, war seine Mitreisegelegenheit somit hinfällig.


    Kasimir erging es nicht anders. Und um den Vampir vor den restlichen Familienmitgliedern zu schützen, hatte Wolfram nun ebenfalls fliehen müssen. Die von Hohenfelde waren nicht für ihre Friedfertigkeit bekannt, wobei sich Ansgar heute erstaunlich zugänglich und kooperativ verhalten hatte. Und dies in so einer Ausnahmesituation.


    Für Wolfram gab es somit immer noch Hoffnung, dass sich alles in der Sippe zum Guten wenden konnte.


    Im Moment aber war die See der Verhandlung zu rau, die Wogen mussten sich erst glätten, denn ansonsten gab es für alle einen gewaltigen Schiffbruch und sie würden in der tosenden See ihrer Wut elendig ersaufen.


    Wolfram hatte genau vor dies zu verhindern.


    Da der Kampfmagier nicht wusste, wohin Brandur letztendlich geflohen war, beschloss er in sein Haus zurückzukehren. Sollte Brandur ihn oder Kasimir suchen, dann wusste er, wo er sie beide finden würde.


    "Kasimir ich weiß nicht wohin Dein Herr geflohen ist. Du bleibst so lange bei mir, denn ich vermute er wird Dich bei mir suchen. Bei mir bist Du sicher und ein gern gesehener Gast.


    Wegen Deinem Blutdurst müssen wir uns wohl erst einmal keine Gedanken machen, soviel wie Du gesoffen hast. Falls doch, werde ich einen Heiler beauftragen mir Blut abzunehmen und es Dir wie auf der Feier dann zur Verfügung stellen.


    Ich werde Zuhause versuchen Kontakt zu Deinem Meister aufzunehmen um ihm mitzuteilen wo Du bist", erklärte Wolfram freundlich.

  • Marlo

    fühlte dass Wolfram nach ihm spürte. Er suchte ihn, aber dann kam er nicht zu ihm zurück in den Tempel. Marlo konnte sich das nicht erklären. Vielleicht war Wolfram aufgehalten worden. Marlo wartete noch was länger, aber Wolfram kam nicht. Er versuchte nun von sich aus Wolfram zu finden. Da er nicht so ein mächtiger Magier war, sondern nur über rückständige Fähigkeiten verfügte dauerte seine Suche länger. Wolfram war nicht mehr auf dem Anwesen. Er bewegte sich immer weiter davon weg. Marlo stellte seinen Teller ab. Er verliess den Tempel und ging in den Stall. Geritt sein treues Pferd wartete auf ihn und begrüsste ihn mit einen freundlichen Schnauben. Marlo hatte zwar nicht viel Zeit, aber die Zeit Gerrit anständig zu begrüssen nahm er sich immer. Er streichelte den grossen Kopf und sprang auf Gerrits Rücken. Marlo ritt aus den Stall und hetzte dann mit Gerrit Wolfram hinterher. Sein Pferd war schnell und ausdauernd und genauso kampferfahren wie sein Reiter. Und so holte er Wolfram nach einen langen, harten Geländeritt ein. Marlo bremste Gerrit ab und ritt neben Wolfram her.

    „Ich hab gefühlt, dass du mich gesucht hast Wolfram. Wozu, du hast mir keine Botschaft geschickt. Zuerst dachte ich du bist aufgehalten worden. Aber dann fühlte ich, dass du das Anwesen verlässt und davon reitest. Was ist los? Wo ist Brandur? Und Massimo, wo ist der? Die waren doch zuletzt bei dir. Schönes Pferd übrigens, aber nicht deine alte Schindmähre.“

    Marlo schenkte Wolfram eines von seinen seltenen Lächeln.

  • Nachdem Wolfram einiges an Strecke hinter sich gebracht hatte, ritt er im gemütlichen Tempo voran. Es war dunkel geworden und die Zeit war wie im Flug verstrichen. Ein Pferd galoppierte heran und Wolfram tastete gewohnheitsgemäß sofort nach den Farben der Person. Es war Marlo der ihn einholte und dann mit seinem Pferd neben ihn einher ritt.


    Wolfram begrüßte ihn ebenfalls mit einem Lächeln. Aber im Gegensatz zu Marlo, war dies bei ihm keine Mangelware die er nur ausgesuchten Personen zuteilwerden ließ, meist bedachte er jeden damit. Es sei denn eine Person hatte es sich dermaßen mit ihm verscherzt, dass sogar Wolfram davon absah. Aber dazu musste viel geschehen sein.


    "An Unterhaltung hat es der Hochzeit nicht gemangelt. Wo andere Familie ein Unterhaltungsprogramm aufstellen müssen, werden bei uns Hochzeiten zu Krimis. Was ich allerdings für Dave, seinen Mann und das andere Hochzeitspaar sehr bedauere.


    Du hast richtig gespürt Marlo, ich habe nach Dir gesucht. Allerdings nicht um Dich aufzusuchen, sondern ich musste aus dem Labyrinthartigen Haus schleunigst nach draußen finden. Und da ich wusste, dass Du Dich im Tempel aufhältst, habe ich Dich als Richtungsanzeiger gewählt - Du warst sozusagen die Ausrichtung meiner Kompassnadel.


    Die ersten Anzeichen des heraufziehenden Sturm hast Du selbst noch direkt mitbekommen. Und genau deshalb musste ich mir ein Pferd ausleihen.


    Brandur und Ansgar sind sich angegangen. Es ist zum Verzweifeln. Alle möchten die Familie auf andere, friedlichere Wege führen und jeder meint dies wäre nur über den alten Weg möglich.


    Nun dazu neue Wege einzuschlagen, gehört nun einmal die alten zu verlassen!


    Aber wem sage ich dass, Du weißt genauso gut wie ich, dass manchmal nur ein Umweg oder das Betreten von völligem Neuland nur ans Ziel führt. Brandur und Ansgar sind in der Hinsicht zu stur und zu festgefahren in ihren alten Verhaltensweisen.


    Es kam zum Schlagabtausch und irgendwie doch nicht. Brandur und Linhard hatten Ansgar in seinem Quartier gestellt. Varmikan und Dave eilten ihm zur Hilfe. Der Frostalb sprach sich für Frieden aus. Am Ende standen wir uns alle gegenüber. Auf der einen Seite Ansgar mit Dave, Varmikan und Marcella auf seiner Seite auf der anderen Brandur, Linhard, Massimo und ich.


    Es wurde hin- und hergestritten und vorher hatte es auch eine handfeste Auseinandersetzung gegeben, bei der Brandur zur Waffe griff. Linhard hat seinen Vater verteidigt, zeitgleich aber auch Brandur. Jedenfalls kam dabei Janko der Leibdiener von Ansgar zu schaden. Und kurze Zeit später wohl Ansgar, den er hat einen Schlag ins Gesicht kassiert.


    Wie dem auch sei, Varmikan bat vorher Dave alles aufzuführen, was sich die Anwesenden nicht sagten, da Brandur es für nötig hielt Ansgar zu töten, damit Lin und Anwolf gemeinsam im Frieden leben konnten.


    Kurzum Brandur bezweckte das letzte Blut in der Familie zu vergießen, damit es Lin nicht tun musste. Er hatte vor Linhard vor dem Brudermord zu bewahren.


    Jedenfalls offenbarte Dave, dass Ansgar Linhard sehr wohl liebt, aber nicht in der Lage ist seine Gefühle auszudrücken. Und Linhard liebt seinen Vater ebenso, fühlt sich aber missachtet und nicht gesehen. Zudem wurde die vereinbarte Hochzeit zwischen Lin und Fara angesprochen. Ansgar lenkte glücklicherweise ein. Linhard muss die Frau nicht heiraten.


    Dennoch war es ein Sumpf des Misstrauens. Und leider beschwor Brandur - Dunwin.


    Du hast richtig gehört, er beschwor seinen kleinen Bruder. Die Begeisterung die losbrach, war kaum zu beschreiben. Dave ist übergeschnappt, Varmikan stand seinem Mann sofort bei aber er war schlagartig eine andere Person. Du hast gemerkt, nur Daves Zustand hielt ihn davon ab Lin und Brand nicht mit bloßen Händen vor Wut anzugreifen, Ansgar ist auf seine Art ausgerastet und hat Massimo und Brand beschimpft.


    Nun um das Ganze nicht in die Länge zu ziehen, Brandur ist mit Linhard und Dunwin dann geflohen. Massimo rief dazu auf die Waffen niederzulegen um Dave beizustehen und Ansgar kam dem sogar tatsächlich nach. Wir haben dann Dave gemeinsam zu Heiler gebracht.


    Dantoine, das ist der Heiler, hat Dave einigermaßen wieder hinbekommen. Allerdings nur mit der Hilfe von Varmikan und Ansgar. Dave hatte sich im Nexus verkrochen und festgekrallt. Dem wurde er gewaltsam entrissen und die Verbindung zum Nexus gekappt.


    Dave war verwirrt und sprach offen seine Ängste aus, was immer Dunwin getan haben muss, es hat ihn als Kind zerstört. Massimo hatte vorher noch mit Ansgar gestritten, aber als er die Tragweite von Daves Worten begriff, hat er sich entschuldigt. Er bot ihm seinen Beistand an, was ich einen sehr schönen und anständigen Zug von ihm fand. Das soll nicht unerwähnt bleiben.


    Das zweite Ehepaar wurde herbeigerufen und erst da beruhigte sich Dave wirklich. Sie scheinen gute Leute zu sein und ihm extrem viel zu bedeuten.


    In dem ganzen Trubel entdeckte ich Kasimir, Brandurs Leibdiener. Er hatte sich bei Janko versteckt und ich habe ihn mitgenommen und zugesehen, dass wir aus der Heilstube wie auch von ganzen Anwesen verschwinden, ehe Ansgar ihm die Rechnung für seinen Herrn präsentiert.


    Ehe Du Dich wunderst wo Kasimir ist, ich habe ihn in meine Robentasche gestopft. Er ist ein Vampir und nuckelte an Ansgars verletztem Leibdiener herum. Also habe ich den Guten von dem Verletzten abgepflückt, eingesteckt und gemacht dass ich von dort wegkam.


    Wer weiß wann Brandur zurückkehrt, falls er überhaupt zu mir zurückkehrt. Ihm habe ich angeboten mein Gast zu sein. Es würde ihm gut tun, die Einsamkeit frisst jeden unserer Sippe auf, aber seine Familie und deren Mitglieder besonders.


    Du kannst mich gerne zu mir nach Hause begleiten Marlo. Deine Bewerbung an Dave musst Du wohl oder übel eh verschieben. Da kannst Du uns beiden gerne Gesellschaft leisten, sprich Kasimir und mir. Das würde mich freuen", antwortete Wolfram.

  • Während sich Linhard vor Freude auf dem Drachen kaum einbekam, wann bekam man schon einmal so etwas geboten, war Brandur mit seiner Kraft am Ende.


    Lin hätte den Dunwin in der Drachengestalt gerne dazu aufgefordert einmal schneller zu fliegen oder einen Sturzflug hinzulegen, aber solche Kommentare und Vorschläge verkniff er sich.


    Zudem waren sie auf dem Geschöpf nicht gesichert. Lin konnte in der momentanen Situation problemlos festhalten. Aber schon bei einem Ritt auf dem Pferd konnten bei einem Sturz Kräfte wirken, die der stärkste Mann nicht auffangen konnte.


    Welche Kräfte erst auf sie einwirken mussten, falls der knöcherne Drache vom Himmel stürzte, wenn auch nur aus Spaß an der Freude, konnte sich Linhard nicht ausrechnen.


    Er beschloss Brandur zu fragen, ob er Zaumzeug zur Verfügung hatte, dass man als Gurte für den Drachenritt umfunktionieren konnte. So gesichert und mit Dunwins Wohlwollen, würde er so ein Flugmanöver später austesten.


    Zudem wollte er testen, ob man von dem Rücken des Wesens aus kämpfen konnte. Möglich musste dies sein, vor allem mit einer geeigneten Langwaffe wie einer Lanze.


    Lin hoffte, dass Dunwin nach dem Flug den Drachen wieder verließ und er noch etwas Zeit mit ihnen verbrachte. Er wollte sehr gerne mit seinem Großonkel Brandur und Großvater Dunwin sprechen.


    Einerseits hatte er an Brand und Dunwin tausende Fragen, andererseits hatte er nicht vor, sie gleich damit zu verprellen. Vor allem nicht Brandur, den er sehr mochte. Lin hatte vor die beiden erst einmal richtig kennenzulernen bevor er sie mit all seinen Fragen löcherte.


    In dem Moment fiel Linhard ein, dass er nur noch besaß, was er am Leib trug, einschließlich seiner Waffen. Er war wirklich frei, frei von allem, sogar etwas freier als er selbst beabsichtigt hatte - nämlich völlig frei von seinem Besitz.


    Linhard musste über den Umstand lachen, denn er hatte sich noch nie so wohl gefühlt in seinem ganzen Leben wie genau in diesem Moment in der Luft auf dem Rücken des Drachen mit seinem Großonkel Brandur.

  • Dunwin


    Der schneeweiße knöcherne Wyvern flog durch die Schwärze der Nacht.
    Dunwin empfand diesen Umstand als eine Art Metapher.


    Ebenso hatte das Geschenk von Brandur für ihn eine symbolkräftigte Bedeutung.
    Jenen Bruder den er fast in den Tod geschickt hatte und dessen Körper er zerstört hatte war es nun, der ihn aus dem Tode zurückholte und ihm einen neuen Körper schenkte.


    Vielleicht würde sich doch noch alles zum Guten wenden.
    Wenn nicht für alle, dann für sie beide... nein sie drei... korrigierte sich Dunwin.


    Früher zu seinen Lebzeiten hatte er solchen Zeichen keinen Wert beigemessen, nun losgelöst von allem Weltlichen, sah er Dinge die ihm vorher verborgen geblieben waren.


    Manches davon schmerzte seine Seele tief.


    `Trux...
    Eine verlassene und geschliffene Stadt...
    Tod... Zerstörung... Chaos...
    ...das klingt so.... mhm... heimelig... Bruder.


    Wohin genau möchtest Du nach Trux Brandur?´, fragte Dunwin erheitert.

  • Brandurs und Dunwins Fluggespräch - Ritt nach Trux



    DUNWIN
    unsere Kinder würden unsere Handlungen nicht verstehen Brand und nicht begreifen dass ich im Tod begriff was ich verbrochen habe. Irgendwann möchte ich mit ihnen reden. Und Dir noch etwas anvertrauen. Falls Du möchtest


    Brandur von Hohenfelde
    Du möchtest mir etwas anvertrauen? Mir?


    DUNWIN
    Du hast mir eine zweite Chance und einen zweiten Körper geschenkt - wenn nicht Dir wem dann Bruder?


    Brandur von Hohenfelde
    Eine zweite Chance ... *schließt die Augen* ... ich hoffe, dass es das für uns ist. Ich will es gut machen, bevor ich sterbe.


    DUNWIN
    wie Du siehst ist es sogar noch nach dem Tod möglich


    Brandur von Hohenfelde
    Mich wird wohl kaum jemand beschwören wollen und ich will auch gar nicht wieder zurück. Wie war dein Sterben - wenn die Frage nicht zu pietätlos ist?


    DUNWIN
    schmerzhaft und erlösend zugleich Brandur....
    ich hätte nicht gedacht, dass er mich dermaßen hasst und es so... extrem zuende zu bringen...
    zeitgleich war ich froh... es war vorbei und ich war frei...


    Brandur von Hohenfelde
    Ich habe deinen Körper gesehen. Ich war entsetzt wie ... unsauber er es vollzogen hat.


    DUNWIN
    Er trägt daran keine Schuld...


    wie oft habe ich ihn aus dem Bett gezerrt und grün und blau geschlagen bis er nur noch wimmernd am Boden lag... und für mich lag dort Alastair und nicht er...


    nun... vielleicht war jeder Schnitt und Stich für eine dieser Nächte, oder jene anderen... wo ich ihn verlieh und seinem Schicksal überließ...


    Brandur von Hohenfelde
    Die beiden dürften wohl kaum zu verwechseln sein, wenn du mir die Anmerkung gestattest.


    DUNWIN
    Das waren sie auch nicht... aber er war gewünscht von ihm, also strafte ich mit der Handlung ihn... vermeintlich... es hat ihn so wenig interessiert... wie er sich für uns interessierte Brandur...


    Brandur von Hohenfelde
    Es ist fast vorbei.
    Wir beenden es.


    DUNWIN
    ich hoffe es...
    Wie ich sagte, wir sollten Lin lehren nur ein Kind zu zeugen. Eines das er liebt...


    Brandur von Hohenfelde
    Das, und wir müssen die letzten Bande an Alastair kappen.


    DUNWIN
    Er muss lieben dürfen... wie Bruder?


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, das muss er. Wie? Nun, die letzte Verbindung zu Alastair sind Ansgar und ich.. Dave hat das Band gekappt.


    DUNWIN
    Du möchtest in den Tod gehen mit Ansgar?


    Brandur von Hohenfelde
    Ja.
    Ich möchte diese Aufgabe noch erfüllen, dann wünsche ich nur noch Freiden.


    DUNWIN
    nun Ansgar mag gefährlich sein, aber er ist ebenso mein Sohn. Er mag hart sein, aber meist betrügt und lügt er nicht, dazu ist er so wenig in der Lage wie Kunwolf es war. Sein Mund ist schneller als sein Verstand eben so eine Wut. Falls er fallen muss, nutze dies. Er kämpft unlogisch solbald er wütend ist, er wird blind.... betriebsblind... seine Frau lenkt ihn....


    Brandur von Hohenfelde
    Danke, ich werde sehen, was sich daraus machen lässt. Es muss aufhören. All der Dreck der Vergangenheit, damit Linhard sich auf die Zukunft konzentrieren kann.
    Ich möchte, dass er das Oberhaupt der Familie wird. Und eine neue Zeit einleitet.


    DUNWIN
    nun er könnte seinen Platz räumen, wie es Alastair für mich tat... oder er fällt... beides ist möglich....


    dem stimme ich zu... Linhard wäre auch meine Wahl als nächstes Oberhaupt gewesen. Sein Bruder denkt in zu engen Bahnen... für Wolfi wird alles am Wert des Geldes gemessen... gleichgültig was... er zählt nach....


    Brandur von Hohenfelde
    Er muss fallen. Es muss eine Ende haben.
    Anwolf ist Ansgar zu nahe.


    DUNWIN
    fallen... oder nicht fallen... ich kann es nicht deuten. Falls er dem Posten ehrlich abspricht soll er leben. Er lebte nie... so wenig wie Dave.... wobei Dave mir gleich und Ansgar mir weniger vom Charakter...


    Ansgar und Anwolf gleichen sich da sie nicht nur Vater und Sohn sind Brandur.... sie sind Freunde... DAS ist der gravierende Unterschied, den es vorher nicht gab!


    Brandur von Hohenfelde
    Ansgar und Dave interessieren mich nicht, weder ihr Leben noch ihr Tod, doch ich möchte, dass Lin es gut hat
    Er soll frei sein von all dem


    DUNWIN
    das sah ich stets so, aber er verwehrte mir den Kontakt... weshalb... er hatte kein Interesse an ihm... es hätte ihm gleichgültig sein dürfen... ich wollte Lin nie etwas böses....


    Brandur von Hohenfelde
    Nun, er fürchtet den Alastair in dir
    In dir ist sein Erbe vielleicht am stärksten


    DUNWIN
    dann sollte er in den Spiegel starren! Er ist Linhards Alastair!


    Brandur von Hohenfelde
    Ja!


    DUNWIN
    Du irrst Bruder... ich war der Schwächste von Euch und am wenigsten Alastair und genau deshalb tötete ich Euch... aber den Tod von Alastair verwehrten sie mir... und dies war der einzige Tod... der einzige Bruder den ich wünschte! Aus tiefstem Herzen... die anderen waren IHM zu Ehren...


    Brandur von Hohenfelde
    Welches der, den du dir wünschtest?


    DUNWIN
    Die Behauptung niemanden etwas anzutun, nur weil man nicht die Hand erhebt ist lächerlich. Ich kenne ein Buch voller Möglichkeiten jemandem zu schaden ohne ihn nur zu berühren. Und völlige Missachtung ist eine der schlimmsten Foltern. Jede Person, auch wir, leben davon uns in den Augen der anderen wiederzuerkennen... uns in den Augen unserer Nahen zu spiegeln... aber sie sahen uns nie... wir waren nicht existent...


    der einzige Tod den ich persönlich jemals wünschte war Alastair mit eigener Hand zu töten... ob er mich dann gesehen hätte? Ob er begriffen hätte dass ich mehr bin als... eine Topfpflanze... etwas das nur anwesend ist und lebt aber ansonsten nichts weiter bedarf?... dass hätte ich gerne gesehen... während seine Augen im Tod gebrochen wären...


    Brandur von Hohenfelde
    Wahre Worte, Dunwin ... ich wünschte, wir hätten so reden können, als du noch lebtest. Ich bedaure zutiefst, dass es so kam .. ich bedaure alles, mein kleiner Bruder.


    DUNWIN
    mir ergeht es nicht anders Brandur... und mir erging es damals nicht anders... nur zeigen... tja durften wir das nie
    nun bist Du bereit ein Geheimnis zu erfahren?


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, das bin ich.


    DUNWIN
    Du sitzt ja schon... nicht wahr?...
    es waren nicht drei Brandur.... es waren vier...


    Brandur von Hohenfelde
    Ja. Ich bin alt. ;)


    DUNWIN
    Ich ebenso Bruder...


    Brandur von Hohenfelde
    Vier? Wer? Wir?


    DUNWIN
    nein... ich habe vier Söhne... gehabt....
    einen von dem Alastair nichts wusste...


    Brandur von Hohenfelde
    Wo ist er jetzt?
    Wie alt ist er?


    DUNWIN
    Ansgar... Dave... meinen jüngsten den er tötete und meinen dritten Sohn... geboren von meiner Geliebten...
    etwas jünger als Dave... er müsste 40 Jahre sein...


    Brandur von Hohenfelde
    Ist er in Sicherheit?


    DUNWIN
    oh ja... das ist er... *lach* ja und niemand hat ihn je gesehen... so wie mich... dabei ist er so nah... nun Alastair wollte schließlich blind sein... nicht wahr?


    Brandur von Hohenfelde
    Trägt er deinen Namen?


    DUNWIN
    den Namen dem ich ihm gab.... ja... aber unseren Namen? Nein...


    Brandur von Hohenfelde
    Das ist gut.
    Am besten wird sein, er erfährt nie, wer er ist.


    DUNWIN
    Du kommst nicht drauf Bruder... kann dass sein?...
    oh er weiß es...


    Brandur von Hohenfelde
    Kenne ich ihn?


    DUNWIN
    er ist klug... er ist ein guter Junge... wie Du sagen würdest... er versteht sich sogar sehr gut mit meinem Ältesten...
    möglich... ich denke schon... er verhüllt stets sein Gesicht... aber niemand fragte je... weshalb?


    Brandur von Hohenfelde
    Ich kenne niemanden, der sein Gesicht verhüllt und kein Rakshaner ist.


    DUNWIN
    Du kennst Skronda den Assassinen unseres Hauses nicht Brandur?


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, ihn kenne ich.


    DUNWIN
    Sohn von Canan, meiner "Leibwächterin"?


    Brandur von Hohenfelde
    Was heißt kennen
    Ich sah ihn


    DUNWIN
    sich seiner gewahr werden...
    eines Tages siehst Du ihn unmaskiert und Du wirst erkennen, dass er nicht nur Düsterling ist...


    Brandur von Hohenfelde
    Er ist dein Sohn?
    Das ist ... eigenwillig.


    DUNWIN
    eigentlich ist er nicht mal dass, nicht wahr? Ein Mischling... fremdes Blut... verabscheuungswürdig ein Fremdvolk... wie ich sie verachte... die Beste Tarnung Bruder... vermeintlicher Hass...
    ja


    Brandur von Hohenfelde
    Und raffiniert. Aber auch unklug. Man wird ihn nie akzeptieren als das, was er ist, sollte er wünschen, sich zu offenbaren


    DUNWIN
    er wünscht es so wenig wie ich... er ist etwas wesentlich wichtigeres als ein von Hohenfelde... er ist gewollt und geliebt... was bedeutet schon unser Name ausser Schmerz und Leid?... Soll ich ihm den Fluch überreichen? Er lebt freier als wir es je konnten... und dennoch lebt er gut... und er ist frei jederzeit zu gehen...


    Brandur von Hohenfelde
    Auch Linhard ist gewollt und geliebt. Trotz seines Namens. Wenn wir alles richtig machen, wird unser Name in Zukunft nicht mehr nur mit Schmerz verbunden sein. Skondra ... ich muss ihn bei Gelegenheit genauer betrachten. Ich werde sein Geheimbis für mich behalten.


    DUNWIN
    Wohl gesprochen Bruder... so sei es... Ich werde mich ihm offenbaren... solltest Du es erlauben... so wird er sich Dir auch offenbaren... schau in sein Gesicht... Du wirst das Gesicht Deines Sohnes, wie Lins, meines oder Daves in ihm erkennen...


    Brandur von Hohenfelde
    Wer bin ich, einem Vater den Wunsch zu verwehren, seinen Sohn zu sehen? Geh du nur. Wenn ich dich zu sehen wünsche, rufe ich dich.


    DUNWIN
    Nun Du missverstehst... Du sollst anwesend sein Bruder...


    Brandur von Hohenfelde
    Ist er eine Gefahr für Linhard?


    DUNWIN
    Nein... er genau wie jeder Schatten greift in die Familieninterna niemals ein... was immer zwischen den Hohenfelde geschieht...


    Brandur von Hohenfelde
    Was bindet ihn an diesen deinen Wunsch?
    Oder ist das sein eigener?


    DUNWIN
    Zuneigung... und sein Rudel...


    Brandur von Hohenfelde
    Sein ... Rudel. *reibt sich die Nasenwurzel*


    DUNWIN
    Die Schatten Brandur... sie sind ebenfalls Teil unseres "Rudels"....
    Kannst Du meinem anderen Sohn etwas ausrichten... sobald er sich gefasst hat?... es wäre gut für Linhard... das er es weiß... zu seinem Schutz...


    Brandur von Hohenfelde
    Der Begriff missfällt mir im Zusammenhang mit einer Familie, er klingt nach Tier.
    Welchen anderen Sohn meinst du? Sicher kann ich eine Botschaft übermitteln.


    DUNWIN
    Dave soll wissen... dass ich von ihm keine Absolution erwarte... aber er soll ebenso wissen... dass ich mich oft genug im meinem Quartier fragte... warum. Warum ich wieder dermaßen die Beherrschung verlor und ihn bekämpfte wie einen Feind, wie einen Gegner... nun wie einen Mann... der er noch lange nicht wahr... Und dennoch... trotz allem... tat ich es immer wieder... ich genoss es, wenn er litt... und ich verabscheute mich zeitgleich dafür... und ich tat es immer wieder...
    Ein Tier? Korrekt Bruder.... manchmal sind sie sogar die besseren Menschen...


    Brandur von Hohenfelde
    Ich werde es ihm ausrichten. Vielleicht nicht persönlich, es ist momentan zu riskant.


    DUNWIN
    irgendwann... solltest Du die Gelegenheit haben... ich werde sie niemals haben...
    falls er fragt weshalb...
    ihre Angst... war meine Droge...
    Angst... Panik... Respekt... ohne sie konnte ich nicht existieren... sie waren ein Teil von mir... und sind es wohl noch immer... wie man vorhin sah...


    Brandur von Hohenfelde
    Du kannst es ihm auch selbst ausrichten, wenn das dein Wunsch ist, Dunwin.


    DUNWIN
    Er wird weder zuhören... noch mir Glauben schenken...
    Selbst Du... glaubst Du mir... das ich um Euch... weinte?


    Brandur von Hohenfelde
    Doch, das glaube ich dir. Du bist mein kleiner Bruder. Ich kannte dich bevor du ... erwachsen wurdest.


    DUNWIN
    ...mhm... das ist das Netteste was jemand zu mir seit... hm... 50 Jahren sagte... es bedeutet mir etwas... hab Dank großer Bruder...


    Brandur von Hohenfelde
    Wir alle waren anders, als wir geboren waren. Die Bosheit liegt uns nicht im Blut, oder nur zum Teil.


    DUNWIN
    weise Worte... das es anderes geht wurde bereits bewiesen... selbst nach unserer Erziehung...
    Linhard wird es besser machen... und Anwolf hoffentlich ebenso


    Brandur von Hohenfelde
    Ich frage mich nur, warum ... warum erst so viele haben sterben müssen, bis wir all das erkannten.


    DUNWIN
    weil man im Tode nichts mehr fürchtet Brandur... Du warst ebenso tot wie ich... man muss scheinbar erst alles verlieren um völlig frei zu sein... selbst im Geist... schau doch über die Schulter und hinter Dich... wann war Lin je so glücklich? Und was besitzt er noch?


    Wir sollten dafür sorgen, dass unser Tod nicht vergebens war... wir sollten das Töten beenden... aus unserem Tod sollte neues Leben entstehen... Wolfram hat es aus eigener Kraft geschafft all dem zu entsagen... Dave... nunja mit Hilfe eines Goblins... aber er hat es dennoch geschafft...


    Du weißt dass er sich Kinder wünscht?... seine Ambitionen in Hinsicht auf den Familienthron sind Null und nichtig...


    Brandur von Hohenfelde
    Du hast Recht, Dunwin. Es tut gut, Lin so zu sehen ... aber es macht mich auch wieder sterblich. Ich hatte nichts zu verlieren, jetzt aber geht es um ihn. Wir müssen ihm alles vorbereiten, bevor ich gehe. Er muss stark werden. Ich habe nicht mehr allzu viel Zeit.


    DUNWIN
    vielleicht... sollten sie geboren werden... werden sie in Freiheit geboren... das würde mir gefallen...


    Du musst ihm der Vater sein der Du nicht warst und den er nicht hatte! Vorher kannst Du nicht gehen... Du würdest ihn zerstören


    Brandur von Hohenfelde
    *wischt sich über die Augen* Du sprichst wahre Worte. Und mir läuft die zeit davon. Wir müssen die zeit, die noch bleibt, gut nutzen. Hilfst du mir?


    DUNWIN
    ich bin an Deiner Seite Bruder... ich versprach es bereits... natürlich helfe ich Dir. Meine Schuld wiegt so schwer wie Deine Brandur. Wir beide werden etwas davon abtragen, gemeinsam... so wie es Brüder tun sollten...


    Brandur von Hohenfelde
    Ich hatte dich gerufen, um Angst und Schrecken zu verbreiten ... doch nun bin ich froh, dass du an meiner Seite bist. Danke, Dunwin. Danke.


    DUNWIN
    mir ergeht es genauso, ich war erzürnt als Du wagtest mich zu rufen... Du! Und dann erst merkte ich was Du überhaupt gerufen hattest und mein Zorn war vergessen... wann hattest Du mich zuletzt um etwas gebeten? Wann hast Du mich je um Hilfe ersucht?... Und wann hast Du mich zuletzt Bruder genannt?... Es war Zeit den Hass zu begraben, wo wir uns schon gegenseitig längst begraben hatten... nun ich bin hier und bin Dir ebenso dankbar wie Du mir... zwei tote Väter mit einem sehr lebendigen Sohn... der sogar mein Enkel ist... verrückt... aber schön... *freu


    Brandur von Hohenfelde
    Ich hatte dich vorhin etwas gefragt ... wenn es an der Zeit ist, wirst du mich mit hinübernehmen?


    DUNWIN
    Wenn es Dein Wunsch ist... gewiss...
    Du kannst mir einfach folgen, oder Dich von mir führen lassen... beides wäre mir eine Ehre


    Brandur von Hohenfelde
    Ich danke dir. Der Tod hat nun endgültig jeden Schrecken für mich verloren, den er vielleicht noch irgendwo hatte und der verhinderte, dass ich selbst Hand an mich legte und einfach nur wartete, dass Ainuwar mich erlösen würed.


    DUNWIN
    Und das aus dem Munde eines Magier...
    nur ein Scherz... ich werde an Deiner Seite bleiben... hier wie dort... und dort... gibt es nichts zu fürchten Brandur... nichts... oder sah ich aus als hätte ich mich gefürchtet?


    Brandur von Hohenfelde
    Ich weiß es nicht, du warst ... bist noch immer schwer einzuschätzen.


    DUNWIN
    sogar für mich selbst Bruder... ich weiß nicht wie oft ich mich selbst nicht verstand... meine Handlungen nicht begriff... und sie dennoch ausführte...


    aber nun ist es klarer... den die Angst die sich wie ein undurchsichtiger Nebel über meine Gedanken legte ist verschwunden. Ich sehe Dinge die ich vorher nicht sehen konnte... und ich sehe sie sehr gern... Dich und Linhard... ich werde auf Euch acht geben


    Brandur von Hohenfelde
    Es ist bald vorüber, der letzte Rest an Sorge, den du dir noch machen musst. Es ist bald vorbei. Was meinst du, wie lange wir brauchen, um Linhard auf alles vorzubereiten?


    DUNWIN
    Körperlich ist er in guter Form und er ist ein sehr guter Kämpfer, aber geistig - Du würdest sagen mental, da fehlt es ihm an Stärke. Ihm mangelt es genauso an Selbstvertrauen wie einst mir... er hat die Schuld stets bei sich gesucht weshalb ihm keine Aufmerksamkeit zuteil wurde.


    Daran müssen wir arbeiten... er muss begreifen dass er so wie er ist, völlig in Ordnung ist! Es ist nicht krankhaft keine Gabe zu besitzen... es ist die Normalität! Die Gabe ist außergewöhnlich... das ist sie. Aber er hat selbst eine Gabe, vielleicht sogar mehrere als Du... oder ich? Er ist taff, er ist ehrlich, er ist hilfsbereit... all dass was unserer Familie fehlt... ist das keine Gabe?


    ist es keine Gabe so eine Behandlung klaglos und ohne Konsequenzen für die Familie zu erdulden? Falls er keine Gabe hat, wer hat sie dann?


    Brandur von Hohenfelde
    Bei uns wird er alle Aufmerksamkeit bekommen. Er ist der Einzige, um den wir uns zu kümmern brauchen. Das wird ihm gut tun. Aufgaben brauchen wir für ihn, an denen er wachsen wird.


    DUNWIN
    Er wird Zeit brauchen sich selbst zu akzeptieren, zu verstehen, anzunehmen... hat er das getan... dann ist er bereit Brandur... körperlich werde ich ihn trainieren... er ist ein scharfer Dolch mit einigen Grannen, ich werde ihn nachschleifen Bruder...
    Nun dann wird er Aufgaben bekommen die ihn fordern und fördern... was bestimmtes im Auge?


    Brandur von Hohenfelde
    Das ist gut. Dann kann ich mich der Arbeit widmen. Ich werde ihm eine Rüstung fertigen aus Knochen, leicht wie Papier, aber stabil wie jede Eisenrüstung.


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, wir werden ihn allein in der Wildnis aussetzen. Und er wird wohlbehalten zurückkehren.


    DUNWIN
    könntest Du daraus nicht ebenso eine Waffe fertigen? Eine die ihn im Kampf durch ihr Gewicht nicht ermüdet? Ein gewaltiger Vorteil...


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, das kann ich, mein Stilett wurde so erbaut.


    DUNWIN
    In der Wildnis?...
    allein?...


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, allein. Darum geht es ja. Er braucht niemandes Wohlwollen, niemandes Argusauge, er muss erfahren, dass er selbst Herr seines Lebens ist und niemand sonst.


    DUNWIN
    nun vielleicht sollten wir es nicht gleich so übertreiben... wir hätten dort auch nicht überlebt... soll ich ihn zum Schutz begleiten?... zumindest könnte ich ihm mit einem Rat zur Seite stehen... wobei ich nie in der Wildnis überleben musste...


    Brandur von Hohenfelde
    Natürlich wirst du ihn begleiten! *keuch*


    DUNWIN
    wie stellen wir sicher, dass ihm nichts geschieht?


    Brandur von Hohenfelde
    Aber er wird davon nichts wissen.


    DUNWIN
    was ist los?
    fertige ihm ein Stilett oder ein Schwert und einen Dolch aus Knochen. Einen Dolch wird er benötigen...


    Brandur von Hohenfelde
    Als ob ich ihn ... wirklich allein lassen würde, den Goldjungen! Selbstredend ist es sicher, ihm droht keine Gefahr, aber das wird er nicht wissen. Die Details werden wir noch besprechen.


    DUNWIN
    So sei es... wir haben geschworen es besser zu machen... nicht grauenvoller... Du meinst er denkt er sei allein und in Gefahr... gute Idee...


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, er soll es nur glauben, damit er lernt, auf sich selbst zu vertrauen. Wir werden nur im absoluten Notfall eingreifen.


    DUNWIN
    Ein Überlebenstraining unter Aufsicht...
    gute alte Zeit... nur damals ohne Aufsicht...


    Brandur von Hohenfelde
    Ja, das härtet den Geist. Und vielleicht macht es ihm sogar Spaß ... wie uns damals.


    DUNWIN
    und so wunderbar ...selbstverschuldet... ich liebte es....
    er ist von unserem Blut... natürlich wird es ihm Spaß machen... aber er wird aussehen wie Sau... *lach


    Brandur von Hohenfelde
    Man müsste die zeit zurückdrehen und noch mal jung sein können ... wie oft habe ich mir das gewünscht.
    Das Äußere wird Kasimir hinterher wieder richten.
    Kasimir ... wo ist Kasimir?!


    DUNWIN
    nicht nur Du... wo würden wir anfangen? hmm...
    wer ist Kasimir?


    Brandur von Hohenfelde
    Mein Leibdiener! Wir haben ihn vergessen!


    DUNWIN
    Brandur Du wirst alt, wie kannst Du Deinen Leibdiener vergessen? *lach* irgendwie macht Dich das regelrecht sympathisch... gibt es zu... der Gute soll laufen... *lach


    Brandur von Hohenfelde
    Du findest es lustig, ich hingegen werde morgen nicht rasiert und bekomme meine Kleider nicht zurechtgelegt, vom Frühstück ganz zu schweigen! Er kann fliegen, der Gute ... er wird uns bald folgen, wenn ihm nichts geschehen ist.
    Meinen Leibdiener vergessen ... *Schläfe reib*


    DUNWIN
    oh... nunja das gleiche Schicksal droht auch Linhard... mir nicht mehr... aber selbstredend begreife ich die volle Tragweite Deines Problems...
    und Deinen Freund Wolfram... er war an Deiner Seite vorhin... erinnere Dich...


    Brandur von Hohenfelde
    Linhard ist jung, er wird es verkraften, ich aber bin ein alter Mann.


    DUNWIN
    Eventuell könntet Ihr Euch gegenseitig aushelfen? Wobei... nein... keiner von Euch kann rasieren...


    Brandur von Hohenfelde
    Hoffentlich hatAngar Kasimir nicht erschlagen, er hatte von seinem Leibdiener getrunken.
    Ich kann rasieren. Aber ich will es nicht.


    DUNWIN
    und sich gegenseitig mit scharfen Messern die Kehle zu kratzen ging bei uns noch nie gut...


    Brandur von Hohenfelde
    Ich hatte ja mein Überlebenstraining schon.


    DUNWIN
    Ansgar? nun er nimmt sowas meines Wissen nach nicht krumm... er ist da sehr eigen was seine Leibeigenen angeht gg


    Brandur von Hohenfelde
    Mit gebrochenem Rücken.


    DUNWIN
    *betreten schweig für einen Moment*
    ich weiß Brand - verzeih...


    Brandur von Hohenfelde
    *sehr vorwurfsvoller Blick*
    Nun ja ... man gewöhnt sich an alles. Und lange brauche ich diesen Rücken nicht mehr zu ertragen.


    DUNWIN
    ich würde Dich rasieren... aber ich glaube da würdest Du keinen Wert drauf legen...


    Brandur von Hohenfelde
    Du? Mich? Rasieren?


    DUNWIN
    nun die körperlichen Einschränkungen wirst Du hinter Dir lassen... ebenso die Genüsse... aber diese sind zu verschmerzen...


    Brandur von Hohenfelde
    Mein Körper ist kein Genuss mehr, schon lange nicht.


    DUNWIN
    Der Sarkasmus beißt mich immer noch...
    das ist nur ein Scherz... hör zu... ja natürlich mit Gefrier-Brand *lach


    Brandur von Hohenfelde
    Das ist ... beschämend lustig. *schmunzelt*


    DUNWIN
    nicht wahr? Du weißt manchmal kann ich solchen Dummheiten nicht wiederstehen... *grins
    Gleichgültig wie alt wird sind, irgendwo ist das Kind vergraben dass wir nicht waren und manchmal sucht es sich ein Weg nach draußen...


    Brandur von Hohenfelde
    Du warst nicht umsonst mein Lieblingsbruder ... aber sag es nicht Kunchen in eurer Geisterwelt. Er würde sich wieder ärgern. Ja, du sprichst wahr ... da sind irgendwo drei kleine Jungen, die sehr viel Unfug im Sinn hatten und ihre eigenen Ideen von der Welt.
    Bis Alastair sie erschlug.


    DUNWIN
    ich werde schweigen, wie immer... er konnte sie nie ganz erschlagen und genau dass war unser Problem... sie lebten weiter, klein, versteckt und hofften... wo schon alle Hoffnung seit Generationen verloren waren! Wirst Du ein Auge auf Daves Kinder haben für mich?


    Brandur von Hohenfelde
    Daves ... Daves Kinder?


    DUNWIN
    ja... es werden meine Enkel sein... und ich möchte nicht dass er den gleichen Fehler begeht... wann immer rede mit ihm... er soll sie lieben... oder es lassen... einen anderen Weg gibt es nicht... das haben wir zu spät erkannt, er ist noch jung genug dazu... versprich es mir...


    Brandur von Hohenfelde
    Ich hatte gehofft, es würde bei ihm kinderlos enden, da er einen Mann heiratete ... nun kann ich an dieser widernatürlichen Hochzeit überhaupt nichts Gutes mehr sehen. Und dann obendrein einen bürgerlichen Frostalben. Ich werde mit ihm reden - und notfalls handeln. Linhard gilt meine ganze Zuwendung und ich werde nicht dulden, dass ihm wer gefährlich werden kann.
    Aber wenn es so weit ist, adss sie alt genug sind, bin ich nicht mehr und er muss dann bereits auf sich selbst Acht geben.


    DUNWIN
    Brandur... das hat er selbst nicht einmal vor... er möchte nur weg... lass ihn gehen... warum er immer diesen Mann liebt... er liebt ihn... auch wenn ich Alben nicht ausstehen kann... ich möchte nur dass er Kinder bekommt, wenn er bereit ist sie anzunehmen ansonsten soll er ehrlich zu sich sein und verzichten, für sich selbst und für die Kinder. Ich weiß, dass gerade ich das sage... aber wer weiß es besser als wir?...


    Linhard ist mein Enkel und mein Abbild... was mich sehr erfreut... aber ich hoffe auch Dave wird vielleicht ein Abbild von mir zeugen... und vielleicht annehmen... wenn nicht, darf er es nicht bekommen


    Bis dato wird Lin dies längst gelernt haben und mein Wunsch wäre, er gibt auf sich und meine anderen Enkel acht, denn es gibt keinen Grund für Zwist und Hass mehr...


    Brandur von Hohenfelde
    Du musst es ihm selbst sagen, Dunwin ... wir gehen zusammen hin. Ich fürchte, ich mache mir zu große Sorgen um Linhard, um ruhig mit ihm zu reden. Linhard ist, nun, er ist nun mein Junge.

    DUNWIN
    Und Dave versuchte ihn zu schützen... für sich selbst, damit ihm nichts geschieht... ich werde mit Dir gehen und versuchen mit ihm zu sprechen... Lin muss begreifen, dass er der neue Weg ist. Er muss führen... aber auch schützen... und die anderen sollen wissen dass er ihr Schutz und nicht ihr Henker ist... so soll es sein... er soll unsere Hoffnung sein...


    Brandur von Hohenfelde
    So soll es sein, Dunwin. Möge Linhard die Hoffnung von allen sein.


    DUNWIN
    unsere ist er schon Bruder... nun liegt es an uns und ihm... packen wir es an *freu



    ****

  • Linhard genoss den Ritt auf dem knöchernen Drachen, aber dennoch fragte er sich so langsam, wohin Dunwin flog. Trux, die Stadt lag irgendwo an Rande des Zwergengebiets und zwar im Gebirge, soweit er das richtig in Erinnerung hatte.


    "Wohin fliegen wir Brandur? Was wollen wir in Trux? Ist das nicht Zwergengebiet? Soweit ich weiß handelt es sich dabei um Gebirge, wenn mich nicht alles täuscht.
    Was möchtest Du denn oben auf dem Gipfel von so einem zwergischen Geröllhaufen Brandur?


    Wolfram hatte Dich doch eingeladen bei ihm zu wohnen. Vielleicht sollten wir lieber dorthin fliegen. Oder soll ich die Aufgabe für Dich erledigen, die Du mir anvertraut hast? Du weißt schon, die Du mir zusammen mit der Kette überreicht hast", fragte Lin freundlich.

  • Brandur lag vornübergebeugt mit geschlossenen Augen auf dem Rücken des Knochendrachen, während er sich mental mit dem Geist unterhielt, der in den Drachen gefahren war. Für ihn hatte die Unterhaltung mit Dunwin etwas Beruhigendes. Es war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass er so offen und freundlich mit seinem jüngsten Bruder sprechen konnte. Der Tod hatte den Bann gelöst, der über ihnen beiden gelegen hatte, jeder von ihnen hatte auf seine Weise sterben müssen, ehe sie Frieden miteinander schließen konnten - Dunwin körperlich, Brandur seelisch. Doch jetzt waren sie wieder Brüder. Dunwin war hier und er hatte wieder eine Aufgabe in seinem Leben, bei deren Bewältigung sein kleiner Bruder ihm helfen würed. Er hatte Linhard aus Ansgars Klauen gerettet, der Junge war bei ihm und sah rundum glücklich aus. Alles war gut. Brandur döste vor sich hin, an der Schwelle zum Schlaf, als Linhards Frage ihn weckte.


    Brandur setzte sich wieder aufrecht hin und rückte seinen Dreispitz zurecht, um sich in vernünftiger Körperhaltung mit seinem Großneffen zu unterhalten. Schlafen konnte er später immer noch.


    "Trux war naridisches Hoheitsgebiet, eine alte Handelsstadt, aber vor allem ein Wachposten, um das Chaos, aber auch die Zwerge und Almanen im Blick zu behalten. Man nannte Trux das Auge des Nordens. Inzwischen jedoch ist sie verlassen. Wegen der näherrückenden Kriegshandlungen sind die meisten Einwohner ins Landesinnere von Naridien geflüchtet und haben ihre Häuser und viel von ihrem sonstigen Hab und Gut aufgegeben. Die Stadt ist somit nicht erobert, sondern aufgegeben worden. Sie liegt nicht günstig, um sie zu verteidigen, der Transport der Truppen und die Vesorgung wären zu aufwändig, das lohnt sich nicht bei dieser Stadt. Das war auch nie die Aufgabe von Trux. Sie sollte wachen und sie hat gewacht.


    Heute steht sie leer, bis auf wenige Häuser. Manchmal wohnen Naridier darin, die wieder zurückkehren, manchmal Chaoskrieger, die stöbern, was es noch so zu holen gibt, manchmal die Vogelfreien aus den Sümpfen. Im Großen und Ganzen jedoch ist es da sehr ruhig. Das, was von Wert war, wurde schon längst geplündert.


    Am Berghang, hoch oben über der Stadt, steht eine Burg, die in sehr gutem Zustand ist. Einst diente sie als Unterkunft für den Stadthalter, einem Adligen eines anderen Hauses, doch auch er verließ seine Heimat mitsamt seiner Familie und ließ vieles dort zurück. Aber es wäre doch schade, um so ein schönes Gebäude. Ich habe die ehemalige Truxburg bezogen und sie zu meiner persönlichen Nachtburg gemacht. Man kennt und fürchtet mich in dieser Gegend unter dem Namen Amand von Trux oder einfach als der Hexenmeister."


    Die letzten Worte hatte er nicht ohne Stolz gesprochen. Sich darüber zu freuen, dass man ihn fürchtete und verabscheute, war eine Untugend der meisten von Hohenfeldes seiner Generation. Sie hatten in der Vergangenheit lange und hart für diesen Ruf gearbeitet.


    "Wegen der vielen Kämpfe in der Gegend brauche ich über einen Magel an Rohmaterial nicht zu klagen. Als Nekromant geht es einem gut hier und ich kann meine Kunst ganz offen ausleben. Ich muss niemanden heimlich töten oder mir Leichen vom Friedhof stehlen. Ich schwimme in bestem Rohmaterial, das man sich nur wünschen kann. Die Rakshaner sind besonders wild auf meine Rüstungen und Waffen, da sie so leicht sind und so lebe ich recht gut hier. Zumindest nicht so arm, wie andere, die ihr Dasein im Exil fristen müssen, auch wenn man sicher darüber diskutieren könnte, ob es moralisch vertretbar ist, den Feind meines eigenen Volkes mit Rüstungen und Waffen zu beliefern.


    Die Kette, Linhard ... die brauchen wir später. Doch du hast Recht. Ihr Schicksal ist mit jenem der Nachtburg untrennbar verflochten."

  • Marlo


    ritt nah neben Wolfram her. Er hörte zu und genoss die Nähe von den ruhigen Mann. Wolfram schwatzte los, was alles passiert war.


    "Da ist Brandur nochmal davon gekommen. Ich hätte euch unterstützt, du hättest mich rufen sollen. Ich gab Brandur mein Wort Wolfram. Das du seinen Leibdiener gerettet hast ist gut, du solltest ihn aber aus deiner Tasche holen.
    Ich schliesse mich dir an und folge dir in dein Heim. Wir machen es uns bei dir schön gemütlich. Wenn Brandur Kasimir vermisst, wird er dich schon fragen, wo er abgeblieben ist. Ansonsten schick ihm eine Botschaft. Personal ist nur Personal, aber ein Leibdiener ist was anderes. Den vermisst du sehr schnell. Hast du einen Wolfram? Dann weisst du es."

  • Die weiße Fledermaus schaute mit zerknitterten Ohren aus Wolframs Tasche. Um ihr Mäulchen klebte Blut, das sie nun vornehm mit einem zusammengefalteten Stofftaschentuch, das sie in Wolframs Tasche gefunden hatte, abtupfte. Kasimir war dermaßen vollgetrunken, dass sein Körper die Form eines Tropfens angenommen hatte und man die Haut durch das Fell sah. Er wog nun das Doppelte wie zuvor. Er musterte den Neuankömmling, Junker Marlo von Falkenberg. Dieser Mann hatte Brandur, genau wie Wolfram, seine Hilfe zugesichert. Also war umgekehrt Kasimir ihm wohlgesonnen. Als Marlo erklärte, wie schnell man seinen Leibdiener vermissen würde, schwoll Kasimirs Brust vor Stolz. Aber er war auch in Sorge.


    "Vielen Dank für Euer großzügiges Angebot, Baron von Wigberg, ich weiß das sehr zu schätzen, aber darf es nicht annehmen, ich kann nicht bei Euch bleiben. Mein Herr braucht meine Dienste."


    Er verzichtete darauf, auf Brandurs starke körperliche Einschränkungen hinzuweisen. Das würde sein Herr nicht gutheißen und sie waren auch für jene, die ihn nicht gut kannten, offensichtlich.


    "Außerdem würde er mich, in aller Bescheidenheit gesprochen, wohl als Gesprächspartner vermissen. In Fledermausgestalt ist es für mich ein Leichtes, an Neuigkeiten zu kommen, die ich ihm berichten kann. Das heißt ... sofern die Barone Dunwin und Linhard von Hohenfelde nun diese Rolle nicht an meiner statt ausüben."


    Seine zerknitterten Ohren sanken etwas herab und für eine Fledermaus sah er nun ausgesprochen besorgt aus.

  • Linhard hörte seinem Großonkel aufmerksam zu.


    "Trux, das Auge des Nordens, klingt poetisch findest Du nicht Brandur? Nun da die Stadt aufgegeben wurde, handelt es sich wohl eher um ein ausgestochenes Auge.


    Eigentlich hätte ich vermutet, dass eine so ungünstige Lage einen Stadt vor den Wirren des Krieges schützen würde, aber wie Du schon zu Recht aufführst, ist Abgeschiedenheit nicht immer ein Segen.


    Es ist zeitgleich ein Fluch, wenn man an die Versorgungswege und ähnliches denkt. Eine Aufgabe ist dann vielleicht das sinnvollste, wobei es sicher auch schwierig ist, alles was man kannte zurückzulassen", erklärte Linhard und stellte dabei fest, dass er vor kurzem genau das selbe getan hatte.


    "Jedenfalls für die meisten Personen. Manchmal ist ein scharfer Schnitt genau dass was nötig ist um überleben zu können. Oder erst einmal um zu sich selbst zu finden", flügte Lin an, fast mehr zu sich selbst, als zu Brandur.


    Der junge Naridier schwieg einen Augenblick und versuchte auf dem Boden etwas auszumachen, während der knöcherne Drache durch die Nacht flog. Mehr als dunkle Schemen konnte er nicht erkennen und Lin hoffte, dass wenigstens Dunwin irgendwie eine Möglichkeit hatte sich zu orientieren. Ansonsten waren sie gerade im Blindflug ins Nirgendwo unterwegs.


    Aber selbst dieser Umstand war Linhard gleichgültig, denn er war glücklich und zufrieden, einen Zustand den er seit einer Ewigkeit nicht mehr empfunden hatte. Zwar schmerzte so langsam von dem ungewohnten Untergrund sein Hinterteil, aber trotzdem hätte er noch stundenlang so weiterfliegen können.


    Seltsamerweise fürchtete er sich irgendwie vor der Landung. Hier in der Luft waren sie frei, sie waren unter sich und scheinbar hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Dennoch waren sie in ihrer Flucht und in ihrem Bestreben vereint.


    Was würde nach der Landung aus ihnen werden?
    Blieben sie wirklich zusammen?
    Gingen sie getrennter Wege?
    Würden Brandur und Dunwin an seiner Seite bleiben oder ihn an seiner Seite weiterhin dulden?


    Alles war so schnell gegangen, dass es eher eine Spontanhandlung war, in der sie sich zusammengeschlossen hatten. Brandurs Handlungen ließen darauf schließen, dass sie ab dato ein Trio waren, aber ausgesprochen hatte es sein Großonkel noch nicht. Vielleicht gab es für Brandur auch nichts zu erwähnen, da er fest von dem Umstand ausging - was Linhard sehr hoffte.


    Er war zwar ein erwachsener Mann, aber die Vorstellung dass sie sich gleich voneinander verabschiedeten und er Mutterseelen allein im Nirgendwo stand und dann allein zurecht kommen musste, verursachte ihm ein mulmiges Gefühl im Magen. Er war weder ängstlich, noch ein Muttersöhnchen, aber wahrhaftig auf sich allein gestellt war er noch nie gewesen.


    Linhard lauschte wieder aufmerksam der Stimme seines Großonkels. Dieser sprach davon, dass die Stadt schon geplündert worden war und manchmal einige Einheimische zurückkehrten um dort zu wohnen und sich ebenso einige Rakshaner ab und an dort niederließen.


    Als Brandur von der Truxburg - der Nachtburg sprach und das sie die Kette später noch benötigen würden, atmete Linhard erleichtert auf. Es ging ihm weder um die Kette, noch um die Burg, es ging ihm ausschließlich um das Wort WIR.


    Die Kette, Linhard... die brauchen WIR später noch...


    Der Satz war Musik in seinen Ohren, damit war seine Angst vom Tisch gewischt, auch wenn Brandur vermutlich gar nicht bemerkt hatte, wie es gefühlstechnisch für einige Minuten um Linhard bestellt war. Nun konnte Lin unbesorgt nach vorne schauen.


    Die Burg klang nach einem angenehmen Wohnort und vermutlich gab es dort oben eine herrliche Fernsicht.


    Über die vorherigen Worte von Brandur musste Lin schmunzeln. Gleichgültig wie umgänglich oder auch gutherzig einer der ihren war, etwas ihrer Eigenart schwamm immer mit, im jeden Blut der von Hohenfelde. Der Stolz darauf, dass sich Brandur die Burg aneignen und durch seinen Ruf halten konnte, war ein Beweis dafür.


    Es war halt immer die Frage, wofür man sein Erbe einsetzte. Man konnte das Erbe einsetzen um zu kämpfen und zu vernichten, oder man konnte diese Fähigkeit einsetzen um seine eigene Familie zu beschützen. Manche zogen Ersteres vor, wenige Letzteres. Und einige waren sich wohl selbst nicht sicher, welchen Weg sie tatsächlich einschlagen sollten - so wie Linhards Vater.


    "Tja Vater kommt anders an sein Material, er bestellt es ganz einfach bei den Schatten. Sie holen wen immer er geholt sehen möchte. Wählt er keine Person aus, holen sie ihm so seine Waren, frei nach ihrer Wahl.


    Du verwertest eben nur, was der Krieg als Treibgut an Deine Behausung anschwemmt Brandur. Ich selbst kann dazu nicht viel sagen, ich kann Eure Gedanken nicht nachvollziehen. Müsste ich zum Überleben eine Waffe aus einem Oberschenkelknochen schnitzen, würde ich das selbstverständlich tun. Nur das hat nichts mit Nekromantie zu tun.


    Was Ihr dort vollbringt, entzieht sich meinem Verständnis. Ich besitze die Gabe nicht Brandur, das ist Dir doch bewusst oder nicht?


    Der Feind Deines Volkes? Tja fühlst Du Dich Deinem Volk so zugehörig, dass Du auf diese Einnahmequelle verzichten möchtest? Ich klinge gerade wie Onkel Veyd oder Wolfi.


    Selbst wenn, das ist im Moment gleichgültig - es ist Deine einzige Einnahmequelle. Und sollten die Rakshaner nicht bei Dir kaufen, dann erwerben sie bei wem anders ihre Waffen. So oder so wirst Du nicht verhindern, dass sie an Waffen kommen. Nur Du wirst dann eben ohne Einnahmen ausgehen.


    Ob Stolz oder Prinzipien in dem Fall also etwas nützen? Ich würde einfach auf mein Gefühl hören. Wie haben Dich die Rakshaner behandelt? Haben sie je versucht Dich zu hintergehen? Falls nicht und sie gute Kunden sind, dann sind es keine Feinde, sondern einfach nur Deine Kunden. Immerhin liefern sie Dir ja auch Dein Material, wenn Du so möchtest", grinste Lin.


    Linhard lehnte kurz seinen Kopf gegen Brandurs Rücken. Irgendwie übermannte ihm nach all dem Familienzwist, ihrer Flucht und seine angestrengte Grübelei nun doch die Müdigkeit.


    "So langsam aber sicher werde ich auch müde Brandur. Ist es noch sehr weit? Sonst lass uns bitte einen Zwischenstopp einlegen", gähnte Linhard leise und machte es sich an Brandurs Rücken bequem.

  • Wolfram nickte beipflichtend.


    "Es freut mich, dass Du meiner Einladung folgst. Sicher werden wir es uns gemütlich machen. Mein Haus ist zwar nicht riesig, aber um sich wohl zu fühlen, benötige ich auch keine kalten Ballsäle. Mir ist ein kleines, überschaubares Heim lieber. Zudem muss es wie ein Zuhause eingerichtet sein. Ich muss niemanden etwas beweisen oder wie in einem Museum ausstellen.


    Sobald man mein Haus betritt ist dies keine leere Wartehalle, sondern man sieht dass es mit Leben erfüllt ist und ich wage zu behaupten, dass man erkennt wer dort wohnt. Oder wessen Geist es beseelt. Nun vielleicht sollte ich nicht gerade von Geistern sprechen", grinste Wolfram.


    "Jedenfalls ist mein Haus klein, fein und gemütlich. Wir können uns vor den Kamin setzen mit einem guten Tee oder Kaffee oder wir machen es uns draußen im Garten bequem. Solange es nicht regnet, sitze ich abends oder manchmal auch nachts dort für einige Stunden. Der Garten ist mein Hobby und im Grunde auch mein Leben. Dort fühle ich mich wohl, ich hoffe Dir wird es genauso ergehen.


    Was Brandur angeht, ja er ist glücklicherweise davon gekommen. Natürlich vermisst man einen Leibdiener sehr schnell und nein, ich persönlich nenne keinen Leibdiener mein Eigen.


    Man höre und staune, aber ich wasche, käme und rasiere mich selbst. Und ich kleide mich sogar selbst an. Ich möchte nicht so von einer anderen Person angefasst werden, da mich als Kind schon ausreichend Heiler von oben bis unten angefasst haben. Dies ist mir mit Verlaub - zuwider.


    Dafür habe ich ein Hausmädchen. Margot kümmert sich um alle Belange im Haus, wie Kochen, Putzen, Waschen. Ich kann weder Kochen noch Waschen, aber das Putzen bekäme ich zur Not hin.


    Für die schwereren Arbeiten habe ich einen Dienstburschen. Beaunois kümmert sich um die schwereren Aufgaben, die Margot nicht bewältigen kann und soll, wie zum Beispiel Holzhacken. Er kümmert sich auch um die Reparaturarbeiten rund ums Haus.


    Beide, Margot wie Beaunois, sind sehr zuverlässige und liebe Personen. Andernfalls könnte ich nicht mit ihnen zusammenleben. Drum verhalte Dich bitte dementsprechend Marlo. Das ist selbstverständlich keine Zurechtweisung, sondern einfach eine Bitte meinerseits an Dich", erklärte Wolfram freundlich.


    Als Kasimir sein kleines, weißes Pelzköpfchen aus seiner Robentasche schob, schmunzelte Wolfram ihn gut gelaunt an.


    "Wir haben gerade von Dir gesprochen - positiv wohlgemerkt", grinste der Magier.


    "Du darfst mich wie jeder Wolfram nennen Kasimir, ich weiß das ist unziemlich, aber ich bin ja generell verschroben, schrullig und sehr unziemlich", lachte Wolfram.


    "Bis Du das ganze Blut verdaut hast, wirst Du mein Gast bleiben. Widerstand ist zwecklos. Ferner werde ich versuchen Brandur zu kontaktieren, damit er sich um Dich keine Sorgen macht.


    Sobald Du Dich erholt hast, sprich Du Dein Blut verdaut hast, kannst Du zu Deinem Herrn aufbrechen. Mein Angebot steht noch, Du kannst es ihm gerne noch einmal unterbreiten. Linhard wie sein Bruder sind hier gerne gesehen. Wobei sich sein Bruder... nun er sollte sich benehmen und zwar friedlich. Dann ist er hier ebenfalls willkommen.


    Ohne Zweifel wird Brandur Dich vermissen Kasimir. Nicht nur als Gesprächspartner, sondern auch als Gesellschafter und natürlich als Leibdiener. Wir beide wissen weshalb, es bedarf keiner weiteren Erwähnung.


    Dass Dunwin und Linhard Deine Aufgaben übernehmen wage ich stark zu bezweifeln.


    Ihre Fähigkeiten liegen auf einem ganz anderen Sektor, als dem der Körperpflege. Vermutlich wird es ehr zutreffend sein, dass auch Linhard Deine Unterstützung vermisst.


    Mache Dir deshalb momentan keine Sorgen, wichtig ist erst einmal dass sie sicher und wohlbehalten ankommen. Ebenso wie wir. Alles weitere ergibt sich. Ich werde versuchen umgehend mit Deinem Herrn Kontakt aufzunehmen, sobald wir bei mir Zuhause sind Kasimir", versprach Wolfram.