Lyras spazierte gedankenverloren vor sich hin und als er sich seiner Umgebung besann, waren am Horizont die Türme einer Stadt zu sehen. Der alte Silmyr hatte kein festes Ziel gehabt und war indes überrascht, dass er das Ende des Waldes erreicht und in der nähe einer Großstadt gelandet war.
Das Wetter hatte es die letzten Tage gut mit ihm gemeint und außer gelegentlich auftretenden frischen Winden konstant mild gewesen, was ihm seine Gelenke dankten indem sie nur selten anschwollen und weh taten. Ganz war das natürlich nicht zu vermeiden in seinem Alter, wenn er mal wieder übermäßig viel gelaufen war, aber es war dann doch ganz erträglich und so genoss Lyras das Wetter in Begleitung seines getreuen Hirsches. Morgens hatte sich der alte Magier immer gewaschen, während sein Hirsch munter aus dem Bach, oder gelegentlich auch See/Tümpel trank. Das erfrischte sei und ließ sie mit guter Laune in den Tag starten. Zu essen fand das Tier selbst und Lyras beschwor sich etwas, wenn er am letzten Tag nichts auf dem Weg gefunden hatte. So gingen sie jeden gut genährt und frohen Mutes umher. Es gab kein Ziel, oder besser gesagt hatte alte Silmyr keines im Sinn gehabt. Wie es schien, hatte es ihn jedoch in die Richtung seiner alten Heimat gezogen und er konnte sich ein leichtes lächeln, im Angesicht seiner unbewussten Entscheidung, hier her zurück zu kehren, nicht verkneifen. Es war nicht lange her seit er hier gewesen war, nur ein paar Jahre, doch die Stadt hatte sich verändert, wie alles was die Menschen taten und erschufen, war auch die Stadt im ständigen Wandel. Mal veränderte sich etwas zum besseren und mal zum schlechteren, doch auch das liegt ja meist im Auge des Betrachters. Lyras hatte beide Extreme kennen gelernt. Der ständige Wandel der Menschenreiche und die traditionsbewusste Ruhe der Zwerge. Beides hatte aus seiner Sicht gute und schlechte Seiten, denn das perfekte System gab es nicht und würde es aller Wahrscheinlichkeit auch nie geben.
All diese Gedanken beiseite schiebend saß der alte Silmyr auf seinen majestätischen Hirsch auf und ritt er Obenza entgegen. Er wollte noch vor Sonnenuntergang ankommen und sich ein Zimmer nehmen.
Lyras suchte sich einen der kleineren Vororte aus und steuerte den größten Hof an der dort zu finden war und hatte Glück, da das Gästezimmer nicht belegt war. Es kostete ihn nicht viel und er würde am nächsten Morgen frisch gemelkte, warme Milch und ein wenig Brot mit selbst gemachter Butter bekommen. In dieser Aussicht schlief Lyras mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein.
Am nächsten morgen wurde Lyras von einigen Sonnenstrahlen geweckt die durchs Dachfenster seines Zimmers fiel. Ein kleiner Vogel saß auf dem Fensterbrett und trällerte fröhlich vor sich hin, als wolle er den Tag begrüßen und kurz nachdem sich ein Zweiter seiner Art hinzu gesellte flogen die beiden auch schon fort. Der alte Silmyr streckte sich und spürte sein rechtes knie etwas das vom langen liegen ein wenig steif geworden war. Es war immer das gleiche mit diesem alten, schwächlichen Körper er zwickte und zwackte an allen Enden. Das jedoch sollte ihm den Tag nicht vermiesen, also ignorierte er sein etwas schwergängiges Bein und machte sich auf den Weg in die Küche in der auch der Esstisch stand. Hier herrschte schon reges treiben. Die Frau des Hauses kochte Laken ab während ein aufgescheuchtes Huhn, verfolgt von einem Hund, wild durch den Raum flatterte, kurz bevor es den rettenden Weg nach draußen fand und der Hund vom Herren des Hauses zum sitzen aufgefordert wurde. Von draußen hörte man das Gelächter von Kindern. Lyras hatte sie schon von seinem Zimmer aus gehört wie sie in der Scheune im Heu tollten. Als ihr Gast die Treppe herunter kam rief der Bauer seine Kinder jedoch herein. Sie protestierten kurz, doch als sie hörten, dass es essen gab und ein merkwürdiger Alter am letzten Abend in ihr Gästezimmer eingezogen war, brauchte es nicht lang, bis die Kinder am Tisch saßen.
Wie schon am Vortag angekündigt stand ein Krug frische Milch auf dem Tisch und ein großer, schon etwas angetrockneter Laib Brot wurde in dicke Scheiben geschnitten. Die Butter war in Wasser gekühlt, lies sich jedoch trotzdem gut streichen und Lyras genoss jeden Bissen.
Nach dem Frühstück bedankte sich der alte Magier herzlich und reparierte den in die Jahre gekommenen Brunnen, nachdem die Bauern keine Bezahlung annehmen wollten. Die Kinder waren aus dem Häuschen als sie sahen wie Lyras seine Magie beschwor um die Steine des Brunnens wieder neu anzuordnen und auch die Eheleute waren nicht minder überrascht als sie herausfanden das ihr Gast ein Magier gewesen war. Als der bucklige Silmyr seiner Wege ging dankten sie ihm noch einmal für seine Hilfe und er nickte dies lächelnd ab während er auf seinen Stock gestützt loszog um heute eines der Dörfer zu erreichen, die Obenza näher waren. Lyras wollte nicht in die Stadt selbst ziehen, wollte aber auch die Vorzüge der Stadt nicht vermissen, weshalb er sich ein Dorf aussuchte, das ungefähr eine Stunde von Obenza entfernt war. Der Name des Dorfes war Tune.
Zuerst war der Ortsvorsteher etwas skeptisch, als er hörte, dass dieser alte Silmyr ein kleines Haus kaufen wollte das er auch als Geschäft nutzen konnte. Zumal hatte er bis heute noch nie einen Vertreter des Volks der Silmyr getroffen und dieses alte Wesen, das fast zwei köpfe kleiner war als er und so gebrechlich aussah, wie er so auf seinen Stab abgestützt, da stand. Doch als er sah, dass dieser bezahlen konnte und ihm glaubhaft erklären konnte, dass er ein Geschäft für magische Lampen eröffnen wollte, die er auch in seinem hohen alter noch fertigen konnte, war er bereit ihm ein altes, leer stehendes Haus günstig zu verkaufen, das einiges an Fürsorge brauchen würde bis es wieder bewohnbar war.
Das jedoch störte Lyras kein bisschen. Es war ein zwar altes, aber massiv gebautes Steinhaus, was hier auf dem Land mehr als unüblich war und Lyras begann, nachdem er sich etwas Verpflegung für die Laufende Woche besorgt hatte, die Steine des Hauses systematisch miteinander verschmelzen zu lassen um die Stabilität der Wände zu verbessern. Er nahm dort, wo der Stein uneben war und füllte dort auf, wo der Mörtel bröckelte. Das Ergebnis am Ende des Tages war eine perfekte Wand die weder Risse noch Fugen hatte, die im Lot stand und aussah als wäre sie aus einem Stück gefertigt. Der alte Silmyr wer erschöpft und sah nun noch einen Kopf kleiner aus als zuvor, doch er war zufrieden mit den Früchten seiner Arbeit und lies es sich nicht nehmen sich bequem auf die morsche Bank vor dem Haus zu setzen und seine wohl verdiente Mahlzeit zu sich zu nehmen. die Manipulation von Stein war nicht so einfach, wie die von Erde oder Sand. Selbst mit dem Segen des Hepharos brauchte es Stunden um einen Quadratmeter der Wand zu bearbeiten. Es würde wohl einige Wochen dauern, bis er ganz fertig war, doch das war es ihm wert. Das Haus würde Stabil sein. Auch dem Verfall würde es nicht so schnell anheim fallen wie gewöhnliche Häuser. Die Kälte würde nicht so leicht eindringen können, erst recht nicht wenn er den Böden erst einmal die Fähigkeit verliehen hätte wärme auszustrahlen. Es sollte ein behagliches Heim werden. Lyras war schon alt und es war vielleicht einfach an der Zeit einen Ort zu errichten an dem er auch seinen Lebensabend verbringen wollte. Am meisten Kopfweh machten ihm die Zwischenböden. Sie waren aus Holz. Er würde sie alle herausreißen und viele Steine anliefern lassen müssen um Steinerne zu erzeugen. Auch hatte er geplant dem Gebäude ein flaches Dach aus Stein zu verpassen und das alte, Heu bedeckte herunter zu reisen. Er wollte es durchsichtig machen, so das er genug Licht in seinen privaten Räumen hatte und den Wundern des Wetters zusehen konnte. Ebenfalls würde er die Treppe zu seinen Gemächern zumauern. Er konnte ja sowieso einfach durch den Stein hindurchwandern und so war seine Privatsphäre gewahrt. Bei all den tollen Plänen die in seinem Kopf umherspukten wurde ihm ganz warm ums Herz bis ihm auffiel, dass er für heute Nacht noch gar kein Bett hatte in dem er schlafen konnte. Er seufzte ernüchtert und machte sich auf den Weg zur Taverne. Ein Bett konnte er selbst Fertigen, doch war es dafür heute zu spät, besonders wenn man in Betracht zog, dass er vorhatte das Haus komplett zu entkernen. So nahm er sich ein kleines Zimmer in der Taverne und legte sich auch sogleich zu Bett.