Unter Bäumen - Nichts bleibt verborgen

  • <Wie wunderbar doch der Duft des Sommers ist.>, dachte Alaryah und atmete tief durch. Die Sonne bahnte sich ihren Weg durch das Blätterdach des Waldes und ein leichter Wind wehte. Die Schatten der Blätter zauberten allerhand Muster auf den weichen Waldboden, der das Geräusch von Alaryahs Schritten fast vollständig verschluckte. Lautlos schlenderte die Albin ihrer Wege, dabei jedoch immer ein wachsames Auge für ihre Umgebung habend. <Eigentlich hätte ich Sonnenstrahl auch mitnehmen können.>, überlegte sie und dachte an ihr Pferd, welches daheim wohl schon auf sie wartete. Nächstes Mal vielleicht dann.
    Es war eigentlich eine Patrouille wie immer...eigentlich. An einer Weggabelung war etwas anders als sonst. Da waren...Fußabdrücke?! <Wen haben wir denn hier?>. Alaryah ging in die Hocke und folgte mit ihrem Blick den Spuren. <Da schien jemand im Unterholz unterwegs gewesen zu sein und hat dann hier den Weg gekreuzt.> So wie es aussah musste es sich hierbei sogar um eine ganze Gruppe von Personen gehandelt haben. <Wie kamen die unbemerkt bis hier hin?!>. So verharrte sie regungslos in ihrer Position und lauschte. Nach kurzer Konzentration atmete die Albin sanft aus und spürte, wie sich ihre Sinne schärften. Da waren die Geräusche des Waldes mit den Tieren und Pflanzen...und... Alaryah schlug die Augen auf. Da war noch mehr! Lautlos verschwand die Albin im Unterholz und machte sich in die Richtung auf, in welcher sie die fremden Geräusche vernommen hatte.


    Kurze Zeit später waren die Personen, die die Spuren hinterlassen hatten, deutlicher zu hören. Jemand lachte rau und hier und da hob jemand anderes die Stimme. Vorsichtig rückte Alaryah vor, keinen Laut von sich gebend. Dort in der Ferne, auf der kleinen Lichtung mit dem Bach! Eine ungewohnte Situation spielte sich dort ab. Alaryah erkannte eine Gruppe, die teilweise ihre Waffen gezogen hatten. Sie waren in einer Art von Kampf mit einem jungen Alben in hellen Gewändern verwickelt. Eigentlich, so schätzte Alaryah, hätten die Kerle ihn mit Leichtigkeit überwältigen können. Nach einem Trainingskampf sah es aber auch nicht wirklich aus. Machten sich die Männer einen Spaß daraus den Alben zu piesacken? Die rauen Stimmen, die Kleidung und Ausrüstung der Gruppe machten jedenfalls keinen freundlichen Eindruck. Sonderbar fand Alaryah weiterhin, dass dort eine weitere, in gewisser Weise unbeteiligte Person einfach daneben stand. Diese Person griff nicht ein, lief aber auch nicht davon . Es war, als würde sie kaum mitbekommen, was überhaupt um sie herum passierte. Viele Tätowierungen überzogen Gesicht und Hände der weiblichen, scheinbar menschlichen Person und bildeten Symbole und Schriftzüge ab. Auffällig war noch der Stab in ihrer Hand. Es handelte sich um eine Art Wanderstock, an dessen oberen Ende mehrere kleine Phiolen hingen. <Wer bist du?>, fragte Alaryah die Frau gedanklich und versuchte sie einzuschätzen. Da plötzlich hörte Alaryah ein dumpfes Geräusch aus Richtung der Gruppe. Ihr Blick flog herüber und sie konnte eben noch sehen, wie der Alb taumelte. Einer der Männer hatte ihm anscheinend einen saftigen Haken und somit auch eine blutige Lippe verpasst. Eigentlich hätte Alaryah nun gern etwas Verstärkung bei sich gehabt, aber die jetzt zu holen würde wahrscheinlich zu lange dauern... <Was solls.>. Alaryah erhob sich. "Hedort.", sagte sie mit leicht erhobener Stimme. "Was führt Euch zu uns und...wer seid ihr überhaupt, wenn die Frage gestattet ist?". Sie machte gelassen ein paar Schritte auf die Gruppe zu, blieb jedoch abrupt stehen als sie merkte, dass die Frau mit dem Wanderstock sie nun direkt aus kalten Augen fixierte. <Seien wir lieber vorsichtig.>, riet sich Alaryah selbst und wartete die Reaktionen ab. Ganz geheuer war ihr das alles zumindest nicht.

  • Jaro hatte bereits einige Zeit unentschlossen im Gebüsch gesessen. Sie waren zu viert und mindestens zwei waren bewaffnet. Der junge Alb dachte nach. Er beobachtete die Truppe bereits seit ein paar Tagen, sah mit Wut im Bauch zu, wie sie die Lichtungen, an denen sie pausierten verwundet und beschmutzt zurückließen und wie sie die tätowierte Frau behandelten, die scheinbar ihre Gefangene war. Er hatte gewartet, ob ihr Wüten von anderen Waldbewohnern oder Reisenden bemerkt würde, doch niemand war vorbeigekommen. Er musste etwas tun. So war er leise von seinem Ausguck abgestiegen und hatte sich in ein Gebüsch verkrochen, in dessen Nähe die Gefangene zusammengekauert auf dem Boden saß. Wie immer, wenn sie Halt machten, waren ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt und sie ließ den Kopf so hängen, dass ihr die verfilzten Haare ins Gesicht fielen. Neben ihr lehnte der eigenartige Stock an einem Baum, auf den sie sich immer stütze, wenn die Gruppe in Bewegung war. Jaro hatte beobachtet, wie die Männer sie tagsüber in ihrer Mitte laufen ließen, bei Rast aber stets festbanden und ihr die Reste ihrer Mahlzeit in den Schoß warfen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Jaro hatte ihre Augen gesehen und sie waren entrückt und kalt. Letztlich war sie es gewesen, die ihn zum Handeln bewegt hatte.
    Vorsichtig hob er nun zwei faustgroße Steine auf und schleuderte einen davon nach rechts in den Bach, in den sich die Kerle zu seinem Leidwesen in regelmäßigen Abständen erleichterten. Ein lautes, dumpfes Platschen ertönte und die Köpfe der Truppe fuhren herum.
    „Was war das?“, rief der Bärtige, der eine Art Anführer zu sein schien mit seiner tiefen, kräftige Stimme und sprang auf. „Da ist etwas am Fluss. Kelchior, geh nachsehen!“
    Der Mann namens Kelchior war hager und erinnerte Jaro ein bisschen an eine Ratte. Kaum war er in Richtung des platschenden Geräuschs verschwunden, schlich Jaro aus seinem Versteck. Er wollte die Gefangene befreien und hoffte, dass sie stark genug wäre, ihm gegen ihre Peiniger zu helfen. Lautlos sprang er nach vorne, näherte sich ihr von hinten und durchtrennte mit einem Schnitt ihre Fesseln. Es war keine Zeit, um ihr Instruktionen zu geben. Er musste handeln, bevor sie ihn entdeckten und bevor der vierte zurückkam. Jaro musste darauf vertrauen, dass sie von alleine verstand. Er schlich sich geduckt näher an das Feuer und holte den zweiten Stein aus der Tasche. Nun war der Moment gekommen, in dem er seine Deckung aufgeben musste. Er machte zwei schnelle Schritte nach vorne und warf dem Bärtigen mit voller Wucht den Stein an den Kopf. Der Mann schrie auf und ging zu Boden, verlor aber nicht wie erhofft das Bewusstsein. Trotzdem achtete Jaro nicht auf ihn. Er musste seinen Plan weiter verfolgen. Mit dem Stilett in der einen und dem kleinen Hohlspiegel in der anderen Hand, ging er auf den glatzköpfigen Mann zur Linken zu, der im Licht einiger eindringender Sonnenstrahlen saß. Mit einer schnellen Bewegung griff er an und gleichzeitig richtete er den Hohlspiegel auf den dritten Kerl, der aufgesprungen war und um das Feuer herum auf ihn zukam. Ein Aufschrei verriet ihm, dass er irgendeine empfindliche Stelle mit dem Brennstrahl getroffen hatte. Sein Gegenüber hatte unterdessen seinen Messerhieb pariert und trieb ihm die Faust in den Magen. Jaro keuchte auf. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Bärtige, sich noch immer den blutenden Kopf haltend, auf die Knie kam und nach seinem Schwert suchte. Fast im selben Augenblick kam der Kerl namens Kelchior wieder zurück. Jaros Zuversicht begann zu schwinden.
    „Was bist du doch für ein garstiges dummes Kerlchen?“, brummte der Anführer. „Du bist doch ein Alb, oder?“
    „Na klar ist das ein Alb! Wer sonst würde sich selbst so überschätzen, es mit vier stattlichen Kerlen aufzunehmen?“, höhnte Kelchior.
    Jaro blickte verzweifelt zu der Gefangenen. Sie war aufgestanden und hatte ihren Stab gegriffen, doch sie rührte sich nicht, sondern blickte weiter mit ihren leeren Augen ins nichts.
    Der kleinere Mann mit dem kahlen Kopf folgte Jaros Blick.
    „Bist du wegen der gekommen? Bist du ein Weiberheld?“ Er lachte kehlig.
    „Lasst uns den Bastard endlich kalt machen!“ Der Mann, den Jaro mit dem Hohlspiegel attackiert hatte, hatte mittlerweile ein langes, dünnes Schwert gezückt und richtete es mit schmerzverzerrtem Gesicht auf Jaros Brust. Jaro hatte ihn genau am Auge erwischt.
    „Nein“, sagte der Bärtige bestimmt. „Erst soll er uns sagen, was er hier zu suchen hat. Was treibst du hier, Lichtalb?“
    „Genau! Wer schickt dich? Was hast du hier zu suchen?“
    Jaro schwieg. Was sollte er antworten? Schließlich fragte er stattdessen: „Wer ist sie?“ Er musste Zeit gewinnen.
    Der Bärtige blickte zu der Frau hinüber, dann zu dem Kahlkopf und nickte langsam mit dem Kopf in Jaros Richtung. Jaro hatte keine Zeit zurückzuweichen; die Faust traf ihn voll im Gesicht.
    „Ich habe dir eine Frage gest-…“ Weiter kam er nicht, da eine neue Stimme ertönte. Es war die Stimme einer Frau, doch sie kam nicht von der Gefangenen, sondern von hinten. Jaro begann wieder zu atmen. Nach dem festen Schlag des kleinen Kahlkopfes war er zunächst gebeugt geblieben und hatte sich nicht getraut auch nur einen Mucks zu machen. Blut tropfte vor ihm auf den Boden.
    Jetzt gestattete er sich einen Blick über die Schulter. Sie war eine Frau des Waldes, da sah er sofort. Sie war schlank und zu seiner Erleichterung bewaffnet.
    „Da bleibt man so lange unbehelligt und dann trifft man einem Tag gleich auf zwei von euch.“
    Der Anführer grinste und ging ein paar Schritte auf die Waldalbin zu. Jaro bemerkte, dass sie hin und wieder einen Seitenblick auf die tätowierte Frau warf. Offensichtlich hatte sie auch gemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte.
    „Wir sind nur auf der Durchreise und eskortieren eine Lady. Sagt mir Euren Namen, dann sage ich Euch vielleicht meinen.“
    Die Sonne drang nun stärker durch das Blattwerk. Jaro begann zu schwitzen. Er musste möglichst schnell in den Schatten. Andererseits konnte er das Sonnenlicht auch nutzen. Er griff den Spiegel fester und begann langsam sich aufzurichten. Würde die Waldalbin ihm helfen, wenn er einen neuen Angriff startete? Er bezweifelte, dass die Männer ihn einfach gehen ließen. Das Risiko, er könne anderswo Alarm schlagen, würden sie nicht eingehen. Sie würden ihn entweder mitschleppen oder … Die andere Möglichkeit wollte er sich gar nicht ausmalen.
    <Ein erneuter Überraschungsangriff ist bestimmt besser, als ihnen das Ruder zu überlassen. Immerhin sind sie in der Überzahl>, dachte Jaro. Wenn er doch nur Blickkontakt aufnehmen könnte.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • "Ihr...eskortiert sie?", fragte Alaryah und schaute die Frau an, die sie immer noch anstarrte. Diese Augen waren wirklich irgendwie unheimlich...und sie schien auch gar nicht zu blinzeln, jedenfalls nicht im Moment? "Ist mit der Dame alles in Ordnung? Sie wirkt...", "Keine Sorge, sie erfreut sich bester Gesundheit.", unterbrach der Anführer die Albin. "Verzeiht, Alaryah Schattenwind ist mein Name.", stellte sich Alaryah anschließend vor. Sie löste den Blick von der Frau und sah nun wieder den Anführer an. Er machte eine übertriebene Verbeugung, so als wollte er Alaryah verhöhnen. "Seid mir gegrüßt, meine Liebe. Doch erlaubt nun mir eine Frage: Was macht solch ein hübsches Ding alleine im Wald?". Alaryah bemerkte das kleine Funkeln im Auge des Mannes nicht. "Ich bin auf Patrouille.", erklärte die Albin selbstsicher. "Da habe ich euch gefunden, ihr wart ja nicht zu überhören. Was habt ihr mit dem Alben dort zu schaffen? Wieso richtet ihr ihn so zu?", fragte Alaryah mit einem Kopfnicken in Richtung Jaro. "Das? Aaaach das ist nur eine Meinungsverschiedenheit. Wir wurden von ihm angegriffen und, nunja, wir mussten uns verteidigen, ihr versteht? Vielleicht können wir dieses Missverständnis ja aufklären. Gehört er zu Eurer Patrouille? So mancher Jungspund handelt ja gerne mal unüberlegt.". Alaryah schüttelte den Kopf. "Er ist, genau wie ihr, neu im Wald. Solltet ihr also keine friedlichen Absichten hegen, so muss ich euch bitten wieder zu verschwinden. Dies werde ich auch nur einmal tun. So oder so, sagt mir das Ziel eurer Reise. Ihr solltet nicht einfach so durch den Wald poltern.". "Weisst du, es trifft sich gut, dass wir uns begegnet sind. vielleicht kannst du uns sogar helfen auf unserer Weiterreise..". Der Mann näherte sich Alaryah, die unsicher einen Schritt zurück machte. "Wie meint ihr das genau?". "Ich werde mich mit der Dame hier kurz unterhalten, passt auf, dass der andere nicht stiften geht, wir sind da noch nicht fertig.", rief der Kerl seinen Leuten über die Schulter zu. Dann packte er plötzlich Alaryah, die ihm körperlich kaum gewachsen war, und zerrte sie in das nächste Gebüsch. Die wartenden Männer grinsten und warfen sich schelmische Blicke zu, waren trotzdem jedoch darauf bedacht, dass Jaro nicht entfliehen konnte. Das Gebüsch raschelte eine Zeit enorm, doch war dann plötzlich still. "Schon fertig?", gröhlte Kelchior und schüttelte lachend den Kopf. Er verstummte, als Alaryah allein aus dem Gebüsch hervortrat. Ihre Haare waren zerzaust und der Köcher auf ihrem Rücken verrutscht. Die Gruppe schaute erstaunt an der Albin vorbei, jederzeit mit der Rückkehr ihres Anführers rechnend. Doch er kam nicht wieder. Alaryah hob die linke Hand, in der sie einen edlen, leicht geschwungenen Langdolch hielt. Blut rann von der Klinge hinab und tröpfelte auf die saftig grüne Wiese. Ihr Gesicht war wie versteinert, ohne jede Freundlichkeit, die sie zu Beginn der Begegnung noch ausgestrahlt hatte. Das nach unten gerichtete, blaue Dreieck, welches sich die Albin unter das Auge geschminkt hatte, war verschmiert. "Ihr seid hier nicht mehr willkommen.", brummte die Albin und zeigte mit dem Dolch auf die Gefährten des Mannes, der sie ins Gebüsch gezogen hatte. "Was zur...Dich kauf ich mir!", brüllte Kelchior und ging mit erhobener Waffe auf Alaryah zu. Diese jedoch verschwand im Unterholz. Er blieb am Rand der Lichtung stehen. "Wir sollten weiter.", meinte er und drehte sich zum Rest der Gruppe um. "Machen wir den anderen Alben da kalt und ziehen dann weiter. Jetzt ist diese Albenbande wohl aufgescheucht...zum Glück ist der Weg nicht mehr weit.".
    Bewegung kam in die Gruppe. Die Frau mit den Tätowierungen schaute mittlerweile zu Boden, wurde dann grob von einem der Kerle von der Lichtung weg in Richtung Wald gestoßen. Sie kam ins Straucheln und stürzte, wurde aber direkt wieder hochgezogen. "Bin ich froh, wenn wir dich los sind.", brummte der Kerl vor sich hin. Niemand sah daraufhin den Pfeil kommen, der sich von der anderen Seite des kleinen Baches von der Sehne gelöst hatte. Ein Zischen zerschnitt die Luft und dann folgte der Aufschlag. Treffer. Der Kahlkopf, dem nun ein Pfeil aus dem Hals ragte, ging röchelnd zu Boden. Dabei schaute er mit großen Augen auf den Pfeilschaft, so als wolle er nicht glauben was er sah. Leicht geduckt stand Alaryah da, keine Miene regte sich in ihrem Gesicht als sie in einer fließenden Bewegung einen weiteren Pfeil auflegte. Einen Augenblick lang traf ihr Blick den von Jaro. Ihre Lippen formten Worte, dies konnte er deutlich sehen. "Hinter dir.".

  • Der sonst so reservierte Jaro durchlebte wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben ein richtiges Auf- und Ab der Gefühle. Zunächst fürchtete er, seine Hoffnung in Person der grünhaarigen Waldalbin so schnell wieder zu verlieren, wie er sie gewonnen hatte, als der stämmige Anführer sie grob in das Gebüsch zerrte. Die hämische Freude der anderen Männer machte ihn wütend. Während er noch mit sich rang, ob es nicht richtig wäre, der Frau zur Hilfe zu eilen, koste es was es wolle, da schritt diese zwar etwas zerzaust, doch unversehrt aus dem Gebüsch. Als er ihren entschlossenen Gesichtsausdruck sah, fragte er sich, wie er je daran hatte zweifeln können, dass sie ohne Probleme mit dem Kerl fertig werden würde. Plötzlich kam er sich fast nutzlos vor, doch auch dieses Gefühl wurde schnell abgelöst, als sie behände und lautlos im Unterholz verschwand. War sie gegangen, um Verstärkung zu holen? Vielleicht war er in ihren Augen ebenso ein Eindringling, für den sich in Gefahr zu bringen nicht lohnte. Stattdessen würde sie mit mehr Leuten zurückkehren und den Rest der Gruppe ausschalten. <Und ich werde dann tot sein>, dachte er. Der Kahlkopf schubste die Gefangene grob, um sie zum Gehen zu bewegen und Kelchior drehte sich zu Jaro.
    „So du Abschaum“, knurrte er. Jaro spannte sich an und griff sowohl das Stilett als auch den Spiegel fest. Schweiß lief ihm den Rücken hinunter und das nicht mehr nur der Wärme wegen. Gerade als der hagere Kerl zum Angriff ansetzen wollte, hörte Jaro ein Zischen und kurz darauf das Röcheln eines Mannes. Der Kahlkopf schlug tot auf dem Boden auf.
    Während die übrigen beiden Männer noch in einer Art Schockstarre verharrten, blickte Jaro in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war. Für das menschliche Auge nicht zu erkennen stand Alaryah auf der anderen Seite des Baches und legte bereits nach. Ihre Blicke trafen sich und er las die Warnung von ihren Lippen.
    „Hinter dir.“
    Sofort ließ er sich in die Hocke fallen und spürte noch den Windhauch, den das lange Schwert über seinem Scheitel verursachte, als es in einer halbkreisförmigen Bewegung dort entlang schnellte, wo gerade noch sein Hals gewesen war. Fast zeitgleich bohrte sich der Pfeil durch das Herz des Mannes und er stürzte nach hinten. Jaro wartete nicht, bis er den Boden berührte. Er machte einen Satz nach vorne und rammte Kelchior das Stilett durch den Hals. Es ging so leicht hindurch, dass Jaro erst ein paar Atemzüge später realisierte, dass er zum ersten Mal ein Leben genommen hatte. Er sank auf die Knie und versuchte seinen Puls zu kontrollieren. Dann säuberte er das Stilett am grünen Wams des Mannes und blickte auf. Alaryah war nicht mehr dort am Bach. Er drehte sich um und erblickte die tätowierte Frau, die auf dieselbe apathische Weise auf ihren Stock gestützt dastand wie zuvor. Jaro stand auf und ging auf sie zu.
    „Wer bist du?“ fragte er – keine Reaktion. Vorsichtig streckte er den Arm aus und berührte sie an der Schulter. Auch Alaryah hatte mittlerweile wieder lautlos die Lichtung betreten. Jaro konnte sie im Augenwinkel sehen. Gerade als er seine Hand zurück ziehen und sich zu seine Retterin umdrehen wollte, da veränderte sich die Frau. Ihre Augen drehten sich komplett auf weiß und sie atmete schwer und laut ein, als kriege sie keine Luft. Dann, urplötzlich, schossen die Augen zurück, aber verändert – klarer.
    Sie sah hektisch von Seite zu Seite. „Wo – wo bin ich?“ Ihre Stimme war panisch. Dann schien sich ein Schatten über ihren Blick zu legen und Jaro spürte, wie sich ihre Muskeln wieder entspannten. Sie blickte ihn an und ihre Augen hatten wieder denselben entrückten und leeren Ausdruck angenommen wie zuvor.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • Der Alb hatte verstanden. <Zum Glück.>, dachte Alaryah noch. Der Kampf war schnell entschieden. Gut so.


    Sie kehrte zur Lichtung zurück. Der Alb stand vor der Frau, die kurz eine Reaktion zeigte, dann aber wieder verstummte. Alaryah verstaute ihren Bogen und ging schnellen Schrittes an Alb und Frau vorbei. "Lasst mich kurz...", begann sie, führte ihren Satz jedoch nicht zuende. Sie ging die Leichen ab, sammelte ihre Pfeile wieder ein. Dann schlenderte sie zu Jaro. Die Kälte in ihrem Gesicht war nun wieder der Freundlichkeit gewichen, die sie zu Beginn dieser...Situation...ausstrahlte. "Seid ihr in Ordnung?", fragte sie den Alb und musterte die Verletzung. Es war nur ein Kratzer. "Halt still.", sagte Alaryah und legte zwei Finger auf die blutige Stelle noch bevor Jaro reagieren konnte. Mit der anderen Hand fixierte sie Jaros Kopf. Erst brannte die Berührung ihrer kalten Fingerspitzen, doch schon bald schien sich eine wohltuende Wärme an genau dieser Stelle auszubreiten. "Erledigt.", sagte Alaryah und nickte. Dann trat sie einen Schritt von dem Alben zurück. "So, nun sagt mir, wer seid ihr? Meinen Namen habt ihr bestimmt schon gehört? Falls nicht, ich bin Alaryah. Alaryah Schattenwind.". Ihr blick fiel auf die herumliegenden Leichen. "Kanntet ihr die Kerle? Ich muss so viel wie möglich über sie wissen.". Dann wandte sich Alaryah der Frau zu. "Und warum seid ihr mit denen unterwegs? Was führt Euch zu uns?". Keine Reaktion. Alaryah trat näher zu der Frau und hob die Hand. Sie wedelte damit vor den Augen der apathisch dastehenden Frau herum, doch die Augen blieben starr. Über die Schulter hinweg fragte Alaryah "Was ist mit ihr geschehen? Ist sie blind? Taub?".


    Alaryah dachte einen Moment lang nach. Hatte sie in der Vergangenheit schon einmal jemanden in solch einem Zustand gesehen? Nein, nicht wirklich. Wer könnte helfen? War es überhaupt eine gute Idee, dieser Frau zu "helfen"? Was, wenn eine Gefahr von ihr ausgeht? Außerdem waren da noch diese Kerle gewesen. Wie konnten solche Grobiane eine Dame eskortieren? Fragen über Fragen.



    "Wir lassen sie hier liegen.", sagte Alaryah schließlich und nickte in Richtung der Toten. "Um sie wird sich gekümmert, keine Sorge.", fügte sie hinzu. "Falls du sie durchsuchen und ihnen etwas abnehmen möchtest, nur zu.". Nach einer kurzen Pause schaute Alaryah Jaro fragend an. "Wie soll es nun weitergehen? Wir können sie hier nicht stehen lassen.". Alaryah ging näher zu der Frau. "Ich werde mich nun bei Euch einhaken.", erklärte sie und berührte sachte den Unterarm. Dann zog sie die Frau sanft nach Links. Sie folgte, machte einen Schritt, etwas wackelig aber sie würde nicht hinfallen. "Zumindest kann sie den Umständen entsprechend normal laufen.", meinte Alaryah und nickte in Richtung Waldweg. "Bringen wir sie erst mal weg von hier.".

  • "Ja, ich… danke”, brachte Jaro hervor, dann hatte Alaryah die kurze Distanz zwischen ihnen auch schon überbrückt und irgendetwas mit seiner Blessur angestellt. Jaro strich sich über das Gesicht: der Schmerz war fort. In seinen Augen spiegelte sich Erstaunen wieder.
    „Ich heiße Jaro Ballivòr.“
    Er sah zu den Leichen und schüttelte den Kopf. „Ich bin erst vor ein paar Tagen auf sie gestoßen. Die Überreste eines Rehs haben mich auf ihre Fährte gebracht.“ Jaro versuchte sich an die Gesprächsfetzen der Männer zu erinnern, die er aufgeschnappt hatte. Er hatte das Gefühl etwas Wichtiges zu übersehen. Er war nicht immer in Hörweite gewesen und meistens hatte einer der Kerle geklagt: zu wenig zu essen, zu wenig Frauen, zu wenig Bier … und schmerzende Füße. Die Gruppe war auf jeden Fall schon länger unterwegs gewesen.
    Alaryahs Frage holte ihn aus seinen Gedanken. Die Waldalbin stand nun direkt bei der rätselhaften Frau. „Sie war schon in diesem Zustand, als ich sie das erste Mal sah. Ich glaube, sie kann zumindest hören. Manchmal schreckt sie bei lauten Geräuschen hoch. Meint Ihr sie ist krank?“


    Jaro wollte sich schon von den toten Männern abwenden, doch dann drehte er sich doch noch zögernd um. Er ging zu dem Beutel des Anführers und öffnete ihn. Er fand die Geldbörse und nahm sie an sich, auch wenn er dabei noch einmal schuldbewusst in Alaryahs Richtung sah. Andererseits hatte Jaro gelernt, dass in fremden Gebieten der ein oder andere Groschen manchmal überlebenswichtig sein konnte. Plötzlich fiel Jaro etwas ein. Er leerte den ganzen Beutel aus, doch er enthielt nur eine Feldflasche, zwei kleine Dolche und etwas Nahrung. Jaro eilte zum Gepäck Kelchiors und kramte in dessen Tasche. Dort befand sich das Pergament. Jaro entfaltete es: Es war eine Landkarte mit einigen handschriftlichen Anmerkungen. Er legte sie wieder zusammen und packte sie mit der Geldbörse in seinen Beutel. Genau studieren konnte er sie später, an einem angenehmeren Ort. Er merkte, dass Alaryah ihn ansah und blickte hinüber zu der tätowierten Frau. <Sie wird so stehen bleiben, bis sie vor Erschöpfung zu Boden geht>, dachte er. Alaryah hatte Recht: sie konnten sie nicht hier lassen.


    Langsam gingen sie zu dritt den Waldweg entlang. Jaro ging hinter den beiden Frauen und überließ Alaryah die Führung. Er war froh, dass die Waldalbin da war. Sie strahlte Sicherheit und Stärke aus und Jaro bezweifelte nicht, dass sie sich hier gut auskannte. Er nahm sich vor, sich noch angemessen bei ihr zu bedanken. Schließlich hatte sie sein Leben gerettet.


    Nach einer Weile überkam ihn die Neugierde und er zog die Landkarte wieder aus der Tasche. Sie zeigte ein Waldgebiet, doch Jaro konnte es nicht lokalisieren, da die Karte nicht weit genug reichte, um gegebenenfalls bekannte Landstriche zu enthüllen. Er konnte nicht lesen, was auf die Karte geschrieben war. Die Schrift war klein und krakelig und Jaros Lesekünste beschränkten sich ohnehin auf ein Minimum.
    „Ich habe gesehen, wie die Männer an einem Abend über diesem Pergament gebrütet haben“, erklärte er. „Es ist eine Karte. Vielleicht können wir Rückschlüsse auf ihre Herkunft oder ihr Ziel ziehen.“

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • "Schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht und die Kerle dir nicht schlimmeres angetan haben, Jaro.", sagte Alaryah freundlich. Dann nickte die zierliche Albin stumm, als Jaro von den nun toten Männern berichtete. Als es dann um den Zustand der Frau ging wurde sie nachdenklich. "Krank. Das könnte sein, doch glaube ich das selbst nicht wirklich. Irgendetwas anderes ist mit ihr...". Während Jaro die Leichen durchsuchte und dieses und jenes fand, versuchte Alaryah weiterhin der Frau eine Reaktion zu entlocken. Erfolglos.


    Die kleine Gruppe folgte dem Waldweg, erst schweigend, dann über belangloses plaudernd. Schließlich brach Jaro erneut die Stille und als Alaryah ihn ansah hielt er ein Pergament in den Händen. "Eine Karte?", fragte Alaryah erstaunt und ging zu Jaro hinüber. Natürlich vergewisserte sie sich vorher, dass die Frau nicht umkippte oder dergleichen. "Lass mal sehen...", murmelte die Albin und schon zuckten ihre Blicke über die Karte, die ihr Jaro hinhielt. "Das könnte doch...oder hier, das müsste...", dachte Alaryah laut nach. Dann sah sie Jaro an. "Verstaue die Karte gut, Jaro.", entgegnete sie trocken. "Ich kenne da jemanden, der sie sehen sollte. Es ist zwar ein kleiner Umweg, aber den sollten wir in Kauf nehmen.".


    Irgendwann entschieden Jaro und Alaryah eine kurze Rast einzulegen. Nur einen Moment hinsetzen, etwas trinken. "Wir werden die Karte gleich einem der Hauptmänner zeigen. Er wird uns bestimmt auch mit ihr weiterhelfen können.", meinte Alaryah schließlich und nickte in Richtung der Frau. "Ich versuche mal was.", erklärte Alaryah und erhob sich aus dem Schneidersitz. Sie ging zu der Frau hinüber, die an einem Baum stand. Dann hielt Alaryah ihr die Feldflasche hin. "Trinkt etwas.", sagte sie mit fester Stimme. "Trinkt.", wiederholte Alaryah etwas lauter, als wieder mal keine Reaktion kam. Dann nahm Alaryah die Hand der Frau und schloss ihre Finger um die Feldflasche. Vorsichtig ließ sie los und tatsächlich hielt die Frau die Flasche fest. Alaryah führte ihr die Flasche zum Mund und dann trank die Frau! Sie hörte auch von allein wieder auf! Mit großen Augen schaute Alaryah zu Jaro hinüber. "Das ist doch schon mal etwas, meinst du nicht?", fragte die Albin hoffnungsvoll.

  • Es war die erste Reaktion seit der panisch ausgesprochenen Frage auf der Lichtung. Jaro hatte es noch ein paar Mal probiert, doch es war wohl ein Zufall gewesen. Die Frau hatte nicht wieder auf seine Berührung reagiert. Nun aber trank sie. Hatte sie die Aufforderung Alaryahs verstanden oder nur eine bekannte Bewegung wiederholt? Es war schwer zu sagen. Jaro nickte der Waldalbin zu und lächelte. Endlich hatte die merkwürdige Frau ein Lebenszeichen gezeigt.
    Es war seltsam, mit ihr unterwegs zu sein. Sie schien ihre Umgebung nicht wahrzunehmen und ging einfach mit etwas unbeholfenen Schritten mit ihnen mit, machte weder den Eindruck eine Pause zu benötigen, noch kräftig genug für weitere Wegstunden zu sein. Sie schien weder Hunger noch Durst zu haben, noch auf die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht zu reagieren. Jaro fragte sich, ob sie schlief. Er hatte versucht sie zu beobachten, doch stets waren seine Augen zuerst zugefallen.


    Er war dankbar für die Rast. Er trank einen Schluck Wasser und füllte die Flasche in einem der vielen kleinen Flussläufe, die diesen Wald durchzogen, wieder auf. Dann aß er etwas von den Pittas, die er noch immer bei sich trug und dazu ein wenig von den Beeren, die Alaryah gefunden hatte.
    Jaro verspürte die übliche Nervosität, die ihm immer den Rücken hochkroch, wenn ein Treffen mit einem Fremden anstand. Bald würden sie einen Hauptmann aufsuchen, von dem Alaryah hoffte, dass er die rätselhafte Karte besser deuten konnte. Würde dieser Hauptmann ebenso freundlich und aufgeschlossen zu ihm sein wie Alaryah? Jaro ermahnte sich zur Ruhe. <Du machst dich immer umsonst verrückt! Wie viele dieser Treffen hast du bereits gefürchtet und wie viele waren wirklich schlimm?> Er atmete tief durch und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Stattdessen holte er die Geldbörse hervor, die er dem bärtigen Anführer gestohlen hatte und beschloss deren Inhalt einmal genauer zu studieren. Jaro hatte sich den Kopf zermartert, ob er irgendetwas übersah, ob die Männer in den spärlichen Gesprächen, die er belauscht hatte, zufällig den ein oder anderen Anhaltspunkt preisgegeben hatten, doch er bekam nichts zu fassen.
    Er fand eine Handvoll Kupferlinge und fünf Handelstaler in der Geldbörse… und einen kleinen Zettel. Es war eine Adresse. Namen und Straße konnte er kaum entziffern, doch der Ort… das war ein ‚A‘ und dann ein ‚t‘, nein, es war ein ‚l‘… Alessa, es hieß Alessa. Plötzlich erinnerte sich Jaro an etwas, das der Kahlkopf gesagt hatte:
    „Erst schickt man uns den ganzen Weg bis nach Alessa und dann die halbe Strecke wieder zurück. Hätte er uns nicht etwas entgegen kommen können? Dann hätte ich jetzt vielleicht nicht schon genug von der Lauferei.“

    Er sah zu Alaryah hinüber. „Die Männer waren in einem Ort namens Alessa, bevor sie sich hier her begeben haben. Ich habe mich erinnert, dass der eine darüber gesprochen hat.“ Jaro kannte diesen Ort nicht, aber vielleicht tat es die Waldalbin und auch wenn nicht, jedes Bisschen Information konnte am Ende hilfreich sein.
    „Und – Alaryah – ich wollte noch sagen: danke“, schüchtern sah Jaro zu Boden, „dass du mich gerettet hast, meine ich.“

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • "Alessa...", murlmelte Alaryah und kramte in den Tiefen ihrer Erinnerungen. <Bin ich schon mal dort gewesen?>. Sie war sich nicht so wirklich sicher. Dann schaute sie wieder auf und drehte den Kopf in Jaros Richtung. Der eine Mundwinkel wanderte nach oben. "Schon gut, Jaro.", entgegnete die Albin sanft, kam zu Jaro herüber, legte ihm die Hand auf die Schulter und nickte. "Nun komm.".


    Die kleine Gruppe trottete über den weichen Waldboden und kam gut voran. Ob Alaryah absichtlich den Wegen teilweise auswich oder ihre Route tatsächlich hier und da durchs Unterholz führte konnte Jaro nicht mit Sicherheit sagen. Ihre Begleiterin machte sich diese Gedanken wahrscheinlich nicht, sondern schritt erstaunlich sicher über den unebenen Untergrund.
    "Schattenwind!", ertönte plötzlich eine Stimme hinter dem Trio. Alaryah blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. Der Blick der Waldalbin zuckte nicht wirklich merkbar umher, was Jaro tat vermochte sie nicht zu sagen. Sie lauschte. Sekunden vergingen und schließlich wich die Spannung aus Alaryahs Körper. Langsam drehte sie sich um. "Ich grüße Euch, Hauptmann.". Ohne ein Geräusch zu verursachen drehte sich eine Person hinter einem Baum am Wegesrand hervor. Ein Waldalb in elegant verarbeiteter Lederrüstung trat auf den Weg. Seine langen, hellen Haare waren ordentlich zu einem Zopf zusammengebunden, hier und da lugten Efeuranken hervor. Über den verzierten Schulterpanzern floss ein moosgrüner Umhang bis zu den Knien des Mannes hinunter, ein eleganter Bogen mit Köcher, sowie ein schlankes Schwert zählten zu seiner Ausrüstung. "Wer sind Eure Begleiter, Schattenwind?", verlangte der Hauptmann zu wissen und sein doch recht kühler Blick sprang zwischen Alaryahs begleitern hin und her.
    Alaryah legte ihre rechte Hand an die Hüfte. "Zunächst einmal...", begann die kleine Albin und schaute nach rechts, dann wieder zu dem Hauptmann. "Von ihnen geht keine Bedrohung aus. Ihr könnt die Bögen wieder wegstecken.". Der Hauptmann machte eine kaum merkbare Handbewegung, etwas schien zu rascheln und kurz darauf fuhr Alaryah fort. "Das ist Jaro.", stellte sie ihn vor. "Eindringlinge setzten ihm zu, als ich ihn fand. Sie hatten eine Gefangene dabei, von der wir noch nicht wissen was genau mit ihr los ist.". Alaryah verwies auf die abstinent dastehende Frau. "Jaro, du sagtest du hättest gehört, wie sie über einen Ort redeten? Alessa?". Fragend schaute Alaryah zu Jaro hinüber. "Was haben wir noch für Hinweise?". Langsam schritt sie zu Jaro und gab ihm einen sanften Stubs in Richtung Hauptmann. "Keine Angst.", flüsterte sie ihm zu.

  • Irgendwann hatte Jaro die Orientierung verloren. Das dichte Blätterwerk verwehrte ihm den Blick auf den Himmel und der Wald schien kein Ende zu haben, im Gegenteil, immer undurchdringlicher und bewachsener zu werden. Des Öfteren hielt Jaro Ausschau nach anderen Waldbewohnern, doch er vermochte nichts zu erspähen, obwohl ihm gelegentliche Geräusche im Unterholz verrieten, dass sie nicht alleine waren. Zu der Aufregung ob des bevorstehenden Treffens gesellte sich bald eine leichte Unruhe. Jaro war es nicht gewohnt, sich nicht auf seine Augen verlassen zu können und fühlte sich mit seinen hellen Kleidern entblößt und angreifbar. So zuckte er deutlich zusammen, als plötzlich eine Stimme Alaryahs Namen rief. Sie blieben stehen und Jaro wagte nicht sich umzudrehen. Wieso zögerte Alaryah? Waren sie in Gefahr? Dann war der spannungsgeladene Moment vorbei und Jaro traute sich weiter zu atmen. Er wandte sich um und erblickte einen stattlichen Mann, der Eleganz und Stärke ausstrahlte.
    Und er war offensichtlich nicht alleine. Doch so sehr Jaro auch dieses Mal seinen Blick bemühte, er sah nichts als Sträucher und Bäume. Zum ersten Mal wurde ihm seine Torheit bewusst, die Gruppe Eindringlinge alleine angegriffen zu haben. Dieser Wald war alles andere als unbewaffnet. Wie hatte er nur glauben können, dass die Männer unbehelligt zu ihrem Ziel gekommen wären? Früher oder später hätten die Waldalben die Männer entdeckt und überwältigt und er hätte sich seinen kläglichen Angriff sparen können. Wäre Alaryah nicht zufällig vorbei gekommen…
    Die Waldalbin riss ihn aus seinen Gedanken und ermutigte ihm, dem Hauptmann zu sagen, was er wusste. Der Krieger betrachtete Jaro, doch sein Blick war unergründlich. Jaro konnte unmöglich sagen, ob er ihm misstraute oder nicht.
    „Sie müssen unmittelbar vor ihrer Reise hierher in dieser Stadt Alessa gewesen sein. Ich weiß nicht, ob uns das weiterhilft, ich kenne diese Stadt nicht.“ Der Hauptmann hörte Jaro aufmerksam zu.
    „Und wir haben eine Karte bei ihnen gefunden.“ Er reichte dem Waldalb das Papier.
    „Alessa ist eine Stadt der Handelsallianz“, sagte der Hauptmann mit seiner melodischen Stimme. „Das kann alles bedeuten… und nichts. Unmittelbar zuvor sagt Ihr?“
    „Genau. Es klang, als gehörte es zum Auftrag.“
    „Sie hatten also auf jeden Fall einen Auftrag? Es kommt nicht selten vor, dass sich Räuberbanden auch nur des schnellen Profits wegen hierher begeben.“ Ein Ausdruck der Missbilligung trat auf die schönen Gesichtszüge des Mannes.
    „Alessa ist Sitz des Lehrinstituts für Geisteskünste“, fuhr er fort. Mittlerweile hatte er die Karte entfaltet und ließ den Blick darüber streifen, während er sprach. „Ich kann unmöglich mit Gewissheit sagen, ob das zusammenhängt, aber lasst uns hoffen, dass es das nicht tut.“ Er sog zischend Luft ein und drehte die Karte so in den Händen, dass Alaryah und Jaro sie ebenfalls sehen konnten. „Eine solche Karte sollte niemand besitzen, der nicht zu unserem Volk gehört.“ Er blickte Alaryah an. „Ich hoffe sehr, sie ist gestohlen. Wenn nicht, weiß ich nicht, wie sie in die Hände dieser Gauner gekommen ist und ich weiß auch gar nicht, ob ich das wissen will.“
    Er zeigte mit dem Finger auf eine Stelle, die sich nur durch ihre symmetrische Struktur von den umliegenden Bereichen abgrenzte. „Das ist der Ort Silberdorn und hier sieht man verschiedenste geheime Wege, die mit dem bloßen Auge nicht zu finden sind, es sei denn, man kennt sie bereits. Alle Karten diesen Typs zeigen nur kleine Ausschnitte, sodass nicht jeder sie benutzen kann. Fremde können sich damit normalerweise nicht orientieren.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber diese Anmerkungen… jemand hat ihnen erklärt, wie man die Karte benutzt. Hier steht – puh, das ist kaum zu lesen – ‚zwei Tagesmärsche, durch Dornen‘. Es sind definitiv Erläuterungen.“ Er dreht die Karte ein Stück und hob sie näher an die Augen heran, dann nickte er und kräuselte die Lippen. „Ja; dieser Ausschnitt zeigt den Weg zu einem heiligen Hain Ardemias. Wenn das ihr Ziel war, sollten wir uns fragen, wer sie geschickt hat und nicht wer sie waren. Ihr Tod wäre dann nämlich bereits beschlossene Sache.“
    Jaro sah zu Alaryah, die ernst nickte. „Niemand kann diesen Ort ohne Erlaubnis betreten“, erklärte sie. „Eindringlinge würden sofort niedergestreckt werden.“

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • Die Dinge entwickelten sich anders, als Alaryah es sich gewünscht hatte.
    "Nun, Hauptmann, was sollen wir tun? Wir haben außerdem noch diese Frau hier bei uns, vielleicht kann sie weitere Auskünfte geben? Schließlich war sie anscheinend eine lange Zeit bei den Eindringlingen.". Der Hauptmann nickte knapp. "Wir sollten sie erst einmal zu unserem nächsten Stützpunkt bringen.", beschloss er. "Das wird wohl das beste sein, denke ich.", stimmte Alaryah zu. "Jaro wird mit uns kommen, er soll mein Gast sein.". Der Hauptmann hielt inne, wollte anscheinend etwas dazu sagen, aber tat es nicht. Dann nickte er schließlich kaum merkbar und ging voran. "Es sei denn, du möchtest lieber unter freiem Himmel übernachten, Jaro?". Zwar hatte sie etwas über Jaros Kopf hinweg entschieden, jedoch schien Alaryah dies wirklich nur als ein nettes Angebot zu meinen.


    Die Strecke zu dem Stützpunkt war recht schnell zurückgelegt. Wieder ging es über versteckte Wege, einmal passierte die kleine Gruppe eine schlanke, fein ausgearbeitete Holzbrücke, welche sich über einen plätschernden Bach spannte. Schließlich erreichten sie ihr Ziel.
    Der Stützpunkt bot Platz und Unterkunft für eine Besatzung von ungefähr dreißig Mann, jedoch war er nicht voll besetzt. In den umliegenden Baumkronen trohnten Baumhäuser auf massiven Holzbalken, allesamt mit Brücken und Seilen verbunden. Leichter Wind und das durch das Blattwerk fallende Sonnenlicht sorgten dafür, dass diese Konstruktionen teilweise im Blattwerk zu verschwinden schienen. Anstatt breiten Mauern war eine Palisade um das Lager gezogen worden, hier und dort mit Treppenaufgängen, Plattformen und kleinen Toren.
    Der Hauptmann führte die Gruppe zu einem Baum an dem eine Art Aufzug heruntergelassen wurde, sodass sie die oberen Ebenen erreichen konnten. Dort angekommen bekam jeder ein Quartier zugewiesen. Natürlich wurde darauf geachtet, dass die tätowierte Frau unter Beobachtung blieb, daher gesellten sich bald zwei Wächter dazu. "Reine Vorsichtsmaßnahme.", erklärte der Hauptmann und Alaryah nickte verständnisvoll. So wirklich geheuer war ihr die Frau mittlerweile auch nicht mehr...




    Der Tag neigte sich dem Ende zu und nach und nach wurden kleine Laternen entzündet. Alaryah mochte diese abendliche Atmosphäre sehr und so verließ sie bald ihr Quartier. Sie lehnte sich an die Brüstung und ihr Blick wanderte gelassen umher, das ein oder andere Glühwürmchen verfolgend. Viel Zeit war vergangen, seitdem sie das letzte Mal diesen Stützpunkt besucht hatte, viel verändert hatte sich hingegen nicht. Schließlich wandte sie sich ab und schlenderte zu Jaros Quartier hinüber.
    "Hey, Jaro.", begrüßte sie ihren Reisegefähten. "Wie fühlst du dich hier im Waldreich, ist alles in Ordnung? Wie war das Abendessen? ". Ein kurzer Blick wanderte durch den Raum. "Meinst du, du wirst hier gut übernachten können? Falls du etwas brauchst oder dergleichen, frag oder ruf mich einfach.". Es kam nicht oft vor, dass Außenstehende hier zu Gast waren, daher fragte Alaryah lieber genauer nach. Sie streckte sich ausgiebig und setzte sich auf den Boden. "Morgen werden wir das weitere Vorgehen planen. Ich denke es ist erst einmal wichtig, dass wir zu der Frau durchdringen. Ich hoffe nur, dass sie keine Gefahr darstellt.". In Alaryahs Gedanken flogen noch einmal die Puzzleteile umher. "Alessa...Geisteskünste...und dann diese Karte.", murmelte Alaryah vor sich hin. Der Hauptmann hatte die Karte zur sicheren Verwahrung einbehalten, wollte andere Alben von hohem Rang danach fragen um bis zum nächsten Morgen mehr herauszukriegen. Wahrscheinlich, so schätzte Alaryah, wurden nun auch die Wachtposten aufgestockt...vor allem auf den Waldwegen zu den heiligen Stätten.
    Plötzlich hob Alaryah den Kopf und schaute Jaro besorgt an. "Was, wenn wir die Gefahr gerade mit hier hingebracht haben?", flüsterte die Albin schon fast.


    Die sich langsam während der Gespräche entfaltende Gemütlichkeit wurde plötzlich von einem lauten, spitzen Schrei unterbrochen. Alaryah sah Jaro mehrere Sekunden lang an, sprang dann auf und huschte hinaus.
    "Was ist passiert?!", fragte die Albin den Wächter vor dem Quartier der tätowierten Frau, welches nicht einmal einen Steinwurf entfernt war. Noch bevor der Alb antworten konnte hatte Alaryah jedoch schon die besagte Frau erspäht, die scheinbar leicht panisch vor dem zweiten Wächter davonrannte. Alaryahs Augen verengten sich. "Das lassen wir mal schön bleiben.", hauchte sie und nahm die Verfolgung auf. Wie eine Katze sprang Alaryah umher und holte langsam aber sicher zu der Flüchtigen auf. "Schneid' ihr von dort aus den Weg ab!", rief Alaryah in die Richtung, in der sie Jaro vermutete und gab ein Handzeichen. "Sie darf uns nicht entkommen.". Ihr Blick wurde finster. Jagen.

  • Jaro legte sein Gepäck neben das weiche Flechtwerk, das heute Nacht sein Bett sein würde. Sein Quartier befand sich gut 20 Meter über der Erde, ein hölzerner Raum, der trotz seiner wenigen Fenster vom goldenen Licht des scheidenden Tages durchflutet wurde. Eine Schiebetür trennte den Raum von dem Holzsteg, der ihn mit dem schwebenden Häusernetz verband. Zunächst hatte Jaro sich gefragt, wie weit sie zu dem Stützpunkt wohl gehen mussten, denn der Wald war überall stark bewachsen und unberührt gewesen. Nichts hatte auf albische Spuren hingedeutet, geschweige denn, einen ganzen Stützpunkt. Selbst als sie eine hölzerne Brücke erreicht hatten, hatte sich das Erscheinungsbild des Waldes nicht geändert und so hatte Jaro nicht schlecht gestaunt, als die Gruppe auf einmal vor dem Stützpunkt stand, der sich derart zwischen die Bäume schmiegte, als gehöre er selbst zur Natur. Glücklicherweise waren nicht allzu viele Waldalben vor Ort, sodass Jaro sich trotz seines fremdartigen Aussehens nicht zu sehr beobachtet fühlte. Die normale Nervosität unter Leuten… wenn auch eher unbegründet, denn er hatte ohnehin das Gefühl, dass der tätowierten Frau ein weitaus größeres Interesse galt, als ihm.
    Er konnte es nicht verdenken. Sie ging noch immer stumm mit der Gruppe mit, fast wie ferngesteuert und ohne ihre Umgebung wirklich wahrzunehmen. Sie war nicht weit entfernt untergebracht und vor ihrer Tür waren Wachen postiert. Fast hatte Jaro damit gerechnet, dass auch bei ihm jemand abgestellt würde. Ihm war die Skepsis des Hauptmanns nicht entgangen. Und doch konnte er ihn verstehen. Oft genug hatte seine Mutter ihm geraten, auf seine Körpersprache und seine Mimik zu achten, um keine so abweisende Wirkung zu erzeugen. Besonders gut war er darin nie geworden und da war es ja nur logisch, dass ihm auch andere mit einem gewissen Misstrauen begegneten, vor allem wenn es darum ging, ihn durch behütete Gegenden der eigenen Heimat zu führen. Jaro war froh, dass Alaryah da war, die ihn von Anfang an sehr warmherzig aufgenommen und ihm nun auch einen bequemen Schlafplatz für die Nacht ermöglicht hatte. Er musste zugeben, dass er sich auf das weiche Bett freute, nachdem er so lange in der Wildnis geschlafen hatte, auch wenn er sich gleichzeitig etwas unwohl fühlte, die Gastfreundschaft der Waldalben zu strapazieren.
    Ein freundlicher Alb brachte ihm zu Essen und zu Trinken und Jaros knurrender Magen dankte ihm lautstark. Nach dem Essen schob er die Tür einen Spalt auf und blickte sich um. Unten im Stützpunkt herrschte reges Treiben. Einige Waldalben arbeiteten an der Befestigung, andere kamen gerade von Streifzügen zurück oder brachen zu solchen auf. Jaro erspähte den Hauptmann, der gerade mit einer jungen Albin sprach, die soeben erst den Stützpunkt betreten hatte. Als spürte er seinen Blick, sah er nach oben, Jaro direkt in die erschrockenen Augen. Sie musterten sich einen Moment, Jaro unschlüssig, ob er wegsehen sollte, und schließlich nickte der Mann leicht mit dem Kopf – es war eine freundliche Geste.




    Später kam Alaryah bei Jaro vorbei.
    „Danke, es ist wunderbar hier“, versicherte er ihr und klopfte etwas unbeholfen mit der Hand auf das Bett, um glaubwürdiger zu wirken. „Die Höhe macht mir nichts aus, ich schlafe oft auf Bäumen. Ich hoffe nur, ich bin keine Last?“
    Sie kamen schließlich auf die Frau zu sprechen und als Alaryah ihre Bedenken äußerte, beschlich auch Jaro ein merkwürdiges Gefühl. Vor der Reise waren die Halunken auf einen Befehl hin in Alessa gewesen und die Worte des Kahlkopfes ließen keinen Zweifel daran, dass dieser Besuch mit der Exkursion ins Waldalbenreich zusammenhing. Es konnte also gut und gerne sein, dass diese Stadt auch etwas mit der geheimnisvollen Frau zu tun hatte und Alaryah hatte Recht: konnte es ein Zufall sein, dass Alessa eine Hochburg des Geisteskünste war und diese Frau ein derart merkwürdiges Verhalten zeigte? Ja, die Männer hatten sie behandelt, wie eine Gefangene, doch was, wenn das nur zum eigenen Schutz geschehen war? Sollte Alaryahs Befürchtung gar zutreffen, hatten sie dem Feind erst ermöglicht, in innere Kreise des Landes zu gelangen?
    „Aber wir waren so lange mit ihr alleine. Hätte sie diese Chance nicht ergreifen können, uns zu überwältigen oder zu benutzen?“, sagte Jaro, auch wenn er nicht wusste, ob er sich damit nicht eher selbst beruhigen wollte. „Wahrscheinlich hat ihr wirklich nur jemand etwas Schreckliches angetan.“ Jemand, der über ausreichend Informationen und Einfluss verfügte, an eine scheinbar streng geheime Karte und deren Bedeutung heran zu kommen? Sie konnten es nicht lösen und mussten sich darauf verlassen, dass der Hauptmann Genaueres in Erfahrung bringen konnte. Immerhin wussten die Waldalben nun über die Eindringlinge Bescheid und konnten Maßnahmen ergreifen. <Wenn hier alle solche Fähigkeiten besitzen wie Alaryah und der Hauptmann, braucht man sich eigentlich keine Sorgen um die Sicherheit des Reiches machen>, dachte Jaro und ihr Gespräch entwickelte sich in eine andere Richtung.
    Alaryah erzählte von Orten, die noch viel größer und faszinierender waren, als dieser Stützpunkt, mit ganzen Städten hoch oben in den Bäumen. Jaro hoffte, einmal einen solchen zu Gesicht zu bekommen und begann der Waldalbin dann von Avinar und seiner Heimat zu erzählen. Es war ein angenehmes Gespräch und Jaro zweifelte, schon jemals so viel mit jemandem gesprochen zu haben. Er lehnte sich an die Wand und wollte gerade von dem köstlichen Kräutertee trinken, der ihm in einer Karaffe mit dem Essen gebracht worden war, als ein markdurchdringender Schrei die Luft zerschnitt.


    Jaro wusste nicht, ob es Furcht war, die ihn antrieb, oder einfach Instinkt, aber auch er eilte hinter der Flüchtigen her. Die tätowierte Frau war schnell und behände und als er schon meinte sie in der Falle zu wissen, traute Jaro seinen Augen kaum. In Windeseile kletterte sie einen der Bäume hinab, bestieg die Palisadenbefestigung und verschwand auf der anderen Seite im Dunkeln. Alaryah hatte fast zeitgleich eines der starken Seile ergriffen und schwang sich elegant nach unten, um der Frau hinterherzujagen. Jaro war auf einer parallel gelegenen Brücke entlang gerannt und hatte Glück, dass sich in seiner unmittelbaren Nähe ein Aufzug befand, der ihn nach unten brachte. Zwar konnte er klettern, doch niemals schnell genug. Wie hatte die Frau das gemacht? So schnell er konnte, hetzte er hinaus in den dunklen Wald. Er hatte die Frau und Alaryah bald aus dem Blick verloren, doch er konnte dank seiner guten Augen die Spuren im Unterholz erkennen. Zwei Mal wäre er auf dem unebenen und bewachsenen Untergrund beinahe gestürzt, doch dann öffneten sich die Bäume zu einer kleinen Lichtung auf der die beiden Frauen standen. Jaro verlangsamte sein Tempo und ging vorsichtig auf die beiden zu, aus Angst, die Tätowierte erneut aufzuscheuchen. Alaryah hatte beide Hände auf die Schultern der Frau gelegt, um sie festzuhalten oder zu beruhigen und diese hatte Alaryahs Oberarme gepackt und blickte nicht wie sonst nach unten, sondern mit weit aufgerissenen Augen in ihr Gesicht. „Wo bin ich?“, sagte sie laut und Jaro hatte das Gefühl, dass sie diese Frage schon öfter gestellt hatte. „Warum werde ich bewacht?“ Sie reihte ihre Fragen so schnell aneinander, dass kaum Zeit für eine Antwort blieb. Jaro trat auf einen kleinen Ast und das Knacken ließ den Kopf der Frau zu ihm herum schnellen. Sie sah ihn an und ihre grauen Augen verengten sich. „Was tust du hier?“, knurrte sie und löste ihre Hände von Alaryahs Armen, die sie weiterhin festhielt. Jaro stand da wie versteinert, unfähig ihr zu antworten. „Verschwinde!“, schrie sie plötzlich und hielt sich den Kopf, begann sich in Alaryahs starkem Griff zu winden. „Ich weiß nicht, was sie meint!“, sagte Jaro ängstlich zu Alaryah gewandt.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • Es freute Alaryah sichtlich, dass Jaro sich gut fühlte. "Keine Sorge, auch wenn die anderen hier etwas reservierter sind...naja, Gäste sind nicht so oft hier.".
    Jaro versuchte etwas gegen ihre Bedenken zu sagen. Alaryah nickte. "Du magst Recht haben. Allerdings...was, wenn wir gar nicht ihr Ziel sind? Was, wenn sie auf ein bestimmtes Ziel fixiert ist, welches sie nun weiterhin erreichen kann?". Nach und nach wurde jedoch klar, dass die beiden zumindest an diesem Abend nicht näher an des Rätsels Lösung kommen würden. Also ging das Gespräch nach und nach in eine andere Richtung. Alaryah hörte Jaros Ausführungen genau zu, versuchte sich alles genau vorzustellen. Solche Geschichten und Erzählungen konnten wirklich entspannend sein...doch dann dieser Schrei...


    Alaryahs Blickfeld ähnelte einem Tunnel. Sie verfluchte sich innerlich, dass es der Frau gelungen war so weit vom Stützpunkt wegzukommen. Wo Jaro wohl stecken mochte? Keine Zeit darüber nachzudenken. Sie war das Ziel. Sie durfte nicht entkommen. Alaryah war sich sicher, dass sie die Frau finden würde, egal, wie lange es dauern könnte. Aus dem Wald würde sie nicht entkommen, dafür kannte sich Alaryah zu gut aus, konnte den Fluchtweg schon fast vor sich sehen. Ihr Herz pochte, das Hämmern drang ihr bis in den Kopf. Wie ein Schatten huschte Alaryah durch den Wald, bis sie schließlich am Rande einer kleinen Lichtung ankam. Eigentlich hätte die Frau direkt hier irgendwo sein müssen? Alaryah kniete sich ab, ihre Sinne wurden schärfer. "Hab ich dich.", hauchte sie und ihr Blick schoss in die Richtung, in der sie eine Gestalt ausmachen konnte. Sie stand fast mittig auf der Lichtung. Alaryah schlängelte sich zwischen den Bäumen umher, schlich lautlos auf die Frau zu. Es war nicht mehr weit. Schon gleich würde sie...
    Die Frau wirbelte urplötzlich herum, es kam zu einem kurzen Handgemenge. "Ganz. Ruhig.", zischte Alaryah, gewann langsam die Oberhand und bekam die Frau an den Schultern zu packen. "Beruhige dich!". Die Frau griff nach Alaryahs Oberarmen, ihre Augen waren weit aufgerissen. "Wo bin ich?", verlangte sie zu wissen. "Warum werde ich bewacht?!", fragte sie weiter, ohne Alaryah auch nur die Chance einer Antwort zu geben. Nach und nach schossen die Fragen aus der Frau heraus, Alaryah kam kaum hinterher. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie die Frau nicht lieber bewusstlos schlagen sollte, nahm von dieser Idee jedoch recht schnell Abstand. <Erst, wenn es wirklich sein muss.>, beschloss sie für sich. "Es gibt keinen Grund zur Furcht, wir können das alles erklären. Du kannst einfa...".
    Etwas knackte. Jaro kam dazu. Sowohl Alaryah, als auch die Frau fixierten nun den Neuankömmling. "Was tust du hier?", knurrte die Frau und löste den Griff von Alaryah. "Verschwinde!", schrie sie und hielt sich den Kopf, wollte den Griff lösen. Alaryah packte fester zu während Jaro etwas sagte. "Ich habe gesagt du sollst dich beruhigen!". Alaryah fixierte nun die Arme der Frau, nahm sie in eine Art Schwitzkasten. Dann zog sie einen ihrer Langdolche. "Du!", fauchte Alaryah in Jaros Richtung. "Woher kennt ihr euch?!". Verzweifelt versuchte sich die Frau aus Alaryahs Griff zu befreien. Keine Chance. "Versuch nicht abzuhauen, das wird dir nicht gelingen, du wirst nicht weit kommen.". Es war unklar, ob Alaryah dies zu Jaro oder der Frau sagte. "Jaro! Was ist hier los?!". Alaryahs Blick war wie versteinert. "Komm sofort her und erklär das!". "Lasst mich gehen!", protestierte die Frau, riss sich schließlich los und versuchte erneut zu fliehen. Alaryah fluchte und ließ den Dolch fallen, spurtete los und machte einen Hechtsprung. Tatsächlich gelang es ihr die Frau am Bein zu fassen zu kriegen, sodass diese stürzte. Direkt auf einen Baumstamm. "Ouf!" war das letzte, was man von ihr hörte, bevor sie in die Bewusstlosigkeit hinüberglitt. Alaryah rappelte sich auf, ihre Lippe war aufgeplatzt und langsam beruhigte sie ihren Atem. Wieder flog ihr Blick zu Jaro. "Ich warte. Warum hat sie Angst vor dir?!". Wie ein Raubtier zog Alaryah nun ihre Kreise um Jaro, den zweiten Langdolch gezogen. Was war nur los? Hatte sie einen Fehler gemacht? Doch warum hatte Jaro die Karte ausgehändigt wenn er irgendwie von all dem wusste? Fehlinformationen? Wem konnte man hier eigentlich trauen? "Ich verlange Antworten!". Jaro schien...verängstigt? "Du sagst besser, was du weisst.". Wusste er überhaupt etwas? Ohne Jaro und die Frau aus den Augen zu lassen sammelte Alaryah ihren fallengelassenen Dolch ein. "Setzen wir uns doch, reden wir.", sagte Alaryah schließlich, setzte sich auf den Baumstamm neben dem die bewusstlose Frau lag und tippte mit dem Dolch auf die Wiese vor sich. Anschließend steckte sie auch diese Waffe weg. "Es liegt jetzt an dir. Ich will die Wahrheit hören.". Wahrscheinlich waren der Hauptmann und ein paar seiner Leute nicht mehr weit...

  • Jaro verstand nicht recht, was hier geschah. In einem Moment noch erschrocken von den Worten der mysteriösen Frau, war er im nächsten regelrecht geschockt von Alaryahs Reaktion. Er merkte, wie seine Knie zittrig wurden und suchte verzweifelt nach Worten. <Du musst etwas sagen! Sag ihr einfach irgendetwas, um zu beweisen, dass du keine Ahnung hast, wovon sie spricht!> Doch trotz dem Drängen seiner Vernunft, brachte er nicht mehr als undefinierbares Gestammel hervor, während die Waldalbin noch immer mit der Frau rang, offensichtlich höchst alarmiert. Konnte sie wirklich glauben, dass er etwas im Schilde führte, etwas vor ihr verbarg? Jaro wusste es nicht und ihm wurde klar, dass sie sich eigentlich gar nicht gut kannten, auch wenn es sich durch das angenehme Beisammensein so angefühlt hatte. Die Frau wand sich und versuchte verzweifelt, fast panisch zu fliehen. Die Furcht schien ihr besondere Kraft zu verleihen, denn schließlich riss sie sich los. Sie kam nicht weit und Alaryah wandte ihre gesamte Aufmerksamkeit Jaro zu. Er sah sie an, noch immer nicht in der Lage zu sprechen und ließ die Schultern hängen. Er fürchtete sich. Er hatte gesehen, was Alaryah mit den Kerlen angestellt hatte und bald würde sicherlich Verstärkung nachrücken, da ihre Hetzjagd aus dem Stützpunkt alles andere als unauffällig gewesen war. Er musste sich erklären! Erstaunt bemerkte Jaro, dass er sich weniger davor fürchtete, was sie wohl mit ihm anstellen würden, wenn sie ihn für schuldig befanden, als davor, was Alaryah von ihm dachte und wie sie wohl dastehen würde, nachdem sie alle davon überzeugt hatte, er sei in Ordnung. Die Waldalbin schien seine Furcht zu bemerken, denn sie packte ihre Dolche ein und bat Jaro nochmals viel ruhiger, mit ihr zu sprechen. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen.
    „Du musst mir glauben, Alaryah! Ich habe diese Frau noch nie zuvor gesehen.“ Er biss sich auf die Unterlippe. „Ich war zuvor in Almanien! In der Souvagne, ich kann es dir beweisen“, fügte er hektisch an. Doch wie sollte er es beweisen? Sie würden wohl kaum Boten dorthin senden können.
    „Wieso fürchtet sie sich dann vor dir? Sie hat dich erkannt!“, sagte Alaryah und Jaro meinte Bedauern in ihrem Blick zu erkennen.
    „Ich weiß es nicht“, sagte Jaro kleinlaut, „ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht hat sie mich einmal gesehen, als ich der Gruppe gefolgt bin.“ Doch das erklärte nicht, warum sie ihn so fürchtete und sowohl Jaro als auch Alaryah wussten das. Wieso konnte er sich nicht besser verteidigen? Alaryah bot ihm reichlich Gelegenheit dazu und er versaute es. Die Waldalbin schien ebenfalls mit sich zu ringen. <Einen anderen hätte sie wahrscheinlich schon in Gewahrsam genommen>, dachte Jaro. „Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß“, setzte er noch einmal an, als Alaryahs Blick zur Seite flackerte.
    „Was ist hier los?“, ertönte da schon die Stimme des Hauptmannes, dessen Umrisse fast mit dem dunklen Dickicht verschmolzen. Sein Blick glitt über die bewusstlose Frau am Boden zu Jaro und schließlich zu Alaryah. Seine rechte Hand vollführte eine Bewegung nach unten und Jaro vermutete, dass eine Menge Pfeile um die Lichtung herum nun nicht mehr auf ihn zielten. „Wie konnte sie meinen Männern entwischen? Schattenwind?“
    „Das weiß ich nicht“, sagte Alaryah mit fester Stimme und stand auf. „Es gibt Einiges, was ich nicht weiß.“ Sie blickte zu Jaro – traurig.
    „Ich weiß dafür jetzt umso mehr. Ich konnte vorhin schon mit Thalumir Eddor sprechen, denn der heilige Ort auf der Karte liegt in seinem Bereich und ich habe wichtige Informationen von ihm erfahren. Der Hüter der Karte ist vor einigen Wochen abgereist und zwar völlig überstürzt.“ Der Hauptmann hielt kurz inne, sah Alaryah eindringlich an und dann zu Jaro. „Was verschweigt ihr mir?“
    Alaryah seufzte und setzte zu einer Antwort an, doch Jaro kam ihr zuvor. „Die Frau“, Jaro zeigte auf den Boden, „war irgendwie bei Bewusstsein. Sie hat gesprochen und als sie mich erblickte, schien sie mich zu erkennen, doch das kann nicht sein!“ Er sprach schneller. „Sie muss mich verwechseln, mit jemandem, den sie fürchtet und Alaryah-„, er sah sie an, „Alaryah wollte der Sache auf den Grund gehen und prüfen, ob sie mir trauen kann“, fügte er schließlich an.
    Der Hauptmann nickte. „Vorbildlich, Schattenwind, vorbildlich“, sagte er. „Auch wenn es vielleicht schon hätte zu spät sein können. Dein Ruf, manchmal zu naiv und hilfsbereit zu sein, eilt dir ja voraus.“ Er zwinkerte, wurde aber direkt wieder ernst. „Wie dem auch sei, ich glaube, ich habe genug Informationen, um unseren Freund hier zu entlasten, weshalb er auch ruhig mit anhören kann, was ich zu sagen habe.“
    Alaryah nickte und brachte sogar ein Lächeln zustande, was Jaro dankbar bemerkte.
    „Der Hüter der Karte ist jedenfalls abgereist und als Thalumir feststellte, dass er die Karte mitgenommen hat, hat er ihm sofort einen Stoßtrupp hinterher geschickt. Die Männer und Frauen sind erst kürzlich zurück, denn ein zusätzliches Gepäckstück hat ihre Reise erschwert.“
    „Der Hüter ist tot“, vollendete Alaryah den Gedanken und der Hauptmann nickte.
    „Sie fanden ihn aus den Ohren blutend im Umland von Alessa; ohne die Karte.“ Er begann auf und ab zu gehen.
    „Natürlich wurde er von Schamanen untersucht und alles deutet auf einen starken geistigen Eingriff hin, auf gewaltsame Entnahme von Informationen. Wahrscheinlich ist er nur deshalb überhaupt so abrupt abgereist, wir wissen es nicht genau. Er könnte durchaus im Schlaf heimgesucht worden sein.
    Thalumir hat sich jedenfalls bis ins kleinste Detail von seinem Stoßtrupp berichten lassen und es passt alles zusammen.“
    Er blieb stehen und blickte erst Alaryah, dann Jaro an. „Sie berichteten, der Dieb sei ein lichtalbischer Magier, ein Mann so weiß wie Schnee und mit strahlend blauen Augen – wie du mein Freund“, sagte er an Jaro gewandt.
    „Ich bin kein Magier“, stieß Jaro hervor und bereute es als gleich. „Natürlich nicht“, lachte nämlich der Hauptmann, „wie könntest du auch er sein, wo der Stoßtrupp ihn doch vor einigen Tagen erst in Alessa gesehen hat? Du solltest lernen, dich nicht so verdächtig aufzuführen, wenn du gar nichts zu verbergen hast.“
    „Das erklärt trotzdem noch nicht, warum sich diese Frau hier vor Jaro fürchtet“, sagte Alaryah.
    „Er hat sie abgerichtet. Wenn die Entdeckungen der Rückkehrer stimmen, war sie sein Spielzeug und seine Sklavin. Die einfachen Leute auf den Straßen Alessas kannten sie und berichteten, dass sie sich vor allem und jedem fürchtet, das sie auch nur entfernt an ihren Meister erinnert.“
    „Und was will er? Wieso ist diese Frau jetzt hier?“, fragte Alaryah.
    „Das wissen wir leider nicht. Thalumirs Leute mussten ihre Nachforschungen vorsichtig und im Untergrund betreiben, um keinen politischen Konflikt vom Zaun zu brechen.“
    Sie schwiegen einen Moment.
    „Aber es ist doch trotzdem komisch, dass ausgerechnet ein Lichtalb diese Gruppe um die Frau entdeckt hat, wenn er nichts damit zu tun hat, nichts von der Sache weiß.“ Alaryah wirkte hin und her gerissen, als sei ihr gutherziges Vertrauen erschüttert.
    „Was sagt dir dein Gefühl?“, fragte der Hauptmann.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • Was für ein Abend. Alaryah wurde das ganze langsam zu viel. Es war ein auf und ab der Gefühle, mittlerweile war es einfach nur noch anstrengend. Der Hauptmann hatte sie dann auch noch nach ihrer Einschätzung zu der Situation gefragt. Die Albin brauchte einen Moment um sich zu sammeln. "Es ist in Ordnung.", murmelte sie die recht leere Phrase hervor. Den Blicken des Hauptmanns wich Alaryah etwas unbeholfen aus, ging schweigend ein paar Schritte. "Sobald sie wieder aufwacht würde ich ihr gern einige Fragen stellen.", fügte sie an, dabei in Richtung der immer noch bewusstlosen und herumliegende Frau nickend. Der Hauptmann bestätigte kaum merkbar, dann verschmolz Alaryah mit dem nahegelegenen Waldrand.


    Sie wartete in der Dunkelheit, nahm sich einfach ihre Zeit und ging die Informationen von dem Hauptmann noch einmal gedanklich durch. Auch Jaros Reaktionen liefen wieder und wieder in Alaryahs Kopf ab, zum Beispiel wie er sie vor dem Hauptmann in gewisser Weise verteidigt hatte. Stille. Nur Wald. Es tat gut. Was war da nur gerade losgewesen? In der Ferne hatte sie die kleine Kolonne ausmachen können, die wieder zurück in Richtung Stützpunkt marschierte. Die Frau wurde auf einer improvisierten Trage möglichst sicher transportiert. Alaryah hoffte, dass die Frau bald wieder aufwachen würde. Die Albin atmete tief durch, dann huschte sie elegant zwischen den Bäumen umher, schloss zu der Kolonne auf. Schon bald hatte sie Jaro in der Gruppe ausgemacht, der etwas zu erschrecken schien, als Alaryah plötzlich neben ihm auftauchte. "Auf ein Wort.", sagte sie nüchtern und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter als Zeichen stehen zu bleiben. Einer der Soldaten drehte sich noch während des Marschierens zu ihnen um, doch der Hauptmann flüsterte etwas, die Gruppe marschierte weiter und schon bald waren Jaro und Alaryah alleine. Eine fast unerträgliche Stille schien sich in die Länge zu ziehen wie Äonen, dann brach Alaryah das Schweigen. Sie hatte vorher einfach nur dagestanden und Jaro tief in die Augen gesehen. Ihr sanfter Griff wurde bestimmender und fester, als Jaro den Bruchteil einer Sekunde versuchte ihre Hand abzuschütteln. Kurz huschte die Angst über das Gesicht von Jaro, doch verschwand wieder als Alaryahs ernster Blick etwas weicher wurde. "Viel ist passiert.", flüsterte sie und legte den Kopf leicht schief. "Recht viel für so eine kurze Zeit.". Ihre Augen verengten sich etwas. "Ich weiss nicht, was und wer genau wirklich hinter all diesen Ereignissen steckt...aber ich werde es herausfinden. So wie es scheint geraten wir, auch du, Jaro, hier in etwas großes hinein. Wir werden langsam voran kommen und wahrscheinlich wird es ein gefährlicher Weg werden, den wir einschlagen.". Es machte den Anschein als würde Alaryah diesen Gefahren mit einer gewissen Leichtigkeit entgegensehen. Sie schien gelassen und strahlte plötzlich eine Ruhe aus...selbst der Gedanke in den Tod zu gehen schien die Albin nicht aus dieser Ruhe bringen zu können. "Ich habe mich zu sehr von den Ereignissen und dem Wirbel vieler Gefühle leiten lassen.", setzte sie fort und nahm nun erst die Hand von Jaros Schulter. "Du sagtest die Wahrheit. Ich war...nunja...geblendet, hätte dir vielleicht etwas angetan oder dich einfach getötet. Gut, dass es nicht so kam. Ich weiss nicht, was ich sagen soll, Jaro, bitte verzeih mir. Ich wollte dich nicht erschrecken, doch wenn du eine Bedrohung gewesen wärst...". Zum ersten Mal, seit Alaryah Jaro begegnet war, fand sie keine Worte für das Ende eines Satzes. "Was auch die nächsten Tage bringen mögen, ich werde dich nicht wieder mit der Klinge bedrohen.". Alaryah senkte den Kopf. "Sollte es hart auf hart kommen werde ich dich stattdessen mit eben diesen Klingen schützen.". Ihre Hände wanderten zu den Waffen am Gürtel und Alaryah hoffte, dass nun wieder alles gut zwischen ihnen war. Schließlich war noch viel zu tun...



    Später fand sich Alaryah in ihrer Unterkunft wieder. Sie wollte gerade etwas ruhen, da kündigte sich ein Wächter an. Er informierte die Albin, wie gewünscht, dass die tätowierte Frau aufgewacht und bei Verstand sei. Alaryah spürte plötzlich neue Kräfte erwachen und folgte dem Soldaten.
    Es dauerte nicht lang, da kamen sie an einer bewachten Hütte mehrere Bäume weiter an. Die Wachen waren verdoppelt worden. Alaryah betrat den leicht düsteren Raum, nur fahles Mondlicht fiel in Strahlen hinein. Ob Jaro in der Nähe war? Alaryah vermochte es nicht zu sagen. Hätte sie ihn vielleicht ebenfalls dazuholen sollen? Wahrscheinlich war es klüger erst mal mit der Frau alleine zu reden...schließlich schien sie vor Jaro Angst zu haben. Alaryah schob ihre Gedanken zur Seite und fand die auf dem Boden kauernde Frau vor, die sie mit einer Mischung aus Angst und Wut anfunkelte. Die Albin blieb stehen. "Hallo.", sagte sie ruhig, ging in die Hocke. "Bitte, hab keine Angst. Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen und im Gegenzug einige von deinen Fragen beantworten.". Keine wirkliche Reaktion. Die Frau wich Alaryah aus, als diese näher kam. "In Ordnung.", sagte die Albin und ließ den Abstand zwischen ihnen bestehen. "Mein Name ist Alaryah Schattenwind. Die Wächter dort sind zu deinem Schutz hier. Es besteht keinerlei Gefahr für dich. Wie ist dein Name?". Einige Sekunden vergingen und Alaryah hatte schon fast nicht mehr mit einer Antwort gerechnet...da plötzlich... "Kirona. Ich bin Kirona. Was ist hier nur los?". Alaryah lächelte freundlich. "Hallo Kirona. Genau das fragen wir uns auch. Wir fanden dich im Wald und zwar in nicht ganz so guter Gesellschaft. Jemand wurde angegriffen. Jaro. Erinnerst du dich an ihn?". Kirona überlegte einen Moment. "Diesen Namen habe ich noch nie gehört.", meinte sie schließlich. "Wir müssen einiges gemeinsam aufklären, Kirona.". Alaryah sah sich um, erhob sich und nahm einen kleinen Becher, der zu ihrer Rechten auf einem kleinen Tisch stand. "Kann ich dir einen Tee anbieten?", fragte sie die Frau. Diese nickte verunsichert und so wurde Tee zubereitet. Langsam aber sicher legte sich endlich die Scheu in Kirona und sie berichtete Alaryah von ihrer letzten Vergangenheit. Alaryah hocktesich wieder vor Kirona hin und hörte aufmerksam zu. "Meine Eltern wollten immer nur das beste für mich, eine gute Ausbildung. Sie selbst waren nicht mit einer gewissen...Gabe...ausgestattet. Angeblich sei ich etwas besonderes. Ich wollte es jedoch nie sein. Schließlich wurde ich in meiner frühen Kindheit nach Alessa in die Lehre geschickt. Ich wollte immer nur den Leuten helfen, nie etwas böses tun. So wurde ich ausgebildet. Ich habe nie den Namen meines Meisters erfahren. Er wurde immer nur mit seinem Titel angesprochen.", erklärte Kirona. "Nach und nach veränderte sich jedoch alles. Angeblich sei ich nur vergesslich, doch das bin ich nicht. Das war ich nie. Mir kommt es manchmal vor, als seien mir absichtlich Erinnerungen genommen worden. Vielleicht auch der Name des Meisters.". Die Frau war den Tränen nahe. Ich wollte doch niemals hier sein, mitten im Nirgendwo. Ich weiss nichtmal, was all diese Tätowierungen bedeuten sollen. Manche kenne ich zwar, doch wiederum andere... Plötzlich verstummte Kirona. Ihre Augen weiteten sich und der Blick flog an Alaryah vorbei. Alaryah sah über die Schulter. Hatte sie da gerade Jaro von dem kleinen Fenster hinforthuschen sehen? "Sorge dich nicht, Kirona.", beruhigte Alaryah die Frau. "Das ist Jaro. Glaub mir, da liegt eine Verwechslung vor. Auch das ist etwas, was wir nun gemeinsam aufklären sollten.". Sie rutschte auf Knien näher zu Kirona, die noch immer ängstlich an der Albin vorbei und zum Eingang der Hütte starrte. Alaryah nahm Kironas Hände und hielt sie fest. "Jaro, komm ruhig rein.", sagte die Albin dann mit leicht erhobener Stimme, sodass Jaro sie hören konnte. "Du bist sicher.", flüsterte sie anschließend Kirona zu, die noch immer nervös, jedoch weniger ängstlich war. Jaro trat ein.

  • Jaro zuckte zusammen, als ihn der Blick Kironas striff. Er war schon ein paar Augenblicke vor dem Zimmer umher geschlichen, unschlüssig, ob er anklopfen sollte oder nicht. Endlich sprach die Frau, das wollte er nicht direkt wieder zunichte machen. Genauso unsicher waren wohl die Wachleute gewesen, die ihn zwar etwas skeptisch gemustert hatten, jedoch still an Ort und Stelle verharrt waren. Letztlich war er wieder unvorsichtig gewesen und die Frau hatte ihn gesehen. Zum Glück hatten Alaryah und er das Missverständnis zwischen einander beiseite räumen können. Nicht nur, dass sie ihn nun freundlich hereinbat, sie strahlte auch wieder die angenehme Leichtigkeit und Stärke aus wie zu Beginn, wenn nicht gar mehr und Jaro spürte, wie nicht nur er sondern auch Kirona an Anspannung verloren. Als er zuvor Alaryahs Unsicherheit erlebt hatte, war Jaro selbst ganz flattrig zumute gewesen.
    Er hatte bis dato auch nicht ganz umrissen gehabt, was all die Ereignisse für die Waldalben bedeuten konnten. Alaryah hatte es ihm verdeutlicht: sie waren hier in eine Sache mit Tragweite geraten. Selbstverständlich hatte er ihre Entschuldigung angenommen und hatte gar ein bisschen Stolz verspürt, dass die Albin von „wir“ gesprochen hatte, ihn weiter dabei haben wollte.


    Vorsichtig ging er nun an der Wand entlang in den Raum hinein und warf Alaryah einen entschuldigenden Blick zu. Es war faszinierend. Die Waldalbin hatte es geschafft, das Vertrauen der Frau namens Kirona zu gewinnen, zumindest soweit, dass diese richtig ins Erzählen gekommen war. Sie saß dort, ganz normal und sprach in zusammenhängenden Sätzen und mit klarem Blick. Noch vor ein paar Tagen wäre so etwas absolut undenkbar erschienen. Ob es damit zusammenhing, dass die Frau zuletzt in ihrer Gesellschaft gewesen war? Zuvor war sie immerhin auch nicht alleine gewesen sondern umringt von diesen Kerlen und auch diese hatten sie hin und wieder kontaktiert, wenn auch ohne Erfolg. Oder lag es daran, dass sie sich immer tiefer in den Wald begeben hatten? Hier oben in den Quartieren hatte Jaro ein paar Blicke auf den Nachthimmel erhaschen können und darauf geschlossen, dass der momentane Standort deutlich tiefer im Waldreich lag, als jener, an dem alles begonnen hatte. Jaro wusste, dass Wälder mehr waren als eine Ansammlung von Pflanzen. Sie lebten und sie wirkten auf andere Wesen. Was, wenn der Wald an sich zu der Veränderung Kironas beigetragen hatte? Jedenfalls sprach sie nun und was Jaro mit bekommen hatte, hatte sie wahrlich kein schönes Leben gehabt. Die Frage war nur: warum? Über welche Gabe (das Wort meinte Jaro verstanden zu haben) verfügte Kirona, die so interessant für ihren Meister gewesen war?
    Er blieb ein Stück hinter Alaryah stehen, darauf bedacht, genug Abstand zu Kirona zu halten, die ihn trotz Alaryahs beruhigender Worte weiterhin aufmerksam beobachtete.
    „Hallo“, sagte er schließlich. „Alaryah hat Recht, du musst keine Angst vor mir haben. Ich bin dir und deiner Gruppe gefolgt, weißt du noch? Alaryah und ich haben dich gerettet.“ Sie starrte weiter und Jaro wurde unsicher. „I-ich wollte nicht stören. Fahrt nur fort.“
    Mühsam, als bereite es ihr große Anstrengung, löste Kirona den Blick von Jaro und ließ ihn zu Alaryah gleiten, die ihr zunickte.
    „Auch an diese Gruppe, von der ihr sprecht, kann ich mich nicht erinnern. Höchstens vielleicht“, sie hielt kurz inne, blickte auf ihren Schoß und drückte mit einer Hand die Lippen zusammen, offensichtlich grübelnd. „höchstens vielleicht an Stimmen. Meine letzte Erinnerung sind Männerstimmen… und der Duft von Erde, ich muss also schon aus der Stadt fort gewesen sein.“ Hilfesuchend sah sie wieder Alaryah an, die sie ermutigte, einfach weiter zu machen und Jaro merkte, wie auch er ganz unbewusst, mit dem Kopf nickte.
    "Erinnerst du dich daran, was sie sagten?" fragte Alaryah.
    „Nein… das heißt, es ist alles irgendwie verzerrt, als hörte ich Geräusche unter Wasser, ganz undeutlich und dumpf.“ Sie verstummte.
    „Die Tätowierungen“, warf Jaro ein. „Ich hörte, du kennst manche davon. Haben sie eine Bedeutung?“
    Kirona zuckte wieder etwas zusammen, als sie Jaros Stimme mit den Augen folgte und er fragte sich, ob das nun immer so sein würde.
    „Sie waren eigentlich immer Zeugnis der Ausbildung. Es gab Rituale, für jede Stufe ein eigenes und man wurde gemäß seines Standes und seiner Funktion gezeichnet. Doch viele kenne ich nicht, habe sie noch nie gesehen, auch bei keinem anderen.“
    „Andere? Es gab mehrere von euch?“ fragte Alaryah und Kirona nickte.
    „Und was seid ihr? Wozu solltet ihr ausgebildet werden?“
    Kirona sah auf. Trotz all ihrer Verwirrung war ihr Blick klar und ihre Stimme fest.
    „Zu Waffen“, antwortete sie.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • Einen Moment lang verharrte Alaryah in ihrer Position. Dann zuckte eine ihrer Augenbrauen hinauf. "Zu...Waffen...", wiederholte die Albin fast lautlos. "Ja.", bestätigte Kirona deutlich. Alaryahs Blick flog zu Jaro hinüber, dann wieder zu Kirona zurück. "Was...was ist eure Aufgabe gewesen?", fragte Alaryah aufgeregt. Dann hielt sie erneut inne und ließ langsam aber sicher Kironas Hände los. Alaryah war plötzlich unsicher. Hatte Kirona Kräfte, die eine Gefahr darstellten? War ihre Aufgabe überhaupt erfüllt? Was, wenn Kirona..."angreifen" würde? Vorsichtig wich Alaryah zurück. Kirona bemerkte den plötzlichen Wandel und das Misstrauen in Alaryah, welches dieser wiederum recht neu vorkam. Kirona wollte aufstehen und die Situation aufklären. In einer fließenden Bewegung richtete sich Alaryah auf und brachte somit gut drei Schritte Abstand zwischen sich und die tätowierte Frau. Anschließend zog Alaryah Jaro mit einer gewissen Härte hinter sich. "Vorsicht.", flüsterte Alaryah Jaro zu, Kirona dabei nicht aus den Augen lassend. "Es ist nicht so wie ihr...". Weiter kam Kirona nicht. Sie machte einen Schritt auf die beiden Gefährten zu, stolperte und landete unsanft auf dem hölzernen Boden. Alaryah und Jaro sahen sich an, dann fasste sich Alaryah ein Herz und ging auf die am Boden liegende Frau zu. "Jaro, sollte gleich etwas passieren, dann renn. Ruf nach den Wachen, versuch den Hauptmann zu finden.". Alaryahs Stimme klang hohl. Wieder lernte Jaro eine neue Seite von Alaryah kennen. Zuerst war es die gutherzige, freundliche Person gewesen, dann die jagende und unerbittliche Albin, die bereit war bis zum Tod zu kämpfen und nun...Ja, nun eine Alaryah, die damit rechnete mit dem nächsten Wimpernschlag tot am Boden zu liegen.
    Die Zeit schien quälend langsam zu vergehen und Alaryahs Herzschlag pochte mehr als laut in ihrem Kopf. Die kleine Waldalbin konnte sich letztendlich doch überwinden und drehte die am Boden liegende Kirona um. Leere Augen starrten ihr entgegen. "Nicht schon wieder.", flüsterte Alaryah und wandte traurig den Blick ab.


    Drei Tage waren seit dem Gespräch mit Kirona vergangen. Seitdem war diese wieder in ihrer Trance gefangen, reagierte nur sporadisch auf Anweisungen. Zum Glück hatte der Hauptmann eine weitere Idee. Während er Boten zu den umliegenden Stützpunkten und Dörfern aussandte, schickte er Alaryah mit Jaro und Kirona im Schlepptau zu einer Schamanin. Alaryah kannte besagte Albin selbst nicht, doch wusste in etwa, wo sie sich aufhielt. Sie hatten eine Wegbeschreibung bekommen, mit der allerdings nur Alaryah wirklich etwas anzufangen wusste. Das Ziel schien eine Art Brunnen zu sein, so viel konnte Jaro durch bloßes Zuhören herausbekommen.


    So bahnten sich die drei ihren Weg durch das Unterholz, passierten plätschernde Bäche, riesige Bäume und prächtige Lichtungen. Bald schon war es wieder Zeit für eine Rast. Die Sonne verabschiedete sich langsam aber sicher und es wurde kühler. Bald hatte die kleine Reisegruppe einen geeigneten Lagerplatz gefunden. Es handelte sich um eine Steinformation, die, wie Alaryah erklärte, vor langer Zeit als Treffpunkt für die unterschiedlichsten Amtsinhaber diente.
    Ein kleines Kochfeuer war schnell entzündet und ein Abendessen zubereitet. Auch Kirona aß, wenn auch nur mit Hilfe von Jaro und Alaryah. Dann trat Ruhe in dem kleinen Lager ein.
    Während das Feuer noch schwach knisterte fixierte Alaryah plötzlich Jaro und durchbrach die Stille. "Jaro.", sagte sie leise und setzte dann mit gedämpfter Stimme fort:"Was meinst du...Was für eine Bedrohung geht von Kirona aus? Ob die Schamanin mehr herausfinden kann?". Alaryah richtete sich noch einmal von ihrem Nachtlager auf und wischte sich dann die blaue "Kriegsbemalung" aus dem Gesicht.
    "Was sind das für Leute, die anderen so etwas...", sie deutete halbherzig auf die vor einem der Steine kauernde Kirona "Nunja, die jemandem so etwas antun?". Alaryah und Jaro hatten tatsächlich kaum miteinander geredet, seitdem sie den Stützpunkt verlassen hatten. Zu sehr schienen sie in Gedanken vertieft. "Wie ist sowas überhaupt möglich?". Alaryah schaute Kirona einen Moment lang schweigend an, stand dann auf und ging zu der regungslos dasitzenden Frau hinüber. Dann legte Alaryah eine weitere Decke um Kirona. "Was muss das für eine Magie sein, die so weit reicht, dass sie Kontrolle über jemanden hat der so weit entfernt ist?". Alaryah wurde mulmig zumute. Wer weiss, was Kirona noch anzustellen vermochte, wenn sie sich selbst als Waffe bezeichnete? Dann plötzlich wurde die Albin aus ihren Gedanken gerissen. Sie kniete ab, ihr Blick zuckte umher. Sie waren nicht allein.
    "Jaro, ich werde mich noch einmal umsehen.", meinte Alaryah und machte sich auf in Richtung Waldrand. "Bleib du hier, hab ein Auge auf Kirona.". Bevor sie verschwand, drehte sich Alaryah noch einmal zu Jaro um. "Hab keine Angst, ich bin in Rufweite. Sei jedoch bereit, dich zu verteidigen.". Dann huschte sie davon.


    Die Zeit verging und nichts passierte. Alaryah war die Umgebung bereits mehrmals abgeschritten, hatte sich wieder und wieder bei Jaro gemeldet. Dieser schien auch langsam aber sicher von Müdigkeit übemannt zu werden. Alaryah machte sich gerade auf den Weg zurück zum Lager, da meinte sie plötzlich eine Gestalt am Rande des Lagers wahrzunehmen. Tatsächlich näherte sich ein Schatten Jaro und Kirona. "Niemals.", hauchte Alaryah und zog lautlos einen ihrer Langdolche. Gerade wollte sie losspurten, da verließen ihre Füße den weichen Waldboden. Jemand hatte die Albin von hinten gepackt, drückte ihr die Luft ab. Sie strampelte verzweifelt, wollte Jaro warnen doch brachte nur ein leises Röcheln hervor. Dumpf fiel Alaryahs Dolch hinunter und Jaro entfernte sich mehr und mehr aus ihrem Blickfeld. Die kleine Albin schlug wild um sich, doch dann verließen sie die Kräfte. Ihr Herz pochte. Langsam. Laut. Langsamer. Leiser.

  • Das Gehen tat Jaro gut. Es gab ihm Beschäftigung und verdrängte das aufkeimende Gefühl, eher ein Hindernis als eine Hilfe für Alaryah zu sein. Außerdem war er gerne in der Natur und hätte er tief in sich hinein gehorcht, hätte er gefunden, dass es vor allem die Einsamkeit war, die ihm Wohlgefühl bereitete, nachdem er im Stützpunkt trotz des privaten Quartiers ständig andere Alben um sich gehabt hatte.
    Sie schwiegen auch meist und nutzten die Zeit, ihren eigenen Gedanken zu lauschen, gebettet in die beruhigenden Eigengeräusche des Waldes und seiner Bewohner.
    Die Umgebung vermochte Jaro auch weiterhin in Staunen zu versetzen. Nach jeder Wegbiegung konnte einen ein neuer Anblick verzücken. Auch der Ort, den Alaryah eines Abends als Lagerplatz auswählte, und seine Geschichte faszinierten Jaro.
    Dann aber war die Zeit gekommen, dass sie sich wieder mit all den Unsicherheiten und Fragen beschäftigen mussten, die Kironas Worte und ihr erneuter Rückfall aufgeworfen hatten.


    Jaro konnte als Antwort auf Alaryahs Frage nicht mehr als mit den Schultern zucken. Auch er hatte sich schon gefragt, welche Gefahr Kirona darstellen könnte. Eine Ausbildung einzig zu einem solchen Zweck musste ernst genommen werden. Aber Kirona… konnte von jemandem, der entweder kaum bei Bewusstsein war oder sich in wachem Zustand derart fürchtete, eine reale Gefahr ausgehen?
    „Ich hoffe, die Schamanin kann helfen“, entgegnete er der Waldalbin. Tatsächlich war Jaro sehr gespannt auf den Ort, an den sie zu gehen beabsichtigten. Das konnte kein Ort sein, den ein jeder Besucher zu Gesicht bekam.
    Alaryah verspürte Mitleid mit Kirona und auch etwas Fassungslosigkeit. Jaro wünschte, er hätte das auch gekonnt, doch die Nüchternheit hatte ihn wieder stärker in Beschlag genommen. „Ich habe schon davon gehört, dass mächtige Magier Unvorstellbares anrichten können“, sagte Jaro. „Bei mir zu Hause gibt es auch welche und manchmal hat Mutter mir Geschichten erzählt, doch nichts, das nur annähernd vergleichbar mit Kironas Zustand wäre.“ Er aß noch einen Bissen. „Wenn sie uns doch nur mehr über diesen Meister hätte erzählen können…“, setzte Jaro an, als Alaryah urplötzlich auf die Knie ging und aufmerksam in den Wald spähte.
    "Jaro, ich werde mich noch einmal umsehen.", sagte sie und machte sich auf in Richtung Waldrand. "Bleib du hier, hab ein Auge auf Kirona." Jaro nickte, wenn auch zögerlich.


    Welche neue Teufelei mochte nun auf sie warten?
    Der Alb wich weiter in die Mitte der Steinformation zurück, näher an die leblose Kirona heran. Ein paar Mal kam Alaryah zurück und Jaro war um jedes Mal dankbar. Angestrengt suchte er mit Augen und Ohren die Umgebung ab, doch er konnte nichts sehen oder hören und schließlich blieb auch Alaryah fort, ohne jede Spur. Die Ungewissheit begann an ihm zu nagen, die Zeit zog sich hin, zäh wie Pittateig und er kam sich schutzlos und beobachtet vor. <Bleib bei Kirona>, sagte er sich immer und immer wieder in Gedanken und doch staute sich nach und nach mehr der Drang in ihm auf, nach Alaryah zu sehen. Sollte er sie rufen? Was aber, wenn sie sich gerade an einen Eindringling heran pirschte? Der Rest des Kochfeuers, zu einer kleinen Glut zusammengeschrumpft, war die einzige Lichtquelle und machte es noch schwerer in der dahinterliegenden Dunkelheit des Waldes etwas zu erkennen. Jaro fühlte sich müde, das Denken fiel so schwer. Er blickte sich erneut um, ging ein wenig aus der Mitte hinaus, um besser sehen zu können, doch nichts, nicht links, nicht rechts… dann: ein Schemen. Ganz deutlich hatte er etwas zur Seite huschen sehen. Er ging näher an den Waldesrand. Da – schon wieder! Alaryah… das war Alaryah! Sie schien vor irgendetwas zurück zu weichen. „Alaryah“, rief Jaro und seine eigene Stimme klang so fern. Sie reagierte nicht auf ihn. Stattdessen rannte sie tiefer in den Wald. Etwas stimmte nicht. Jaro eilte ihr nach. Schnell hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und er kam gut voran. Ab und an hörte er ein Knacken, als trete jemand auf einen Ast und dann sah er sie weiter vorne. Sie taumelte und fiel. „Nein!“, stöhnte Jaro und beschleunigte nochmals seine Schritte. Er erreichte den Ort, an dem sie gefallen sein musste und sah - nichts. Das konnte nicht… er war sich sicher, dass sie hier zu Boden gegangen war. „Alaryah!“, rief er erneut, doch erfolglos. Verwirrt stand der Alb einige Momente an Ort und Stelle. Mit einem Male verspürte er starke Kopfschmerzen, merkte aber zeitgleich, wie sich seine Sinne klärten. Kirona… er hatte sie alleine auf der Lichtung gelassen.


    Als Jaro die Felsformation erreichte, fehlte von der Frau jede Spur. <Nein>, dachte er verzweifelt und begann hektisch den Boden nach Spuren abzusuchen. Er ging den Bereich am Waldrand ab, wo der Boden erdigere Struktur hatte und da entdeckte er die Abdrücke zweier Paar Füße neben den kleinen Kreisen eines Gehstocks… sie führten in den Wald hinein.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]

  • Alaryah konnte nicht genau sagen, wie lang sie bewusstlos gewesen war. Sie lag auf der Seite, ihr Kopf dröhnte. Gerade wollte sich die Albin bewegen, da hielt sie jedoch inne. Wo auch immer derjenige war, der sie angegriffen hatte...vielleicht war er nicht weit. Warum hatte er sie überhaupt am Leben gelassen? Alaryahs Gedanken, sowie ihr Blickfeld, drehten sich noch einige Augenblicke, doch sie meinte in der Ferne Teile ihrer Ausrüstung liegen zu sehen. Da hörte die Albin plötzlich Schritte im Unterholz. Jemand näherte sich. Es konnte kein Alb sein. Die Schritte kamen näher und Alaryah wartete angspannt, bis die Person fast bei ihr war. Dann rollte sie sich herum und landete schließlich in einer knienden Position. Der Unbekannte stand nicht weit von der Albin entfernt, in eine düstere Robe gehüllt, welche ihn zumindest in der Dämmerung und der Nacht etwas tarnte. "Wer seid Ihr und was tut Ihr hier?", zischte Alaryah und fixierte die Person. Es war ein Mann mittleren Alters mit breitem Kreuz und muskulösen Armen. Das Gesicht lag im Schatten einer Kaputze verborgen. Alaryahs Hand wanderte an ihren Hals. "Ihr wart das!", fauchte sie und griff an ihren Gürtel. <Verdammt.>. Der Kerl hatte ihr tatsächlich die Waffen abgenommen...und machte plötzlich einen Satz in Richtung der Albin. Reflexartig sprang Alaryah zur Seite, rollte sich über die Schulter ab und hatte endlich wieder einen festen Stand. Der Mann achtete eine Sekunde lang nicht auf die Albin, schaute für einen Moment zu den nicht weit entfernt liegenden Waffen. <Oh, das hättest du wohl gern.>. Sowohl der Mann, als auch Alaryah eilten nun in Richtung der Ausrüstung. Alaryah spürte bereits den Knauf eines ihrer Langdolche an den Fingerspitzen, als der Mann sie am Bein packte und von der Waffe wegzog. Die kleine Albin hatte der Kraft des Mannes nichts entgegenzusetzen, versuchte sich am Waldboden festzuhalten und trat dabei in Richtung des Angreifers. Vergeblich. Dann raste die Faust des Mannes hinab, Alaryah wandte sich gerade noch so zur Seite. Dumpf schlug die Faust des Kerls auf den weichen Boden, er grunzte während ein leises Knacken der Finger zu hören war. Der Griff um Alaryahs Bein lockerte sich kein Stück. Erst, als die Albin dies nutzte und ihr anderer Fuß den Unterkiefer des Kerls traf, ließ er sie los. Wieder robbte Alaryah in Richtung ihrer Waffen. Sie versuchte so schnell wie möglich Abstand zwischen sich und den Angreifer zu bekommen. Dieser jedoch wollte es gar nicht erst soweit kommen lassen. Er zog ein schartiges Kurzschwert hervor und stampfte wütend und mit blutiger Lippe der Albin hinterher. <Nicht mehr weit...gleich...>. Alaryah warf sich, von purem Überlebenswillen gesteuert, nach vorne. Sie keuchte, bekam jedoch tatsächlich einen der Langdolche zu packen. Nun mobilisierte die Albin einen Teil ihrer letzten Kraftreserven. Wieder wirbelte sie herum, während das Schwert des Mannes mehrmals auf sie hernieder fuhr...aber jedes Mal verfehlte. Alaryahs Blick funkelte zu dem Mann herüber, ihr Gesicht starr und ausdruckslos. "Na komm. Hol mich.", hauchte die Albin und raste in Richtung Unterholz. Obwohl ihre Gliedmaßen immer stärker vor Schmerz brannten hielt Alaryah nicht an. Sie schlug Haken, wühlte sich durch Gebüsche und schlängelte sich zwischen den Bäumen umher. Bald hatte Alaryah einen Baum erreicht, an welchem sie hochklettern konnte. So verbarg sie sich in dem recht dichten Astwerk und zwang sich selbst die Atmung zu regulieren. Erst jetzt bemerkte sie ihre von Ästen und Dornen aufgerissenen Arme und Hände. Auch ihr Gesicht fühlte sich warm an...wahrscheinlich hatte es auch die ein oder andere Schramme durch die Flucht davongetragen. Lange konnte sich Alaryah nicht mit diesen Gedanken beschäftigen, ihr Verfolger rauschte heran. Angespannt hockte die Albin zwischen den Ästen, wagte es kaum zu atmen. Der Mann blieb unweit von Alaryahs Versteck stehen, sah sich um, konnte sein Ziel jedoch nicht finden. Alaryah sah eine Chance. Sie hatte nur diese eine. Wenn der Kerl noch etwas näher kommen würde... Dieser jedoch dachte gar nicht daran, kniete nieder und ballte die Faust. Er murmelte etwas und ein schwaches Leuchten umspielte die Finger des Mannes. Alaryahs Augen wurden größer. Wollte er tatsächlich gerade Magie wirken? Die Finger der Albin umfassten den Griff des Langdolches fester. Alaryah merkte nicht, wie Blut aus einem größeren Kratzer hervorquoll...und einen Tropfen bildete. Erst als es zu spät war und der Tropfen unterwegs in Richtung Waldboden war nahm Alaryah Notiz davon. Der Kopf des Mannes raste herum. Hatte er tatsächlich gehört, wie der Tropfen ihres Blutes auf dem Boden aufkam? Langsam stand der Mann auf, immer noch die Stelle unter Alaryah fixiert. Alaryahs Augen verengten sich, während der Mann langsam näher kam. Mochte er auch seine Sinne geschärft haben oder dergleichen? <Jetzt...>. Alaryah ließ sich zur Seite fallen und stürzte kopfüber aus dem Astwerk in Richtung des Mannes in der dunklen Robe. Dieser reagierte erst gar nicht, dann jedoch mit grausamer Geschwindigkeit. Er fing Alaryah aus der Luft ab, wuchtete sie herum und hämmerte ihren zierlichen Körper auf den Boden. Sämtliche Atemluft entweichte aus Alaryah, als sie stöhnend auf dem Rücken aufprallte. Wie war das nur möglich gewesen?! Mit zittriger Hand reckte sie dem Mann den Dolch entgegen. Er schlug diesen jedoch mühelos mit dem Schwert aus Alaryahs Hand. Panisch tastete Alaryah nach ihrer Waffe. Der Mann grinste finster und näherte sich siegessicher. Alaryah bekam einen spitzen Stein zu greifen und machte sich bereit für einen letzten Angriff.

  • Jaro hetzte erneut in die Dunkelheit des Waldes hinein. Wie hatte er Kirona nur alleine auf der Lichtung lassen können? Zum Glück war das Unterholz hier so dicht, dass er den Spuren des Eindringlings und der tätowierten Frau mühelos folgen konnte. Er entdeckte einen Stock, der eine gute Größe hatte und hob ihn auf. Wo war nur Alaryah? War mit ihr alles in Ordnung? Jaro verdrängte den Gedanken für den Augenblick und eilte weiter. Er musste als erstes Kirona finden…
    Da! Endlich sah er sie. Sie stolperten und wankten, gingen dafür aber erstaunlich schnell. Er musste jetzt ganz leise sein, wusste nicht, was ihn erwartete. Die Person an Kironas Seite trug einen dunklen Umhang mit Kapuze, sodass er kaum Rückschlüsse auf Statur und Ausrüstung ziehen konnte. Er würde ein Risiko eingehen müssen, immerhin war es seiner Dummheit geschuldet, dass Kirona überhaupt entführt worden war. Jaro war ziemlich nahe dran. Bald würde der Eindringling ihn hören und die Zeit zum Handeln war gekommen. Er nahm den Stock in beide Hände und sprintete über den knackenden und knirschenden Untergrund die letzten Meter nach vorne. Mit voller Wucht schlug er auf den Gegner ein, der sich aber bereits umgedreht hatte und das Stück Holz mit einem kurzen Schwert zerteilte. Jaro fackelte nicht lange und rammte dem Kerl das Ende des gekürzten Stocks in den Bauch. Ein Stöhnen ertönte und ein Fluch. Die Stimme war warm und melodisch. Es war die Stimme einer Frau.
    Jaro sprang zurück, um aus der Reichweite des Kurzschwertes zu sein. Die Frau richtete sich auf und streifte die Kapuze vom Kopf. Langes weißblondes Haar fiel in einem geflochtenen Zopf über die linke Schulter und zu beiden Seiten spitzten die typischen langen Ohren der Alben hervor. Sie grinste, hatte Jaros Erstaunen bemerkt. Er schluckte, griff den Stock neu und ging etwas in die Knie. Kirona stand teilnahmslos daneben und starrte blind in den dunklen Wald. Seine Gegnerin machte sich ebenfalls bereit und während Jaro noch überlegte, wie er sie am besten überlisten konnte, hatte sie die kurze Distanz zwischen ihnen bereits zurückgelegt und nur mit größter Mühe konnte er dem Schwert ausweichen. Sie war schnell… aber irgendwie schien sie geschwächt zu sein, denn sie atmete schon schwer.
    „War nett bei dir“, sagte sie plötzlich. „Danke, dass du mich so freundlich aufgenommen hast.“ Jaro verstand gar nichts. „Aber ich muss dich enttäuschen. Unsere Bekanntschaft nimmt schon wieder ein Ende. Denn du wirst bald tot sein und sie“, sie deutete auf Kirona, „dort wo sie hingehört, um endlich ihren Zweck zu erfüllen.“ Lässig wechselte sie ihr Schwert zwischen den Händen und schlenderte um Jaro herum. „Und deine grüne Freundin ist bestimmt auch schon lange verreckt.“
    Jaro knirschte mit den Zähnen und sprang wütend in ihre Richtung. Erneut versuchte er sie mit dem Stock zu schlagen, doch auch dieses Mal wehrte sie ihn ab und verkürzte Jaros klägliche Waffe noch weiter. Ein Fußtritt traf ihn unsanft in der Magengegend und er sank nach Luft ringend zu Boden. „Hattest du Angst so allein im Wald?“, fragte sie mit gekünstelter Stimme. „Es war so erstaunlich leicht, dich in die Irre zu führen, vielleicht hätte ich mir die Mühe, die Haare aufzusammeln, gar nicht machen brauchen.“
    Endlich verstand Jaro. Diese Frau war in seinen Geist eingedrungen und hatte seine Sinne getäuscht. Sie hatte ihn von der Lichtung gelockt und sich dann schnell Kirona geschnappt bevor er zurückkam. <Und jetzt will sie noch ein wenig mit mir spielen>, dachte er bitter. Er hievte sich zurück auf die Beine und wieder blockte sie einen seiner Schläge ab. Obwohl sie schwer atmete, war sie deutlich schneller als er. Er spürte die Kälte der Klinge an seinem Hals und versuchte ihrem Blick standzuhalten, unfähig etwas zu tun. „Jetzt, kleiner Alb, wirst du sterben“, sagte sie mit einem fiesen Grinsen im Gesicht, dass noch nicht ganz verflogen war, als sie plötzlich mit voller Kraft seitlich am Kopf getroffen wurde und bewusstlos zu Boden ging. Jaro traute sich wieder zu atmen und blickte erstaunt zur Seite. Kirona stand dort, in den Händen ihren Gehstock, von dessen Ende dunkle Flüssigkeit auf den Waldboden tropfte. Fassungslos sah er sie an. Sie hatte ihn gerettet… warum? Kirona drehte den Kopf zu Jaro, dann begann sie von einer Sekunde auf die andere furchtbar zu schreien. Es war ein markdurchdringender Schrei. Kirona ließ den Stock los und wand sich als hätte sie schreckliche Schmerzen, riss sich an Haaren und Kleidern und war durch nichts zu beruhigen.

    ~ Die größte Offenbarung ist die Stille ~


    Laotse

    [imgk]Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.[/imgk]