Rakshors Geschenk an Noldil

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    An einer Oase, die von hohen Dattelpalmen umsäumt war, gar nicht weit entfernt von den jahrhundertealten Ruinen von Rakshors Geburtsstadt, setzte er Noldil sanft ab und faltete die braunen Schwingen wieder zusammen und ließ sie in seinem Rücken verschwinden. In Noldils Wimpern glitzerten Sandkörnchen und nicht nur da. Ihr Gesicht, ihr Hals und ihr Ausschnitt, alles schimmerte, wie von winzigen Diamanten überzogen. Nie hatte sie so schön ausgesehen wie an diesem Abend. "Willkommen in Rakshanistan", sagte er. "Die Wüste steht dir gut." Er nahm seine Schädelkrone vom Haupt und legte sie neben sich auf den Boden, als würde er seine gesamte Göttlichkeit dort niederlegen. Dann grub er die Finger in Noldils rotes Haar und zog sie an sich, um ihren Mund mit wilden Küssen zu bedecken, bis sie gemeinsam im heißen Sand niedersanken.


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    Der kalte Wüstenwind weckte Rakshor. Zwar war es ihm möglich, alle unangenehmen Witterungsempfindungen eines sterblichen Leibes auszublenden, doch er ließ sie zu, um mit allen Sinnen diesen Augenblick genießen zu können. Zufrieden registrierte er die Gänsehaut, die ihm über die Haut gekrochen war. Sein Kopf lag auf Noldils Schulter gebettet, ihr grünes Kleid und sein Lendenschurz aus getupften Fell lagen achtlos im Sand. Ihr kurviger Leib leuchtete weiß wie eine Marmorstatue im Dunkel, die das Mondlicht reflektierte. Er wusste nicht, ob Noldil sich in Schlaf versetzt hatte oder ob sie wach war.


    "Schau nach oben", sagte er leise, um den Augenblick nicht zu zerstören. "Einen solchen Nachthimmel gibt es nur in Rakshanistan." Die Sterne waren groß und hell wie Diamanten. Einem Gedanken folgend, begann er, ihren nackten Körper mit einem Kleid aus glitzerndem Wüstensand zu umhüllen, dass ihren Bewegungen folgte, als wäre es aus Stoff und welches auch wie ein richtiges Kleid ausgezogen und zusammengelegt werden konnte. "Damit du diese Nacht nicht vergisst", schnurrte er und umhüllte ihre üppigen Brüste. "Denn bald werde ich nicht mehr viel Zeit dazu finden, mich den Freuden zu widmen, die du mich einst lehrtest."


    Er erhob sich und kreiste mit den Schultern und den Kopf, um seine Muskeln zu lockern. Die innere Unruhe meldete sich langsam zurück. So vieles gab es noch zu erledigen ... jeden Augenblick, den er hier verbrachte, erstarkte der Feind. Bei jedem Herzschlag sauste die Peitsche auf den Rücken eines Sklaven nieder, bei jedem Atemzug fiel ein Rakshaner im Kampf gegen die Ordnung und die Pest der Handelsallianz. Viel zu lange schon war er müßig gewesen auf Kosten seiner Männer. Die Gefangenschaft hatte ihn mehr als genug Zeit gekostet. Er schlang das Hyänenfell um seine Hüfte und setzte die Schädelkrone auf sein Haupt.


    "Rakshanistan braucht mich. Danke für diese Nacht und für deine Freundschaft. Wann immer du etwas benötigst, brauchst du deinen Wunsch nur in den Ostwind zu rufen und ich werde da sein."

  • „Für die Freuden des Lebens sollte man immer etwas Zeit erübrigen können. Und gerade Du, der die Menschlichkeit so zu schätzen weiss.“
    Ihre Augen blieben an den funkelnden Sternen hängen, während sie seinen Geruch einatmete und die Wärme seiner Haut spürte.
    „Nicht immer muss dafür eine ganze Nacht in Anspruch genommen werden, oftmals genügt ein aufmerksamer Blick, ein tiefer Atemzug oder eine sanfte Berührung. Bereits der Duft von würzigem Kaffee oder das Lachen eines Freundes kann Dir Wohlbehagen bescheren. Erinnere Dich daran, wenn blosse Dunkelheit Dich zu umgeben scheint.“


    Ein fröhliches Lächeln umspielte die vollen Lippen und brachte ihre Augen zum Leuchten, als das Kleid ihre Rundungen weich umschmiegte: „Es ist wunderschön! Wenn ich es trage, werde ich an die Wunder zurückdenken, welche ich in einer einzigen Wüstennacht erleben durfte.“


    Als sich Rakshor aus dem Sand erhob, beobachtete Noldil ohne Scham seinen nackten Körper und die geschmeidigen Bewegungen. Sie sog den männlichen Anblick in sich hinein, die wohlgeformten Pobacken, die muskulöse Brust, das markante Gesicht.
    Obwohl sie sich in ihrem unendlichen Dasein bereits viele unterschiedlichste Liebschaften gegönnt hatte, vermochte doch keine an diese unersättliche Leidenschaft heranzukommen, welche die beiden Gottheiten miteinander teilten. Noldil liebte es mit dem Feuer zu spielen, welches in seinem Innern brannte.
    Sie genoss es, den Gott des Krieges zu verführen und das wilde Chaos zu entfachen, das sie im Rausch der Erregung beide mit sich riss. Doch genauso sehr verlangte es sie danach, den Sturm zu besänftigen und ihn mit zärtlichen Berührungen zu liebkosen. Wenn es Noldil gelang, ihm ein Lächeln zu entlocken, so war es oftmals geheimnisvoll und ehrlich zugleich. Und so war es immer eine aufregende Herausforderung Rakshor nahe zu sein.


    Vor den Augen Noldils vollzog sich die Veränderung im Körper des Mannes. Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich, seine Haltung strahlte Anspannung aus, seine Bewegungen zeugten von innerer Unruhe. Sie konnte ihm seine Gedanken geradezu von den Augen ablesen, während er sich das Fell um die Hüften schlang und schliesslich den mächtigen Schädel über sein Haupt gleiten liess. Es war, als würde er seine Gefühle vor ihr verbergen.
    Obgleich Noldil verstand, dass es für einen Kriegsgott und Feldherren gefährlich sein mochte, Gefühlsregungen zu offenbaren, die als Schwächen ausgelegt werden konnten, empfand sie darüber eine tiefe Traurigkeit.


    Krieg… eine Plage, welche diese Welt wohl niemals ausmerzen würde. Noldil hielt nicht viel von den Geplänkeln der Völker und Gottheiten und sie empfand nicht die geringste Lust, sich an diesen Machtspielen zu beteiligen.
    Doch trotzdem würde sie Rakshor niemals den Rücken kehren. Allzu viele Empfindungen wühlten sie auf, wenn sie an ihn dachte. Er war für sie wie ein Sohn, ein Freund und ein Geliebter zugleich.
    Und tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das Chaos zu ihm gehörte, so wie die Kunst des Geniessens ihrem Sein entsprach.


    "Rakshanistan braucht mich. Danke für diese Nacht und für deine Freundschaft. Wann immer du etwas benötigst, brauchst du deinen Wunsch nur in den Ostwind zu rufen und ich werde da sein."
    Und Noldil wusste, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen.




    Nachdem Rakshor seiner Wege gegangen war, verweilte die Göttin noch lange Zeit an Ort und Stelle und blickte dem neuen Tag entgegen. Vor ihrem inneren Auge beschwor sie die köstlichen Erinnerungen herauf und durchlebte die Zeit mit ihm ein weiteres Mal.
    Erst als die ersten Sonnenstrahlen über ihre Haut streichelten, erhob sich Noldil.
    Sie quittierte dabei Rakshors Ideenreichtum mit einem amüsierten Grinsen. Das Kleid passte wie angegossen und liess dabei ihre Kurven wohlwollend zur Geltung kommen. Eines musste man dem Kerl lassen, es gelang ihm immer wieder auf charmante Weise, seine göttliche Macht zur Schau zu stellen, ohne dabei anmaßend zu wirken.


    Noldil war schon lange nicht mehr gereist. Zu ihrer Überraschung genoss sie diese neue Umgebung mehr, als sie sich zuvor eingestanden hätte. Als Gottheit war das Leben oftmals zu einfach. In ihrem Tempel erhielt sie alles, wonach es sie verlangte: Weine, Tänzer und Blumen aus allen Teilen des Kontinents konnte sie mit einem Fingerschnipsen herbeordern. Wünschte sie sich eine neue Gewandung standen hunderte Schneider Schlange, um ihr die elegantesten Muster vorzulegen und Händler stritten sich darum, ihr die fein gewobenen, seidenen Stoffe als Geschenke zu ihren Füssen zu legen. Gelüstete es den Gott nach einer Spielrunde in lustiger Gesellschaft, musste er nur den bescheidenen Weg in die Spielhalle seines Tempels zurücklegen.


    Doch es waren unzählige Monde vergangen, seit Noldil selbst ihren Tempel für mehr als einen kurzen Ausflug verliess. So fasste sie einen Entschluss.
    „Mein treuer Diener! Ich werde eine geraume Zeit nicht im Tempel verweilen. Ich möchte, dass du so lange die Führung übernimmst. Achte darauf, dass mein Garten wieder in seiner Schönheit erstrahlt und dass die Ingenieure und Magier ihre Streitereien im Zaum halten mögen. Nur wenn unlösbare Probleme auftreten, sollst du dich an mich wenden. Ansonsten verlange ich Stillschweigen über mein Fernbleiben zu halten“, nachdem sie per Gedankensprache ihren nächsten Untergebenen gebührend in seine Aufgaben eingewiesen, beschloss Noldil ihre Reise in Rakshanistan zu beginnen. Nur so könnte sie sich selbst von der Schönheit des Landes überzeugen, welche ihr Geliebter so gepriesen hatte.


    Als sich die Sonne bereits ihrem Zenit näherte, trottete ein Kamel gemächlich den Dünen entlang. Trittsicher und folgsam setzte es einen Schritt vor den anderen. Auf dem Rücken schaukelte ein Mann im mittleren Alter sanft mit den Bewegungen mit. Seine braune Haut, die schwarzen Haare und die dunklen Augen wiesen ihn als einen Menschen des Südens aus. Sein Haupt war zum Schutz vor der Hitze verhüllt und sein Körper in Leder gekleidet. Nur die Tatsache, dass er weder auf einer Hyäne ritt, noch Waffen trug, liessen erahnen, dass dies kein gewöhnlicher Rakshaner war, der seinen Weg zu seinem Heimatlager suchte.
    Noldil lauschte dem Wind und vernahm die Klänge von Musik, schon lange bevor ein Sterblicher sie wahrgenommen hätte. Danach richtete er das Kamel aus, als er es mit einem Tritt in die weichen Flanken vorwärts trieb.