Nach Norden

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    Von der Ruinenstadt aus schlug Firxas sich nach Norden durch bis zu den Ausläufern der Ghenäen. Am Fuß der Gebirgskette hielt er sich im schützenden Dunkel des Waldes, als er sich nach Nordosten wandt und den Seen zustrebte. Immer dabei war Terc, den er unermüdlich auf seinem Rücken trug. Obwohl der Düsterling leicht war und immer leichter wurde, merkte Firxas auf Dauer sein Gewicht und die Schultern taten ihm weh. Dennoch jammerte er nicht und machte nur so wenig Rast wie nötig, um schnellstmöglich wieder zivilisiertes Gebiet zu erreichen. Terc brauchte schnellstmöglich medizinische Hilfe. Hier in Evalon brauchten die beiden Dämonen sich nicht blicken lassen. Sie mussten rasch wieder auf naridisches Territorium. Tercs Zustand verschlechterte sich zusehends. Die äußerlichen Wunden hatte Firxas versorgt, doch mit inneren Verletzungen kannte er sich nicht aus. Ihm blieb nur, darauf acht zu geben, dass Terc genügend trank, denn er schwitzte sehr stark, obwohl er sich eiskalt anfühlte und war meistens bewusstlos. Die unbequeme Haltung auf Firxas`Rücken trug sicher auch nicht zu seiner Genesung bei.


    Die Frontseite zu wechseln gestaltete sich einfacher, als gedacht, denn es konnten weder Naridier noch Kaishos die gesamte Frontlinie abriegeln. Firxas kannte sich mit sumpfigem Gelände aus und so konnte er zwischen den beiden großen Seen während eines Hochwassers auf die Seite der Handelsallianz zurückkehren. Sein Ziel war Alessa. Die Stadt konnte nicht mehr fern sein, denn sie trafen bald auf die ersten leerstehenden Gehöfte, deren Besitzer vermutlich vor dem Krieg ins Landesinnere geflohen waren. Eines davon suchte Firxas sich aus für ihre nächste Rast.


    Er baute für Terc ein Lager aus Gras und Laub und bettete den Bewusstlosen darauf. Blass sah er aus, grau statt schwarz. Firxas nahm den Mund voll Wasser und flößte es ihm von Mund zu Mund ein. Doch es kam keine Reaktion. Sonst war Terc wenigstens aufgewacht, wenn er Wasser erhalten hatte. Doch nun regte er sich nicht. Die so wichtige Flüssigkeit lief ihm einfach wieder aus dem Mund. Firxas gab sein Bestes, doch es war nichts zu machen. So musste er es nach geraumer Zeit schließlich aufgeben. Es gab nichts, was er tun konnte, nicht das Geringste. Finster brütend setzte er sich neben den reglosen Körper. Er würde Terc verlieren. Der Düsterling hatte all seine Reserven verbraucht und es ging zu Ende mit ihm. Stumm und schweigend hielt Firxas Wacht, bis die Sonne wieder untergehen würde und sie weiterreisen konten. Er machte sich wenig Hoffnung, dass Terc bis dahin noch durchhalten würde. Sie waren so kurz vor dem Ziel, so unmittelbar vor Alessa, hatten so lange gekämpft und nun war es doch umsonst.


    Kalte, harte Finger tasteten nach ihm. Der Düsterling war nun doch aufgewacht. Firxas nahm sofort einen Schluck Wasser in den Mund und beugte sich zu Terc hinab. Der Tod blickte ihm aus dessen eingefallenem Gesicht entgegen. Der Düsterling trank langsam ein paar Schlucke. Firxas wollte sich anschließend wieder an die Wand setzen, doch Terc streckte schwach eine Hand nach ihm aus. So legte Firxas sich auf den Bauch neben ihn auf den blanken Boden. Die Düsterlinge der Expedition hatten auch immer ein Knäuel zum Schlafen gebildet, nur Terc hatten sie ausgeschlossen, da er einem feindlichen Rudel angehörte und man hatte ihm angesehen, wie sehr er darunter litt, von der Gemeinschaft verstoßen zu werden. Immer wieder war er um sie herumgeschlichen, verfolgt von abweisenden Blicken, gefletschten Zähnen und missgünstigem Knurren.


    Firxas legte sich so, dass ihre Seiten sich berührten. Erleichtert schmiegte der Düsterling sich an ihn. Er fühlte sich an wie ein sperriger Stapel Knochen, über dem eine schlaffe Haut hing. Ein federleichter Arm legte sich den fleischigen Rücken des Tieflings. Stumm starrte Firxas vor sich hin und beobachtete den tanzenden Staub in der Sonne, die in Strahlen durch die kaputten Fenster fiel, während Terc erneut in die Dunkelheit entglitt. Es war unwahrscheinlich, dass er noch einmal daraus erwachen würde. Firxas`Inneres fühlte sich leer an, wie ein vertrockneter See, um den herum alles verdorrt war. Er schwieg still und wartete darauf, dass Terc aufhörte zu atmen.