Teebeutel - Kap. III - Die höllische Insel - TEIL II

  • ╔══════════════════════════════════════════════════╗
    Hier spielte der erste Teil dieses Kapitels:
    Link
    ╚══════════════════════════════════════════════════╝

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • Das Lagerfeuer erwies sich als als vorrübergehendes Lager, welches die überlebenden Gestrandeten aufgeschlagen hatten. Durch das Hornblasen wollte der Kapitän weiteren Überlebenden den Weg weisen, was auch funktionierte. Urako und die beiden Hunde fanden so einen Teil der Mannschaft wieder.


    Bald mussten sie feststellen, dass sie auf einer Insel gestrandet waren. Die Tieflinge versuchten mehrmals, über das Meer zu fliegen, doch die fehlenden Aufwinde über dem offenen Wasser machten dies unmöglich. Man würde sich etwas anderes einfallen lassen oder auf Hilfe warten müssen.


    Die Gestrandeten verbrachten geschlagene zwei Jahre auf der Insel. Das Eiland war groß genug und von reichlich Pflanzen und Tieren belebt, so dass niemand Hunger leiden musste. In seiner Mitte befand sich ein kleiner See mit Süßwasser. Dort in der Nähe errichteten sie sich ein extrem unordentliches und furchtbar schief gebautes Lager, denn keiner der Überlebenden war handwerklich begabt, aber immerhin schützte es sie vor den häufigen Niederschlägen und bot die Illusion eines zu Hauses.


    Urako, der noch aus seiner Zeit in Phintias wusste, wie man angelt und Reusen auslegt, machte sich nützlich, indem er den Trupp mit Fischen, Krebsen und Muscheln versorgte. Da er sich lange Zeit selbst versorgen musste, fiel es ihm auch nicht schwer, das Jagen zu erlernen. Schlingen auslegen konnte er, da er im Sumpf auch ab und zu Wasservögel erbeutet hatte, und durch ein wenig Übung schaffte er es, die Schlingen so zu modifizieren, dass er auch Säugetiere damit erbeuten konnte. Eine große Hilfe war ihm dabei seine Hündin, deren Nase ihm verriet, wo Wildpfade verliefen und das Auslegen sich lohnte, denn Spuren konnte Urako keine lesen – wie auch? In Phintias gab es so gut wie keinen begehbaren Untergrund, auf dem Tiere ihre Spuren hinterlassen konnten.


    Abends übernahm er mit seiner Hündin regelmäßig den Wachdienst. Ihre guten Ohren und ihre feine Nase verrieten, wann sich die Eingeborenen näherten. Sie schlugen sie anschließend in die Flucht, indem die Hündin bellte und knurrte, oder indem Urako einen Feuerfalken (bzw. in seinem Fall: einen Feuerspatzen) beschwor und den Eindringlingen mit diesem Angst einjagte.


    Urakos grauenhafter Ausdauerzustand verbesserte sich durch die Streifzüge auf der Insel. Er versuchte auch, das Kochen zu erlernen, da Nocro ihn noch immer für den Koch hielt, doch leider hatte er dafür einfach kein Händchen – es schmeckte grauenhaft. Nocro war der einzige, der Urakos Speisen über alle Maßen lobte und darauf bestand, dass er weiterhin für den Küchendienst zuständig war. Immerhin lernte Urako auf diese Weise das Verarbeiten von kleinen Säugetieren, also das Häuten, Ausnehmen und Zerlegen.


    Die Rumfässer, die an Bord gewesen waren, gingen allesamt verloren, so dass die Tieflinge auf ihre geselligen Saufabende lernen mussten zu verzichten. Besonders Urako fiel das anfangs sehr schwer. Er hatte die ersten Wochen ständig Kopfschmerzen und schlechte Laune, von der verzehrenden Sehnsucht, einen leckeren Krug schäumendes Takaresch oder einen Becher Schilfrohrschnaps zu trinken, ganz zu schweigen. Mit der Zeit vergingen diese Beschwerden jedoch und er gewöhnte sich daran, beim Rauchen von selbst getrockneten Wildkräutern zu bleiben.


    Die Stummeln seiner herausgeschlagenen Frontzähne entzündeten sich und fielen heraus, übrig blieb nur nacktes Zahnfleisch zwischen den Eckzähnen. Die Wunden verheilten, doch Urako litt und leidet noch immer sehr unter der Entstellung. Auch seine Aussprache hat sich seitdem verschlechtert.



    Fähigkeiten, die Urako in dieser Zeit lernte:


    + Schlingen für Kleinsäuger auslegen (den passenden Ort findet er jedoch nur mithilfe eines Jagdhundes)
    + Kleinsäugetiere verarbeiten (häuten, ausnehmen, zerlegen)
    + vielseitige Zubereitung von Nahrungsmitteln, jedoch mit grauenhaftem Geschmack
    + verbesserte Ausdauer, insbesondere zu Fuß
    + Entwöhnung vom Alkohol
    + verbesserte Kenntnis essbarer Pflanzen, Früchte und Pilze



    Schwächen, die sich in dieser Zeit entwickelten:


    - verschlechterte Aussprache durch das Ausfallen der Reste seiner Frontzähne
    - Verstärkung seines Minderwertigkeitsgefühls durch die Entstellung



    Töli


    Urako entwickelte, ohne, dass er es wollte, eine innige Bindung zu seiner Hündin, die er auf den liebevollen Namen „Töli“ taufte. Es tat ihm gut, dass sie ihm bei der Jagd half und ihm somit die Gelegenheit verschaffte, sich nützlich zu fühlen. Das Gleiche galt für das abendliche Wacheschieben. Durch die Ohren seiner Töli war Urako der effektivste Wächter der Gruppe. Wenn niemand hinsah, streichelte er sie manchmal. Hinterher wusch er sich mehr als gründlich die Hände, aus Sorge, sich mit Parasiten zu infizieren und schwor sich, sie nie wieder anzufassen. Jeden Tag, wenn er das Essen für die Gestrandeten zubereitete, bereitete er auch eine Schüssel voll für Töli. Ihr Gefährte, der dunkle Rüde, musste sich jedoch selbst versorgen, denn bisweilen war Urako neidisch auf die enge Beziehung zwischen den beiden Hunden und konnte ihn darum wenig gut leiden. Er duldete ihn nur, weil er Töli einen Gefallen tun wollte.


    Seine Freizeit verbrachte Urako am liebsten mit Firxas, mit dem er sich nach wie vor blendend verstand. Die beiden vertrieben sich die Zeit häufig damit, ihre magischen Fähigkeiten zu schulen, wobei Firxas sich selbst verbesserte und für Urako als Lehrmeister fungierte, da Selan offenbar das Interesse an seinem neuen Schüler verloren hatte.



    Zauber, die Urako in dieser Zeit erlernte:


    Inkubus-Verführung (spezieller Zauber der Dämonen)


    Beschreibung: Der Magier (geschlechtsspezifisch!) verführt ein weibliches Opfer oder einen von Männlichkeit verführbaren Mann und zieht es in den Bann des Zaubernden; Das Opfer wird um den klaren Verstand gebracht und zu einem beinahe willenlosen Diener des Magiers. Inkubi beherrschen diesen Zauber instinktiv.


    Diesen Zauber beherrschen männliche Dämonen von Natur aus, auch Tieflinge – Urako war dies bisher nur nicht bewusst. Umso erfreuter war er, als sein Kumpel Firxas ihn mittels einer kleinen Demonstration auf diesen praktischen kleinen Trick stieß. Es benötigte ein wenig Übung, doch Firxas war uneigennütziger Weise so freundlich, sich als Versuchsobjekt zur Verfügung zu stellen, bis Urako diesen Zauber auf annehmbaren Niveau beherrschte. Er wird zwar nie so gut darin sein, jede Person, die ihm gefällt, zu verführen, doch reicht es aus, um anziehender zu wirken, als er in Wahrheit ist. Von Natur aus leicht verführbare Leute oder Betrunkene kann er sich problemlos zu Willen machen, bei Leuten, die ihn sehr abstoßend finden oder einen starken Willen besitzen, stößt er jedoch auf seine Grenzen.


    Auch ansonsten erwies sich Firxas als guter Lehrmeister. Als Geistmagier unterrichtete er Urako im Bereich der Geistmagie. So erlernte Urako in den zwei Jahren außerdem:



    Schattenschritt (Grad 1)


    Ermöglicht dem Wirkenden, mit den Schatten zu verschmelzen und auf diese Weise aufmerksamen Blicken zu entgehen. Dieser Zauber kann nur dort gewirkt werden, wo es auch Schatten gibt. Er hält in dieser Stufe etwa 10 Minuten an und erlaubt dem Wirkenden, sich zu bewegen.



    Phantomschmerz (Grad 2)


    Der Zauberer berührt ein Wesen seiner Wahl, wobei Hautkontakt bestehen muss. Das Opfer empfindet Schmerzen an dieser Stelle, welcher Art sie sind obliegt der Entscheidung des Magiers. Es entstehen dabei weder Wunden oder sonstige Schäden. Auf Untote hat dieser Zauber keine Wirkung.


    Orobas war zwar eine Hohlbirne, aber in geringen Dosen waren die Gespräche mit ihm eine willkommene Abwechslung. Er hatte zwar nur wenig Interesse daran, Urako zu unterrichten, doch ließ sich wenigstens für das Beibringen einen einzigen Zauber breit schlagen:



    Aalglatt (Grad 1)


    Die Person oder der Gegenstand, auf den der Spruch gewirkt wurde, ist wie von einer öligen Schicht überzogen und entgleitet allen begierigen Händen. Wird der Zauber auf den Boden oder eine Wand gewirkt, so bildet sich auf diesem ein schmieriger Fleck, der keinen Halt bietet.


    Urako wendet diesen Zauber gern auf Kleidungsstücke an, so dass der Betroffene zB plötzlich ohne Hose dasteht. Orobas schüttelte nur den Kopf über die Verschwendung magischen Potenzials für derlei Unfug, aber Urako findet die Anwendung von Aalglatt äußerst erheiternd.

  • Die Wölfin witterte den Geruch des Wildes in der Luft, noch bevor sie es sehen konnte. Die Spur war noch frisch und das Tier konnte noch nicht lange hier entlang gegangen sein. Auch Fricai schien es wahrzunehmen und leckte sich die Lefzen.
    So teilten sich Arafis und Fricai schliesslich auf, um ihren Fang von verschiedenen Seiten anzugreifen. Die beiden jagten nicht zum ersten Mal gemeinsam, doch meistens kam ihnen nur ein Hase oder anderes Kleingetier vor die Nase. Heute jedoch schienen sie mehr Glück zu haben. Die Albin war alleine, ihr Gefährte hatte sich weitergeschlichen. Er würde die Beute direkt in ihre Richtung treiben.
    Die hellbraune Wölfin duckte sich ins Dickicht und wartete ab.


    Währenddessen schweiften ihre Gedanken ab. Sie waren nun beinahe zwei Jahre auf der Insel gefangen. Obwohl es an der Insel nicht viel auszusetzen gab, sie wirkte auf den ersten Blick wie ein kleines Paradies, wünschte sich Arafis manchmal weit weg.
    Sie konnte nicht genau definieren warum. Irgendwann hatte sie entschieden, dass es an dem vielen Wasser liegen musste, das ihre Freiheit einschränkte… oder aber an der Gesellschaft.
    Man konnte nicht behaupten, dass es mit den Tieflingen eintönig gewesen wäre, und auch die Wildlinge machten immer wieder Aufruhr. Urako war sogar immer öfters freundlich zu ihr, streichelte sie oder gab ihr eine Leckerei ab. Auch machte es ihr Spass, mit ihm zusammen zu jagen. Doch trotzdem fühlte sie sich oft eingeengt, da sie sich nicht getraute, sich zu verwandeln. Urakos Zorn würde grenzenlos sein, sobald er bemerkte, dass sie ihn auf ihre Art hinters Licht führte.
    Mit der Zeit begann sich die Albin jedoch zu verändern. Nur in kleinen Schritten und sie bemerkte es selbst kaum. Sie liess sich schneller provozieren, verteidigte ihre Beute wie nur ein Raubtier es konnte und wurde misstrauischer. Ihre tierische Seite begann langsam ihr natürliches Ich zu verdrängen. Mit Knurren und anderen Drohgebärden hielt sie die Mannschaft auf Entfernung, verteidigte ihr Revier und liess nur ihr Rudel, als das sie Fricai, Urako und auch Selan, der jedoch verschwunden blieb, anerkannt hatte, an sich heran.


    Ein Zwischenfall öffnete Arafis jedoch die Augen.
    Als sie sich einmal wieder wegen einer Banalität von Firxas provoziert fühlte, verlor die Wölfin die Beherrschung. Entsetzt bemerkte sie erst durch den Geschmack von Blut in ihrem Maul, dass sie ihre scharfen Zähne in Firxas Arm versenkt hatte. Wie vom Blitz getroffen heulte sie auf und rannte panisch und fassungslos über ihre Reaktion in den Wald davon.


    Von da an war sie alleine mit Fricai durch den Wald gestreift. Bald kannte sie alle Flussrinnsale, Höhlen und Aussichtspunkte auswendig. Sie wusste, wo man am besten jagte und zu Nahrung kam.
    Vor Allem aber hatte sie so auch wieder die Möglichkeit, in ihrer natürlichen Gestalt zu verweilen. Sie getraute sich dies nicht oft und auch nur wenn sie sicher gehen konnte, ungestört zu sein.
    Es war eine schwere Zeit für sie, denn die Wolfsgestalt war ihr in Körper und Geist eingedrungen. Es war wie eine Droge, dank der sie besser Riechen, schneller Laufen , sensibler Hören konnte und es kostete sie viel Überwindung, immer länger in ihrer natürlichen Gestalt zu verweilen.
    Als Ablenkung fand sie schliesslich zur Magie zurück. Sie hatte die Tieflinge beobachtet, wie sie Zauber wirkten, und so übte auch Arafis. Die meisten gelangen ihr nicht, nur einige kleine Tricks lernte sie schliesslich dank ihrer Nähe zur Natur zu beherrschen.


    Obgleich Arafis noch immer keine allzu grosse Sympathie für den Tiefling hegte, vermisste sie doch die Nähe der Zweibeiner.
    Sie erinnerte sich etwas wehmütig an die Abende, an denen sie neben Urako gesessen und er ihr unauffällig übers Fell gestreichelt hatte. Nur ihre Hemmungen und Vorsicht hielten sie davon ab, sich an ihn zu kuscheln, wie sie es sonst nur bei Fricai tat, um die Nähe und Vertrautheit eines anderen Lebewesens zu spüren.


    Plötzlich riss ein Geräusch sie aus ihren Gedanken. War es ein Tier? Sie schlich sich vor und blieb schliesslich abrupt hinter einigen Sträuchern geduckt stehen. Es war ein Tiefling, der da in einiger Entfernung stand, und offensichtlich eine Falle kontrollierte.
    Und die Bewegungen und die leisen Flüche, als er die Falle leer auffand, kamen ihr seltsam vertraut vor – Urako!
    Freudig konnte Arafis fast nicht widerstehen, ihn anzuspringen und ihn am liebsten freudig abzulecken. Sie widerstand dem Drang, obwohl die Erinnerungen sie zu überrollen drohten. Als jedoch Fricai enttäuscht von seiner Jagd zurückkehrte, da die Beute ihm entflohen war, bedeutete Arafis ihm, ruhig zu bleiben und sich bedeckt zu halten. Dann folgten sie dem Tiefling zurück Richtung Lager.

  • "Wird er wach?"


    "Nehmt lieber ein Messer zur Hand, vielleicht wird er uns gleich anspringen!"


    "Papa ich habe Angst, der sieht gruselig aus!"


    Schmerz. Das war das erste was Selan bemerkte. Alles an ihm stach, zog oder war taub. Für den ersten Moment war es beinahe unerträglich zu atmen. Ein Stöhnen brachte er gerade noch heraus, als der Tiefling langsam begann die Augen zu öffnen. Es musste Tag sein, dass Licht was durch ein in der Nähe befindliches Fenster drang schmerzte in seinen Augen.


    Immer wieder kniff er die Augen zusammen, doch nach und nach milderte sich der Schmerz und einzelne verwaschene Konturen waren um ihn herum zu sehen. Viele mussten es sein, sie bewegten sich, sprachen, tuschelten.
    Selan hörte nur Wortfetzen, es war eine ihm bekannte Sprache, aber war er noch zu weit in seiner Gedankenwelt, als das er den Sinn der Sätze verstehen konnte.


    Mehrere Minuten dauerte es bis Selan endlich etwas sehen konnte.


    Mühsam richtete sich Selan in seinem viel zu kleinem Bett auf. "Wer ... wer ... wer seit ihr?"


    "Ich bin Kwyez Fizzbub, der Dorfälteste und das hinter mir sind einige Dorfbewohner. Unter anderem auch diese drei da, die haben dich halb tot am Strand gefunden.", sprach der vom Leben gezeichnete alte Mann und zeigte dabei aus drei jüngere Männer, die neben dem Fenster standen.


    "Pups? Stand? Männer?", Selan verstand überhaupt nichts, sein Kopf schmerzte, seine Erinnerung war lückenhaft.


    "Was ist geschehen?"


    "Eigentlich hatten wir gehofft, dass du uns das sagst. Auf unsere kleine Insel verirren sich normalerweise wenige Leute. Woher kommst du?"


    "Insel ... Insel ...", aber natürlich. Selans Erinnerungen kamen langsam wieder zum Vorschein.


    "Sagt, befinde ich mich auf der Feuerinsel? Ist dies möglich und was macht ihr hier, ich dachte die Insel wäre unbewohnt.", sprach Selan schon wesentlich besser. Sein Geist wurde langam wach und obwohl ihm noch immer alles schmerzte und er sich hinlegen wöllte, war er doch zu neugierig als dies zu tun.


    "Ganz recht mein Junge, du bist auf der Feuerinsel und bewohnt ist sie nicht.", sprach der alte und zog aus seiner Stoffweste eine alte Pfeife heraus und steckte sie sich an.
    "Nun ja, zumindest für euch, die auf Lodranion wohnen. Dachtest du denn, nur Lodranion beherbergt Bewohner?"


    "Nein ... aber ...", stammelte Selan.


    "Hör zu Bürschchen, ich will ganz ehrlich zu dir sein. Ich bin für die Goblins hinter mir verantwortlich und ihr Dorfältester. Sie haben Angst, große Angst, seit du vor einer Woche hier angespült wurdest. Wir haben dich gepflegt und wollen dir sicherlich nichts böses. Jedoch musst du uns einige Fragen beantworten. Dies ist sehr wichtig!"


    Selan sah den alten Mann an, gerade noch war sein Gesicht weich, ruhig, als könnte ihm nichts aus der Fassung bringen. Jetzt jedoch war es von Sorgen und Ängsten gezeichnet. Seine Augen zittertenm seine Stirn runzelte sich, ihm war es also Ernst.


    "Wir sind Goblins, wie man unschwer erkennen kann und ja die Insel ist auch für euch unbewohnt. Wer würde auch schon auf einer Vulkaninsel leben wollen? Tja, wir! Warum? Ganz einfach, unsere Vorfahren sind schon vor Generationen hier hin ausgewandert. Weg vom Süden, weg vom Norden, weg von dem ganzen Sinnlosen Krieg!"


    Selan war ersaunt und hörte aufmerksam zu. "Ihr seid Flüchtlinge? Exilanten? Gibt es noch mehr von euch?"


    "Mehr als du glaubst! Seit mehreren Generationen flüchten Menschen von Lodranion. Weg wollen sie, alles hinter sich lassen. Es ist ein Geheimnis, ein Geheimnis des Friedens. Nur unter vorgehaltener Hand wird dieses weiter gegeben. Es gibt viele Orte wohin Flüchtlinge auswandern. Wir sind hier her gekommen.", sprach der Alte und nahm noch einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife, "Es gibt aber wie gesagt noch sehr viel mehr. Die meisten fliehen nach Asamura!"


    "Asamura?", Selan war erstaunt, den Namen hatte er noch nie gehört, "Asamura ist das eine Stadt oder eine Insel?"


    Der alte Mann vor ihm grinste. "Stadt, Insel? Junge, Asamura ist ein Kontinent! Weit weg von hier, weit außerhalb der Reichweite von Lodranion. Weit außerhalb der normalen Schifffahrtswege. Wenn du nicht weißt wo du hinfahren musst und einer dir nicht den Weg offenbart, würdest du lange brauchen um dieses Land zu finden."


    Selan war sprachlos, es wanderten Leute von Lodranion aus? Er war schon viel herum gekommen in seinem Leben, aber davon hörte er noch nie etwas. Es musste wirklich ein sehr gut gehütetes Geheimnis sein.


    "Warum erzähle ich dir dies? Ganz einfach. Wir wollen mit Lodranion nichts mehr zu tun haben. Sollen sie weiter ihre sinnlosen Kriege führen. Sollen sie bleiben wo sie sind! Alles war ruhig bis du hier auftauchtest. Ich habe ein gutes Gespühr für andere Personen und mein innerstes sagt mir, dass du ein guter bist. Die anderen haben Angst, dass du nur eine Vorhut sein könntest und der Krieg von Lodranion hier in unsere Heimat kommt. Vorhut, pahh ...", sprach der alte und machte eine recht abfällige Handbewegung.


    "Wie sollte ein Mann eine Vorhut sein.", grinste Selan etwas und erzählte ihm, da der alte Mann auch mit ihm offen redete seine Geschichte so gut er konnte und so gut es ihm sein Gedächtnis erlaubte. Stunden sprach man, andere Goblins in dem Raum kamen und gingen, viele blieben, vor allem die jüngeren und hörten Aufmerksam den Erzählungen Selans zu. Es wurde später Nachmittag, bis langsam etwas Ruhe in das Gespräch der beiden einzug hielt.


    "So ist das also, die Palianer ... Mhhhh, dan hast du dir aber was vorgenommen mein Nekromantenfreund. Ich kenne sie aus alten Büchern, also Beschreibungen. Unterschätze sie nicht! Sie sind bösartig, täuschen, lügen, betrügen. Falls du wirklich etwas gegen sie unternehmen willst, wäre etwas Unterstützung nötig. Aber deine Freunde haben wir leider nicht gefunden. Du warst der einzige der an Land gespühlt wurde."


    Selan schloss die Augen, Tränen liefen ihm über sein dunkelgelbes Gesicht. Sein Herz fühlte sich in diesem Moment an, als würde es zerreißen. Alle tod und er der einzig überlebende? Selan legte sich zurück in sein Bett und kniff die Augen zu. Unerträglich wurde der Schmerz des verlustes. Mit so etwas war er noch nie konfrontiert und das erste mal in seinem Leben erlebte er das Gefühl Wut, welches Selan nur sehr schwer unterdrücken konnte.


    "Ich weiß das ist schwer für dich. Wir lassen dich vielleicht jetzt besser erst einmal in Ruhe. Wenn du etwas brauchst, du bist unser Gast, frag einfach und dir wird geholfen."


    Die nächsten zwei Jahre ...


    Die nächsten zwei Jahre vergingen wie im Flug. Selan hatte nach der Kunde des Todes viele Wochen kaum die Hütte verlassen. Er war abgemagert und geschwächt, kaum nahm er noch Essen und Trinken zu sich. Viele der Dorfbewohner sorten sich um ihn, konnten ihm mit Mühe dazu überreden wenigstens so viel zu Essen und zu Trinken, dass er nicht starb.


    Selan war etwas wie eine Attraktion im Dorf. Nur einige der Ältesten hatten bisher andere Völker gesehen und Selan sah nun wirklich sehr anders aus, als die Goblins. Überragte sie auch fast um einen Meter. Er war ein warer Riese für sie.


    Die Zeit verging und Selan schöpfte wieder neuen Lebensmut, er hatte eine Aufgabe, die Palianer auf zu halten. Selan lernte in dieser Zeit viel von den Bewohnern. Von Angeln über Jagen, bis hin zum Gartenanbau. Zum Handwerker würde es wohl nie reichen, dafür stellte sich Selan einfach zu ungeschickt an, aber für das nötigste reichte es schon aus.


    Das wichtigste waren für ihn aber die Schriftrollen. Er war erstaunt, dass der Dorfälteste Schritrollen besaß und nicht gerade wenige. Wie er erzählte sind die Gewässer weit um die Insel herum sehr tückisch. Immer wieder laufen Schiffe auf Felsen mitten im Wasser auf. Auch ein Grund, warum hier nur Goblins die Insel betreten. Nur wenige kennen sich mit den Gewässern um die Insel herum aus.
    Selan durchstöbrte eine Rolle nach der anderen, sogar Zauberrollen fand er im Funduss des Ältesten. So kam es auch dazu, dass Selan seine Magiebegabung um einiges hinzu fügen konnte.


    Das zweit wichtigste war für Selan jedoch von der Insel zu verschwinden und nach den Palianern zu suchen. Ein Schiff brächte er und auch eine Mannschaft. Denn allein auf hoher See würde er es nicht schaffen zu überleben. Leider war kein Goblin bereit ihn zu helfen, drum hatte er den Gedanken schon fast aufgegeben, jemals wieder von dieser Insel zu verschwinden.


    Eines Tages ...


    An einem frühen Morgen wachte Selan durch Schreie auf. Kindergeschrei! Selan schnellte auf und rannte aus seinem Haus. Ein Kind kam durch das Dorf gerannt und konnte erst von seinem Vater mitten auf dem Dorfplatz beruhigt werden.


    Nach einigen Minuten und den beruhigenden Worten des Vaters offenbarte das Kind, warum es so schrie. Der kleine Junge hatte unerlaubter weise den Schützenden Bereich der Bucht, in der sie lebten verlassen und sich ins Landesinnere gewagt.


    Für Selan nichts ungewöhnliches. Er hatte schon Wochen damit zu gebracht sich durch den Jungel und die in der mitte befindliche Geröll und Lavawüste zu kämpfen. Lavaströme machten es bisher jedoch nicht möglich auf die andere Seite der Insel zu kommen.


    Bis jetzt, denn wie der junge Goblin erzählte, hätte sich an einer Stelle die Lava verfestigt und seih abgekühlt, so dass man über sie laufen und die andere Seite der Insel erreichen würde. Voller Trauer, Angst und Tränen erzählte der kleine Kerl, dass er unheimliche Gestalten auf der anderen Seite gesehen hätte. Große Tiere mit Pelz, einem wesen mit einer hellroten Farbe, was garstig geschaut hätte und noch andere grobe und böse blickende Gestalten.


    Selan hielt es nicht und rannte zu dem kleinen Jungen und bat ihm ihn genau zu erzählen, wo sich die Lava verfestigt hätte und wo er die Gestalten sah. Die Beschreibung des kleinen Jungen war gut, Selan kannte die Stelle. Sie war kurz hinter seiner liebsten stelle zum Jagen, in der Nähe eines Wasserfalls.


    Der Tiefling rannte sofort aus dem Dorf. Er musste deisem Hinweis nach gehen, waren seine neuen Freunde in Gefahr? Waren Leute von Lodranion hier, Palianer oder war es eine Armee die hier ankerte? Fremde Gestalten, wer konnten dies nur ein? Die Dorfbewohner waren in Panik, wild wurde herum gesprochen, es wurde von Flucht und weiteren Ideen geredet. Doch Selan bekam davon nur wenig mit, zu schnell war er aus dem Dorf verschwunden.


    In windes Eile rannte Selan durch den Wald, durch die Geröllwüste. Immer wieder musste er Pauese machen, war doch die Insel nicht gerade klein. Er fand die Stelle die sich verfestigt hatte und rannte schnur stracks darüber. Einen Gedanken, dass die dünen Kruste vielleicht einbrechen konnte, hatte er in diesem Moment nicht. Zu groß war die Sorge, dass seinen Freunden etwas passieren könnte. Er musste auf Nummer sicher gehen. Hatte sich der kleine Junge vielleicht geirrt?


    Der Tiefling hastete durch den Wald und nur wenige Augenblicke später musste Selan einsehen, dass der Goblinjunge sich nicht irrte. Rauch am anderen Ende der Insel, mehrere und er ahnte es schon. Lagerfeuer ...


    Es dauerte noch einmal eine halbe Stunde bis Selan den Wald an der anderen Seite der Geröllwüste erreichte und noch einmal eine ganze weile Länger bis er das Rauschen des Meeres hörte. Selan wurde langsamer und schlich sich heran. Da war es! Ein Lager und wie er sagte trieben finstere Gestalten ihr unwesen.


    Nach einer Armee sah dies nicht aus. Überall Unrat, ein Fleck der Unordnung, zusammen gezimmerte Hütten und ...


    Selan traute seinen Augen nicht! War dies dort ncht Firxas und sah der andere nicht aus wie Urako?


    Der Tiefling wusste nicht wie ihm zu mute war. Freude, Trauer, Hass, welches Gefühl würde die Oberhand gewinnen? Sollte er zu ihnen gehn? Nein! Urako war nun auf der feindlichen Seite und Firxas war auch ein Anhänger Palions. Das bedeutete Gefahr, Gefahr für seine neuen Freunde, er musste sich schnell etwas einfallen lassen.


    Langsam verschwand Selan hinter dem großen Stein, hinter dem er lauerte und drehte sich um. Gerade als er gehen wollte, blieb er mit dem Fuß in einer Wurzel hängen und stürzte ins Gebüsch. Schnell war der Fuß befreit, doch hatte man ihn bereits gehört?

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • Sein Magen knurrte. Und daran würde sich auch so schnell nichts ändern. „Verdammter Drecksalbendreck!“ Mit dem Fuß beförderte Urako Erde und Laub in Richtung der Schlingfalle, in die dadurch jedoch auch kein Kaninchen hineingezaubert wurde. Seit Firxas Töli ermordet hatte, wollte Urako kaum eine Jagd mehr gelingen. Ihm fehlte ihre gute Nase, die ihm zuverlässig jene Stellen angezeigt hatte, wo das Wild verkehrte. Ohne sie konnte er nur raten und darin war er verdammt schlecht.


    Mit mürrischem Blick machte er sich auf den Weg ins Dorf. Heute würde es wieder Wurzelgemüse geben, so wie immer. Da trug ihm der Wind den Geruch von Hund in die Nase. Urako fuhr herum. Und da ging sie, trottete hinter ihm her, als wäre nichts gewesen.


    Töli.
    Sein Gesicht erhellte sich.
    Töli.
    Es wurde finsterer denn je.

    „Du blödes Scheißvieh“
    , wetterte er. Sein Kopf verfärbte sich auf der Stelle dunkelrosa. „Ich dachte, Firxas hat dich abgenickt, weil du an seinem pickligen Schwabbelarm geknabbert hast! Hah, von wegen, hast dich schön vor der Jagd gedrückt!“ Seine Stimme wurde immer lauter, je mehr er sich in Rage redete. „Hast du eine Ahnung, was für Hunger ich habe? Schau mich an. Schau! Mich! An!“ Er tippte mit dem Finger auf seine Brust. „Hungrig und verlassen, du treuloser Köter! Und hier, sieh dir auch DAS an!“


    Er zog den stacheligen pinken Stein aus seiner Hosentasche, an dessen Spitzen angetrocknetes Blut klebte, hielt ihn vor die schwarze Hundenase und gleichzeitig die geöffnete Handfläche seiner freien Hand daneben. In der Hornhaut klafften lauter Wunden unterschiedlichen Alters, wie Einstiche, dazwischen sehr viele Narben. „Den blöden Stein habe ich verdammt oft gebraucht! Bis du weggelaufen bist, hatte ich so was wie Ansehen, Ehre, weil ich der beste Jäger war. Und jetzt? Jetzt bin ich für alle wieder bloß der Henker. Der Henker, als ob ich keinen Namen hätte!“


    Die letzten Worte brüllte er quer durch den Wald, als wolle er auf diese Weise all seine Schande von sich schreien. Er wollte Töli packen, sie schlagen für ihre Treulosigkeit und das Fell über die Ohren ziehen für ihren Verrat, um daraus ein Sitzpolster für sein Plumsklo zu machen. Doch wenn er sie jetzt totprügelte – dann wäre sie wirklich für immer fort. Und irgendetwas tief in ihm wollte das nicht. Natürlich nicht, immerhin hing das einzige Fünkchen Ansehen, was er je in der Reisetruppe genossen hatte, an ihrer guten Nase. Zumindest redete er sich ein, dass es daran lag.


    Er schnaufte, es sollte ein tiefes Durchatmen sein, um sich wieder zu beruhigen, doch es klang eher wie ein Stier kurz vor dem Angriff. Er schob mit der vor Wut zitternden Hand den Stein wieder in seine Hosentasche und richtete drohend die Klaue seines Zeigefingers zwischen Tölis Augen. „Damit das klar ist“, sagte er, „du läufst mir kein zweites Mal davon. Du! Bleibst! Bei! Mir! Du bist mein Hund, mein Eigentum! Meine!“


    Meine Töli.


    Abrupt drehte er sich um und marschierte in Richtung des hässlichen Dorfes, wobei er sorgsamst darauf achtete, die Pfoten der Hündin hinter sich in dem raschelnden Laub zu hören. Nerviges Laub, lange vertrocknete Palmenblätter, manchmal so groß, dass man darüber stolperte, wie über ein gestelltes Schienbein. Alles hier war nervig!


    Im Dorf erwartete sie schon Firxas. Er grinste Urako dümmlich zu und sah aus, als ob er ein Begrüßungsküsschen erwartete. Seine Glatze hatte eine Delle, wo der Henker ihm eine Melone über den Schädel gezogen hatte. In Urakos Vorstellung hatte Firxas die Hündin in einen Sack gesteckt und ertränkt, egal, wie oft er das Gegenteil beteuerte. Zwei Tage lang hatte Urako anschließend gesoffen und gewütet, bis es den Tieflingen gelungen war, ihn festzubinden. Nach zwei weiteren Tagen hatte er sich immerhin so weit beruhigt, dass sie ihn wieder losbinden konnten. Urako hatte Firxas lautstark, so dass das gesamte Dorf es hörte, die Trennung verkündet und ihn offiziell zu einem verlogenen Stück Scheiße erklärt. Dann war er Pilze sammeln gegangen.


    Nun stand Firxas da und grinste ihn an mit seinen spitzen gelben Zähnen. Vielleicht erwartete er, dass Urako ihm heulend um den Hals fiel, um Vergebung flehte und die Trennung rückgängig machte, jetzt, wo bewiesen war, dass Töli noch am Leben war. Doch bevor Urako eine verletzende Bemerkung machen konnte, hörte er ein dumpfes Poltern zu seiner Rechten.


    Mit einem Satz sprang er auf den großen Stein und blickte dahinter, wo sich jemand im Dreck sulte.


    „Selan?“ Seine Stimme war erstaunt, doch wenig erfreut. Noch ein Treuloser, der sich davongestohlen hatte!

  • Nachdem Arafis Urako’s Getobe hatte über sich ergehen lassen, bekam sie den Anflug eines schlechten Gewissens. Vor Allem als sie den blutbesudelten Stein erkannte, den sie ihm ganz zu Anfang ihrer Reise einmal geschenkt hatte, mehr aus Spass, als dass sie dachte, er würde ihn behalten oder sogar dazu nutzen, seinen Frust abzureagieren.
    Als sie jedoch erkannte, dass er in erster Linie um seinen guten Ruf bei den anderen Gestrandeten besorgt zu sein schien, verpuffte ihr Mitleid.
    Ein Henker, das war er, und nichts anderes. Einen Moment hatte sie sogar das Gefühl, dass diese Seite in ihm just zum Ausbruch kommen könnte, denn sie spürte die aggressive und wutgeladene Stimmung, welche ihn wie eine dicke undurchdringliche Wolke umgab.
    Schliesslich beherrschte Urako sich jedoch und drohte ihr stattdessen vorerst nur mit Worten.


    Während sie zum Lager zurückmarschierten, Urako legte einen zackigen Schritt vor, so dass sie hinter ihm hertraben musste, ging sie in Gedanken die letzten Erinnerungen an die Tieflinge durch.
    Meistens war sie nicht gross beachtet worden, doch manchmal hatten sich einige der dreisteren Tieflinge oder Matrosen einen Spass daraus gemacht, sie zu provozieren. Anfangs hatte sie es mit einem verächtlichen Blick über sich ergehen lassen, doch je mehr Zeit verging und je mehr die Wölfin in ihr das wahre Ich verdrängte, desto schneller war sie zu reizen. Was Firxas schliesslich eine ungemütliche Bissverletzung am Arm eingebracht hatte.


    Im selben Moment blieb Urako stehen und Arafis wäre beinahe in ihn geprallt. Einige Schritte entfernt stand tatsächlich Firxas und grinste über beide Ohren. Arafis spürte sofort wieder die Wut, welche sie damals veranlasst hatte, ihn anzugreifen. Sie fletschte die Zähne und fühlte sich plötzlich wieder mehr als Wölfin, denn als Albin. Bevor ihre Instinkte jedoch mit ihr durchgehen konnten, vernahm sie ein Geräusch in der Nähe. Noch bevor sie darauf reagieren konnte, sprang Urako bereits vor auf einen Stein und starrte zuerst bedrohlich, dann überrascht, und schliesslich verärgert hinab. „Selan?“, hörte Arafis seine etwas krächzig anmutende Stimme fragen.
    Selan? Irgendwie kam ihr der Klang dieses Wortes bekannt vor… doch sie konnte sich nicht erinnern…
    Neugierig sprang sie um den Felsbrocken herum und fand sich Auge in Auge mit einem etwas zerzausten Tiefling wieder. Sein Gewand war schmutzig, überall hatten sich Blätter und feine Zweige in seiner Kleidung verfangen und er hatte einen etwas gehetzten Blick, als wäre er vor etwas oder jemandem auf der Flucht. Er schien sich zu fürchten.
    Einen ganz winzigen Moment meinte sie, ein Gefühl des Erkennens zu verspüren. Gleich war es jedoch wieder verschwunden und sie schüttelte sich abrupt, um die Empfindung zu verdrängen.


    Arafis hatte einige Zeit mit Urako verbracht und sie hatte gelernt, die kleinsten Anzeichen seines Verhaltens zu deuten. Seine Haltung drückte Misstrauen aus und Enttäuschung. In seinen Augen blitzte einen Moment lang Erstaunen auf, das dann einer lange unterdrückten Wut wich. Sofort sträubte sich das Fell der Wölfin und ihr wildes Ich hätte den Eindringling am liebsten vertrieben. Stattdessen verharrte sie in ihrer Abwehrhaltung.
    Ihr vernünftiges Wesen hielt sie zurück. Aus welchem Grund, konnte sie in diesem Augenblick nicht erkennen und innerlich sträubte sich das Wildtier dagegen, wollte sich aus Loyalität zu Urako auf den Störenfried stürzen.
    Doch da Arafis in der Wildnis viel Zeit in ihrer natürlichen Gestalt verbracht hatte, hatte sie auch gelernt, sich wieder zu beherrschen. Es war zwar oft eine Gratwanderung, doch sie wollte keinesfalls nochmals jemanden anfallen.


    Dass die am Boden kauernde Gestalt vor ihr Selan war, dass sie mit ihm durch die Welt gereist war, daran erinnerte sie sich nicht.
    Auch Firxas schien keinen blassen Schimmer zu haben, wer dieser Tiefling sei. Er kam um den Felsen gestapft und schien etwas eingeschnappt zu sein, dass er Urako’s Aufmerksamkeit so schnell wieder verloren hatte. Nun suchte er sich ein Opfer, um den Frust abzulassen – und der am Boden geduckte Tiefling kam ihm gerade Recht!
    „Wen hab’n wir denn da?! Was bis’n Du fürn Waldheini?“, naserümpfend näherte er sich Selan und stiess ihm nicht gerade sanft einen seiner miefenden Füsse in die Seite. „Vielleicht einer dieser Kannibalentrottel? Den richtigen Gestank würdest ja schonmal mitbringen!“
    Er grinste Erfolg heischend zu Urako hinüber. „Und überhaupt… was willst’n hier?! Bestimmt unsere Beute klauen, hä? Oder uns ausspionieren? Aber daraus wird nix Waldheini! Wir werden Dich höchstens an die Hunde verfüttern!“ Damit blickte er kurz zu Arafis und Fricai hin, welche nun beide in der Nähe waren. Offensichtlich wollte er mit seinem Gehabe Urako imponieren, und seinen guten Willen zeigen, indem er das arme Opfer Urako’s Tölen zum Frass vorwerfen wollte.

  • Andächtig betrachte Selan das Muskelpaket vor sich. Kräftig sah er aus, ein Schläger der übelsten Sorte, wie er vermutete. Er kannte solche Personen leider zur genüge. Wo er mit seinem Wagen auch ankam, überall gab es Muskelpakete, die Streit suchtend.
    Meistens hatten sie auch einen, für Selan unangenehmen Geruch, waren schlecht gewaschen und rochen immer nach Knoblauch aus dem Mund. Es musste ein Scherz der Götter sein, dass es solche Personen wohl überall auf der Welt gab, ging Selan durch den Kopf, während er einen Stoß gegen den Oberkörper vernahm.


    „Wen hab’n wir denn da?! Was bis’n Du fürn Waldheini? Vielleicht einer dieser Kannibalentrottel? Den richtigen Gestank würdest ja schonmal mitbringen!“
    Er grinste Erfolg heischend zu Urako hinüber. „Und überhaupt… was willst’n hier?! Bestimmt unsere Beute klauen, hä? Oder uns ausspionieren? Aber daraus wird nix Waldheini! Wir werden Dich höchstens an die Hunde verfüttern!“


    "Guter Mann, ich verbitte mir über die Goblins in so einem Ton zu reden. Es stind anständige, strebsame und wohlerzogene Leute!", entgegnete Selan, während er sofort wieder zu Urako schaute. Was machte er hier? War er nicht schon vor Jahren zu Palion aufgebrochen? Oder? Nein, er war auch auf dem Unglücksschiff und ja. Einige dieser Personen hier, erkennt er auch vom Schiff wieder. Selan bekam Kopfschmerzen, ganz waren seine Erinnerungen immer noch nicht zurück gekommen.


    "He, was schaust du so zu ihm? Finger weg, besetzt!", muffte er Selan und und blinzelte Urako kurz zu.


    "Und was nun, hats dir die Sprache verschlagen oder was ist mit dir. Kleiner gelber stinker rede oder ich werd ungemütlich!", brüllte er Selan mittlerweile an, während er mit der Faust drohte.


    "Bitte, ich möchte mit dem Herrn da hinten reden.", sprach Selan während er auf Urako zeigte.


    "Du willst mit meinem General Pink-Puschel reden, warum?", zwinkerte er Selan abermas zu.


    "Ich muss mit ihm sprechen, bitte lassen sie mich durch.", versuchte sich Selan an dem riesen vorbei zu schlängeln.


    Schneller, als man es von so einem Paket Fleisch erwarten könnte, packte er Selan.
    "Hier geblieben, du bist mein persönlicher Gefangener. Mal sehen ob dich ein paar Tage ohne Nahrung und Wasser redseeliger machen."


    Hörte Selan noch, bevor er einen dumpfen Schmerz am Kopf verspührte und zusammen brach.

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • Als Firxas sich vorbeugte, um Selan fertig zu machen, rutschte seine Hose ein Stück nach unten und Urako nutzte die Gelegenheit, seinen Hintern zu begutachten. Gar nicht übel. Ihm gefiel der Hüftspeck, der über den Gürtel quoll und er erinnerte sich an das feine Muster von Wachstumsnarben, das er einst mit den Klauen nachgezogen hatte, bis sie glühten. Prompt bekam er eine Gänsehaut.


    Vielleicht sollte er das mit der Trennung doch nicht allzu Ernst nehmen. Trennung musste schließlich nicht bedeuten, dass man nicht mehr miteinander intim wurde. Immerhin war die Auswahl an Partnern hier auf der Insel sehr begrenzt. Noch begrenzter war die Anzahl derer, die sich für den chronisch miesgelaunten - und obendrein männlichen - Henker interessierten. Genau genommen beschränkte sich der Kreis seiner Interessenten auf eine einzige Person und die beugte sich vor ihm gerade in verlockender Weise nach vorn.


    Urakos Aufmerksamkeit wurde durch eine ruckartige Bewegung von Firxas wieder in höhere Bereiche gelenkt. Firxas hatte Selan eine verpasst, die sich gewaschen hatte, denn der gute Mann lag schielend und bewusstlos im Laub. Urako stemmte die Hände in die Hüften und lachte.


    "Saubere Arbeit, so einen Schlag hätte ich einem Schwabbel wie dir gar nicht zugetraut." Das beim Lachen sichtbare Zahnfleisch, das Firxas vor gut zwei Jahren mit einem Fausthieb von seinen Zähnen befreit hatte, verriet sehr deutlich, dass Urako es eigentlich besser hätte wissen müssen.


    Firxas jedoch freute sich, dass Urako wieder in gut gelauntem Tonfall mit ihm redete, auch wenn er ihn gerade als Schwabbel bezeichnet hatte und grinste triumphierend. Er packte Selan bei den Fußknöcheln und zog ihn ins Dorf, wobei der Kopf des Bewusstlosen über das erst vor zwei Wochen verlegte Natursteinpflaster hoppelte.


    Urako folgte ihm in kurzem Abstand. "Töli, Fuß!", kommandierte er. "Und lass mir ja meinen Specki in Ruhe." Firxas hatte als einziger auf der Insel zugenommen. Urako gefiel das und er ging die ganze Zeit hinter ihm, um etwas zu gucken zu haben. Im Dorf angelangt, bog er schließlich etwas schwermütig in einen anderen Weg ein, um Töli ihr neues Quartier zu zeigen, während Firxas mit Selan davon stapfte.


    "Hier. Das habe ich gebaut, damit du auch bei Regen draußen liegen kannst."
    Urako wies auf eine geräumige Hundehütte, die so schief war, dass nur einer hier im Dorf sie gezimmert haben konnte. Ihr Dach war mit geflochtenen Palmenblättern gegen den Regen geschützt und im Inneren fand sich ein Polster aus dickem Fell, liebevoll zu einem Nestchen arrangiert. Eine stabile hölzerne Öse samt dicker, geflochtener Lederschnur prangte neben dem Eingang. Diese Konstruktion hätte einen Bären aufgehalten.


    "Sogar der andere Köter passt mit hinein. Ich hab die Hundehütte gezimmert in der Zeit als du weg warst. Ich dachte ja anfangs, dass du irgendwann wiederkommst. " Er funkelte sie feindselig an. "Bis du meine Hoffnung zerstreut hast. Aber das passiert mir kein zweites Mal. Tagsüber, wenn ich schlafe und dich nicht im Auge behalten kann, kommst du fortan an die Leine."


    Er trat in seine eigene Hütte, an deren Seite Tölis neue Schlafstatt sich befand, und ging zum Vorratsregal. Er nahm die Schädeldecke eines an Wundbrand verstorbenen Matrosen heraus, die er zur Schüssel umfunktioniert hatte und füllte die Reste seines gestrigen Morgenbrotes hinein - gekochte Wurzeln und Pilze. Er stellte es Töli hin, obwohl ihm selber der Magen knurrte, doch er wollte nicht, dass sie wieder fort lief, um sich selbst etwas zu jagen. Nein, er wollte, dass sie im Dorf blieb, hier bei ihm. Im Vorbeigehen ließ er seine Fingerspitzen ihren Rücken entlang streifen, als ob er sie nur zufällig berührt hätte, während er wieder zum Ausgang ging.


    Er wollte nachsehen, was Firxas mit seiner neuen Errungenschaft trieb. Er fand ihn, wie er den Bewusstlosen stümperhaft fesselte.


    "Lass mal einen Fachmann ran", posaunte Urako, schob ihn zur Seite und löste die Knoten, um sie neu zu legen. So wie Selan bis gerade eben gefesselt war, würden ihm in kürzester Zeit die Hände und Füße absterben. Urako musste sich beeilen, denn Selan begann sich wieder zu regen und stöhnend den Kopf hin und her zu rollen.

  • Arafis hatte Fricai das Futter überlassen. Während er hungrig den Schädel bis auf den letzten Resten ausleckte, begutachtete sie neugierig ihre neue Schlafstätte. Obwohl sie etwas schief stand, hatte sich Urako offensichtlich Mühe gegeben. Das Dach war gut gedeckt und die Wände schienen stabil zu sein, solange nicht gerade ein heftiger Sturm über die Insel fegte.
    Was die Albin jedoch am meisten erstaunte und freute, waren die dicken Felle, welche den Boden bedeckten. Sie betrat zögerlich das warme Nest und fühle sich sofort wohl darin. Und Urako hatte nicht zu viel versprochen, die Hütte bot Platz für zwei Bewohner.


    Die Wölfin liess sich auf dem weichen Bett nieder und legte ihren Kopf zwischen die Pfoten. Sie hatte von hier aus einen guten Überblick und hatte einen grossen Teil des Dorfes in ihrem Blickfeld. Fricai leckte sich zufrieden über die Lefzen. Er blickte sie fragend an und schnupperte am Eingang der Hundehütte. Arafis gab ihm die Erlaubnis, und schon legte sich der Rüde neben sie in die Wolfshöhle, wie die Albin die neue Unterkunft insgeheim nennen würde.
    In der Wildnis hatten sie auch in Höhlen geschlafen. Dort war es jedoch oft feucht gewesen und der Untergrund hart. Die Wölfin in ihr hatte dies nicht gross gestört, doch die Albin hatte sich nie so ganz daran gewöhnen können. Auch hatten sie dauernd aufpassen müssen, nicht von Wildlingen aufgespürt zu werden, die ihnen ihre Pelze wiederrum bestimmt gerne abgezogen hätten.
    Umso mehr genoss sie nun den Luxus von Behaglichkeit.


    Bald hörte sie das gleichmässige Schnaufen von ihrem Begleiter, der eingedöst war. Auch Arafis bemerkte, wie Schläfrigkeit sie überkam. Sie schloss die Augen, und liess sich von ihren Sinnen forttragen.
    Leise Gespräche, das Rattern der Bauarbeiten, das Gekrächze eines Matrosen, der sich im Gesang versuchte, sowie das Klappern von Töpfen drang gepaart mit dem sanften Klang der Wellen nur noch wie ein Rauschen an ihre Ohren. Langsam driftete die Albin ab und begann in Erinnerungen zu schweben, zu träumen.


    Sie stand einem Wolf gegenüber. Er war riesig, überragte sie um Weiten. Sie erkannte, wie sich seine Muskeln unter dem Fell abhoben. Sein weisses Fell schimmerte im Licht und die Blätter der Bäume warfen ein mystisches Muster auf seinen Pelz. Seine Augen leuchteten und zeugten von einer Intelligenz, welche die normaler Tiere überragte. Arafis war erfüllt von Ehrfurcht.
    Als das Wesen jedoch plötzlich mit einem riesen Sprung auf sie zusetzte, sie seine Fänge bereits aufblitzen sah und sich ihre Augen vor Schreck weiteten, wandelte sich der Traum.
    Sie stand auf einer Lichtung. Vor ihren Augen stieg Rauch auf. Aus einem Dorf. Aus ihrem Dorf.
    Tränen rannen über ihr Gesicht, dann hörte sie die Stimme ihres Lehrers: „Lauf junge Druidin, lauf! Deine Familie lebt, bringe dich in Sicherheit. Die Elanier greifen an!“… und sie rannte…
    Sie fand sich in einer Wüste wieder. Die Sonne brannte auf sie nieder. Der schwarze Fleck neben ihr musste Fricai sein. Hitze, unglaubliche Hitze. Und solcher Durst, dann wurde alles schwarz.
    Doch der Traum ging weiter. Eine junge Elfe hielt ihr eine Flasche mit Flüssigkeit an die Lippen. Dankbar nahm sie es entgegen. Sie spürte beinahe ihren trockenen Mund und wie das Wasser ihr neue Energie gab. Sie wollte die Frau umarmen, sie war zu ihrer Freundin geworden. Doch als sie ihre Arme um sie schloss, fiel sie in sich zusammen. Ihr Körper sackte zusammen, fühlte sich kalt an. Und Arafis starrte in die leblosen Augen. Ihr eigener Schrei ging im bösen Gelächter eines Tieflings unter. Urako.
    Und wieder rannte sie…
    Sie beobachtete, wie Urako mit einem anderen Tiefling unterwegs war. Und plötzlich – war sie Teil dieser Gefährten. Sie trank zusammen mit dem einen Tee, stritt sich mit dem anderen. Sie spürte panische Angst, als sie sich in einem Tempel wiederfand, von Flammen umgeben. Dann war sie wieder eine braune Wölfin, welche in unbeobachteten Momenten von Urako gestreichelt wurde.
    Der Traum wurde immer verworrener. Es wechselten sich stetig Bilder aus der Perspektive der Wölfin und der Albin, vermischten sich schliesslich.
    Immer wieder tauchte auch Selans freundliches Gesicht auf, doch sie konnte ihn nicht richtig zuordnen. Immer wenn ihre Erinnerung ihn zu erfassen schien, wurde er von einem anderen Bild verdrängt.
    Unruhig wälzte sich Arafis hin und her.


    Sie wurde von einem besorgten Knabbern an ihren Ohren geweckt. Fricai sass ganz nah bei ihr. Sie spürte seinen warmen Körper und genoss seine Nähe. Trotzdem konnte sie sich nicht mehr so schnell beruhigen. Sie versuchte die Bilder aus ihrem Traum festzuhalten. Der weisse Wolf… er hatte ihr gezeigt, welche Gestalt in ihrem Innern schlummerte. Durch ihn war sie erst zu einer Druidin geworden. Doch sie musste aufpassen, dass die Wölfin nicht die Kontrolle übernahm. Sie musste einen Weg finden, sich zu wandeln, auch wenn Urako nun vermehrt ein Auge auf sie haben würde.
    Urako… wo er wohl steckte? Und was hatte es mit diesem grünen Tiefling auf sich?
    Arafis beschloss, sich im Dorf umzusehen. Vielleicht würde sie einen Ort finden, wo sie sich ungestört Wandeln könnte. Sie wollte ihre Umgebung erkunden und eventuell auch das Geheimnis um den Eindringling lüften.
    Sie schüttelte die Müdigkeit ab und stupste Fricai liebevoll an. Er liess sich beruhigt nieder. Er würde hier bleiben, jedoch immer einen wachsamen Blick behalten.


    Arafis blickte sich um. Schliesslich trottete sie in die Richtung los, in die auch Urako verschwunden war, und wo sich noch seine Fährte riechen konnte. Dabei betrachtete sie, was die Tieflinge in den zwei Jahren hier erschaffen hatten. Pflastersteine bildeten einen unebenen Weg und einen Platz, aus welchem überall Unkraut hervorwucherte. Die Häuser waren alle selbstgezimmert, doch keines war so schief geworden, wie das von ihrem Urakoli. Wäre es möglich gewesen, hätte sie bei dem Anblick gelächelt.
    Stattdessen lief sie weiter. Die ehemaligen Matrosen beachteten sie kaum. Entweder hatten sie einfach kein Interesse oder ihr Hirn war zu vernebelt von den Pilzen, welche sie dauernd kauten, um sie überhaupt wahrzunehmen.
    Sie konnte die Männer schon aus grösserer Entfernung riechen. Tägliches Waschen schien nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen zu gehören. Die Kleider müffelten und verdeckten nur mehr dürftig die braun gebrannten Körper. Die meisten hatten lange, verfilzte Bärte und zottelige Haare oder hatten sich selbst mit einfachen Messern ihre Frisuren notdürftig zurechtgestutzt.
    Belustigt dachte Arafis an Urakos weiss-rosa Haut. Er würde wohl eher einem Krebs gleichen, als jemals braun zu werden. Dafür schien er mit seinen Zahnstummeln nicht mehr gross aufzufallen, denn die meisten hier hatten angefaulte Zähne, wohl auch eine Folge der Pilze.


    Plötzlich meinte Arafis Urako zu entdecken. Er entfernte sich gerade zusammen mit Firxas, welcher ihm bewundernde und ekelhafterweise auch lüsterne Blick zuwarf von einer Hütte etwas abseits. Arafis überlegte einen Moment lang, den beiden nachzulaufen, doch dann vernahm sie ein Stöhnen aus der Hütte. Das musste wohl der Gefangene sein. Offensichtlich war er wach geworden. Arafis wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte und was Urako und Firxas in dieser Zeit wohl mit ihm angestellt haben mochten.
    Doch sie war neugierig und wollte wissen, wer der Fremde war, und warum er in ihren Erinnerungen erschien.
    Als die beiden Tieflinge nicht mehr in Sichtweite waren, ging sie auf leisen Pfoten zu der Hütte, welche wohl als Gefängnis diente.
    Als Tür war notdürftig ein Lederfetzen befestigt worden. Doch als sie sich hindurchgezwängt hatte und auf den Gefangenen blickte, war sie überzeugt davon, dass der arme Kerl mit diesen Fesseln keine Chance hatte, zu entfliehen.
    Trotzdem war sie überzeugt, dass Urako einen Gefängniswächter engagieren würde, sobald er jemand passendes gefunden hätte.
    Als sie Selan so betrachtete, kamen jedoch keine Erinnerungen in ihr hoch. Er hatte blaue Flecken von Firxas grober Behandlung und schien noch ganz benommen zu sein. Auch sein Geruch war ein anderer geworden und der Teeduft, der vielleicht vertraute Gefühle hervorgerufen hätte, fehlte.
    So starrte Arafis ihn bloss gedankenverloren an und wartete auf eine Reaktion, ob von ihm oder von ihr selbst konnte sich nicht recht sagen.

  • Ein weiterer dumpfer Schmerz in Selans Leben lösten die gerade noch feinen Tee reichen und lieblichen Träume Selans ab. Die letzte Monate, seit dem Besuch seiner Heimat, musste Selan so einiges ein stecken. Schläge, Tritte, Angriffe und noch viel mehr, aber woher kam dieser Schlag?


    War der Satz noch nicht zu Ende gedacht, viel Selan auch gleich der Grund ein. Urako! Dazu ein anderer Tiefling, der ihn nieder geschlagen hatte. Aber wieso tat er das? Natürlich hatte Selan ihr Lager ungefragt betreten, aber hätte man nicht auch erst einmal mit einander reden können, anstatt gleich die Fäuste sprechen zu lassen?


    Langsam öffnete Selan seine Augen. Vor ihm waren in einer dunklen Hütte zwei Gestalten, die irgend eifrig etwas machten. Modriger Geruch war das zweite was Selan bemerkte. Eindeutig kein Geruch, der einer Tee verwöhnte Nase würdig war!
    Selan versuchte zu erkennen, was die beiden Personen machten und woher der Geruch kam, um sich zumindest etwas davon distanzieren zu können. Nur schwer war zu erahnen woher der Geruch kam. Von den Gestalten oder der Hütte selbst? Im fahlen Licht erkannte Selan, nach dem sich seine Benommenheit etwas gelichtet hatte die Gestalten sehr schnelle. Auch was sie taten, war unschwer zu erkennen und was sie taten, gefiel Selan ganz und gar nicht.


    "Urako! Was machst du da? Und wer sind sie da? Warum fesseln sie mich? Einen Grund gibt es dafür wohl erst gar nicht. Natürlich bin ich ungefragt in ihr Lager eingetreten, aber wo hätte ich mich denn melden sollen? Ist eine Fesslung denn da gleich erforderlich oder zwingend notwendig? Zivilisierte Gespräche führt man bei gutem Tee und Keksen an einem ordentlich gedankten Tisch. Ich habe da noch ein paar auserlesene Sorten, ich könnte sie eiligst holen und dann setzen wir uns zusammen und bereden alle Probleme. Das wäre doch eine gute Idee, nicht wahr? So etwas ist hier doch komplett unnötig, gehen wir doch zu dem lieber ins freie, hier ist es doch Nass und kalt. Dazu riecht es hier ..."


    Stockte Selan plötzlich, als er beim Armheben des kräftigen Tieflings eine Übelkeit verspürte, jetzt wusste er, woher der beißende Geruch kam.


    "Ich muss schon sehr bitten mein Herr, machen sie bitte sofort die Fesseln wieder los. Zudem würde ihnen auch ein Bad gut tun, mein bester. Auch wenn wir auf einer Insel sind, Hygiene ist das A und O des überlebens, zudem ist es unschicklich so zu riechen!"


    Schnaufend blickte Firxas Selan an. "Ruhe du halbes Hemd! Sonst war das vorhin nicht der letzte Schlag auf die gut gekämmte Frisur von dir! Und wart nur ab, wenn du weiter so frech bist, macht mein kleiner Puschel hier gleich mit!"


    >Kleiner Puschel?<, ging Selan durch den Kopf. Meinte er etwa den brutalen undankbaren Henker, der ihn verraten hatte? Der sein Schüler war? Den er ausbilden und lehren wollte, so gut wie es nie zu vor ein Lehrer tat?


    Schnell folgte ein prüfender Blick zu Urako, der jedoch ganz und gar nicht in Selans Richtung blickte.


    "Urako!", reusperte sich der Nekromant, "Ich bin zwar nicht mehr dein Lehrer und habe dir nichts mehr zu sagen. Jedoch ziert sich nicht, auf anderer Leute Hinterteil dermaßen exzessiv zu starren, unterlasse dies bitte, so etwas macht nicht! Was ist nur aus dir geworden? Du warst mein Schüler, mein Freund. Ich wollte dir alles bei bringen und nun betest du Palion an. Verhaust mich vielleicht noch und tust arg solch böse Dinge. Warum nur? Wo ist dein gutes Herz nur hin mein Freund?"

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • "Mein gutes Herz?", rief Urako höhnisch. "Wo mein gutes Herz geblieben ist, fragt er! Nun, ich will es ihm verraten! Das habe ich vor Jahren auf dem Schafott gelassen. Und in der Folterkammer, es liegt bei beiden ein Stück, allein in einer Lache aus Blut und Scheiße. Die restlichen Teile sind im kalten Sumpf geblieben, wo ich einsam im Schlamm herumgewatet bin in der Hoffnung, dass vielleicht heute ein paar Krebse in den Reusen hängen. Weitere Fetzen sind verteilt auf den dreckigen Fußböden der Tavernen und in den beschissenen Dreckbetten der Freudenhäuser! Und das Größte liegt vor der Tür meines Elternhauses, das mir verschlossen wurde, mit zich Fußabdrücken darauf!


    Er war immer lauter geworden, die letzten Worte brüllte er. Zum Abschluss trat er Selan in die Seite, so dass dem Nekromanten die Luft geräuschvoll entwich. "Mein Herz", wiederholte er verächtlich und spuckte aus. "Ein Apparatus aus Fleisch, der das Blut durch meine Adern pumpt. Und weiter nichts."


    Firxas war still geworden. Ruhig.


    "Komm, Firxas", grollte Urako, ehe er allzusehr darüber nachdenken konnte. "Wir trommeln die Männer zusammen. Der Leichenfresser da war in den letzten Jahren garantiert nicht allein gewesen. Ohne Hilfe wäre der umgekommen, er hat nicht den Schneid, in der Wildnis zu überleben. Er war bei den Wildlingen, die Chorsen und Runkul abgenickt haben, das sage ich dir! Er wird uns zu ihnen führen und dann rechnen wir ab."


    Er wandte sich an seine Hündin.

    "Töli, du passt auf!"


    Er blickte auf seinen ehemaligen Meister herab. Meister ... von wegen. Jetzt lag Selan unter ihm gefesselt im Dreck.


    "Wenn du blöde machst, wird Töli dir das Gesicht vom Schädel reißen", knurrte er. "Dessen kannst du dir sicher sein. Ich habe sie nach allen Regeln der Kunst abgerichtet. Sie wird aufpassen, die treue Seele, oh ja, das wird sie."


    Er strich ihr über den Kopf. Dann verließ er mit Firxas die Hütte.

  • Arafis hatte das Gespräch der Tieflinge verfolgt. Nun stand sie etwas ratlos da und schaute auf die Zeltplane, durch die Urako und Firxas gerade eben verschwunden waren.
    Sie hatte nicht alles verstanden, denn noch immer liessen sie ihre Erinnerungen an Selan im Stich. Doch offensichtlich kannte Urako ihn. Und nun wollte er, dass sie den Gefangenen bewachte.
    „Soll doch sein Anhängsel die Drecksarbeit verrichten“, brummte eine Stimme in ihrem Kopf, wobei sie an Firxas und die derben Sprüche dachte, welche sich die beiden immer wieder zuwarfen. Dann meldete sich jedoch ihre treue Wolfsstimme und sie hörte die Worte von Urako, wie er ihr die Aufgabe erteilte, über Selan zu wachen. Es ist bestimmt eine wichtige Aufgabe, die der Schwabbelpopo nicht ausführen kann.


    Mit diesem Gedanken entschloss sich die Wölfin schliesslich, vorerst einmal hier zu verweilen. Sie liess sich etwas von dem verschmutzen und zerzausten Tiefling entfernt nieder und legte ihren Kopf auf die Pfoten. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, falls er wirklich versuchte zu entfliehen, denn es war nicht ihre Art, andere Lebewesen zu verletzen – zumindest nicht, solange sie nicht dazu gezwungen wurde und keinen anderen Weg sah.
    Sie hoffte jedoch darauf, dass Urakos Worte und allein der Anblick der Wölfin den Tiefling von Dummheiten abhalten würden.
    Ihre Augen musterten ihn neugierig. Jemand, der sich mit Druiden und anderen Wandlern auskannte, könnte sofort die Intelligenz darin sehen, der sie von gewöhnlichen Tieren abhob.
    Sobald sich der Tiefling allzu sehr bewegte, trotz seiner Fesseln, sträubte sich ihr Fell und sie liess sicherheitshalber ein leises Knurren hören. Sollte er sie bloss nicht unterschätzen.
    Ob er wohl auch magische Kräfte besass? Urako benutzte manchmal Tricks, um seine Gefährten zu ärgern. Doch bloss vor seinen Feuerspielchen hatte auch Arafis Respekt. Feuer mochte sie nicht, es machte ihr Angst.
    Sie beschloss, noch vorsichtiger zu sein und liess den Tiefling keinen Moment lang aus den Augen.

  • Einige Minuten blieb Selan noch liegen und dachte über das gesagt nach.Was war aus Urako nur geworden, was hatte er falsch gemacht? Wo begann nur der Sinneswandel Urakos? Vorsichtig und unter Schmerzen stöhnend richtet sich Selan etwas auf und lehnte sich an die schlecht zusammen gezimmerte Wand der Hütte. „Wann war es nur gewesen? Weist du es noch treue Freundin?“, sprach Selan leise und beachtlich zu der vor ihm liegenden Hündin. „Wir kennen uns doch schon eine weile, du kannst ruhig her kommen, ich werde dir nicht weh tun, keine Sorge.“, seine Stimme wurde dabei sanft und klangvoll, trotz allem was passiert war, blieb Selan immer noch gelassen und ruhig. Eine stärke die ihm schon oft geholfen hatte, Ruhig bleiben, die Situation mit einem klaren Kopf einschätzen und eine Lösung finden.


    „Ja wo hatte sich mein Schüler angefangen zu verändern...?“
    Selan blickte auf das löchrige Dach, einige Sonnenstrahlen fuhren durch diese und zauberten einen beeindruckenden Schimmer in die Hütte. Besonnen schaute Selan auf die tanzenden Staubpartikel, die er dank der Sonnenstrahlen beobachten konnte.


    „Aber natürlich, die Katakomben!“, schoss es Selan plötzlich durch den Kopf!


    „Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Sie müssen ihn verzaubert haben, diese merkwürdigen Gestalten, die Palion anbeten. So muss es sein, ein Zauber muss auf ihm liegen, einer der ihn dazu bringt sich gegen seinen Meister, gegen seinen Freund zu stellen.“


    Selan schnaufte, „Armer Urako, fast hätte ich ihm unrecht getan und als bösen Tiefling deklariert. Aber dem ist zum Glück nicht so. Der Zauber... Urako... ich werde dich befreien, dass verspreche ich dir! Jedoch erst einmal muss ich aus diesem Käfig heraus, aber wie?“


    Der Nekromant blickte eine weile um sich. Die Hündin, die einmal eine gute Gefährtin war hörte leider auf Urako. Nun ja sie kennt sich mit Magie nicht aus, woher soll sie wissen das Urako böse wurde, da er verzaubert ist. Mit den Fesseln an Hand und Beinen ist ein davon laufen auch nicht möglich. Ebenfalls ist nichts was man zum zertrennen der Fesseln nehmen könnte. Ein wackeliges Bett, ein Fass als Tisch, ein halbes Fass als Sitzgelegenheit, Essensreste...


    „Essensreste, das ist die Idee! So grob diese Kerle da draußen auch sein mögen, so unordentlich sind sie auch noch.“


    Selan blickte sich um, überall Überreste von Tieren die sie gefressen haben. Vögel, Mäuse, Ratten, Echsen und noch anderes Getier. Überall liegt etwas herum. Im Zimmer zwar nur zwei Ratten, aber wie er durch den nicht bis ganz zum Fußboden reichenden Vorhang erkennen konnte liegen draußen noch mehr Überreste herum.


    „Ohne magischen Zirkel wird es schwer werden und mich einiges an Kraft kosten, jedoch kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Die Dorfbewohner sind in Gefahr, ich muss sie vor dem verhexten Urako warnen!“


    Der Nekromant beugte sich etwas nach vorn und viel auf die Knie. Ruhig fing er an zu atmen, konzentrieren musste er sich für diesen Zauber sehr stark, da es ohne einen magischen Zirkel bei weiten schwieriger war die Mäuse zurück ins Leben zu rufen. Sein Glück war, dass draußen Stille herrschte. Vermutlich waren sie noch voll trunken und lagen noch überall herum. Ein Vorteil den Selan aus zu nutzen vermochte, würde, so lange es funktioniert hier gleich das Chaos ausbrechen, perfekt geeignet für eine Flucht.


    So meditierte Selan weiter und wippte im Rhythmus seiner nicht verständlichen Worte einige Minuten hin und her, bis sein Kopf nach oben schnellte.


    Manes, te appello.
    Ghosts mortuorum ego in imperio vobis.
    Tetigerat eam et ait pauperes animalia,
    comestum arg miser latronum.


    Vindicabo paulo ante uxor parve,
    nihil magis comprehendat.


    Eripit eos aggreditur,
    non nocere, vel revocare numquam!*


    Einige Minuten passierte nichts und Selan wiederholte seinen Zauberspruch noch einmal. Noch stärker konzentrierte er sich als ohnehin schon vorher und es zeigte Wirkung.


    Klappern war plötzlich zu hören und von Geisterhand setzten sich die Gebeine der zwei toten Ratten unmittelbar ihm gegenüber wieder zusammen. Auch vor seiner Hütte bemerkte er das selbe. Es dauerte nur Sekunden bis die ersten Schreie zu hören waren.


    „Monster! Unser Essen ist wieder am Leben!“


    „Quatsch nicht du Säufer und leg dich wieder schlafen!“, kam prompt eine höhnische Antwort


    „Zombatten! Sie fressen uns!“, hörte man einen Tiefling aufspringen und davon rennen.


    „Zomb was?“, war nur kurz und knapp von einer eindeutig übermüdeten Person zu hören.


    „Intellektuell betrachtet eine falsche Wortkomposition. Er bezieht sich wahrscheinlich auf die Mischung der Worte Zombie und Ratte, jedoch sind dies eher Untote.“, hörte Selan unter einer hoch gezogenen Augenbraue plötzlich einen eindeutig intellektuelleren philosophieren.


    Was nun folgte, wollte Selan lieber nicht hören. Eindeutig schlossen einige Zehen und Finger gerade Bekanntschaft mit den Gebissen der Ratten. Die Aufregung und die Panik war da, eine perfekte Ablenkung!


    „Kommt her meine zwei kleinen, helft Onkel Selan einmal!“, sprach er zu den zwei Ratten die noch immer in seiner Hütte waren.


    Die beiden kleinen ließen sich das nicht zwei mal sagen und einen Augenblick später knabberte eine Ratte an den Handfesseln, die andere an den Fußfesseln.


    „Geschafft ich danke euch, nun helft den anderen.“, befahl Selan den Kleinen, als er sich mit Schmerz verzerrtem Gesicht die Handgelenke rieb, die deutliche Spuren an seinen Handgelenken hinterlassen haben. Aber das war nun egel, geschwind richtete Selan sich auf und sah aus dem Fenster. Ausgezeichnet, keine Wache war da, jeder hatte mit den Essensresten zu tun.


    „Komm schon Hündchen, bei mir hast du es besser, so lange dein Herrchen verzaubert ist. Ihr seht euch bald wieder und dann ist er wieder normal.“, flüsterte der Nekromant noch, bevor er mit einem gekonnten Satz aus dem Fenster sprang und im gleich angrenzenden Wald verschwand.




    *Tote Geister ich rufe euch.
    Tote Geister ich befehlige euch.
    Kommt herbei ihr armen Tiere,
    gefressen von arg elenden Dieben.


    Rächt euch nun ihr armen kleinen,
    soll kein Unheil mehr euch ereilen.


    Greift sie an und reißt sie nieder,
    doch tut ihnen nicht weh, sonst ruf ich euch nie wieder!

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • „Männer! Hergehört!“, grölte Urako, als er auf dem frisch gepflasterten Platz stand. Die zerzausten Köpfe der Gestrandeten drehten sich in seine Richtung. Die meisten waren so verlottert, dass sie aussahen wie Waldschrate.
    „Schnappt euch eure Jagdwaffen! Wir haben einen von den Wildlingen, die uns so viel Ärger machen! Er wird uns zu ihrem Stützpunkt führen!“
    „Was macht dich so sicher, dass er es tun wird … Henker?“
    Auf dieses Wort hin knackte Firxas mit seinen Fingerknöcheln. Urako nahm es wohlwollend zur Kenntnis. Doch der unverschämte Gestrandete machte nach wie vor keinerlei Anstalten, irgendwelche Waffen zu ergreifen und ihnen zu folgen, genauso wie ein Großteil der übrigen.
    „Also bitte!“, höhnte Urako. „Es ist mein Beruf, Leute dazu zu bringen, das zu tun, was ich will! Und das wirst auch du!“
    „Willst du mir drohen?!“
    Urako lachte, Firxas kreiste mit den Schultern und dem Kopf.


    „Ihr zwei“, tönte da die Stimme von Orobas. Er saß vor einem der Zelte und hatte einen kaputten Schuh in der Hand, den er offenbar gerade versucht hatte zu flicken. „Ich will, dass ihr mit diesem Gepöbel aufhört!“
    „Fällst du mir in den Rücken?“, rief Urako erbost. „Du scheinheiliger Sack! Und was ist mit deinem alten Freund Firxas?“
    „Keiner von euch beiden hat hier irgendetwas zu melden. Entweder ihr gebt Ruhe oder ich gebe Meldung an Nocro.“
    „Nocro, Schmockro! Der sacklose Quieker kann mich mal!“
    Geräusche des Entsetzens gingen durch die Reihen. Firxas starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen von der Seite an. „Urako, halt die Klappe“, zischte er leise. „Nocro ist nicht irgendwer!“


    Die Menge teilte sich – und der sacklose Quieker schritt auf den Platz. Er kam gemessenen Schrittes näher und blickte auf den einen Kopf kleineren Urako herab.
    „Gibt es ein Problem?“, erkundigte er sich.
    „Das will ich meinen! Der da“, Urako wies auf Orobas, „bedroht mich und Firxas!“
    „DU hast den Leuten hier gedroht!“, rief Orobas.
    „Weil ihr nicht mitmacht! Wir haben einen Nekromanten gefangen, der von den Wildlingen kommt! Der Leichenfresser wird uns zu ihnen führen und dann können wir endlich ihr vermaledeites Dorf einstampfen!“
    Firxas nickte eifrig, wobei kleine Wellen von seinem Doppelkinn bis zu seinen Speckbrüsten verliefen, die Urako so zum Anbeißen fand.
    „Urako“, sagte Nokro ruhig. „Unser Schiff ist fast fertig. Dann können die Wildlinge uns gestohlen bleiben. Ich werde nicht das Leben unserer Männer sinnlos auf`s Spiel setzen.“
    „Sinnlos? Die Wildlinge haben Chorsen und Runcul auf dem Gewissen! Sie haben uns bloßgestellt als Schwächlinge!“
    „Das war mein letztes Wort. Wenn du die Wildlinge auslöschen willst, dann tu es doch alleine.“
    Damit drehte Nocro sich um und ging.


    Urako ballte vor Wut die Fäuste. Orobas lachte, die Umstehenden schüttelten ihre ungepflegten Köpfe und wandten sich wieder ihren Aufgaben zu.
    Urako fühlte sich so sehr gedemütigt, wie schon lange nicht mehr. Sollte er einfach fortschleichen, mit eingekniffenem Schwanz wie ein geprügelter Hund? „Ihr werdet das noch bereuen!“, kreischte er. „Ihr werdet dafür bezahlen, ich merke mir jeden einzelnen von euch!“
    Vereinzeltes Lachen ertönte, dann plötzlich ein Schrei.
    „Der Braten! Er …!“
    Ein abgenagtes Vogelgerippe hüpfte über den Platz und flatterte vergebens mit den Flügelknochen. Von der Anderen Seite kam eine komplette Schinkenkeule angewalzt. Eine Kette Würste kroch wie eine Schlange über das Pflaster. Firxas fielen fast die Augen aus dem Kopf.
    „Warst … warst du das?“
    „Natürlich!“, schrie Urako. „Ich kann Nekromantie, auch wenn ihr es bisher nicht wusstet! Na? Soll ich eure Lederklamotten wiedererwecken?“ Er lachte, die Hände in die Hüften gestemmt, während lauter abgenagte Tiergerippen um ihn herum trippelten. Schreiend rannten die Gestrandeten durcheinander, versuchten, der Plage Herr zu werden, indem sie mit den Füßen nach den Skeletten traten oder sie mit einem Besen davonkehrten.


    Mit stolz geschwellter Brust ging Urako zurück zu der Hütte. Er konnte sich schon denken, wer hinter dem Spuk steckte. Er genoss die ehrfürchtigen Blicke von Firxas, der sich dicht bei ihm hielt. Urako spürte, wie es in seinem Bauch rumorte. Wahrscheinlich war auch der halbverdaute Gulasch in seinem Magen wiedererweckt worden. Ein Zauber, der in jedem Fall für Unterhaltsamkeit sorgen konnte. Vielleicht sollte er doch wieder bei Selan in die Lehre gehen?


    Er schlug den ledernen Vorhang zur Seite. Der Platz, wo sein ehemaliger Meister gelegen hatte, war leer, nur die Fesseln lagen noch dort. Sie sahen aus, als wären sie gerissen oder mit einem stumpfen Gegenstand zerteilt worden.
    „Töli!“, brüllte Urako. Die Wölfin stand da mit einer Ratte im Maul.
    „Ich hatte dir doch gesagt, du sollst aufpassen!“, keifte er. „Los! Finde seine Spur!“ Er hielt ihr die Fesseln unter die Nase. „Such den Leichenfresser! Such! Wenn du ihn findest, darfst du Firxas beißen.“
    „He!“
    Urako packte Firxas an seinem walzenförmigen Arm und zog ihn mit sich in den Wald. Sie würden Selan finden, koste es, was es wolle!

  • Arafis war wie erstarrt, als der Hexer plötzlich begonnen hatte, seltsame Worte zu murmeln. Ein Zauber, schoss es ihr durch den Kopf. Ob er wohl gleich das Zelt in Flammen setzen würde? Erschrocken sprang die Wölfin auf und knurrte Selan an.
    Dieser war jedoch zutiefst konzentriert und schien in sich gekehrt zu sein.


    Zuerst geschah nichts und die Albin beruhigte sich damit, dass er vielleicht einfach ein Stossgebet an seine Gottheit gesprochen hatte.
    Im nächsten Augenblick begann es jedoch zu knattern und fiepen, und als sie sich umdrehte, entdeckte sie zwei angenagte Ratten, welche plötzlich von den Toten auferstanden zu sein schienen. Einige andere Skelettteile, verschwanden gerade durch die halboffenstehende Türöffnung.
    Die Albin war so perplex, dass sie unfähig war, etwas zu unternehmen. So konnte sich Selan mit Hilfe der beiden halbpatzigen Ratten befreien, ohne einen Widerstand zu erfahren.


    „Geschafft ich danke euch, nun helft den anderen“, befahl Selan seinen Helfern und trat dann ans Fenster heran.
    Erst jetzt erwachte Arafis wieder aus ihrer Starre.
    Er kann doch nicht einfach verschwinden, schoss es ihr durch den Kopf! Ich muss ihn aufhalten!
    Als sie jedoch gerade zum Sprung ansetzen wollte, um den Fliehenden zu Boden zu ringen, jaulte sie vor Schmerz und Überraschung auf.
    Sie wirbelte herum und schnappte nach dem angefressenen Rattenvieh, welches seine Zähne in ihre Rute geschlagen hatte.
    Selan hatte sie zwar freundlich behandelt, seine wiederbelebten Skelette schienen seine Meinung gegenüber der Wölfin jedoch nicht zu teilen.


    Während er aus dem Fenster entschwand, begann in dem kleinen Gehäuse eine wilde Jagd. Es war nicht ganz klar, wer die Jäger und wer die Gejagten waren und einige Male schienen sich die Rollen zu vertauschen.
    Schlussendlich stand Arafis jedoch als etwas zerzauste Siegerin da. Um sie herum waren Knochen und Fellfetzen verteilt und in ihrer Schnauze baumelten die nun endgültig toten Überreste der zweiten Ratte.
    Genau in diesem Moment stürmte Urako ins Zelt.


    Töli, ich hatte dir doch gesagt, du sollst aufpassen!“, keifte er. „Los! Finde seine Spur!“ Er hielt ihr die Fesseln unter die Nase. „Such den Leichenfresser! Such! Wenn du ihn findest, darfst du Firxas beißen.“
    Kurz zuckte Arafis zusammen, als sie seine wütende Stimme hörte. Als er sie jedoch nicht weiter mit bösen Worten traktierte, horchte sie auf.
    Sie liess die leblose Ratte zu Urako’s Füsse fallen und schnupperte dann an den Stricken, die er ihr unter die empfindliche Nase hielt. Nichts leichter als das!
    Ohne auf sie zu warten, drehte sich Urako jedoch im nächsten Augenblick weg, packte seinen Schabbelkumpanen und stürmte Richtung Wald davon.
    Arafis trottete ihnen hinterher.
    Dabei beobachtete sie halb amüsiert, halb schockiert ein gebratenes Hühnchen, das sich ebenfalls auf den Weg in den Wald gemacht hatte.
    Als sie die beiden Dämonen wieder eingeholt hatte, hielt sie ihre Nase demonstrativ nahe des Bodens auf und folgte Selans Fährte, welche nun wirklich nicht schwer zu erschnuppern war. Er musste schon länger kein Bad mehr genossen haben.


    So waren sie schon eine geraume Zeit unterwegs, als Arafis stehen blieb und die Ohren spitzte. Der Wald war voller Leben. Vögel zwitscherten, Insekten summten, Wasser plätscherte. Sie horchte, doch die beiden Dämonen waren etwas hinter ihr wieder am Streiten und ihre rüpelhaften Stimmen verdrängten jedes andere Geräusch.
    So spürte Arafis mehr als dass sie es hörte ein Beben unter ihren Pfoten. Im nächsten Moment sprang sie mit einem warnenden Aufbellen zur Seite, gerade noch rechtzeitig.
    Ein Wildschwein, grösser als die Wölfin selbst, sprengte durch das Unterholz und verfehlte Arafis um Haaresbreite.
    Mit ihrem lauten Geplänkel hatten die beiden Tieflinge eine Muttersau aufgeschreckt, welche nun wutschnaubend jeden Niederrennen würde, der ihren Frischlingen zu nahe kommen könnte.


    Urako kämpfte sich gerade gefolgt von Schwabbelpo durch ein Gestrüpp und hatte die Situation noch nicht richtig erfasst.
    Die Bache scharrte mit dem Fuss und ihre kleinen bösen Äuglein hatten Urako fixiert. Ihre Eckzähne waren messerschwarf und ihr borstiges Fell sträubte sich bedrohlich. Sie würde ihre Jungtiere mit dem Leben beschützen.
    Von der Wölfin nahm sie keine Notiz, denn diese hatte sich in ihrem Windschatten hinter einen umgefallenen morschen Baumstamm geduckt und wusste nur zu gut, dass man in einer solchen Situation nicht mit hektischen Bewegungen auf sich aufmerksam machen sollte.

  • Keuchen drang durch den Wald! Blätter und Zweige wurden umher gerissen. Selan rannte durch das Unterholz so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Vorbei an idyllischen Lichtungen mitten im Wald, vorbei an kleinen Bächen die sich liebevoll durch den Wald schlängelten, vorbei an einer Gruppe rehe, die sich so gar nicht vor dem hastenden Tiefling erschreckten, sondern ihm interessiert nachschauten.


    Nach Osten musste er, die Goblins warnen und ihnen helfen. Ohne ihn wären sie den brutalen Kerlen unter Urakos Fittichen nicht gewachsen. Gedanken surrten den Tiefling durch den Kopf. Was sollte er tun? Er konnte doch die Goblins nicht gegen ihn verteitigen und gleichzeitig Urako von seiner Hexerei befreien. Was wenn er verletzt würde oder gar schlimmeres? Er könnte den Gedanken einfach nicht ertragen noch einen seiner Schüler zu verlieren, nicht Urako, nicht ihm. Den treuen nörglichen Freund mit der harten Schale, der gerade in Notzeiten, wie damals als Arafis verschwunden war, der erste war der sich in der Stadt nach ihr umschauen wollte! Er war ein wahrer Freund und er musste gerettet werden.


    Von den Gedanken abgelenkt merkte er gar nicht, wie schnell er auf der anderen Seite der Insel angelangt war. Der Weg auf dem er sich mittlerweile befand kannte er nur zu gut, es war der Weg hinab zum Dorf der Goblins. Doch da angekommen, war kaum ein Goblin mehr zu sehen. Kwyez Fizzbub stand an Weg, der hinab zum Strand führte.


    Abgehetzt kam Selan näher. "Was ist passiert alter Mann, wo sind die anderen Goblins, waren die Räuber schon hier?"


    Unruhig betrachtete der Dorfälteste Selan. "Räuber? Von was sprichst du? Nein, wir haben unser Boot fertig bekommen und das gesamte Dorf verlädt gerade unser Hab und Gut, damit wir in die neue Welt aufbrechen können. Wir sind fast fertig, die letzten Kisten sind verladen, wir haben nur noch auf dich gewartet, Selan!"


    "Das Schiff ist fertig? Dann müsst ihr sofort hier weg! Ich habe die Gruppe auf der anderen Seite der Insel gefunden. Es sind Palionanhänger, sie werden jede Minute hier sein, sie sind gekommen um das Dorf zu zerstören und wenn sie das Schiff sehen, werden sie nicht zögern euch sofort zu töten, um es zu bekommen! Geht!"


    Die haut des alten Goblins färbte sich hellgrün, Angst machte sich in ihm breit. "Komm mein junge, dann sputen wir uns besser!"


    Eiligst rannten die beiden den schmalen sandigen Weg zum Strand herunter. Dichte Palmenblätter machten es Selan schwer vorran zu kommen, der Weg war eindeutig nur für Goblins gebaut worden. Um eine Felsklippe herum in einer geschützten und versteckt Bucht, lag das Schiff vor Anker. Man muss nicht viele Worte verlieren um es zu beschreiben. Goblins bauten es, hier waren Profis am Werk. Das Schiff spiegelte die Menthalität und den teschnischen Verstand der Goblins wieder. Ein Kran an Deck, zum Verladen der Kisten und Habseeligkeiten, ein ausklappbare Treppe um auf das Deck des Schiffes zu kommen, zwei Masten die mit Kurbeln und Seilwinden bedient wurden. Ein prächtiges Schiff war es, obwohl auf Zierde kein Werk gelegt wurde, jedoch die teschnischen Raffinessen ihre eigene Pracht verströhmte. Kräftig und stark sah das grün angestrichene Schiff, mit einem Goblinkopf am Bug des Schiffes aus. Selan war beeindruckt, und war erstaunt, was die Goblins die letzten Monate her erschaffen hatten. Auf Deck winkte bereits ein anderer Goblin, er zeigte in eine Richtung hinter den beiden.


    "Beeilen wir uns, komm schon!", sprach der alte Mann, zusammen hasteten sie zum Schiff und bestiegen so gleich die Treppe zum Schiff.


    Warte, ich kann nicht mit kommen!, stopte Selan auf halber Strecke die Treppe hinaus.


    Wieso, was hast du? Keine Sorge, deine Bücher sind schon an Bord!


    "Nein, dass ist es nicht...", zögerte Selan, "einer der Räuber war früher mein Schüler, er ist mit einer Art Fluch gelegt. Magie, die seinen Verstand verändert. Er ist kein schlechter Tiefling, ich muss ihm helfen!"


    Verstehe, aber wie willst du ihm denn helfen? Willst du alle anderen Räuber allein besiegen, hoffen das er überlebt und dich dann allein um ihn kümmern? Komm lieber mit uns mit, du weißt ja nicht einmal, ob du ihn retten kannst. Fahr mit uns in die neue Welt und suche zuerst ein Heilmittel, denn haben wirst du sicher keines, oder?, versuchte der alte Mann ihn zu beruhigen, während das Schiff mit Seilwinden langsam aus der Bucht gezogen wurde.

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • Selan war ihm entkommen! Ihm, dem professionellen Scharfrichter, der sich sonst so damit brüstete, saubere und absolut zuverlässige Arbeit zu leisten, egal ob beim peinlichen Verhör, der Vollstreckung oder allen übrigen damit zusammenhängenden Aufgaben. Fehltritte wie die verpatzte Hinrichtung in seiner alten Heimat passierten ihm ausgesprochen selten. Wie hatte ihm dieser lächerliche Anfängerfehler passieren können, einen nur provisorisch festgesetzten Gefangenen ohne Wache zurückzulassen? Wie stand er denn jetzt da, wie der letzte Stümper!


    Urako suchte Anlässe, um Dampf abzulassen, wo es nur ging.
    Erst war es Töli, die er ständig beschimpfte, dass sie die Fährte verloren hätte, wenn sie an einer Stelle mal etwas länger schnupperte oder ihm zu langsam ging.
    „So dämlich kann doch kein Köter sein, jetzt hat sie schon wieder die verdammte Fährte verloren!“
    „Such, Töli! Oder ich mache dir Beine!“
    „Kackdreck, verkackter Mist!“

    Dann, als Töli ihm immer häufiger auswich und so wirklich drohte, die Fährte zu verlieren, war es Firxas, der Schuld an Selans Flucht hatte.
    „Wenn du nur einmal – ein einziges Mal! – in deinem Leben deinen Verstand gebraucht hättest!“
    „Allein, die Tatsache, dass jemand so dermaßen dumm sein kann, ist ein Beweis dafür, dass es keine natürliche Auslese gibt!“

    Firxas ertrug das Gewetter mit einer schier unglaublichen Geduld, indem er schwieg. Doch sein Gesicht wurde mit jedem Wort finsterer. Sein Schweigen machte Urako nur noch wütender und so begann er schließlich persönlich zu werden, um ihn aus der Reserve zu locken.
    „Du bist nicht nur dumm, sondern auch gierig. Du bist am Erdboden festgenagelt wie eine Mastgans. Und ich dachte immer, bei deinem holen Schädel müsste das Fliegen eine Leichtigkeit sein, egal, wie fett du bist.“


    Firxas blieb stehen. Sein Gesicht war wie aus Stein, seine Lippen schmal. Seine Kiefermuskulatur spannte sich unter den feisten Wangen.
    Urako blieb ebenfalls stehen, boshaft erfreut darüber, jetzt endlich richtig loslegen zu können.
    „Na los“, grollte Urako. „Trau dich und schlag zu.“
    „Das hättest du gern, was?“, knurrte Firxas mit Grabesstimme. „Du KANNST einfach nicht normal sein! Entweder machst du einen auf großer Macker und prahlst herum, dass man nicht weiß, ob man darüber heulen oder lachen soll, oder du willst sofort und auf der Stelle mit mir ins Bett und gibst nicht eher Ruhe, bis ich nachgebe! Oder du bist nur am nörgeln und andere nieder machen! Oder du bist besoffen! Arroganz, Lust, Zorn, Suff! Andere Gemütszustände kennst du nicht! Und Abstufungen dazwischen auch nicht!“
    „Aber du!“, brüllte Urako. „Als ich dich kennen gelernt habe, warst du von Anfang an keinen Deut besser!“
    „Dann hast du mich niemals gekannt“, entgegnete Firxas frostig. „Im Gegensatz zu dir habe ich ein Herz, das mehr ist als nur ein Apparatus.“
    „Wie süß!“, höhnte Urako. „Soll ich jetzt in Tränen ausbrechen?“
    „Du Vollidiot, es schlägt für dich!“


    Die beiden starrten sich einen Moment an, schwer atmend wie zwei Stiere, die jeden Moment mit gesenkten Köpfen aufeinander losgingen. Doch dazu kam es nicht. Firxas drehte sich schnaubend um und machte sich auf den Weg zurück durch den Wald. Es war das erste Mal in all den Jahren, dass er einer Prügelei auswich. Urako stand da, verwirrt, mit geballten Fäusten.
    „Geh sterben!“, brüllte er Firxas hinterher, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. „Dann hast du endlich deine ersehnte Ruhe vor mir!“
    Sein Kumpel verschwand im Dickicht, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
    Urako blieb allein. Nicht einmal Töli war mehr zu sehen.
    Ein Feuersturm wirrer, widersprüchlicher Gefühle erhob sich in ihm, ein Zustand, den er verabscheute, weil er ihn nicht kontrollieren konnte. Er hasste es, wenn sich etwas seiner Kontrolle entzog. Wohin mit dieser Wut und noch schlimmer, wohin mit dieser irrationalen Trauer, die sich da in seinem Inneren erhob? Es gab nichts zu trauern, nur Triumph, weil dieser Feigling das Feld geräumt hatte wie ein geprügelter Hund! Er hatte gesiegt, er sollte stolz auf sich sein! Der Stein, wo war sein Stein?


    Plötzlich knackte es hinter ihm. Brechende Äste, Hufgetrappel. Ein brauner, borstiger Buckel, strenger Geruch, dann war das riesige Wildschwein an ihm vorbeigeprescht. So plötzlich wie es aufgetaucht war, war es auch schon wieder verschwunden. Im ersten Moment war Urako erleichtert, dann erkannte er, welche Richtung es nahm. Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da hörte er Firxas schreien.
    Ohne nachzudenken rannte Urako los und folgte der Schneise, die das Wildschwein in das Unterholz geschlagen hatte, so schnell seine Beine ihn trugen.
    „Firxas! Firxaaas!“
    Er fand ihn unterhalb des borstigen Ungetüms. Firxas lag auf dem Bauch, das Tier musste ihn von hinten gerammt und von den Füßen gerissen haben. Er schrie erbärmlich. Einer seiner Flügel lag quer im Maul des Wildschweins, die Knochen bildeten unnatürliche Zickzackmuster, als ob es bereits mehrfach zugebissen hätte.

  • Arafis zuckte zusammen, als sie den gequälten Schrei des Tieflings vernahm. Entsetzt beobachtete sie, wie Urako rechts um kehrt machte, und dem Ungetüm hinterherrannte, so schnell ihn seine krummen Beine trugen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Er konnte doch nicht so dumm sein, und versuchen, es mit der wilden Muttersau aufnehmen zu wollen, und das nur für Schwabbelbacke?


    Doch da das offensichtlich der Fall war, zögerte die Wölfin nicht weiter und folgte den Lauten durch das Dickicht.
    Der Anblick der sich ihr bot, war grausig. Urako schien einen Augenblick lang wie festgewurzelt da zu stehen. Und auch Arafis konnte in diesem Moment bloss Mitleid mit Firxas verspüren.
    Die Bache schien die beiden Zuschauer nicht wahrzunehmen, und es schien als versuchte sie den Tiefling unter ihrem Körper zu zermalmen. Als die Albin das Geräusch von berstenden Knochen hörte, vergass sie alle Vorsicht. Die Abneigung gegen den miefenden Tiefling war vergessen, sie sah nur noch ein hilfloses Opfer vor sich, dem geholfen werden musste.


    Ihr Fell sträubte sich, als sie mit einem Knurren zum Angriff ansetzte. Instinktiv spannten sich ihre Muskeln an, als sie lossprang. Im nächsten Moment quiekte die Muttersau schmerzerfüllt, aber auch voller Wut auf, als die Zähne der braunen Wölfin sich in ihre hintere Flanke bohrten. Arafis hatte den metallischen Geschmack von dickflüssigem Blut in ihrem Maul und die Borsten stachen sie in die Nase und den Rachen. Dies nahm sie jedoch gar nicht wahr, denn im nächsten Moment war sie bereits voll darauf konzentriert, der Wildsau auszuweichen, welche blitzschnell herumwirbelte und mit ihren Hauern versuchte, den um einiges leichteren Körper der Wölfin zu verletzen.


    Arafis konnte nicht erkennen, ob Urako etwas unternahm, doch Firxas schien einer Ohnmacht nahe zu sein, denn seine Schreie waren zu einem leisen herzzerreißenden Wimmern abgeklungen.
    Im selben Moment der Unachtsamkeit, in dem die Albin sich vergewisserte, dass Firxas noch lebte, spürte sie auch schon einen dumpfen Knall. Erst als sie durch die Luft geschleudert wurde und ein stechender Schmerz durch ihren ganzen Körper zuckte, wurde ihr bewusst, dass das rasende Wildschwein sie in ihre Seite gerammt hatte. Sie erkannte noch die bösen, schwarzen Äuglein, dann trübte sich ihr Blick, als sie gegen einen Baum prallte und leblos im Gestrüpp liegen blieb.


    Nur Sekunden konnten vergangen sein, als Arafis wieder zu Bewusstsein kam, denn sie lebte noch. Vorsichtig öffnete sie die Augen, doch alles schien sich zu drehen. Dann stach ihr jedoch der strenge Geruch der Wildsau in die feine Nase und sie kämpfte sich auf die Pfoten. Die Wildsau hatte sich, nachdem sie die unliebsame Wölfin wie ein lästiges Insekt ins Gebüsch geschleudert und ausser Gefecht gesetzt hatte, zum dritten Gegner umgewandt.


    Arafis wollte vorwärts taumeln, um Urako beizustehen, doch ihr Körper schmerzte und sie wusste, dass sie nicht mehr gegen die Bestie ankommen würde. „Ach wäre doch... nur Selan da... Selan?!“
    Plötzlich blitzte Erkenntnis in den Augen der Wölfin auf. Bilder aus der Vergangenheit offenbarten sich ihr. Wie hatte sie sich bloss nicht mehr an den teeschlürfenden, gutmütigen und jeder Zeit Rat wissenden Tiefling erinnern können?
    Ich muss Hilfe holen…
    Auf noch etwas wackeligen Beinen ging sie zuerst langsam, dann immer entschlossener los. Als sie sicher war, sich wieder einigermassen gefangen zu haben, preschte sie los, ohne sich noch einmal umzublicken. Kurz zuckte ihr der Gedanke durch den Kopf, dass Urako sie für eine Verräterin halten könnte, doch damit konnte sie sich jetzt nicht befassen.


    Hinter sich hörte sie das Kampfgeschrei von Tiefling und Wildsau und sie wollte keine Zeit verlieren. Als sie die Spur wieder gefunden hatte, stolperte sie mehr als dass sie rannte durch das Dickicht, um so schnell wie möglich den Tiefling zu holen, der bis jetzt immer einen Ausweg gewusst hatte. Den stechenden Schmerz in ihrer Seite ignorierte sie, und hatte stattdessen nur noch ihr Ziel im Sinn.
    Sobald sie ihn erreicht hätte, würde sie ihn zu Urako und Firxas mitzerren, egal wie. Er konnte helfen das Ungetüm zu vertreiben und vielleicht auch die Schmerzen von Firxas lindern, wenn es denn noch nicht zu spät war.

  • Was dann geschah, hätte Urako nie für möglich gehalten. Töli stürzte sich auf das viel größere Tier und verbiss sich in seinem Fleisch. Der Henker stand einen Moment da wie erstarrt. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm jemand von sich aus half, ohne dass er ihn dafür bezahlte oder mit der Eisenpeitsche dazu zwang. Der Kampf war heftig, die Bache quiekte und schüttelte sich. Die Hündin löste ihren Biss und sprang um sie herum, bereit, ein zweites Mal zuzubeißen. Doch die Bache dachte gar nicht daran, sich so einfach geschlagen zu geben und als Töli einen Wimpernschlag lang unaufmerksam war, weil Firxas ein gequältes Wimmern von sich gab, traf sie der gewaltige Schädel des Tieres. Die Wölfin flog durch die Luft und prallte krachend gegen den Stamm eines Baumes.


    „Töli!“, brüllte Urako. Der Körper der Hündin rutschte den Stamm hinab zu Boden. Schlaff und reglos blieb sie liegen. Das Wildschwein wandte seinen Kopf Urako zu und starrte ihn an. Er würde sterben. Jetzt, hier und heute. Die Distanz reichte nicht für den Abflug, die Bache würde ihn vorher erreichen. Urako tat etwas, das er noch nie getan hatte – in seiner Verzweiflung schickte er ein Stoßgebet zum Himmel hinauf.


    „Ihr Götter, helft mir!“


    Im gleichen Moment sprang Töli auf die Beine, schüttelte sich kurz und rannte dann davon. Urako traute seinen Augen nicht. Die Götter hatten Töli wieder zum Leben erweckt! War er tatsächlich erhört worden? Aber das war noch nicht alles. Plötzlich erhob sich mitten im Wald ein Sandsturm, der die Sandkörner vom Strand herwehte wie Nadeln. Urako riss seinen Unterarm vor die Augen, die Bache quiekte, drehte sich ein paar Mal im Kreise. Mehrere Sandböen peitschten ihr ins Gesicht. Als ob sie unbedingt noch jemanden töten wollte, bevor sie floh, stürzte sie sich ein weiteres Mal auf den hilflos am Boden liegenden Firxas. Doch bevor sie ihn erreichte, stieß ein Schutzschild aus Sand aus dem Boden nach oben. Die Bache prallte dagegen wie gegen eine Wand. Sie versuchte, um den Schild herum zu laufen, doch er bewegte sich und versperrte ihr immer den Weg, wie oft sie auch die Richtung wechselte, um ihn auszutricksen. Urako machte, dass er auf den nächsten Baum kam.


    Aus dem Himmel stießen große Vögel hinab, braune Geier mit weißer Halskrause, groß wie Adle. Sie hatten einen toten Vogelschädel anstelle eines Kopfes. Sie griffen die Bache an, rissen mit ihren sichelförmigen Klauen an ihrem Fleisch und bissen sie mit ihrem scharfen Schnabel, bis das wütende Tier endlich blutüberströmt das Weite suchte. Der Vogelschwarm folgte ihr kreischend und verschwand mit ihr zwischen den Bäumen. Stille senkte sich auf den Wald.


    Nachdem Urako sich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, stieg er von seinem Baum hinab und ging zu Firxas. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht in den Dreck gepresst und mit zerfleischten Flügeln. Sein gesamter Oberkörper war dunkelrot von Blut.


    „Welt! Ich hasse dich!“, rief Urako. Eine Antwort erhielt er nicht. Hilflos betastete er die Fleischwunden und die gebrochenen Knochen. Er riss ein paar Streifen von Firxas` Hosenbeinen und fertigte einen notdürftigen Verband, um wenigstens die Blutung ein wenig zu stillen. Doch schnell stellte sich heraus, dass das in Anbetracht der großen Fläche aussichtslos war. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Flügel komplett abzuschnüren. Firxas schrie nicht und rührte sich nicht.
    „Steh auf, du Mistkerl!“, rief Urako verzweifelt und schüttelte ihn grob. Firxas reagierte nicht. „Du bist zu schwer, wie soll ich dich allein ins Lager schleppen?“ Da erst wurde Urako der Ernst der Lage gänzlich bewusst. Firxas war nicht nur schwer verletzt. Er würde sterben, wenn er nicht bald ordentlich versorgt werden würde. Sehr bald schon.


    „Warte hier, ich hole Hilfe.“ Urako wusste, wie gefährlich das war. Hier gab es nicht nur Wildschweine, sondern auch Tiere, die sich über einen Tiefling als Mahlzeit freuen würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Firxas nicht mehr war, wenn er wieder zurück kehrte, war groß. Aber was blieb ihm für eine Wahl? Er konnte ihn nicht tragen. Urako erhob sich, doch Firxas Finger schlossen sich fest um seine Hand. „Bleib … bitte hier.“ Seine Stimme war kaum zu hören. „Ich will nicht … alleine sterben.“
    „Du stirbst überhaupt nicht, weder allein noch mit mir an deiner Seite!“, schnauzte Urako. Doch er wusste, das Firxas Recht hatte. Also setzte er sich wieder zu ihm. Schweigend, ein letztes Mal. Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte und so zog er Firxas` Oberkörper zwischen seine Beine und hielt seine Schultern umarmt, damit er seinen Kopf an ihn anlehnen konnte. Firxas sah sehr blass aus. Sein Atem wurde immer langsamer. Mit glasigen Augen starrte Urako vor sich hin.


    Einer der Schädelgeier war geblieben. Er saß ihm gegenüber auf einem Stein und beobachtete die beiden Tieflinge aus leeren Augenhöhlen. Urako warf einen Stein nach ihm. „Hier gibt’s nichts zu holen für dich! Hau ab!“


    „Brauchst du meine Hilfe nicht mehr? Kann ich gehen?“
    „Was soll das heißen? Kannst du … kannst du ihn heilen?“, rief Urako aufgebracht. „Was willst du dafür haben? Rette ihn! Hol ihn zurück!“
    „Seine Seele ist noch hier“, erwiderte der Geier. „Hätte dein Freund diesen Körper bereits verlassen, könnte ich nichts mehr für ihn tun. Aber noch ist es nicht so weit. Aber was gibst du mir dafür, wenn ich seinen Körper rette?“
    „Was willst du? Ich habe nicht viel. Ich bin bloß ein armer Henker ohne Arbeit, ein Gestrandeter. Ich besitze nicht viel mehr als die Kleidung an meinem Leib.“
    „Wenn du nichts besitzt, was kannst du?“
    „Verhören und Richten. Und ein wenig heilen. Aber zu wenig, viel zu wenig … warum ich mich nur damals nicht mehr damit befasst!“
    „Kannst du kämpfen?“
    „Nein! Aber wozu sollte ich das auch? Wer bist du?“
    „Frag deinen Freund, wenn er wieder sprechen kann, nach meinem Namen. Er kennt die Antwort. Da du weder etwas hast, noch etwas kannst, will ich dich. Dich als Person. Jeder ist zu irgendwas nütze, man muss nur herausfinden, wozu. Komm nach Asamura. Suche mich und du wirst mich finden.“
    Damit sank der Geier in sich zusammen und fiel tot zu Boden.


    Firxas` Lider flatterten. Er öffnete die Augen und blickte sich verwirrt um. Ein breites Lächeln machte sich auf Urakos Gesicht breit. Schwerfällig wälzte Firxas sich von seinen Beinen herunter. Er landete auf dem Bauch und zog langsam Arme und Beine unter den Rumpf, um sich zu erheben. Die Wunden seiner Flügel waren mit Sand fest verschlossen, eine steinerne Kruste, so dass sie nicht mehr bluteten. Rasch löste Urako die Lederstreifen, die seine Flügel abschnürten. Er half Firxas auf die Beine und legte sich seinen Arm über die Schultern. Schritt für Schritt gingen sie durch den Wald nach Hause.


    Urako merkte nicht, dass sie den falschen Weg nahmen. Ohne Tölis Hilfe war er im Wald orientierungslos. So näherten sie sich immer weiter dem Dorf der Goblins.

  • "Leinen los! Setzt die Hauptsegel, sobald wir die Bucht verlassen haben!", brüllte der knausrige alte Goblinkapitain quer über das Deck.


    Wehmütig blickte Selan zurück, war es die richtige Entscheidung seinen Schüler und all die anderen hier zu lassen. Zugegeben waren sie mehr als bösartig, doch war er einst sein Freund und die anderen könnten unter Deck bleiben, eingesperrt, mit guter Verpflegung. Vielleicht waren sie ja auch einfach hungrig und deswegen böse? Fehlte ihnen eine ordentliche Gesellschaft und nicht solche Flegel, haben sie am Ende heimweg? Selan grübelte, aber vielleicht war es die richtige Entscheidung, was wenn die beiden Parteien auf dem Schiff aneinander geraten? Am Ende hätten sie so zu viel Hunger und würden alles weg essen, vielleicht sogar seine Pferde!
    Selan schüttelte den Kopf, jetzt gingen die Pferde wortwärtlich mit ihm durch.
    Aber er würde zurück kommen, sicherlich und dies mit einem Heilmittel, um den Zauber, der auf Urako liegt zu brechen!


    Freudig blickte Selan an den Strand zurück. Kisten standen da, über ein dutzend, gefüllt mit Lebensmitteln. Viel Mühe hatte es ihm gekostet, dass die Goblins sie für die Halunken hier lassen. Verhungern sollte ja keiner! Ein paar Werkzeuge standen auch dabei. Schaufeln, Spitzhacken und ein paar Karren. Natürlich in Goblingröße, nicht ganz passend für die neuen Nutzer dieser Werkzeuge, aber im Sitzen ist die Arbeit doch auch viel angenehmer und geht nicht so in den Rücken!


    Die erste Brise vom Meer her durchfuhr seitlich die Segel des Schiffes. Kein optimaler Wind, wie der Kapitain meinte, jedoch wird er es mit seiner Mannschaft schon schaffen. Zuversichtlich blickte Selan auf das ruhige Meer. Das letzte mal als er auf einem Schiff war, war es finstere Nacht, Sturm und er war mit vielen anderen fast am ertrinken. Nun aber führte ein kräftiger, einbeiniger Goblinkapitain das Schiff mit harter Hand. Das Ziel war klar, Asamura, mit vielleicht einem kleinen Abstecher zu den nördlichen Inseln, um den Palion Kult aufzuspühren.


    Ein letztes mal wanderte des Tieflings blick zum Strand, ein müder Abschied zu einer schönen Insel auf der nun nur noch Verbrecher lebte.
    Verbrecher, das richtige Wort, genau in diesem Moment des loslösens vom Steg tauchte Urako am Strand auf, im Arm einen verletzten Tiefling.


    Selan traute seinen Augen nicht. Konnte es war sein, war das Glück ihm hold. Freude strahlend rannte er an den Bug und betätigte den Hebel für den Anker, dieser rasselte laut nach unten. Mit einem krachen schlug er auf das Wasser und war schon einen Augenblick später in den Tiefen verschwunden.


    "Was machst du da? Bist du verrückt Tiefling?"


    Selen drehte ihm im Rennen nur einen flüchtigen Blick zu.


    Nein werter Kapitain, wir haben nur zwei Passagiere vergesen, warten sie einen Augenblick, danach legen wir sofort ab!


    Schon war Selan am Heck des Schiffes, zwei weitere Hebel wurden nach einander gezogen. Eine Treppe wurde vom Schiff herunter gelassen, der Zugang zum Schiff war für die Passagiere gewährleistet.


    Freudestrahlend rannte Selan die Treppe herunter.
    >Fantastisch, mein Schüler ist geheilt! Sein reiner Wille besiegte den Zauber, der ihn böse machte und zusammen mit seinem tapferen Freund besiegten sie die Raufbolde, um die Goblins zu schützen! Urako, du bist ein Held, du bist großartig!<


    "Urako, hier bin ich, schnell mein Held, komm! Wir fahren gleich los und danke für deinen Mut und Einsatz, ich weiß es zu schätzen, was du für uns getahn hast, ich verdoppele deinen Lehrlingslohn! Komm schon!", rief der Nekromant Urako schon von fernen zu.


    "Komm ich helf dir, tragen wir deinen verletzten Freund eiligst aufs Schiff, da schaue ich mir seine Wunden an. Los mach schon und interessant, du nutzt eine Sandkruste, um seine Wunden zu schützen. Wie hast du dies nur geschafft, ein Zauber oder etwas anderes? Du steckst voller Überraschungen und nun komm, ab aufs Schiff."


    Mit diesen Worten griff Selan dem verletzten Tiefling unter die arme und half ihm zum Schiff.

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text