Frostalbische Division in Khilar

  • Tarnev war nun schon seit gut 2 Monate am Bord des Schiffes von Kapitän Steingerd Sohn des Arnstar, welcher nicht nur Kapitän, sondern zugleich auch der Jarl des Mäuseclans war. Er hatte das Oberkommando auch über die frostalbische Division auf seinem Schiff. Das Schiff sollte nach Meinung des Navigators Herdis Sohn des Alding in etwa einer Woche in Sichtweite von der Raben-Norkara Stadt Khilar sein. Hier wollten die Clan der Wölfe, Mäuse, Robben, Seelöwen und Seebären einen Offensivschlag gegen den Flottenstützpunkt der Raben-Norkara führen. Die ganze Fahrt stellte für die frostalbische Division eine ungeheuere Anstrengung dar. Zum Einen der Temperaturwechsel, da sie immer mehr in südlichere Gefilde kamen. Aber auch der fehlende Kontakt zum Festland machte den Frostalben zu schaffen. Sie waren kein Volk der Seefahrt. Nie zuvor hatte ein Frostalb ein Schiff betreten. Zumindenst nicht für so eine lange Reise.
    Doch auch die erhöhte Sonnenaktivität machte den Frostalben zu schaffen. Viel häufiger, als in ihrer frostigen Heimat, mussten sich die Frostalben in ihr Zimmer zurückziehen und die überschüssige Sonnenergie aus ihrem Körper mittels den Dunkelsteinen entziehen. Für den Krieg gegen die Raben-Norkara hatte jeder der Frostalben einen Dunkelstein bekommen, womit sie genau so leistungsfähig waren, wie die Norkara. Ohne einen Dunkelstein würden die Frostalben permanent übermüdet sein und sie wären so keinerlei Hilfe für ihre Verbündeten.


    Dabei war es anfangs gut gelaufen. Als sie noch auf der Sturmsee unterwegs waren, hatten nachts immer die Frostalben das Schiffsruder übernommen, die sich bei den nächtlichen Temperaturen erst begannen wohlzufühlen. Ab und zu hatte man dann gehört, wie nachts ein Frostalb ins eiskalte Wasser sprang, da Wassertemperatur bekanntlich kälter, als die Lufttemperatur ist. Bei einer Temperatur, wo Norkara innerhalb von wenigen Minuten erfrieren würden. Die Dunkelsteine hatten sie während jener Zeit kaum gebraucht.


    Je südlicher sie kamen, desto wärmer wurden aber die Tage und Nächte. Der warme Ozean des Dhunik bot mittlerweile auch keine Erfrischung mehr. Und deswegen waren die Frostalben mittlerweile voll auf ihre Dunkelsteine angewiesen. Andernfalls müssten sie nach einer 2-3 Stundenschicht schon wieder in ihr Zimmer gehen, was kein Frostalb freiwillig getan hätte. Eher würden sie arbeiten, bis sie bewusstlos aufgrund der Sonneneinstrahlung zusammensacken würden. "Aufgeben ist etwas für die Schwachen."
    Keinesfalls wollten die Frostalben gegenüber ihren Verbündeten Schwäche zeigen.


    Tarnev stand derzeit am Ausguck und beobachtete die Umgebung. Genau genommen war es der Job, für den er sich in den ersten Tagen am besten qualifiziert hatte und er diesen deswegen immer noch ausübte. Ab und zu wurde er zum Schrubben oder zum Leerpumpen der Bilge abbestellt. In der Küche hatte er sich in der ersten Woche sehr schlecht angestellt. Was für Tarnevs Geschmack ein "nahrhaftes Essen" war, war für die Norkara ungenießbar und nicht schmackhaft. Mit Takelage und Segeln kannte er sich nicht aus. Die erfahrenen Bootsmänner hatten die Frostalben aber innerhalb der letzten Wochen gut angelernt, sodass sie die wichtigsten seemännnische Befehle kannten, und die Befehle des Kapitäns zur Steuerung des Schiffes mit den Segeln umsetzen konnten. Komplizierte Schiffsreperaturen durchzuführen, oder sich um die Instandhaltung der Zimmer zu kümmern, überstieg Tarnevs Sachverstand.


    Tarnev stand kerzengerade in seinem Ausguck und überblickte die Umgebung. Durch seinen Sehfehler war er nicht auf ein Fernglas angewiesen, sondern konnte weit in die Ferne gucken und noch kleine Details erkennen. Was den Frostalb aber am meisten störte war, dass man soviel kommunizieren musste auf dem Schiff. Ständig quasselten einen die anderen Norkara Männer mit ihren Lebensgeschichten voll. Tarnev hatte schon soviele unnötigen Details gehört, dass er manchmal schon daran gedacht hatte die Person einfach umzubringen, damit sie endlich ihr Maul hielt. "Ein Rudel Sandjäger auf 2 Uhr," meldete Tarnev routinemäßig. Er ging nicht davon aus, dass sie eine Bedrohung darstellten, sonst hätte er das anders gemeldet. Doch bei diesem Volk konnte man nie wissen. Obwohl sie eigentlich Verbündete waren, hielten sich die wenigsten Sandjäger an das Abkommen, sondern griffen auch freundlich gestimmte Schiffe an. Der jüngste Kampf vor ein paar Tagen hatte dies offenbart.


    Doch die Sandjäger drifteten seitlich ab und schwammen in eine andere Richtung. Nach wie vor übernahmen die 30 Frostalben die Nachtschicht, und die Norkara die Tagesschicht. An Bord des Schiffes waren neben den 55 Norkara, auch noch 15 Arashi, 10 Sandjäger, die abwechselnd Tag und Nacht arbeiteten. Das Führungspersonal, also die Schiffsoffiziere, wurde aber nicht von den Frostalben besetzt, sondern von den Sandjägern und Norkara. Auch bei Nachtschicht der Frostalben musste daher immer eine Nachtschicht des Führungspersonals zugegen sein. Vorallem der Steuermann, der Rudergänger und der Kapitän . Bei Tag übernahm der 1. Maat die Führung über das Personal. Den frostalbischen Anführer hatte man ehrenhalber zum 2. Maat ernannt, obwohl er keine Erfahrung hatte, und eigentlich nur seine Soldaten befehligte. Es handelte sich dabei, um den Magier Damukan Schattenbruder - Einer der mächtigsten Magier aus dem Frostkönigreich.


    Tarnevs Schicht neigte sich dem Ende zu. Die Sonne hinterließ ihre ersten Strahlen auf der Wasseroberfläche. Die Himmelswand färbte sich leicht rot und im Wechselspiel mit den dichten Wolken ergab sich ein schöner Anblick. Tarnev blickte nach vorne und beobachtete die Wasservögel. Er atmete tief ein. Für eine ganz kurze Zeit regte sich ein Lächeln in seinem Gesicht. Ein Gefühl innerer Zufriedenheit. Kurz hatte es den Anschein, als würde der Frostalb verstehen, warum die Norkara die Seefahrt so liebten. Doch dieser Augenblick verflog schnell, als Tarnev darauf wieder streng seiner Tätigkeit nachkam und sich nicht mehr ablenken ließ. Sein Blick verfinsterte sich. Seine Miene wurde kalt und strahlte wieder die Lieblosigkeit aus, wie sonst auch.


    Tod allen Schwachen!, war sein Gedanke. Ein Wasservogel hatte gerade einen Fisch aus dem Ozean gefischt und flog nun mit diesem davon.
    Die Natur war dafür der beste Lehrer.

  • Varmikan betrat das Deck des Schiffes und schaute sich argwöhnisch um. Bei einer dermaßen großen Anzahl an Fremdlingen, musste man besonders vorsichtig sein. Vertrauenswürdig war keiner von ihnen.


    Nicht nur das überall diese Menschen herum hingen, jetzt ging sogar noch die Sonne auf. Das erste widerwärtige Morgenrot kroch wie eine sich ausbreitende Seuche über den Himmel und verhieß wieder einen grauenvoll heißen Tag.


    Nun fast - noch war es nicht soweit.


    Varmikan diente dem Magier Damukan Schattenbruder als Unterstützung. Egal was der Mann verlangte, er würde dessen Weisungen nachkommen. Varmikan hoffte zudem von dem äußerst mächtigen Magier lernen zu können.


    Der Magier schaute sich um und grüßte mit knappen Blickkontakt und Nicken seinen Kameraden oben auf dem Ausguck.


    Tarnev Aerion hatte ein Rudel Sandjäger auf 2 Uhr gemeldet. Varmikan ging an die Reling und schaute aufs Wasser. Die Wasserwesen drehten wieder ab. Auch denen war nicht zu trauen. Man konnte diese Biester überhaupt nicht einschätzen. Gut, wozu auch - war kein Frostalb, ergo war es ein Feind. Nicht im Moment - dann später.


    Varmikan warf erneut einen Blick gen Himmel und unterdrückte ein genervtes Stöhnen. Er sah nicht nur extrem scharf, er hörte auch extrem scharf, wie die meisten Alben.


    Das bedeutete zeitgleich, das Geschnatter der Menschen ging ihm unheimlich auf die Nerven. Permanente Geräuschkulisse. Sein Blick schweifte über die menschliche Mannschaft hinweg und für einen Sekundenbruchteil stellte er sich ihre ausgeweideten Leichen auf der Wasseroberfläche treibend vor. Ein kaum merkliches Schmunzeln kräusselte seine Mundwinkel, ehe er wieder aufs Wasser schaute.


    Man konnte nicht erwarten, dass die ganze Welt aus Frostalben und Magiern bestand mit denen man sich nonverbal auf mentaler Art verständigen konnte. Dies war ihm immer noch die liebste Art zu kommunizieren. Der direkteste und ehrlichste Weg um jemanden etwas mitzuteilen.


    Was es ständig unter Menschen zu bereden gab, fragte sich der Magier.


    Gut, sie waren nicht von seinem Volk, wenn sie ihn etwas fragten was sie nicht verstanden, antwortete er ihnen. Im Grunde waren sie nichts weiter als ein Haufen unreifer Kinder, die von nichts einen blassen Schimmer hatten und alles hinterfragen mussten. Jedenfalls bei den Dingen, die für ihn von Belang waren.


    Dieser ganze technische Mist interessierte ihn nicht. Damit belastete sich der Frostalb auch nicht. Das Schiff schwamm oben auf den Wellen und solange das so blieb, war alles in Ordnung.


    Änderte sich daran was, musste man zusehen, dass man ein Rettungsboot abbekam. Dies ging nur indem man die Herde opferte. Wie hieß ein altes Sprichwort? Wenn die Wölfe heulen, stoß den Letzten vom Schlitten.


    Bei so unterschiedlichen Völkern kam es natürlich oft zu Missverständnissen, weil sich Menschen kaum anpassten. Menschen gingen davon aus, dass jeder Interesse an ihrer Kultur hatte und seine eigene breittreten wollte.


    Das Frostalben offensichtliche Dinge nicht aussprachen, begriffen die meisten anderen Völker nicht.


    Welcher Frostalb würde seinem Kameraden zurufen "gib mir Deckung!" in einem Kampf? Dass man sich gegenseitig Deckung gab, war selbstverständlich. Wozu also erwähnen?


    In ihrer Welt gab es kein Platz für unnützes Gequatsche. Es kostete wertvollen Atem und mit dem Atem verschwendete man zeitgleich Körperwärme. Körperwärme erzeugte man durch Futter. Ergo verschwendete man durch unnützes Gerede Nahrung die andere schwer erarbeitet hatten.


    Andere Völker quatschen den ganzen Tag zum Spaß, Frostalben redeten wenn es nötig war. Dinge die jedem Frostalben bekannt waren, mussten nicht erwähnt werden. Erwähnte man Dinge bewusst, musste sich etwas an der bekannten Information geändert haben – die Info musste etwas Neues beinhalten.


    Ansonsten hatte unnützes Gequatsche meist nur den Hintergrund einen anderen zu hintergehen. Man beschönigte etwas, man verbarg etwas hinter zig Worten, oder man versuchte wen zu bescheißen.


    Im schlimmsten Fall hatte man Schiss und traute seiner eigenen Entscheidung nicht. Das waren die Quatscher. Sie wollten eine Bestätigung von einem anderen Alben hören. Oder hier in diesem Fall von einem Menschen. Menschen suchten seltsamerweise immer die Bestätigung ihrer Gruppe.


    Sowas sollte man sich als Frostalb auf jedem Fall verkneifen, gerade wenn man der Kaste der Magier angehörte, dachte sich Varmikan.


    Egal was man für einen Stuss man erzählte und völlig gleichgültig wie unsicher man sich war, man musste es aus dem Herzen der Überzeugung sagen. Man musste seine Argumente so felsenfest rüberbringen, dass jeder andere Alb einem glaubte, dass was man sagte, war unumstößliche Wahrheit.


    Zweifelten die normalen Bürger das Wort von einem an, zweifelten sie ebenso das Können an. Somit zweifelten sie die Familie und damit die Kaste von einem an. Folglich damit den ganzen Stand der Magier.


    Wenn man vor seinen Untergebenen stand, stand man dort schließlich nicht als Privatperson. Dort stand nicht Varmikan Eisseher, der mit seinen Untergebenen sprach.


    Dort stand die Kaste der Magier – repräsentiert durch die Person Varmikan Eisseher. Man erschien nicht auf dem Posten aus Privatvergnügen, sondern man hatte eine Aufgabe zu erledigen.


    Das war kein menschliches Kaffeekränzchen um angenehm zu plaudern und die Zeit totzuschlagen. Für solchen Unfug fehlten ihnen die Ressourcen. Nahrungstechnisch, denn Nahrung war gleichbedeutend mit Kraft.


    Und Kraft sammeln musste man für geistige Arbeit. Also konzentrierte man sich auf seine Aufgabe und verschwendete nichts, was man nicht selbst erwirtschaftet hatte.


    Vielleicht sollte sich jemand wirklich mal die Mühe machen und diesen Menschen ihre albischen Gedanken näher bringen, überlegte Varmikan.


    Kinder mussten schließlich auch lernen. Gut nicht an einem Stück, aber diese Menschen würden es an einem Stück lernen müssen, damit sie endlich etwas weniger anstrengend waren.


    Nur wer würde sich für diese vermaledeite Aufgabe opfern?


    Varmikan musterte einen der vorbei gehenden Menschen. Der Bursche ging so nah vorbei, dass er dessen Körperwärme spürte. Scheinbar hatten Menschen auch eine andere Toleranzgrenze was körperlichen Abstand anging, neben dem Problem dass sie Hitze abstrahlten wie ein Hochofen. Varmikan unterdrückte das Bedürfnis sich zu schütteln und zu kratzen.


    Erneut ließ er seinen Blick über das Deck schweifen.


    Ein weiterer Punkt, den andere Völker nicht begriffen war ihre Hartherzigkeit und ihren Geiz. Natürlich waren sie kalt, berechnend und geizig - aber das aus gutem Grund!


    Sie waren dass, was ihre Umwelt aus ihnen geformt hatte. Sie konnten nicht großzügig mit Essen um sich schmeißen und unnütze Fress-Säcke durchfüttern, wenn sie selbst gerade so viel hatten, dass ich über die Runden kamen.


    Wer der Gesellschaft nicht nützte, war unnütz und wurde nicht mehr versorgt. Punktum. Egal wodurch er unnütz geworden war, Krankheit, Dummheit, Faulheit – irrelevant. Das Recht weiter zu leben hatte die Person verwirkt.


    Standesdenken war der nächste Punkt.
    Einer seiner wichtigsten Punkte.
    Davon hatten diese Menschen auch keine Ahnung.


    Kein frostalbischer Magier würde grundlos irgendeiner anderen Spezies helfen. Wenn, musste es einen triftigen Grund geben oder ihm einen gewaltigen Vorteil einbringen. Es wurde behauptet, sie seien Spezisten, jene die nur ihre Spezies achten. Das war Fakt.


    Damit ein Magier von ihnen zu dem werden konnte, was er war, verzichteten viele andere Alben. Damit er seiner Berufung des Magiers nachgehen und lernen konnte, dafür mussten einige Versorger auf etwas von ihrem Futter verzichten.


    Nicht persönlich, das war klar. Keiner musste von seinem Stück Fleisch etwas abschneiden mit dem freundlichen Gruß - dass ist für Varmikan. Es ging um die generelle Sicht.


    Seine Mitalben verzichten, damit die Magier lernen konnten, damit sie studieren konnten. Damit sie sich mit nichts anderem beschäftigen brauchten. Dafür dass die anderen Alben die Magier versorgten, mussten diese so schnell wie möglich lernen, um den anderen so wenig wie möglich auf der Tasche zu liegen.


    Hatten sie als Magier ihre Grundausbildung abgeschlossen, waren sie verpflichtet ihr Volk zu führen, sie zu leiten, sie mit ihrem erworbenen Wissen zu verteidigen und ihnen beizustehen. Und ihr Wissen natürlich ein Leben lang zu erweitern.
    Das war ihr Recht als höchste Kaste und ihre Pflicht.


    Wenn ein Zwerg seiner Hilfe bedurfte und nur er ihn retten konnte, warum sollte er dieser Kreatur nicht eine Rechnung ausstellen die sich gewaschen hatte?
    Er hatte zu zahlen, oder zu sterben.
    Es war nur ein Zwerg.


    Ihm persönlich war es vollkommen gleich, was aus dem Zwerg wurde.
    Mehr noch, es wurde von ihm erwartet und verlangt, dass er anderen Völkern völlig gleichgültig gegenüber stand. Denn auf was hat dieser Zwerg verzichtet, um die Ausbildung eines Magiers von ihnen zu gewährleisten?


    Hatte er auf eigene Nahrung verzichtet?
    Hatte er auf Gold verzichtet?
    Ging er für die Frostalben auf Jagd?


    Nein! Er war ein völlig Fremder, der Leistungen in Anspruch nehmen wollte, zu denen er selbst nicht das Geringste beigetragen hatte. Das hatte nichts mit Hartherzigkeit zu tun, sondern einfach mit dem Umstand, dass Überleben einen Preis hat.


    Genauso verhielt es sich mit jeder Form von unnötiger Zuneigungsbekundung.
    Kein anderes Volk führte sich vor Augen, was eine körperliche Handlung kostete - wie ein Gespräch. Kostet sie einen Kraft, dann kostet sie Nahrung, also ließ man die Konversation sein, wenn der andere eh Bescheid wusste.


    Aber hier wusste scheinbar niemand Bescheid, denn sie redeten und redeten und redeten. Ohne Punkt und ohne Komma.


    Varmikan warf einen letzten verhassten Blick auf die aufgehende Sonne und schaute zu seinem Kameraden auf. Da er Quartiermeister war, hatte er auch in seinen Augen dafür zu sorgen, dass sein Alben-Bruder rechtzeitig seinen Arbeitsplatz räumte, damit ihn die Sonne nicht verbrannte.


    "Dienstende. Abrücken", rief Varmikan Tarnev Aerion oben auf dem Ausguck zu.


    Ihn persönlich mit Namen ansprechen musste der Magier nicht. Denn auch das war etwas, wovon jeder Frostalb ausging - um eine andere Person sorgte man sich nicht, wenn sie kein Frostalb war.


    Varmikan begab sich ins Innere des Schiffes und wartete dort auf seinen Kameraden.

  • Die Zeit zum Schichtwechsel war gekommen. Der Reihe nach verließen die Frostalben, ein paar Arashi und die Norkara Offiziere das Deck. Stoisch blickte Tarnev einen Moment auf eine Stelle. Er brauchte einen Moment, um wieder Antrieb zu finden. Denn das viele Rumgestehe machte müde. Obwohl er geistig noch voll da war, schien sein Körper sozusagen eingerostet zu sein. Tarnev sprang plötzlich mit einem Satz auf die Kante des Ausgucks. Von dort schätze er ruhig die Distanz ein und kam zum Schluss, dass ein Sprung zum nächsten Segel unproblematisch war. Er hätte auch die Leiter benutzen können, aber das war langweilig und sein Körper wollte etwas mehr körperliche Anstrengung, bevor er ihn schlafen schicken wollte.


    Also sprang Tarnev ein Stück, aber deutlich knapper als erwartet, und griff an die Außenseite des Segels, welches zurzeit ausgespannt war. Durch einen plötzlichen Windstoß musste er aber sein Gewicht ausbalancieren und hätte beinahe den Halt verloren. Erfreulicherweise war er ein guter Kletterer und hatte dementsprechend gute Reaktionen entwickelt. Er ließ die Segel erneut los, um etwas durch die Luft zu fliegen, gerade so schnell, dass er seine Geschwindigkeit mit dem Segel noch auffangen konnte. Seine Muskeln spannten sich bei dem Kraftakt an. Ohne die Unterstützung der Beine war eine solche Kletterpartie besonders anstrengend. Aber das Ende war ja auch schon in Sicht. Athletisch sprang er ein letztes Mal unten auf, und rollte sich ab, um den Stoß abzufangen.


    Völlig außer Atem brauchte er einen Moment, um sich wieder bewegen zu können. Dem seltsamen Schauspiel hatte die frische Tagesschicht zugeguckt. Erstaunen, Kopfschütteln und ein allgemeines Raunen ging durch die Mannschaft. Sowas hatte noch niemand gewagt. Unabhängig von der eigenen Gefahr stand hier viel wichtiger zur Debatte, dass Tarnev ein Segel hätte beschädigen können. Dieser Tatsache war sich auch der Kapitän bewusst, der ihm während seiner Kletterpartie dreimal zugerufen hatte, er solle unverzüglich den Unsinn lassen. Doch Tarnev hatte nicht auf ihn gehört. Wenn schon, hätte er ihm vorher warnen können. Als er dabei war gab es nur noch den einen Weg nach unten, und den hatte Tarnev sicher und souverän gefunden.


    "Sofort in mein Quartier!", befahl der Kapitän. Er hatte die Schnauze voll nicht ernst genommen zu werden. Es war eigentlich viel zu lächerlich, wie er sich über diese Kleinigkeit aufregte. Aber der Kapitän fühlte sich nun mal in seiner Befehlsgewalt verletzt und um keinen dauerhaften Schaden seiner Autorität zu bekommen, sah er es als seine Pflicht an Tarnev zur Rede zu stellen, und ihn womöglich zu bestrafen. Tarnevs Blick durchstreifte die Mannschaft. Sein Blick verriet Gleichgültigkeit und Uninteressiertheit an der ganzen Sache. Weniger würde es sich um eine Bestrafung drücken. Seine Gleichgültigkeit bezog sich darauf, dass nichts auf diesem Schiff passierte. In der Natur musste Tarnev jeden Tag an die Grenzen seines Körpers stoßen. Die ständige Gefahr gefressen zu werden, schulte den Körper und Geist. Es hatte Tarnev zu einem wachsamen Frostalben gemacht. Hier bei den Norkara war die Arbeit allerhöchstens ermüdend, weil sie langweilig war.


    Erhobenen Hauptes und immer noch schweigend, ging er an Varmikan und den restlichen Frostalben vorbei. Zum Quartier des Kapitäns musste man ganz nach hinten durch. Es befand sich am Heck des Schiffes. Der Kapitän stand fuchsteufelwild, pausierte immer kurz, um zu gucken, ob Tarnev ihm folgte und fuchtelte dann immer hektisch mit seinen Armen umher. Einige Frostalben folgten Tarnev. Sie sprachen sich nicht ab. Mehr war es als allgemeines Verständnis zu sehen: Einer ihrer Brüder hatte Probleme. Möglicherweise könnten Handgreiflichkeiten auftreten und deswegen mussten sie ihn begleiten.


    Das bemerkte auch der Kapitän und er maulte:
    "Allein sagte ich!"
    Die Frostalben waren aber von den Worten unbeeindruckt. Jetzt trat auch teilweise die Tagesschicht wieder in den Flur, wo man zu den Schiffsquartieren gelangt und gerieten in Sichtweite zu den Frostalben. Eine angespannte Situation machte sich breit. Die Frostalben immer noch schweigsam wie ein Grab wussten sofort was zu tun war. Abwarten und angriffsbereit sein. Die Norkara und Shezem plapperten aufgeregt, bis einer der Sandjäger das Wort ergriff.
    "Frostalben Pack. Ihr denkt ihr seid was Besseres?"
    Seine nasale Stimme war nervtötend für die Ohren. Ein anderer Shezem fuhr fort mit der Provokation:
    "Die Seeluft kommt ihnen nicht gut. Ist wohl zu viel für eine Körperchen, hmm? Seid wohl doch nicht so stark."
    "Maul halten, Fischköpfe!", schrie der 1. Maat wütend. Doch die Situation war weiterhin angespannt. Immer mehr Schaulustige kamen hinzu.


    Währenddessen hörte man, wie die Tür der Kapitänskajüte zugeknallt wurde. Tarnev war drinnen. Die Tür bewacht von 5 frostalbischen Brüdern. Beim kleinsten Kampflaut würden sie ihm zur Hilf eilen. Soviel war sicher.

  • Der Kapitän des Schiffes rief drei Mal jemanden zur Räson. Die Person sollte irgendeinen Unsinn unterlassen. Kaum merklich kräuselten sich erneut die Lippen von Varmikan. Was für ein Stümper! Aber was hatte er auch erwartet?

    Ein Vorgesetzter, der ernst genommen werden wollte, erhob niemals seine Stimme. Entweder besaß man Stand und Autorität, oder man besaß sie nicht. Zudem wiederholte man einen Befehl nicht.


    Ging der Mensch tatsächlich davon aus, dass sein Befehl befolgt wurde, weil er ihn wie ein Mantra im Endlosgebet wiederholte? Humor schien der Kapitän jedenfalls zu haben, wobei - schoss es Varmikan bissig durch den Kopf der Mann selbst war der Witz. Er besaß keinen Humor.


    Das "Sofort in mein Quartier!", des Kapitäns hörte Varmikan so, als hätte der Mensch neben ihm gestanden. Scheinbar war er zu Äußerungen in normaler Lautstärke nicht fähig.


    Stolz und schweigend schritt Tarnev an ihm vorbei und folgte dem Kapitän. Varmikan ließ ihn und seine Brüder passieren, ehe er sich dem Tross seiner Leute anschloss.


    Der menschliche Kapitän, der eindeutig noch nie etwas von dem Wort Würde gehört hatte, ging nun dazu über mit überschwänglichen Gesten wie ein Hampelmann vor Tarnev herumzufuchteln.


    Varmikan verwirrte die Körpersprache des Mannes. Da er dieses seltsame Gefuchtele nicht einordnen konnte, ging er logischerweise von einer Drohung gegenüber Tarnev aus.


    Die Shezem und Noraka begannen untereinander nervös zu schwatzen, so dass man einzelnen Gesprächen kaum noch folgen konnte. Die Geräuschkulisse war für Frostalbenohren hart an der Grenze des Erträglichen.


    Der 1. Maat bemühte sich auf die gleiche, unsinnige Art wie der Kapitän um das Gehör seiner Leute, während immer mehr Mitglieder der Mannschaft anrückten.


    "Zweifellos", antwortete Varmikan eisig auf den Vorwurf des Sandjägers, ob sie sich für etwas Besseres hielten.


    Dabei musterte der das Wesen, als handele es sich dabei um ein höchst widerwärtiges Insekt, ehe er beschloss, dass diese Kreatur seine Aufmerksamkeit überhaupt nicht wert war.


    Tarnev folgte dem Kaptiän in dessen Kajüte und die Tür wurde zugeknallt. Fünf von seinem Volk bewachten die Tür, falls der Mensch ihren Bruder angreifen sollte. Keinem Frostalb musste man um Hilfe rufen, wenn ein Bruder oder eine Schwester in Gefahr war. Zusammenhalt war für sie eine Selbstverständlichkeit.


    Als einziger Magier der im Moment zugegen war, vertrat Varmikan nach außen hin sein Volk. Also folgte er Tarnev in die Kajüte. Für ihn war dies das Selbstverständlichste auf der Welt.


    Demonstrativ stellte er sich Schulter an Schulter neben Tarnev und musterte den Kapitän.


    "Sprecht!", forderte er den Menschen in unmissverständlichem Ton auf. Dabei starrte er den Kapitän an und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.

  • Kapitän Steingerd war kein geduldiger Mann. Sobald er nicht das bekam, was er wollte...sobald seine Vorstellungen nicht erfüllt wurden, wurder er höchst ungemütlich. Seinen Zorn projezierte er dann gerade auf Andere und machte die Situation unnötig dramatisch, ohne dass die Beteiligten in der Situation etwas für seine emotionale Verschlechterung konnten.


    Er war als Kapitän in seiner Position zwar durchsetzungsstark und eine Person, die man grundsätzlich respekierte. Aber eben jener war unausstehlich, falls er mal Kompromisse eingehen musste. Seine Wut war besonders leicht zu entfachen , wenn Steingerd das Gefühl hatte in seiner Position nicht ernst genommen zu werden. Jeder Kompromiss fühlte sich für ihn wie ein Rückschlag an.


    „Diese Angelehenheit geht dich nichts an!“, schrie er Varmikan aufgebracht ins Gesicht. Einige Spucktropfen landeten in seinem Geschrei auf Varmikans Gesicht. Des Kapitäns Körpersprache war bedrohlich und schien auf Konfrontation aus.
    „Das eine Sache die nur MICH, und TARNEV, was angeht!“
    Er wurde mit seiner Körpersprache noch deutlicher und unterstrich sein Gerede mit einer geballten Faust.
    „Was gibt’s da zu glotzen?“, schrie er Varmikan an, der nur einen Meter vor ihm stand.
    „Sofort raus!“


    Tarnev hingegen hatte bisher geschwiegen und mit einer missbilligenden und gleichgültigen Miene das Gespräch verfolgt. Der Frostalb hob seine Brust leicht an, streckte den Hals und ließ seine Hände locker herunterhängen. Er hatte nichts Bedrohliches in seiner Körpersprache. Mehr noch schien er ohne Worte signalisieren zu wollen, dass er den Kapitän nicht hatte beleidigen wollen.


    Das alles verstand der Kapitän aber ganz anders. Anders als die Frostalben vermochte er es nicht die Körpersprache zu deuten, und sah sich nun in einer misslichen Lage. Denn schon seit Beginn des Gesprächs hatte nur er geredet. Aus lauter Unruhe begann er noch mehr zu reden, da er sich immer unwohler fühlte.
    „Ich habe hier das Kommando! Sieh es endlich ein Frostalb!“, schrie er Tarnev ins Gesicht.
    Dieser reagierte erst gar nicht, denn dies wusste er schon längst. Wieso solle Tarnev also darauf etwas antworten? Worte waren unnötig.


    „Dein respektloses Gehabe wird dir vergehen, wenn ich dich erst an dem Schiffsrumpf hinten anketten lasse. Den Rest der Reise kannst du dort verbringen…“ sagte Steingerd. Er ließ aber etwas locker, da er auf Tarnevs Dienste angewiesen war. „Gut sagen wir, 2 Tage, weil ich so gerecht bin!“, lachte Steingerd.


    Er dreht Tarnev demonstrativ den Rücken zu und schrien dann nach den Wachen.
    „Schafft ihn hier raus!“, maulte er.