Ein geistreiches Examen

  • Danilos erwachte mit starken Kopfschmerzen, er hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zu gedrückt und jetzt, wo er endlich in einen unruhigen Schlaf gesunken war, wurde er auch schon wieder herausgerissen. Wer wagte es, ihn in seiner Ruhe zu stören?
    „Herr Dekan“, piepste es vor seiner Zimmertüre und er erkannte in der Stimme seinen Sekretär. An den Namen erinnerte er sich nicht, dafür war sein Verschleiss an Personal einfach zu ausgeprägt.
    „Geehrter Herr Androklis. Ihr habt mich gebeten, Euch an diesem besonderen Tag früh genug zu wecken.“
    Klang er dabei gar leicht verzweifelt? Argh, diese Kopfschmerzen…
    Der Farisin lag ohne Bekleidung auf einem glatten, leicht abgerundeten Stein. Sein Echsenkörper schmiegte sich an die warme Oberfläche, die er selbst mit seiner Magie erhitzt hatte. Der breite, stachelige Schweif hing nachlässig bis zum Boden hinunter, während sein länglicher Kopf bequem auf dem Felsen ruhte. Man hätte ihn gut mit einer gewöhnlichen Eidechse verwechseln können, wären da nicht seine beachtliche Grösse und die farisintypischen Segel gewesen, die locker an der Seite zusammengefaltet waren.
    Müde blinzelte er zwischen den Augenlidern hervor und versuchte sich zu erinnern, was heute Wichtiges bevorstand.
    „Meister Androklis?“, hörte er da bereits wieder das Nerv tötende Gequake vor seiner Tür, das ihm gleich ein noch heftigeres Pochen in seinem Schädel bescherte.
    „Wass issst denn loss?“, zischte Danilos schliesslich und dabei klang er alles andere als freundlich. Er hob nun sein Haupt und entliess ein Gähnen in den Raum, das seine Raubtierzähne und die spitze, gespaltene Zunge entblösste.
    „Es ist Prüfungstag Herr Dekan!“


    Eine halbe Stunde später marschierte der Dekan der intermagischen Akademie bereits eilig durch die Gänge, wobei seine Augen ungewohnt hektisch umherirrten.
    Er war in eine edle bordeauxrote Robe gewandet und hatte zur Feier des Tages sogar noch einige goldene Ringe an die ausgeprägten Hornstacheln seines Hinterkopfes gelegt.
    Trotzdem wirkte er nicht gar so majestätisch wie gewohnt. Sein Blick war fiel zu unruhig und als er um eine Ecke bog, streckte er plötzlich abwehrend den Arm aus und zuckte zusammen.
    Im nächsten Moment versteifte er sich und ein verärgertes Zischen entfuhr dem Farisin.
    Verfluchte Schaben…
    Obwohl es erst zwei Tage her war, dass die Viecher ihm auf unbekannte Weise entkommen waren, verspürte Danilos bereits die Entzugserscheinungen seiner Droge.
    Obwohl sein Gedächtnis eindeutig schon schlechtere Tage erlebt hatte, plagten ihn stattdessen Kopfschmerzen und erste kleine Halluzinationen machten sich bemerkbar.
    Und ausgerechnet nun mussten die Prüfungen der höheren Ränge stattfinden.


    Die Mondpriesterin und Professorin Myope sass ihrem Studenten Davard von Hohenfelde gegenüber, der Stuhl neben dem ihren war noch leer.
    Es sah dem Dekan nicht ähnlich sich zu verspäten.
    „Nun, wir können schon einmal mit dem formellen Prozedere beginnen, Herr von Hohenfelde. Sie sind hier, um den Grad des Meistermagiers in der Geistmagie zu erlangen. Ist das korrekt?“, wandte sie sich gelassen an den Prüfling.
    „Bestätigen Sie hiermit, dass Sie den Auflagen gefolgt sind und in der letzten Woche Ihre astrale Energie geschont haben, um die Prüfung angemessen und ohne unnötige Risiken einzugehen durchführen zu können?“
    Nachdem sie einige weitere Formalitäten mit ihm geklärt hatte, war Professor Androklis noch immer nicht erschienen.
    Einen Moment runzelte die Mondpriesterin die Stirn und blickte zum Himmelszelt hoch, wo eine magische Sonne die Uhrzeit erkennen liess.
    Ein Kommentar lag ihr auf den Lippen, doch sie verkniff ihn sich in priesterlicher Manier.
    „Also Herr von Hohenfelde. Beginnen wir mit einigen theoretischen Fragen. Definieren Sie die Rolle der Irrlichter in der Geschichte der Geistmagie, und erläutern Sie die Frage, welche Rückschlüsse ihre Bestrafung zulässt im Hinblick auf das Wohlwollen der Götter gegenüber der Geistmagie. Welche Konsequenzen leiten Sie daraus auf Ihre eigene Handhabung der Magieformen ab?


    Danilos strich seine Robbe glatt und fixierte mit seinen Augen die Tür. Er musste einen seriösen Anschein machen.
    Er klopfte kurz dagegen, bevor er sie aufstiess und den Raum betrat.
    Die beiden Personen verstummten und ihre Blicke richteten sich auf den Farisin.
    Man konnte nicht behaupten, dass er keinen imposanten Eindruck hinterliess mit seiner eleganten Robbe, dem raubtierhaften Schädel mit den gekeilten Schuppen und seiner ansehnlichen Statur.
    Er nickte Eleonore Myope knapp zu und ging dann angemessenen Schrittes, beinahe gemächlich, zu seinem Stuhl hinüber, der wie die anderen aus kunstvoll geschwungenem Eisen geformt war.
    „Fahren Ssie fort in Ihrem Tun!“, befahl er den Anwesenden und sein Blick fixierte erwartungsvoll den Herren von Hohenfelde.
    „Seien Sie gegrüsst, Herr Androklis. Wie Sie wünschen, Dekan“, antwortete die Mondpriesterin höflich, bevor Sie sich mit der nächsten Prüfungsfrage an Davard wandte.
    „Bevor wir zum praktischen Aspekt gelangen, möchte ich von Ihnen, dass Sie mir die Potenziale und Risiken beim Entziehen astraler Energie beschreiben und wie sich ein Magier darauf vorbereiten kann. Erläutern Sie auch Möglichkeiten, einen solchen Eingriff abzuwehren.“
    Während der Almane seinen Antworten nachkam, fixierte Danilos ihn wie ein Raubtier seine Beute. Gleichzeitig zuckte sein eigener Schweif jedoch immer wieder ungesehen von dem Prüfling, was auf seine innere Unruhe hindeuten liess. Die Kopfschmerzen plagten ihn ungehindert und er hatte phasenweise Mühe, sich auf die Worte des Studenten zu konzentrieren.

  • Dave saß Professorin Myope gegenüber und hörte der Frau aufmerksam zu. Es war schon eine Ewigkeit her, dass er das letzte Mal die Schulbank gedrückt hatte. Dass er einen Abschlusstest zu bestehen hatte, ganz zu schweigen.


    Aber um selbst Schüler ausbilden zu können und auch um einige höhere Zauber zu lernen, war dieser Schritt notwendig.


    Zudem wollte er einen ganz besonderen Zauber erlernen um Pavo damit beizustehen. Für den alten Goblin war somit das Bestehen der Meisterprüfung lebensnotwendig. Dave war aufgeregt, aber wie immer konnte man seinem Gesicht keine Gefühlsregung entnehmen.


    Niemand sah ihm an, welche Gefühle gerade in seinem inneren tobten. Angst zu versagen, verbunden mit dem Wissen nicht versagen zu dürfen.

    Seine Professorin fragte ob er den Auflagen gefolgt war und in der letzten Woche seine astrale Energie geschont hatte, um die Prüfung angemessen und ohne unnötige Risiken einzugehen durchführen zu können.


    Er bestätigte die Frage mit einem knappen Nicken und einem höflichen Ja.


    Davon dass er die ganze Zeit über kaum ein Bissen zu Essen herunter bekommen hatte, davon sprach er nicht. Danach hatte seine Professorin nicht gefragt und mit Lappalien wollte er die Frau ganz sicher nicht während seiner Prüfung langweilen oder schlimmer noch erzürnen.


    Zudem zeugte unnützes Geschwätz in seinen Augen davon, die Prüfung nicht ernst zu nehmen. Aber er nahm die Prüfung gewaltig ernst.


    Solange er ausreichend Kaffee trank, war er wach und fit genug für jede mentale Herausforderung.


    Nahrung war für ihn meist zweitrangig. Essen konnte er schließlich immer noch, wenn er die Prüfung hinter sich gebracht hatte. Wie auch immer der Ausgang der Prüfung aussah.


    Dave rief sich innerlich zur Ruhe.


    Was er bis jetzt nicht gelernt hatte, würde ihn auch in den nächsten Minuten nicht mehr einfallen. Er musste jetzt sein Bestes geben und das Beste hoffen.


    Die erste Frage lautete:
    "Definieren Sie die Rolle der Irrlichter in der Geschichte der Geistmagie, und erläutern Sie die Frage, welche Rückschlüsse ihre Bestrafung zulässt im Hinblick auf das Wohlwollen der Götter gegenüber der Geistmagie. Welche Konsequenzen leiten Sie daraus auf Ihre eigene Handhabung der Magieformen ab?“


    "Die Irrlichter lehrten den Sterblichen die Geistmagie, ebenso folglich damit die Nekromantie eine Abwandlung der Geistmagie und nebenbei noch die Illusionsmagie.
    Im Gegensatz zu jenen anderen mit Elementar-Magie gesegneten verräterischen Völkern, beruhte der Verrat der Irrlichter nicht auf weltlicher Gier.


    Die Irrlichter strebten nicht nach Geld, Macht oder Reichtum.
    Sie lehrten den Sterblichen die Geistmagie aus Spaß. Da sie einst fühlende Wesen waren, hatten sie möglicherweise einfach Freude daran, anderen Geschöpfen diese Fähigkeit beizubringen. Möglicherweise war ihr Handeln bis auf ihre persönliche Freude sogar selbstlos, ganz so wie es Ainuwar fordert. Denn sie haben nichts dafür im Austausch verlangt. Die Freude am Lehren, war ihnen Bezahlung genug.


    Der Verrat der Irrlichter wurde genauso bemerkt, wie jeder Verrat an den Göttern zuvor.


    Die Strafe war ihnen ihre Wandlungsfähigkeit zu nehmen und sie der Stimme zu berauben. Für ein selbstloses Geschenk, wenn auch nur aus Freude oder Spaß, hatte man diese Wesen ihrer Gestalt beraubt und sie mundtot gemacht.


    Der Hass der Irrlichter auf die Sterblichen ruht vermutlich daher, dass sie einst etwas verschenkten, für ihre Selbstlosigkeit bestraft wurden und ihnen niemand beistand. Immerhin hätten sich die Sterblichen von den Göttern abwenden können, wenn auch nur zeitweise. Niemand erhob für die Irrlichter die Stimme und ihrer eigenen waren sie beraubt worden. Ihr Groll auf Sterbliche ist nachvollziehbar.


    Die Konsequenz die ich daraus ableite ist, dass ich mir stets vor Augen führe, dass meine Form der Magie ein Geschenk ist. Ich missbrauche sie nicht. Egal was ich per Magie bewirkte, ich muss mir im klaren darüber sein, die Magie, beziehungsweise Gott wird mir dafür die Rechnung präsentieren... immer. Und die Rechnung ist stets höher, als das was man bereit ist zu zahlen.


    Magie verleiht dem Anwender große Macht. Mit Macht geht Verantwortung einher.
    Aber jede Anwendung gleicht einem Pakt mit einem Dämon. An jede Anwendung sind Bedingungen geknüpft. Drum sollte man vor jeder magischen Handlung seinen Geist nutzen und niemals unüberlegt handeln.

    Auch ein Magier - oder gerade der Magier sollte seine Befähigung zur Magie als etwas Besonderes und Erhabenes betrachten.


    Wie gesagt, sie ist ein Geschenk, dass andere Wesen teuer erkauft haben. Aus diesem Geschenk ergeben sich mehrere Verpflichtungen.

    Die erste Verpflichtung ist Achtung vor der Magie selbst.
    Die zweite Verpflichtung ist, der bewusste Umgang mit der Magie.
    Die dritte Verpflichtung ist Selbstbeherrschung.


    Es ist leicht, jemanden mit Magie dazu zu zwingen sich die Augen aus dem Schädel zu reißen - die Schwierigkeit besteht darin, darauf zu verzichten, auch wenn man es gerne tun würde.


    Magie ist eine unglaubliche Begabung. Passend dazu, benötigt man einen Willen, der seines gleichen sucht. Talent ist ein Geschenk – aber es gehört einem nicht allein. Man hat eine Verpflichtung daraus etwas zu machen und man muss die Gabe annehmen", erläuterte Dave freundlich.


    Er hatte gerade seine Erläuterung abgegeben, als ein Farisin den Raum betrat. Kein anderer als der Dekan höchstpersönlich. Dave grübelte einen Moment darüber nach, wieso ausgerechnet der Dekan seiner Prüfung beiwohnte. Zu seiner Beruhigung trug dies sicher nicht bei, aber die Robe war schick, stellte Dave unnötiger weise fest.


    Der Dekan forderte Professorin Myope zum Weitermachen auf und beobachtete ihn dann, mit Argusaugen.


    Dave unterdrückte den Drang, nervös auf dem Stuhl hin und her zu rutschen.


    Warum starrte der Mann so? Normalerweise war er es gewöhnt, dass ihn niemand beachtete. Aber dermaßen Beachtung geschenkt zu bekommen, war extrem unangenehm.


    Der Farisin schaute so, als fraß er normalerweise drei Menschen auf Toaste zum Frühstück. Ein Farisin, ergo ein Feuermagier.


    Vielleicht wurde man hier für Versagen sofort eingeäschert? Grübelte Dave für einige Sekunden und hoffte, dass seine Gedanken ihm gerade nur auf Grund der Nervosität einen üblen Streich spielten.


    Der Geistmagier konzentrierte sich felsenfest auf Professorin Myope.


    Vermutlich wollte ihn der Dekan nur testen, inwieweit er sich beherrschen konnte. Gut Selbstbeherrschung war sein Spezialgebiet. Er konnte sich sogar dermaßen beherrschen, dass er vergessen hatte, wie man die Beherrschung wieder aufgab und Gefühle zeigte.


    Wenn dieser Mann Selbstbeherrschung sehen wollte, war er hier an der richtigen Adresse - solange er ihn nicht angriff. Dann sah die Sache natürlich anders aus.


    Professorin Myope stellte die nächste Frage.


    „Bevor wir zum praktischen Aspekt gelangen, möchte ich von Ihnen, dass Sie mir die Potenziale und Risiken beim Entziehen astraler Energie beschreiben und wie sich ein Magier darauf vorbereiten kann. Erläutern Sie auch Möglichkeiten, einen solchen Eingriff abzuwehren.“


    "Ich rezitiere:
    Astrale Energie entziehen. Dem Geistmagier ist es möglich die astrale Energie eines anderen Lebewesens zu entziehen und sie sich selbst oder anderen Leuten hinzuzufügen.


    Dabei wird aber vorausgesetzt, dass der Zaubernde zuvor erfolgreich in den Geist des Anderen eingedrungen ist. Dieser Zauber kostet sehr viel magische Energie. Es kommt häufiger vor, dass sich Geistmagier überschätzen und bei diesem Zauber ein zu großes Risiko eingehen und dabei sterben.


    Das Potential dieses Zaubers ist, dass man einer anderen Person damit das Leben retten kann. Liegt eine Person im Sterben, kann man sie durch diesen Spruch mit astraler Energie versorgen, welche sie am Leben erhalten wird.


    Die Risiken dabei sind dass man sich selbst extrem schwächt oder bei der Anwendung dieses Zaubers aufgrund von mentaler Entkräftung verstirbt.


    Schutzmechanismen wären in erster Linie, dass man den Zauber nur ausgeruht und in geschützter Umgebung anwenden sollte. Natürlich ist dies nicht immer möglich.


    Hatte man nicht die Möglichkeit auf seinen eigenen körperlichen Zustand zu achten, sollte man während des Spruches darauf achten. Man sollte ständig "nachspüren" inwieweit man geschwächt ist. Gegebenenfalls sollte man den Zauber abbrechen. Eigenschutz vor Fremdschutz, bei fremden Personen.


    Im Fall einer geliebten Person hat der Zaubernde zu entscheiden, ob er bereit wäre sein Leben zu geben. Also inwieweit er den Spruch aufrecht erhält, ohne Rücksicht auf die eigenen Konsequenzen oder den möglichen Tod.


    Eine weitere Form wäre zudem, dass man nicht nur die entzogene, astrale Energie an die Person die man retten möchte weiterleitet, sondern auch die eigene. Ergo persönliche, komplette Selbstopferung für die Person die man retten möchte.


    Das ist natürlich von Magier zu Magier unterschiedlich und hängt vom persönlichen Verhältnis des Magiers zum Energie-Empfänger ab.


    Ein mentaler Angriff in dieser Form, der darauf abzielen würde mir meine astrale Energie zu rauben, würde ich in erster Linie versuchen direkt zu blocken.


    Dass heißt, ich würde zuerst versuchen, gar keinen Zugriff zuzulassen. Ich würde mich gegen jedes Eindringen in meinen Geist verteidigen.


    Je nach Gegner hätte ich vermutlich damit Erfolg.
    Aber wie überall gibt es immer einen Besseren und Stärkeren.


    Würde ich an so einen Kontrahenten geraten, der an meiner mentalen Barriere vorbei kommt, hätte ich den Gegner nun in meinem Geist.


    Erstmals unangenehm, aber kein Grund zur Panik. Er ist mit mir verbunden, folglich ich auch mit ihm. Niemand kann einen anderen umarmen ohne ihn zu berühren, nicht wahr?


    In diesem Fall würde ich ihn erst mal schlagartig mit sämtlichen Erinnerungen konfrontieren, egal wie nichtssagend sie sind - ich mülle seine Wahrnehmung zu.


    Nützt dies nichts, werde ich versuchen seinen Geist zu beeinflussen.
    Nützt dies ebenfalls nichts, mentaler Gegenschlag.


    Daraus ergibt sich, sollte er versuchen mir meine astrale Energie abzuzapfen, werde ich das gleiche im Umkehrschluss mit ihm versuchen.


    Zumindest hätte er dann dass Problem, sich gegen meinen Angriff bei seinem Raub zusätzlich verteidigen zu müssen.


    Dass ich diesen Kampf verlieren würde, ist selbstredend. Ich würde sterben. Aber je länger ich meinen Gegner festhalte, je höher ist die Wahrscheinlichkeit dass er mit mir stirbt", antwortete Dave höflich.


    Der Naridier wartete schweigend nach seinen Erläuterungen ab. Dave musterte kurz den Dekan, ehe er sich wieder auf seine Professorin konzentrierte.

  • Die Mondpriesterin brauchte keinen Stift und Papier, um ihre Notizen zu verschriftlichen, denn es reichte ihr völlig aus, sie gedanklich festzuhalten. Wie in einem Buch vermochte sie in ihren Gedanken zu blättern und konnte sich vortrefflich an Gespräche und Geschehnisse zurückerinnern. Würde der Student mit den Prüfungsresultaten nicht zufrieden sein, konnte sie sich jeder Zeit auf die Erinnerungen berufen und sie von einem Magier einsehen lassen.
    Eleonor Myope gab nur mit einem leichten Lächeln Preis, dass sie mit der Antwort ihres Schülers zufrieden war.
    Die historischen Begebenheiten hatte er korrekt wiedergegeben, und auch die Konsequenzen, welche er daraus ableitete, waren ganz in ihrem Sinne.
    Leider war sich die Priesterin nur allzu bewusst, dass es trotzdem oft Magier gab, die ihre Gabe zu untugendhaften Taten nutzten und damit die Götter verhöhnten. Und manchmal war es schwierig, diese schwarzen Schafe von Anfang an zu erkennen.
    Einen Moment betrachtete sie den Herren von Hohenfelde eingehend.
    „Wie Sie bereits verdeutlichten, bedeutet Magie eine grosse Verantwortung und Macht. Mit unserer Gabe sind wir in der Lage Lebewesen zu beeinflussen. In wieweit ist es Ihrer Meinung nach vertretbar, in den Geist eines Wesens einzudringen und es zu manipulieren?
    Zudem möchte ich, dass Sie die folgende These bestätigen oder falsifizieren mit einer entsprechenden Begründung:
    Einem Geistmagier ist es möglich, die subjektiven Erfahrungen eines Wesens zu erschliessen, da er in der Lage ist den Geist einzusehen.“


    Priesterin Myope entging nicht der kurz aufblitzende grüblerische Ausdruck auf Davards Gesicht, als der Farisin den Raum betrat.
    Sie wartete ab, bis sie ihre Fragen abgehandelt hatten, um dann die offene Frage zu klären.
    „An den Stufenprüfungen sowie den Abschlussprüfungen nehmen üblicherweise zwei Dozierende teil, um den korrekten Ablauf zu überprüfen. Wir haben heute die Ehre Dekan Androklis persönlich bei uns begrüssen zu dürfen, da er sich dazu bereit erklärt hat, für einen Teilaspekt der Prüfung zur Verfügung zu stehen.
    In Ihren Ausführungen haben sie zuvor erwähnt, dass ein starker Wille nötig ist. Nun, Professor Androklis besitzt einen solchen, der seinesgleichen sucht. Obwohl er kein Geistmagier ist, wurde er in seiner Vergangenheit darauf ausgebildet, dem Eindringen in seinen Geist zu widerstehen, weshalb er prädestiniert dafür ist, Ihnen die Prüfung in diesem Bereich abzunehmen. Nicht einmal ich habe ihm viel entgegenzusetzen“
    , sie nickte Danilos mit einer Mischung aus Hochachtung und Höflichkeit zu.


    Etwa eine Minute lang verfolgte der Farisin die Worte des Mannes, der ihm gegenüber auf einem Stuhl sass. Dann jedoch driftete seine Aufmerksamkeit ab und er überliess es der Lichtalbin gelegentlich zu nicken.
    Wie ein Raubtier achtete er auf die kleinsten Regungen seines Gegenübers und obwohl der Student offensichtlich Übung darin hatte, seine Gefühle zu verbergen, verrieten ihn trotzdem zumindest seine Ausdünstungen. Die gespaltene Zunge des Dekans schoss gelegentlich aus dem breiten Echsenmaul hervor und war meisterlich darin, kleinste geschmackliche Unterschiede in der Luft zu identifizieren. Ganz so gelassen, wie der Prüfling sich gab, war er nicht.
    Jetzt sprach wiederum Myope, stellte eine weitere Frage an den Herren von Hohenfelde, die Danilos nicht verstand. Verärgert versuchte er sich wieder auf ihre Worte zu konzentrieren, doch das plötzlich aufbrausende Pochen in seinem Kopf liess ihn unwillkürlich zusammenzucken. Sein Blick schoss prüfend zu Davard. Hatte er seine Schwäche gesehen?
    Da sah der Dekan einen Schatten am Rande seines Blickfeldes und seine Augen weiteten sich für einen Moment. Da von Myope jedoch keine Reaktion erfolgte, unterdrückte er seine aufkommende Wut über die vermaledeiten Kakerlaken und die lästigen Prüfungen und gab stattdessen einem verächtlichen Schnauben Raum.
    Er sollte nicht hier herumsitzen, es gab weit Wichtigeres zu tun für den Leiter der intermagischen Akademie!


    „Madame Myope, ich wäre Ihnen dankbar den theoretischen Teil zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Als Dekan beschäftigen mich noch andere Aufgaben!“, fuhr er schliesslich ungehalten dazwischen, als die Mondpriesterin gerade eine neue These für Davard aufzustellen gedachte.
    Man konnte der Lichtalbin ansehen, dass sie unzufrieden über seine Aufforderung war, brachte er doch ihr ordentlich aufgestelltes Konzept durcheinander.
    Schliesslich nickte sie jedoch nur knapp.
    „Nun denn, gelangen wir zum praktischen Abschnitt unserer Prüfung. Herr Hohenfelde, Ihre Aufgabe wird es sein, in den Geist von Professor Androklis vorzudringen, und einen Teil seiner astralen Magie zu entziehen, um sie einer anderen Person, in diesem Falle mir, hinzuzufügen. Dekan Androklis ist so freundlich, seine mentalen Barrieren dafür herabzusetzen und Ihnen ein Stück weit entgegenzukommen. Das Wühlen in Erinnerungen und anderen Bereichen ist Ihnen natürlich strengstens untersagt und ist nicht Bestand Ihrer Aufgabe.“
    Der Farisin hatte seine Augen unverwandt auf den Studenten gerichtet, und versuchte seine Fähigkeiten einzuschätzen.
    Er hatte bereits mehrmals an der Geistmagierprüfung teilgenommen und die Lichtalbin unterstützt. Jedes Mal war es eine neue Erfahrung und immer wieder musste man sich dabei auf die Fertigkeitsstufe des Studenten einlassen.
    Danilos sah in der Übung jedoch eher ein Spiel, als eine wirkliche Herausforderung. Auf dem Schlachtfeld war er ein berüchtigter Magier gewesen und sein Wille war eisern gestählt worden von den Rakshanern, die in ihm eine Waffe gesehen hatten.
    Es wäre ein Pappenstiel, diesen Prüfling aus seinem Kopf zu verbannen. Doch heute war dies nicht das Ziel, sondern ihm einen leicht erschwerten Einstieg zu gewähren. Er fühlte sich sicher in seiner Position und machte mit seiner klauenbesetzten Hand eine einladende Geste gegenüber dem Studenten, die etwas hochmütig wirken mochte.
    Der Farisin schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Kaum spürte er jedoch die erste noch zaghafte Berührung des Geistes, durchzuckten ihn erneut piesackende Schmerzen in seinem Schädel. Trotzdessen umgab eine gewaltige Barriere seinen Geist, die ohne sein Zutun nicht so leicht zu durchbrechen wäre.

  • Dave hörte Priesterin Myope aufmerksam zu. Er fand es erleichternd, dass sie ihn optisch an Aino erinnerte. Seltsamerweise trugen beide Frauen eine Glatze. Aber es war ihre persönliche Wahl und hier erleichterte es ihm die Konversation mit der Professorin. Andernfalls hätte er sie sich einfach als Auftraggeberin vorgestellt, dass funktionierte immer.


    "Die moralische Vertretbarkeit zur Eindringung in den Geist einer Person ist situationsabhängig und kann nicht pauschal beantwortet werden.


    Generell sollte ein Magier hier nach besten Wissen, Gewissen und dem geltenden Recht entscheiden.


    Einige Beispiele.
    Eine Person, die unter einem seelischen Trauma leidet, genau von jener schmerzhaften Erinnerung zu befreien, kann ein gleichermaßen heilsamer Einschnitt sein, wie die Entfernung eines Geschwürs mit einem Skalpell.


    Ebenso kann die gemeinsame Reise durch eine Erinnerung heilsam sein, da die Person jemanden an ihrer Seite hat der auf ihr subjektives Situationsempfinden in dieser Erinnerungssequenz rein objektiv reagiert und folglich sie somit erdet beziehungsweise der Person einen seelischen Halt gibt.


    Dies wären zwei Beispiele von direkter Hilfeleistung durch mentale Beeinflussung eines fremden Geistes.


    Eine weiter Möglichkeit eines vertretbaren Eindringens wäre, ein mentaler Angriff in Notstand.


    Im Gegensatz zu den ersten beiden Beispielen, wird diese Person nicht kooperieren.


    Nehmen wir an, ein Kind wurde entführt. Welcher Geist hat mehr Unversehrtheit verdient? Der des Entführers, wenn man seiner habhaft werden konnte, oder der des Kindes den man opfern würde bei Nicht-Einschreitung?


    In diesem Fall wäre es legitim, in den Geist des Entführers gegen seinen Willen einzudringen und den Aufenthalt des entführten Opfers mit allen Mitteln in Erfahrung zu bringen, unabhängig davon wie es danach um die mentale Gesundheit des Entführers bestellt ist.


    Ein weiteres legitimes Eindringen in den Geist, wäre zur sofortigen und direkten Verteidigung der eigenen Person - Recht auf Selbstschutz, oder zur Verteidigung Dritter.


    Auch hier ist die mentale Gesundheit des Angreifers nachrangig.
    Er hat durch seine Aktion eine Reaktion heraufbeschworen, deren Konsequenzen er allein verschuldet und zu tragen hat.


    Abzulehnen ist jedes Eindringen in den Geist anderer redlicher Personen aus Neugier. Entweder man erhält hierfür eine Einladung, oder man muss sich mit den verbalen Antworten seines Gegenübers begnügen.


    Wie man an diesen Beispielen ersehen kann, ist ein eindeutiges Gebot oder Verbot was das Eindringen in den Geist anderer angeht nicht möglich.
    Der Magier kann im Einzelfall, wie bereits zuvor erwähnt, nur nach besten Wissen, seinem Gewissen und natürlich auch dem Gesetz entscheiden. Eine andere Möglichkeit bietet sich ihm nicht.


    Eine willkürliche Messerattacke ist schließlich genauso strafbar, wie jede willkürliche Mentalattacke - nur wird diese im Zweifelsfall schwerer nachzuweisen sein.


    Was uns erneut vor Augen führen sollte, sorgsam, bedacht und mit Vernunft mit unseren Fähigkeiten umzugehen.


    Zum zweiten Punkt Eure These.


    "Einem Geistmagier ist es möglich, die subjektiven Erfahrungen eines Wesens zu erschließen, da er in der Lage ist den Geist einzusehen.“


    Die These ist korrekt.


    Begründung ist - bei allen bewussten Erinnerungen handelt es sich um subjektive Wahrnehmungen. Keine Erinnerung wird ohne subjektive Wahrnehmung, sprich dem dazugehörigen Gefühl gespeichert.


    Selbst wenn das Gefühl nicht bewusst durch die Person wahrgenommen wurde, so erspüren wir es doch. Ein Spaziergang im Frühling mag für die Person bewusst nur ein zu laufender Weg gewesen sein, aber sie empfand dabei etwas. Wohin ging sie, weshalb ging sie dorthin? Wen erwartete sie dort? Selbst kleinste Banalitäten wie dass damals zur Zeit vorherrschende Wetter, lösen Gefühle aus. Meist ist dieses Gefühl im Unterbewusstsein abgelegt.


    Die These ist somit korrekt", sagte Dave höflich.


    Dave musterte den Dekan. Das Gesicht des Echsenwesens war kaum zu lesen, fast so wie das eines Bären. Aber sein Beruf den er seit einer Ewigkeit ausübte und seine Verwandtschaftsverhältnisse hatten ihn gelehrt auf minimalste Veränderungen zu achten.


    Ein zu kurzer Blick, war genauso verräterisch wie ein zu langer.
    Ein unbewusstes Zucken, eine kaum wahrnehmbare Geste, nicht alles lief bewusst ab und gerade die unbewussten Handlungen, jene die Personen nicht steuern konnten, verrieten ihre wahren Absichten.


    Zwar hatte er wie auch seine Verwandten keine hellseherische Gabe, jedenfalls nicht so, was man sich volkstümlich darunter vorstellte, aber sie waren aufgrund ihrer familiären Eigenart und ihrem schon an Wahnsinn und Paranoia grenzendem Verfolgungs- und Entsorgungswahn wahre Experten darin geworden, Leute deuten zu können.


    Ein uralter Spruch in ihrer Familie besagte, es war völlig gleichgültig was man aß - entscheidet war mit wem!


    Jemand der ihr Familien internes Konkurrenzdenken nicht verstand, verstand die Botschaft nicht dahinter. Jede und jeder von Hohenfelde wusste was die Worte bedeuteten - jeder Bissen konnte der letzte sein, wenn man sein Gegenüber nicht einschätzen konnte.


    Wer in einer Welt voller Nekromanten und Intrigen aufwuchs, wusste die Fähigkeit Leute wie ein Buch lesen zu können war lebensnotwendig. Wer diese Fähigkeit in der Familie nicht beherrschte, starb.


    Ebenso war es lebensnotwendig, jedes Gefühl, jede Regung hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit oder Arroganz zu verbergen. Der Rest war übertriebene Etikette um unbewusste Handlungen zu vermeiden.


    Ein lebenslanges Theaterstück, in dem das Gift, der Dolch und die Feinde keine Requisiten oder Schauspieler waren. Wenn der Vorhang fiel, dann für immer. Jedenfalls in der Daseinsform, die man einst zu schätzen wusste.


    Wenn alle ewig leben wollten, ihre Macht, ihren Status und vor allem ihr Geld auf ewig an sich binden wollten, führte dass unweigerlich dazu in jedem Neuankömmling in der Familie einen Konkurrenten zu witterten. Gerade dann, wenn er über die Gabe verfügte.


    Er selbst hatte oft genug überlegt, ob Ansgars Brüderlichkeit nur ein Vortäuschen falscher Tatsachen war. Solange er nicht verheiratet war, solange er selbst keine Kinder hatte - war er keine Gefahr für seinen Bruder. Aber was wäre, wenn sich die Situation jemals ändern würde?


    Würde sein Bruder ihn, seine Frau und sein Kind zwecks Selbstschutz entsorgen?
    Oder würde er Ansgar entsorgen, bevor er überhaupt von den veränderten Umständen erfuhr?


    Einst hatte er mit Pavo über das Thema gesprochen. Der alte Goblin sagte ihm, dass Ansgar ihn liebte und ihm tatsächlich stets brüderlich wohlgesonnen war. Er hätte keinen Grund ihn zu entsorgen. Er hätte ihn nach dem Unfall einfach sterben lassen können, anstatt sein eigenes Leben zu gefährden.


    Ansgar würde niemals ihn, seine Frau oder sein Kind bedrohen versicherte Pavo.
    Wie sagte sein bester Freund einst? Wenn er Ansgar angehen würde, dann hätte Dunwin gewonnen. Er würde handeln wie sein Vater. Er wäre zu dem geworden, was er selbst an seinen Vorfahren verabscheute. Das war eine Tatsache.


    Dennoch... irgendeine Stimme in seinem Kopf, riet ihm dazu vorsichtig zu sein.
    Ein Leben wo die nächsten Verwandten, die nächste Bedrohung waren vergaß man nicht so leicht.


    Und so war Davard auch nicht das Zusammenzucken des Dekan entgangen.
    Er klang gereizt als er Professorin Myope unterbrach. Der Mann hatte es eilig.
    Er hatte Schmerzen. Damit konnte er arbeiten, überlegte Dave.


    Es gab zwei mögliche Taktiken. Einschleichen indem man beruhigende und schmerzlindernde Gedanken sandte oder ein direkter Angriff, der darauf abzielte seinem Gegner möglichst viel Schmerzen zu verursachen, damit dieser einknickte.


    Die Wahl der Mittel hatte für Dave nichts mit Zu- oder Abneigung zu tun.


    Dave rief sich in Erinnerung, dass er für Pavo hier saß. Er saß hier um dem alten Goblin beizustehen, der ihn vor dem Tod bewahrt hatte und zeitgleich vor dem seelischen Tod durch seine alte Familie.


    Nichts anderes wäre geschehen, hätte er dort bleiben müssen. Und das Pavo ihn so ohne weiteres behalten hatte, war ein Beweis seiner Zuneigung.


    Wie sagte er einst? Meinst Du ich hätte Dich ohne weiteres behalten dürfen?
    Ich habe Dich nicht gerettet, damit sie Dich seelisch töten. Es reicht, dass sie aus Dir einen Gefühlskrüppel gemacht haben. Wer wusste schon, was Pavo Dunwin angedroht hatte, in seiner Wut und Liebe? Pavo war zu vielen fähig, zu fast allem, wenn man ihn reizte. Schlagartig vermisste Dave seinen besten Freund.


    Er saß hier um wenigstens einen Bruchteil dessen an Pavo zurückzugeben. Er konnte ihm vielleicht nicht ewig beistehen, aber etwas mehr Zeit konnte er seinem besten Freund und Ziehvater verschaffen. Wenn er bestand.


    Die einzige Person die zwischen ihm und seinem Ziel stand war der Dekan.


    "Verzeiht Professorin Myope, ich muss den praktische Teil der Prüfung kurz hinterfragen, da mir etwas unklar ist.


    Erwartet Ihr von mir, dass ich versuche in den Geist des Dekans einzudringen und ihm dann einen Teil der Essenz entziehe, oder soll ich gewaltsam in seinen Geist einzudringen versuchen?


    Sprich erwartet Ihr ein Konzentrations-Duell und eine Machtdemonstration meiner Fähigkeiten von meiner Person, oder einen mentalen Kampf gegen den Herrn Dekan? Ich bitte höflichst um kurze Erläuterung. Danke", sagte Dave höflich.

  • Der Farisin betrachtete den Studenten mit einer Mischung aus Verärgerung und Mitleid.
    Glaubte er etwa, dass er in einem ernsthaften Duell gegen ihn antreten könnte? Da verschätzte sich der Almane jedoch gewaltig. Er würde genau dann in Danilos Geist eindringen können, wenn dieser es ihm erlaubte und keinen Moment früher!
    Er erinnerte sich nicht gerne an seine Vergangenheit zurück, doch etwas musste man ihm lassen – damals war er auf dem Höhepunkt seiner Fähigkeiten gewesen. Sein Wille hatte jedem Angriff standgehalten und bevor es jemand wagen konnte, einen zweiten Ansturm zu wagen, hatte er bereits eine Feuersbrunst über das Lager seiner Feinde hereinbrechen lassen.
    Nein, so einfach hatte man ihn nicht bezwingen können.
    Unwillkürlich schüttelte er den Kopf, und verdrängte den schalen Beigeschmack, den diese Gedanken gleichsam mit sich brachten.


    Währenddessen beantwortete die Mondpriesterin freundlich Davards Frage.
    „Nun, es soll kein Kampf zwischen Ihnen beiden stattfinden, denn Dekan Androklis ist kein Geistmagier. Ihr sollt uns zeigen, auf welche Weise Ihr die mentalen Barrieren des Dekans durchbrechen würdet, die er allein durch seinen Willen aufrechterhält. Sobald Euch dies gelungen ist, besteht Eure weitere Aufgabe darin, etwas von der astralen Energie des Dekans auf mich überzuleiten. Dabei wird der Dekan keinen Gegenangriff starten, da er Euch dafür eher die Haare vom Kopf sengen würde, als geistigen Widerstand zu leisten, was ja nicht seinen magischen Fertigkeiten entspricht. Beim zweiten Teil wird bewertet, ob es Euch gelingt, die astrale Energie richtig umzuleiten ohne dass sie unnütz in den Nexus entschwindet. Bei beiden Aufgaben bewerten wir Euer Geschick, Eure Aufmerksamkeit und Intuition, Kreativität und Konzentration. Zeigt uns, was Ihr gelernt habt.“


    Dekan Androklis musterte seinen vorläufigen Kontrahenten abschätzend. Er nahm sich vor, dieses überhebliche Bürschchen etwas länger zappeln zu lassen, als es bei gewöhnlichen Prüflingen der Fall war.
    Als er Davard von Hohenfeldes Blick begegnete, schoben sich seine mit spitzen Zähnen besetzten Kiefer etwas auseinander und offenbarten ein raubtierhaftes Lächeln, das seine stechenden Augen jedoch nicht erreichte.
    „Können wir nun beginnen?“, meinte das Echsenwesen und legte seine klauenartigen Hände gemütlich in den Schoss.


    Danilos hatte gelernt, dass es unterschiedlichste Arten gab, seinen Geist zu schützen. Beispielsweise versuchte man an gar nichts zu denken, womit man beinahe unsichtbar war. Dann gab es die Möglichkeit, sich hinter so vielen Gedanken als nur möglich zu verbarrikadieren. Oder man verwertete seine Konzentration auf einen einzigen Gegenstand. Was den Dekan betraf, handelte es sich bei diesem um eine Klapperschlange.
    In dem Wüstengebiet der Rakshaner hatte es viele von ihnen gegeben. Die Tiere hatten ihn fasziniert, waren sie doch im weiten Sinne mit den Echsenwesen verwandt.


    So konzentrierte sich der Dekan also darauf, den gelblich-bräunlichen Schlangenkörper mit dem rhombenförmigen Mustern in seinen Geist zu projizieren.
    Er malte sich den schlanken, schuppenbesetzten Leib mit all seinen Details aus, dachte an den abgerundeten, dreiecksförmigen Kopf mit dem scharfen Blick und den gefährlichen Giftzähnen.
    Während er sich die Klapperschlange vorstellte und seine Gedanken auf sie fokussierte, entstand ein grosses Ebenbild davon in seinem Inneren.
    So wand sich der schuppige Körper um seinen Geist und bildete einen natürlichen Wall gegen Eingriffe, während gleichzeitig das aufmerksam erhobene Haupt jeden in Blick nahm, der sich Danilos Geist annäherte.


    Gleichzeitig quälten ihn jedoch weiterhin die Kopfschmerzen. Immer wieder hatte er das Gefühl, der schützende Schlangenkörper würde für einen winzigen Moment erstarren, wenn das Pochen wieder zunahm.
    Danilos Augen waren währenddessen geöffnet, und obwohl es in diesem Rahmen nicht nötig gewesen wäre, beobachtete er das Geschehen um ihn herum, wie er es auch auf dem Schlachtfeld getan hätte.
    Schon das kleinste Funkeln in Davards Augen oder ein Zucken seiner Fingerspitzen konnten Aufschluss über sein Tun geben.
    Myope sass still daneben und auch sie verweilte nun im Nexus, um das Tun der beiden Männer zu beobachten.
    Der Dekan hätte für einen kurzen Moment gerne die Augen geschlossen, um dem unangenehmen Pochen Einhalt zu gebieten, doch es wäre wohl als Schwäche bei dem Prüfling angekommen.

  • Dave konzentrierte sich auf die Erläuterung von Professorin Myope. Sie war so freundlich und erläuterte ihm die Aufgabe noch einmal, wofür er ihr dankbar war.


    In einem tatsächlichen Kampf oder wenn er für die Geister andere Aufgaben erledigte, egal wie gefährlich diese auch waren, war er nicht annähernd so aufgeregt wie jetzt. Dave bereute nicht wenigstens einen Schnaps vor der Prüfung zur Beruhigung getrunken zu haben. Wobei das wahrscheinlich auch keine gute Idee war. Einen guten Eindruck hätte das nicht hinterlassen.


    Dave unterdrückte den Drang aufzustehen und einfach zu gehen. Seine normale Vorgehensweise, wenn ihm eine Situation nicht behagte - wortlose Flucht. Nur hier konnte er sich diese Marotte nicht erlauben, denn damit wäre die Prüfung besiegelt - versagt.


    Zudem hätte er damit grundlos seine Professorin vor den Kopf gestoßen. Die Albin bemühte sich wirklich ihm seine Aufgabe klar verständlich zu machen. Dafür dass er im Moment vor Aufregung auf dem Schlauch stand, dafür konnte die Frau nun wirklich nichts. Dave rief sich innerlich zur Ruhe.


    `Ruhe bewahren.
    Nachdenken, nachdenken...
    Kein Kampf... wie soll ich dann in seine Gedanken kommen?
    Wunderbar, ich sehe den Wald vor Bäume nicht und dass ausgerechnet jetzt!
    Noch einmal fragen ist ein Ding der Unmöglichkeit.


    Denk nach!
    Also ein Wettbewerb, ein Rätsel lösen, sowas vermutlich.
    Sie erläuterte, er wird keinen Gegenangriff starten, heißt folglich ich muss irgendwie in seine Gedanken kommen.


    Aber ich muss doch Zwang anwenden, wenn er sich bewusst verschließt. Wie soll ich jemanden zwingen ohne Gewaltanwendung?


    Ich Idiot - ihn beeinflussen natürlich!
    Ich denke in zu festgefahrenen Bahnen.
    Ändern.


    Teil zwei meiner Aufgabe ist mir klar. Essenzentzug an dem Dekan durchführen und Professorin Myope zuleiten. Na dann hoffe ich mal, dass das nach dem ersten Teil noch hinbekomme.


    Tja Brandwunden sind einige der wenigen Wunde die ich noch nicht habe, würde in meine Sammlung passen. Zudem um mich zu grillen, müsste er das wirklich wollen. Nur wo ein Wille ist, ist eine Handlung.


    Die Frage wäre bei einem echten Kampf, wer von uns beiden ist schneller?
    Hat er mich schneller gegrillt oder hab ich ihn schneller mental K.O-geschlagen?


    Vermutlich ist er schneller, sonst wäre er nicht Dekan, sondern ich. Ich denke ja jetzt schon zu lange nach, ergo ich wäre ein Grillhähnchen. Nicht länger nachdenken - loslegen´, dachte Dave.


    Wobei man dem Naridier seine Gedankengänge nicht ansah. Bestenfalls der Dekan bekam etwas davon über seine Geruchszunge mit.


    "Bereit", antwortete Dave leise und ruhig dem Dekan.


    Danach rührte sich der Magier nicht mehr. Dave erwiderte weder das Lächeln, noch bewegte er sich überhaupt noch. Er verharrte in regungsloser Starre als er sich in den Nexus fallen ließ. Einzig und allein sein stechender, grauer Blick bohrte sich in die Reptilienaugen des Farisin.


    Dave bündelte seine Gedanken und tastete den Geist des Dekans vorsichtig ab. Er ging behutsam vor, da er systematisch nach Schwachstellen suchte, wo er ansetzen konnte. Vorher wollte er keine Kraft verschwenden.


    Die Waffe des Dekans war im Moment eine absolute Verweigerungshaltung - manifestiert in Form einer Schlange, wie Dave erkannte.


    Seine Waffe waren seine Gedanken. Die Kraft seines Geistes das Verhalten anderer Wesen zu beeinflussen.


    Er stellte normalerweise für einen nichtmagischen Verstand einen gefährlichen Gegner dar. Denn dieser wehrlose Verstand besaß nichts, was er seinen alptraumhaften Einflüsterungen entgegenzusetzen hatte.


    Hier war die Sache anders. Der Dekan war weder wehrlos, noch wehrte er sich. Er hatte sich hinter einem Bollwerk verschanzt. Und seine Aufgabe war es, hinter die Mauern zu gelangen.


    Die besondere Fähigkeit eines Geistmagiers war seine mentale Bindung, die er zu jedem Geschöpf aufstellen konnte und die ihm die Kontrolle über dessen Emotionen, Laune und Handlungen erlaubt.


    Außerdem konnte ein Geistmagier mit Hilfe von Halluzinationen und Illusionen seine Opfer betrügen. Aber dazu musste er an den Geist von seinem Opfer herankommen.


    Dieser Geist wurde geschützt von einer Mauer.


    Das Abbild der Mauer war irrelevant für Dave, sie war als Hindernis vorhanden, es galt ihre Schwachstelle aufzuspüren.


    Vor ihm bildeten die Farben die er so wahrnahm ein klares Bild, matt kaum zu erkennen, aber eindeutig vorhanden, allerdings hinter dem Schlangenleib.


    Um ihn herum verdichtete sich die Helligkeit seiner eigenen Farben, als er sein gesamtes geistiges Potential sammelte. Aus der Helligkeit kam eine Wurfbewegung, geschmeidig und elegant.


    Der Farisin konnte der seltsamen und dennoch behutsam-zärtlichen geistigen Berührung nicht entgehen. Eine versuchte Kontaktaufnahme.


    Kein mentaler Angriff, eher ein Anklopfen - fast ein Stupser.


    Weiter kam der Naridier nicht, da er an der Mauer abprallte. Es dauerte einen Moment, ehe sein Gegenüber von neuem startete.


    Der Dekan spürte regelrecht die mentale Abtastung wie zuckende Tentakel auf seiner Haut, als der Nardier versuchte seine mentale Natur zu erforschen.
    Etwas sphärisches strich extrem sorgfältig über die Haut der Schlange - die Gedankenfäden von Dave.


    Er suchte nach einem Eintrittspunkt in die Gedanken des Dekans.
    Immer Ausschau haltend nach einer Schwachstelle, die er gegen ihn verwenden konnte.


    Die Möglichkeit eines Zugriffs würde er nicht verpassen. Dave war bereit sich auf die kleinste Schwäche zu stürzen, egal ob es eine Konzentrationslücke war, Bilder die die Gedanken des Dekans durchzuckten und versehentlich bis zu ihm vordrangen oder was auch immer der Mann ungewollt anbieten würde.


    Der Naridier schmeckte Blut. Durch die Anspannung und Konzentration hatte er sich auf die Zunge gebissen. Dave blendete die Wahrnehmung seines Körpers so weit wie möglich aus, aber nicht vollständig.


    Und dann, ganz dem Abbild seines Gegners gleich, hatte er wie ein Lauerjäger Erfolg. Die Schlange erstarrte ab und an. Nur wann? Dahinter musste es ein Muster geben.


    Dave wartete die nächste Erstarrung der Schlange ab.


    `Meine Gedanken sauber, geschliffen, tödlicher als jede Klinge aus Stahl´, rezitierte Dave.


    Binnen eines Sekundenbruchteils formte er seine Gedankenfäden zu einem Stilett. Als die Schlange erstarrte, stach er sofort ohne das geringste Zögern zu.


    Nicht um den Dekan zu verletzten, aber um dessen Gedanken-Abbild in Schlangenform dazu zu veranlassen den Weg freizugeben oder sogar die Mauer zu durchbrechen. Er wollte und musste dahinter gelangen.


    Sollte sein Versuch von Erfolg gekrönt sein, musste er den Willen des Dekan niederringen.


    Dave hoffte, dass er die Mauer durchbrechen konnte und dahinter Informationen fand, mit denen er gegen den Dekan vorgehen konnte. Auf eine Essenzspende brauchte er nicht hoffen.


    Der Magier versuchte das Stilett an den Schuppen vorbei in den Leib der Schlange zu rammen.


    `Weiche... gib den Weg frei´, dachte Dave grimmig.

  • Zuerst konnte Danilos spüren, wie der Student an den Schuppen der Schlange abprallte. Seine tastenden Berührungen wurden von dem Gedankenwesen gestoppt, bevor der Eindringling Zugang zu seinem Geist erlangen konnte. Der Dekan war zufrieden und beobachtete gleichzeitig Davard, dessen Blick sich verändert hatte und eine eisige Leere zeigte.
    Als der Farisin seine Aufmerksamkeit wieder auf den Nexus richtete, durchzuckten ihn wiederum seine Kopfschmerzen. Sie wurden stärker, je länger er seine Konzentration zu bündeln versuchte und gleichzeitig begannen sie ihn zu schwächen.
    Im nächsten Moment fühlte er einen dumpfen Stich, der nicht ihn selbst, jedoch seinen schlangenähnlichen Schutzwall getroffen hatte. Davard hatte angegriffen in dem Augenblick, als die Schlange durch das schmerzhafte Pochen in Danilos Kopf für kurze Zeit erstarrt war.


    Danilos gespaltene Zunge zischte zwischen den spitzen Raubtierzähnen hervor, doch dies war die einzige Reaktion des Echsenwesens, obwohl der Dekan in dem Moment am liebsten seine Pranke an den schmerzenden Schädel gelegt hätte.
    Er versuchte sich zu konzentrieren, doch der Prüfling schien seine Schwäche erkannt zu haben.
    Die anfangs vorsichtigen Stubser wurden intensiver, fordernder und folgten nun unverzüglich nacheinander.
    Gleichzeitig plagte ihn sein eigener Körper, der unter Entzugserscheinungen litt, in immer beträchtlicherem Masse.


    Die Augen des Echsenwesens hatten sich verengt und inzwischen zuckte der mit Dornenschuppen besetzte Schweif immer wieder unruhig am Boden.
    Dort wo der junge Magier getroffen hatte, schienen der Schlange einzelne Schuppen auszufallen und gaben einen Blick auf Danilos Geist frei.
    Als Davard plötzlich einen Volltreffer landete, geschah jedoch weit mehr, als dass bloss der Schutzwall in sich zusammenfiel…


    Ein anderer Ort, eine andere Zeit…
    „Na los Abraxar, töte sie alle!“, die Stimme des Heerführers, ein massiger Rakshaner mit wildem Blick auf seiner geifernden Hyäne…. ein Feuersturm, der über die kämpfenden Legionen hinwegfegt, Freund wie Feind… entsetzliche Schmerzensschreie, Hilferufe, Gebettel…
    Letzte Rauchschwaden, die wie Nebel über dem Schlachtfeld hängen, düster, dunkel, unheilverkündend… schwere Schritte, ein Echsenschwanz, der eine schlängelnde Spur auf dem aschebedeckten Boden hinterlässt…
    Verkohlte Körper, zur Unkenntlichkeit verdammt… und dann… vollkommene Stille.


    Die Schlange wand sich unter den Angriffen des Geistmagiers, der die Chance nutzt, um sich einen Weg an ihr vorbei zu bahnen. Davard konnte das Leuchten von Danilos Seele erkennen, die unruhig zu flackern schien und einzelne Erinnerungen und Halluzinationen ausspuckte, die wie Rauch langsam in den Nexus entschwebten.


    Im nächsten Moment schnellt einer der verbrannten Körper hoch, die Hände klauenartig nach dem Farisin ausgestreckt, sein Mund zu einem Wutschrei aufgerissen.
    „Verfluuuuuchttt“, eine kreischende Stimme, durchdringend wie ein Dolch.
    Die Echse schnellt geistesgegenwärtig zurück, hebt in einer abwehrenden Bewegung die Arme…
    Dann steht der Untote lichterloh in Flammen, sie fressen sich an seinen Kleidern hoch, züngeln über seine Haut, fressen sich unhaltbar vor bis zu seinen Knochen… der Geruch nach verbranntem Fleisch, so allgegenwärtig…


    Danilos riss sich von seinen Erinnerungen los, als er mit geblähten Nüstern realisierte, dass der Brandgeruch nicht nur seinen Gedanken entsprungen war. Aufgeschreckt durch seine Erinnerungen und die ansteigenden Kopfschmerzen hatte der Dekan unwillkürlich reagiert, wie er es auch im Kampf getan hätte – und den vermeintlichen Feind mit seiner ureigenen Magie angegriffen.

  • Er hatte den richtigen Moment abgepasst und der Geistschlange im passenden Augenblick einen mentalen Hieb verpasst. Die Schwachstelle ausnutzend, bohrte er mit seinen Gedanken die er wie eine Stichwaffe gebündelt hatte in dem Wesen herum.


    Zuerst verlor die mentale Mauer in der Manifestation einer Schlange nur einzelne Schuppen, ganz so wie wenn eine Mauer einzelne Steine verlieren würde. Aber jeder wusste, entstand erst einmal ein Loch in der Mauer, wäre es nicht weit bis zu deren Einsturz, wenn es man es geschickt und hartnäckig genug anstellte.


    Ob er geschickt war, darüber ließ sich streiten.
    Aber hartnäckig war er.


    Der Schutzschild fiel.


    Die Schlange war noch vorhanden, aber mehr als ein stummer Wegweiser war das Geschöpf nicht mehr.


    Er zog an dem Wesen vorbei und hatte schlagartig einen Einblick in den Geist des Dekans.



    Ein anderer Ort, eine andere Zeit…


    „Na los Abraxar, töte sie alle!“, die Stimme des Heerführers, ein massiger Rakshaner mit wildem Blick auf seiner geifernden Hyäne…. ein Feuersturm, der über die kämpfenden Legionen hinwegfegt, Freund wie Feind… entsetzliche Schmerzensschreie, Hilferufe, Gebettel…
    Letzte Rauchschwaden, die wie Nebel über dem Schlachtfeld hängen, düster, dunkel, unheilverkündend… schwere Schritte, ein Echsenschwanz, der eine schlängelnde Spur auf dem aschebedeckten Boden hinterlässt…
    Verkohlte Körper, zur Unkenntlichkeit verdammt… und dann… vollkommene Stille.


    ....


    Im nächsten Moment schnellt einer der verbrannten Körper hoch, die Hände klauenartig nach dem Farisin ausgestreckt, sein Mund zu einem Wutschrei aufgerissen.


    „Verfluuuuuchttt“, eine kreischende Stimme, durchdringend wie ein Dolch.
    Die Echse schnellt geistesgegenwärtig zurück, hebt in einer abwehrenden Bewegung die Arme…
    Dann steht der Untote lichterloh in Flammen, sie fressen sich an seinen Kleidern hoch, züngeln über seine Haut, fressen sich unhaltbar vor bis zu seinen Knochen… der Geruch nach verbranntem Fleisch, so allgegenwärtig…



    Erinnerungen, Hirngespinste, Halluzinationen die der Dekan offen in den Nexus abgab. Wobei er sie nicht freiwillig abgab, er verlor sie. Sie sickerten aus seinem Geist, wie einem Wasser zwischen den Fingern durchrann.


    Für einen Augenblick erstarrte er um all die Infos so schnell und präzise wie möglich in sich aufnehmen zu können.


    Während dieses Moments hörte er das Zischen von Luft die in einem langen Atemzug wütend eingezogen wurde. Sein Körper hatte so reagiert.


    Wieso?
    Dave verflocht sich ein Stück weit wieder mit seiner physischen Gestalt.


    Der Dekan griff ihn an?!?


    Seine eigenen zu Anfang zur Seite geschobenen Befürchtungen waren scheinbar doch keine Hirngespinste. Da er nicht mit gleicher Münze reagieren konnte, indem er einen Feuerball schleuderte oder einen Eis-Pfeil der sich wie ein Eispickel in das Hirn seinen Feindes graben würde, musste er mit den Waffen kämpfen die er zur Verfügung hatte.


    Wissen und Manipulation!


    Körperlich konnte er nicht reagieren. Dieser Ausweg blieb als letzte Schutzmaßnahme übrig. Rückkehr in den Körper und körperliche Gewalt zur Notwehr. Aber solange er im Nexus kämpfte, konnte er sich nicht bewegen. Er musst wohl oder übel hinnehmen, dass sein Körper Schaden davon tragen würde.


    Nun ganz ohne Schrammen würde der Dekan nicht davon kommen, dafür dass er ihn angegriffen hatte.


    Vor dem Geist des Dekans manifestierte sich Dave in Form seiner Farben. Ein Bild von plötzlicher Klarheit erschufen sie. Matt kaum zu erkennen, aber eindeutig vorhanden.


    `Das bist Du also... Abraxar....´.


    Der Dekan war gefesselt vom Anblick seiner eigenen Mutter. Er wusste sofort dass sie es war. Ihre Hände zitterten, während sie in einer trostlosen Aschwüste stand. Zuerst war die Farisin noch eine ganz normale Vertreterin ihrer Art.


    Aber dann sah der Dekan, wie der Boden unter den Füßen seiner Mutter zu schwelen begann. Flammen schlugen an ihr empor. Es waren keine normalen Flammen, denn diese Flammen waren blau. Die einst so schön gefärbte Haut wurde schwarz und schlug blutige Blasen.


    Seine Mutter sah ihn an, über die Zeit hinweg, über die Flammen hinweg…
    Anklagend bohrten sich ihre Reptilienaugen in die seinen, ehe auch diese von den seltsamen blauen Flammen erfasst wurden und wie flüssige Seife aus ihrem Schädel liefen.


    Die Farben in den Augenhöhlen waren so dunkel, dass die Augen seiner Mutter wie schwarze Löcher wirkten.


    Ihr Mund nur noch ein verkohlter, schwarzer Strich, das Gesicht eingefallen wie ein Totenschädel...


    `MÖRDER!´ klagte die Frau ihn stumm an.


    Der Dekan wollte nach ihr greifen, sie retten, sie aus den blauen Flammen ziehen.
    Aber angewidert wandte die sterbende Farisin sich von ihm ab und überließ sich freiwillig dem Feuertod durch diese grauenvollen blauen Flammen.


    Jenem Tod, den er Abraxar, so leichtfertig unter andere gebracht hatte.
    Nur waren diese Flammen von Hitze gekennzeichnet gewesen.


    Er wollte ihren Namen rufen, aber er wusste ihn auf einmal nicht mehr!
    Jemand hatte ihn gestohlen! Er verdiente dieses Wissen nicht mehr!


    Gerade als er seine Gedanken danach durchforsten wollte, prallten seine Gedanken an fremden Farben ab.


    Seine Mutter verschwand, und er sah die bleichen, toten Körper seiner Kameraden dort liegen, jene die ebenfalls seinen Flammen zum Opfer gefallen waren.


    Die blassen Leichen lösten sich bereits auf, die verdrehten Leiber starrten ihn anklagend an und zerfielen zu Asche.


    Neue, schwarz verkohlte Leiber schossen aus dem Ascheboden empor und griffen mit ihren klauenartigen Händen nach seiner Robe. Krallten sich in ihr fest und zerrten den Dekan in den Sand.


    Immer mehr Hände schossen aus dem Boden um sich ebenfalls ein Stück seiner Robe zu greifen. Bereits bis zu den Knöcheln war er eingesunken. Der Sand erstrahlte nun ebenfalls in blauen Flammen. Jener Sand, der seine Haut umschloss hatte nicht die gewohnte Hitze der Wüste.


    Er war kalt.


    Die blauen Flammen waren eisig, so kalt wie die Gräber aus denen sich seine Feinde erhoben hatten! So waren so kalt, dass sie sich durch Fleisch auf verdrehte Art und Weise brannten.


    Dave suchte nach einem Eintrittspunkt in Astralenergie des Dekans.
    Der Naridier dachte für sich selbst an etwas Positives, während er seinem Gegner die schlimmsten Schmerzen suggerierte, die ihm persönlich je wiederfahren waren.


    Er erinnerte sich gut, er hatte genug Erfahrungsschatz was Schmerzen anging um sie als eigene erlebte Gefühle zu teilen.


    ...Zerschmetterte Knochen, eine Lunge voller Blut, Pocken... nichts davon im Detail übermittelte er, einfach nur die reinen Schmerzen. Pur, ungefiltert und mit voller Intenstität...


    Die Kopfschmerzen waren eine lächerliche Banalität dagegen, was der Farisin nun spürte.


    Die Möglichkeit für ein Gegenangriff wuchs, denn Dave spürte wie sich sein Angreifer in der Dunkelheit bereit machte, sich auf eines der flüchtigen Bilder zu stürzen, die durch seine Gedanken zuckten. Der Dekan suchte fieberhaft nach einem Ausweg.


    Die Seelenfarben des Farisin flackerten.


    Ein Knistern ähnlich statischer Elektrizität war zu hören, als Dave seinen Geist auf den des Dekans wie eine Waffe ausrichtete und ihm astrale Energie abzapfte. Schlagartig verspürte der Naridier den gewaltigen Sog dieses Zaubers und die damit einhergehende Gefahr!


    Um seinen Griff verstärken zu können, löste er sich wieder etwas von seinem Körper. Dennoch hielt er bewusst mit einigen Gedankenfäden an seiner physischen Gestalt fest, da er sie nicht verlieren durfte. Zum Versagen oder Sterben war er nicht hierhergekommen. Aber auch nicht, um magisch auszubluten.


    Die geraubte Astralenergie sammelte er kurz in sich und spürte dann nach der Seele von Professorin Myope.


    Er berührte die Professorin mental und leitete an die Mondpriesterin die Energie weiter.


    Dave änderte eine Sekunde später seine Taktik. Er zog dem Dekan Astralenergie ab und gab sie gleich, wie in einer Kanalisierung, an seine Professorin weiter. So war der geistige Kraftaufwand zwar immer noch extrem, aber nicht ganz so hoch, wie wenn er die Energie kurz in sich selbst bündelte.

  • Geraume Zeit später klopfte es an dem Raum, in dem Davard hatte warten sollen, ehe man ihm sein Prüfungsergebnis mitteilte. Herein kam jedoch nicht der Dekan oder die Professorin, sondern der Vampir Kasimir. Seine Kleidung saß tadellos, genau wie sein Benehmen.


    "Herr von Hohenfelde, ich habe hier die Ergebnisse für Sie."


    Mit einer vornehmen Geste überreichte er dem Schüler einen Umschlag, in welchem dieser folgendes vorfand:


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