Reise Reise - 202 n.d.A.

  • Reise Reise - 202 n.d.A.


    Kap01


    Mejdineel war seit Tagen unterwegs. Seinem riesigen Eisbären Pranke machten solche Wanderungen nichts aus, im Gegensatz zu den verweichlichten Reittieren der Menschen oder Rakshanern. Nicht umsonst nannte man Eisbären unter Frostalben auch Der Große Wanderer, aufgrund der extremen Distanzen, die diese Tiere auf der Nahrungssuche zurücklegten. Innerhalb ihrer traditionellen Reviere unternahmen freilebende Eisbären ausgedehnte Wanderungen, oft tausende Kilometer pro Jahr. In der Tradition der Frostalben wurde der Eisbär deshalb aufgrund seiner Intelligenz, Kraft, Furchtlosigkeit und Ausdauer als zuverlässiger Begleiter und als Reittier geschätzt.

    Mej besaß Pranke schon von klein auf, als der Bär nichts weiter als eine kleine schneeweiße Pelzkugel war, die versteckt neben seiner abgeschlachteten Mutter heulte. Er hatte ihn groß gezogen, ausgebildet und angeleitet. Mejdineel vertraute Pranke blind, so wie ihm sein riesiger Begleiter vertraute. Im Aufziehen von kleinen Wesen war Mej geübt. Seine Eltern waren früh gestorben und hatten ihn allein mit seinem Bruder als Waisen zurückgelassen. So war es an Mej seinen Bruder großzuziehen. In einer Welt die keine Fehler verzieh, war es für ihn nicht leicht gewesen, sich und seinen Bruder durchzubringen.

    Dennoch, trotz aller Herausforderungen, hatten sie etwas dass man ihnen nicht nehmen konnte – ihre Gabe. Er genau wie sein kleiner Bruder besaßen die Befähigung zur Magie, ein Geschenk ihrer Eltern. Sie waren Magier, jedenfalls sollten sie in ihrem späteren Leben Magier werden.

    Und nun Jahrzehnte später, lange nachdem sein Bruder eine Frau gefunden und sie geheiratet hatte. Lange nachdem er Pranke gefunden und aufgezogen hatte, sogar lange nachdem Varmikan geboren wurde, saß Mej hier auf dem Rücken seines treuen Reittiers und verfolgte die Spur uralter Bücher samt seinem Neffen.

    Mejdineel war ein Paradebeispiel eines Frostalben. So wie er seine Familie liebte und sein Volk achtete, so verachtete er jedes andere Volk.
    Seine Lebenserfahrung bestand darin, dass nur die Starken überlebten.

    Nur die Starken konnten den Schutzlosen und Hilfebedürftigen ihres Volkes ein Überleben sicherten.


    Für Schwächlinge und nutzlose Fresser gab es in der Weltanschauung der Frostalben keinen Platz.


    Trotz aller Härte und Tradition hatte Mej sein eigenes Wort für nutzloses Pack – Fremdling.

    Mejdineel scherte sich nicht darum, ob ein Fremdling ein Ork, ein Arashi, ein Mensch, ein Tiefling oder sogar ein Lichtalb war. Sie alle waren minderwertige Kreaturen. Weniger Wert als Tiere, denn Tiere respektierten genau wie die Frostalben ihre von Geburt an zugedachte Bestimmung. Ein Frostalb sollte als Frostalb geboren werden, so hatte es Malgorion entschieden, genau wie der Gott entschied das Pranke ein Eisbär werden sollte. Allein seine natürlichen Instinkte verrieten Pranke wer und was er war. Welche Rolle er im Gefüge der Welt spielte und wo sein angestammter Platz war. Ebenso wussten die Frostalben um die Bedeutung der Bestimmung, der ganz persönlichen wie auch der ihres Volkes.

    Pranke hinterfragte seine Bestimmung nicht.
    Mejdineel hinterfragte seine Bestimmung nicht.

    Sie beide lebten sie aus.


    **


    Pranke - Eisbär
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    Schneeball - Frostspatz
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    Trotz aller Härte und Unerbittlichkeit die Mejdineel auszeichnete, hatte der Frostalb eine Schwäche. Wann immer er ein Geschöpf wie Pranke fand, sah es Mej als seine Berufung an, sich des Wesens anzunehmen. Das Schicksal hatte Pranke die Mutter genommen, aber es hatte auch Mejdineel rechtzeitig vorbeigeschickt um Pranke zu retten.


    Das gleiche galt für Schneeball, Mejdineels Frostspatz. Ein Schneesturm hatte den kleinen Vogel aus seinem steinernen Nest in einer Felsspalte geweht. Winzig und hilflos lag er auf dem Eis, als Mejdineel ihn fand und sich des kleinen Spatzen annahm. Heute war Schneeball wie Pranke sein ständiger Begleiter.


    Der kleine Frostspatz saß meist auf dem Kopf des Eisbären, wenn sie durch die schneebedeckte Landschaft ritten. Ansonsten saß er auf Mejdineels Schulter oder schlief unter dessen Umhang.

    Während Pranke weiter Richtung Süden stapfte musterte Mejdineel missmutig die aufgehende Sonne. Der Frostalb hüllte sich in seinen Umhang und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht. Dennoch tränten ihm für einen Moment die Augen. Mej kramte in seiner Provianttasche und schnappte sich ein Stück Robbenfleisch als Frühstück. Wohlgenährte Eisbären fraßen vom frisch erlegten Beutetier nur Haut und Speck, den Rest ließen sie liegen. Und so ernährte Pranke Mejdineel in der Wildnis, wie ihn Mej daheim versorgte.


    Hier und da waren jetzt Bäume zu sehen und die Vegetation nahm weiter zu. Sie waren auf dem richtigen Weg.

    Die nächste Stadt die sie erreichen würden, war laut seinen Aufzeichnungen Katagawara. Mej überprüfte während er aß seine Waffen, denn Katagawara war ehemaliges Arashi-Land. Arashi, ein notwendiges Übel in den Augen des Frostalbs. Sein eigenes Volk war zahlenmäßig zu klein um all jene Aufgaben zu bewältigen, die vor ihnen lagen. Aus dem Grund hatten die Frostalben sich die Arashi angeeignet. Eigentlich ein nutzloses Unterfangen.


    Die eine Hälfte von den Kreaturen war zu allem zu dämlich und brauchte für jede noch so kleine Aufgabe klare Anweisungen, die andere Hälfte lehnte sich auf und bedrohte ihre Besitzer. Alles in allem waren es mandeläugige Plagegeister!


    Die Gelehrten sollten sich lieber damit beschäftigen wie sie ihr eigenes Volk zahlenmäßig wachsen lassen konnten, anstatt zu versuchen diese nutzlosen Kreaturen zu domestizieren.

    `Man sollte die Mandelaugen allesamt zu Neujahr zu Fleischsalat schnetzeln. Als Fleischwürfel kann ein Arashi nicht viel falsch machen´, dachte er amüsiert.

    Der Frostalb erreichte die Stadt.


    Während die Temperaturen milder wurden, sank seine Laune gen Tiefpunkt. Wärme war Mejdineel zuwider und für seinen Geschmack war es hier eindeutig zu warm. Mej brachte sein Reittier zum Stehen und warf erneut einen Blick in seine Aufzeichnungen. Eine kleine Arashi die zu dicht an dem Eisbären vorbeieilte, kassierte einen Prankenhieb. Die Frau flog im hohen Bogen über die Straßen, schlug knochenbrechend auf und blieb verrenkt liegen. Der Frostalb las einfach weiter.

    `Über die Berge und den Direktweg nach My´Shu? Oder Gebirgsausläufer außen herum an der Küste entlang? Außen rum. Leichter zu laufen und Kräfte schonender´, überlegte Mejdineel und trieb Pranke wieder an.

    Der gewaltige Eisbär schritt gelassen durch die Straßen der Stadt. Kluge Arashi hielten Abstand zu dem großen Raubtier, Frostalben mussten Pranke nicht fürchten. Vor einem kleinen Krämerladen hielt Mejdineel an, stieg ab und betrat den Laden. Das Geschäft war klein, vollgestopft mit vielerlei Dingen, von Tand aus fernen Ländern bis hin zu frischen und haltbaren Esswaren. Es gab scheinbar nichts, was dieser Laden nicht führte.

    „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine kleine, zartgebaute Arashi freundlich, aber in ihren Augen stand Angst.
    `Erhäng Dich´, dachte Mejdineel amüsiert auf die Frage.

    Der Frostalb deutete auf verschiedene getrocknete Gemüse, Früchte und auf einige Körnermischungen.

    „Das!“, gab er seine Bestellung auf und legte mehrere leere Verpflegungsbeutel auf den Theken-Tisch.
    „Sehr gerne. Wie viel denn von jedem?“, fragte die Frau mit einem abgerungenen Lächeln.

    Mej zog fragend eine Augenbraue hoch und tippte auf die Beutel.

    „Auffüllen“, wies er die Verkäuferin an und atmete hörbar genervt ein.
    „Sehr gerne“, antwortete die Arashi und fing an die Bestellungen mit einem Warenschüppchen jeweils in einzelne Beutel zu füllen. Dabei zitterten ihre kleinen Hände.

    Der Frostalb machte sich mit steinerner Miene einen Spaß daraus, gehässig mit den Fingern auf den Tresen zu trommeln. Als die Frau alles verpackt hatte, wandte sie sich wieder ihrem „charmanten“ Kunden zu.

    „Darf es sonst noch was sein?“, fragte sie höflich.
    „Preis?“, hakte Mejdineel nach und starrte die Verkäuferin an. Die Frau ging ihm mit ihrem endlosen Gequatsche auf die Nerven.


    „Vier Taler bitte“, sagte die Arashi und hielt die Hand auf.
    Mej nickte knapp, verstaute die Verpflegungsbeutel in seiner großen Umhängetasche und knallte der Frau die vier Taler auf den Tresen. Mej schulterte seine Tasche und verließ den Laden, dabei rannte er fast in eine andere Frostablin hinein.

    „Verzeihung“, entschuldigte er sich sofort.
    „Verziehen“, antwortete sie schmunzelnd und nickte knapp zum Gruß.


    Mej grüßte zurück und hielt der Frau die Tür auf. Die Frau blieb in der Tür stehen und schaute zu Mejdineel auf.

    „Euer Reittier?“, fragte sie freundlich.
    „Korrekt“, erwiderte er im gleichen Ton.

    „Reiseziel?“, fragte die Albin.
    „Fraglich“, antwortete Mej schmunzelnd.

    „Meine werten Kunden, könnten Sie bitte die Türe schließen? Hier drinnen wird es kalt“, bat die Verkäuferin.

    „Unverschämtheit“, murmelte die Frostalbin grimmig. Mejdineel nickte bestätigend und wandte sich zu der Arashi um.
    „SCHNAUZE!“, befahl Mej der Frau, was die Frostalbin grinsen ließ.

    „Tagiranel“, stellte sie sich vor.
    „Mejdineel“, antwortete er.

    „Militär?“, fragte Tagiranel.
    „Magier“, gab Mejdineel zurück.

    „Kollege!“, freute sich Tag.
    „Forschungsreise?“, hakte Mejdineel nach.
    „Exakt“, stimmte Tagiranel zu.

    „Reiseziel?“, grinste Mej.
    „Offenkundig“, schmunzelte die Frostalbin, „Gruppentreffen in My´Shu, Weiterreise nach Kagohiro“.
    „Meinerseits Zwischenstopp - My´Shu. Vermutliches Endziel - Shohiro“, erklärte Mej.

    „Eine Mitreise-Gelegenheit. Würdest Du mich ein Stück auf Deinem Reittier mitnehmen? Ich bin allein und zu Fuß unterwegs“, erklärte die Frostalbin.
    „Sicher“, stimmte Mej wohlwollend zu.

    „Warte auf mich“, bat die Frostalbin und verschwand im Laden.

    Tagiranel brauchte eine gute Viertelstunde um ihre Einkäufe zu tätigen, die Mejdineel bewusst in der offenen Tür stehen blieb und dort wartete. Seiner Meinung nach konnte es der Arashi nicht schaden, wenn man mal ihr Hirn mit Frischluft durchlüftete. Die Sauerstoffversorgung schien im Laden nicht gewährleistet zu sein. Andernfalls hätte sie ihn nicht zuerst ein Gespräch aufgezwungen und dann noch ihre Kunden angefahren. Endlich kam die Frostalbin zurück.

    Mej nahm ihr ihren Beutel ab und gemeinsam gingen sie zu dem großen Eisbären. Pranke schnüffelte kurz nach der Frau. Mejdineel befestigte ihre Taschen, stieg auf und zog Tagiranel hinter sich in den Sattel. Er wartete, bis die Frau gemütlich saß.


    Tag schlang Mej die Arme um den Bauch und hielt sich an ihm fest. Im Gegensatz zu manch anderen Völkern waren Frostalben alles andere als kontaktscheu, was das Körperliche anbelangte. In einer Welt, in der ein einziges Grad Körpertemperatur über Leben und Tod entscheiden konnte, hatte man keine Berührungsängste. Gemächlich ritten sie los.

    `Tagiranel warum bist Du bei Tag unterwegs? Fehlplanung, oder hat es einen bestimmten Grund? Um was für eine Forschungsreise handelt es sich?´, fragte Mejdineel seine Begleiterin mental.


    `Mejdineel. Fehlplanung ist schon zutreffend, ich hab mich verkalkuliert und bin viel zu spät dran. Wir sind auf der Suche nach der Purpur-Sporn-Schnecke. Wir erforschen sie´, antwortete Tag.


    `Hochgiftiges Tier. Neurotoxin. Eine Sporn-Schnecke in einem Weinfass reicht aus um 50 Schweinehäuter in den Nexus zu befördern´, lachte Mej mental.
    `Wir möchten das Toxin so anpassen, dass wir unsere Waffen damit präparieren können, ohne dass uns das Gift schadet. Im Moment ist es noch zu gefährlich. Schneidet man sich versehentlich mit einer vergifteten Waffe, ist man schon tot, bevor man überhaupt registriert hat sich vergiftet zu haben´, merkte Tagiranel an.

    `Blasrohre?´, schlug Mejdineel vor.
    `An Pfeilen kann man sich stechen. Nein, das Schneckengift soll so abgewandelt werden, dass es für Frostalben völlig harmlos ist. Für alle anderen Lebewesen soll es seine toxische Wirkung behalten´, erklärte die Frostalbin.

    `Vor der Erforschung steht Schneckenfangen auf dem Plan´, grinste Mejdineel.
    `Auch wenn man uns Magiern nachsagt, nicht die Schnellsten zu Fuß zu sein, ich glaube eine Schnecke bekomme ich gefangen´, lachte Tagiranel.
    `Behauptung oder Tatsache?´, hakte Mej belustigt nach.
    `Vermutung´, antwortete Tagiranel grienend.

    Sie durchquerten die Stadt und erreichten die Ausläufer des Gebirges. Der Morgen war längst vorbei und es ging auf den Mittag zu. Mejdineel suchte ihnen einen geeigneten Rastplatz. Licht- und Windgeschützt sollte er sein. Der Frostalb entschied sich für einen kleinen Felsüberhang.


    Der Boden in der Nische bestand aus Geröll und war trocken. Mej stieg von Pranke ab und bereitete das Lager vor. Tagiranel ging ihm dabei zur Hand. Müde machten es sich die beiden Frostalben auf der ausgebreiteten Decke bequem. Tagiranel packte getrocknete Früchte aus und bot sie Mejdineel an. Er nahm sich einige und ließ sie sich schmecken. Danach verdösten sie aneinander gelehnt den Tag bis zum Abend. Pranke hielt an ihrer Seite Wache.

    Die Nacht zog auf und brachte endlich erträglichere Temperaturen mit sich. Mej streifte seinen Umhang ab und musterte Tagiranel die eingeschlafen war. Das sie neben ihm schlief, sah er als Kompliment. Er weckte sie vorsichtig und schnupperte dabei kurz an den Haaren der Albin. Tagiranel gähnte und rappelte sich auf, während Mej das Lager abbaute. Als er alles auf Pranke verstaut hatte, machten sich die beiden Frostalben erneut auf den Weg.


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