Ainos Zimmer

  • Urako war erst kürzlich aus Rakshanistan heimgekehrt. Nachdem Dave und Varmikan ihn auf unsensibelste Art und Weise darauf aufmerksam gemacht hatten, dass während seiner Abwesenheit ein neuer Lehrling (natürlich weiblich und gutaussehend) und Daves Mutter eingezogen waren, ohne dass man es für nötig gehalten hatte, Urako auch nur symbolisch zu fragen, war Urako zunächst ohne Abschied gegangen und durch die Stadt geschlendert. Gedanklich hatte er die beiden windelweich geprügelt. Doch anstatt wie gewöhnlich nun in eine Taverne einzukehren oder das Freudenhaus aufzusuchen, hatte er beschlossen, mal ein Wörtchen mit Aino zu reden und war zurück zum Geisterhaus gekehrt. Er hatte jedoch zuvor noch eine Kleinigkeit erledigt.

  • Aino musterte Urako erstaunt, der sich in ihrem Zimmer eingefunden hatte. Der Tiefling kam selten in ihr Zimmer. Eigentlich kam er nie in ihr Zimmer, dachte Aino. Wenn sah sie den pinken Tiefling im Wohnzimmer oder in der Küche, wenn sich alle Geister gemeinsam einfanden um zu reden oder zu speisen.


    Aino mochte Urako, er war ein netter Kerl, auch wenn er einen schwierigen Charakter hatte und Gasmi vermutlich alle Mühe hatte, den Burschen zu bändigen. In ihren Augen war er ein hübscher Kerl, aber das verschwieg Aino Urako genauso, wie sie stets Dave verschwiegen hatte, dass sie ihn mehr als nur mochte.


    Der einzige der über so etwas Bescheid wusste war Pavo und der alte Goblin tratschte so etwas nicht weiter. Er hatte nur einmal versucht sie und Dave einander näher zu bringen, als er Dave mit einem Blutegel bedroht hatte und sie gemeinsam mit Dave hinter den Schreibtisch geflüchtet war.


    Da hatte Pavo angemerkt, dass sie beide ein schönes Paar wären. Sie selbst hatte es überspielt und Dave war wie immer betriebsblind was solche "Hinweise" anging. Er hatte die versteckte Botschaft nicht begriffen. Aino war froh drum, sonst wäre sie vor Scham im Boden versunken.


    Nun stand Urako hier in ihrer Stube und Aino musterte den pinken Tiefling ausgiebig.


    "Was ist los Urako? Wie kann ich Dir helfen?", fragte die Almanin.

  • Urako trat ein und schloss die Tür hinter sich. Eine Hand hielt er dabei hinter dem Rücken, so dass Aino nicht sehen konnte, was er darin hielt. Er setzte das gewinnendste Lächeln beziehungsweise Grinsen auf, dass er mit seinem zahnarmen Mund zu formen imstande war und zauberte einen üppigen Blumenstrauß hinter dem Rücken hervor.


    "Ich finde, es ist an der Zeit, für deine Gastfreundschaft zu danken und dafür, dass du mich hier aufgenommen hast." Ganz bewusst sprach er nur von ihr. "Ich wollte dir sagen, dass ich froh bin, hier sein zu dürfen und dass du eine tolle Anführerin, Schrägstrich Chefin, bist. Und ich bin gern dein Handlanger, Schrägstrich Mädchen für alles mögliche, Schrägstrich Fußabtreter."


    Er lächelte noch immer und überreichte ihr das Bouquet. Die Blumen waren selbst gepflückte Wildblumen, das sah man dem Strauß an, doch man sah auch, dass es nicht irgendwelche an jedem Wegesrand wuchernden Unkräuter waren, sondern dass Urako dafür hatte suchen müssen. Auf einer sattgrünen Unterlage fanden sich scharlachroter Mohn, blaue Kornblumen und Unmengen weißer Margariten. Auch ein paar Wiesenglockenblumen hatte er auftreiben können und ein Zweiglein Duftjasmin sorgte für himmlischen Duft. Es war ein bunter Sommerstrauß aus den schönsten Wildblumen, welche die Natur zu bieten hatte und zur Komplettierung des Bildes flatterte obendrein aus Zufall gerade ein weißer Schmetterling daraus hervor und verschwand durch das offene Fenster ins Freie.

  • Aino hörte Urako aufmerksam zu und musste damit kämpfen nicht puterrot anzulaufen. Ob ihr das gelang, konnte sie nicht sagen. Da sich ihr Gesicht aber nicht glühend heiß anfühlte, hoffte sie, dass sie auch nicht so aussah.


    "Erst mal vielen Dank für Deine Lieben Worte und natürlich für die wunderschönen Blumen, samt Schmetterling. Ob Du es glaubst oder nicht, aber mir hat noch nie jemand Blumen geschenkt. Sie sind wunderschön, ich muss mir nur noch eine Vase organisieren.


    Irgendwo müssen wir eine herum stehen haben. Du hast Dir sehr viel Mühe gegeben wie man an den Blumen sieht und wie sie duften, herrlich. Nochmals vielen lieben Dank", antwortete Aino glücklich.


    "Nun Du bist weder mein Fußabtreter, noch hier Mädchen für alles. Du bist Gasmis Welpe und somit Auszubildender Urako. Es freut mich, dass Du Dich hier wohlfühlst", sagte Aino freundlich und legte die Blumen vorsichtig beiseite, damit sie nicht zerdrückten.


    Die Almanin setzte sich auf einen der Stühle und deutete Urako an, es ihr gleich zu tun.


    "Da Du schon hier bist und dass aus so einem freundlichen Grund, können wir die Gelegenheit auch gleich nutzen und uns etwas besser kennenlernen. Das heißt, falls Du Zeit und Lust hast etwas zu plaudern", schlug Aino vor.

  • Urako registrierte mit Genugtuung, wie sehr sie sich über die Blumen freute. Wenn sie irgendwo zusammen unterwegs waren, folgten ihr viele Blicke wegen ihrer Glatze und der Asche auf ihrer Haut, doch kaum ein Mann schien sie zu begehren. Dumm waren sie alle, wussten nicht, was gut war. Und diese Feststellung war es auch gewesen, die ihn darauf gebracht hatte, dass sie sich über Blumen vermutlich sehr freuen würde.


    "Noch nie? Dann wurde es aber Zeit!" Er schmunzelte und die Narben auf seinen Wangen vertieften sich.


    Urako hatte nicht gelogen. Für ihn war Aino eine der wenigen Frauen, denen er Respekt entgegen brachte. Sie hatte bewiesen, dass sie eine wirkliche Anführerin war und keine rumzeternde Ziege. Ja, er mochte sie wirklich. Charakterlich als auch optisch war sie in seinen Augen Weltklasse.


    "War nur Spaß mit dem Fußabtreter. War ein Arschtritt gegen mich selber, ich fühl mich etwas nutzlos und überflüssig. Die anderen sind dauernd am Ackern und schaffen Geld ran und seit meinem Botenflug mit Gasmi gammel ich eigentlich nur rum. Kann ich mich nicht irgendwie nützlich machen? Dir die Füße massieren oder so?"


    Er sagte das mit unverändertem Grinsen, setzte sich seitlich auf den angeboten Stuhl, so dass er einen Arm auf den Tisch stützen und kippeln konnte. Eigentlich war der Spruch nur Spaß, aber wenn sie jetzt ebenso aus Spaß mit Ja antwortete, wäre er sofort dabei.


    "Wo wir schon mal dabei sind - und nein, deswegen bin ich nicht hergekommen, es fällt mir nur gerade ein - kann Gasmi nicht irgendwelche weniger gefährlichen Aufträge kriegen? Ich meine, er ist euer bester Mann und wäre doch schade, wenn ihm was passiert. Er ist der beste Kämpfer hier. Ihr solltet ihn aufsparen, für Notfälle. Für das Wohl der Geister."


    Der wahre Grund von Urakos Sorge war natürlich egoistischer Natur. Er liebte Gasmi abgöttisch und die Angst, dass er eines Tages nicht mehr von einem Auftrag zurückkehrte, raubte ihm nachts den Schlaf. Dass sein Mann zu dem Zeitpunkt weg gewesen war, als Morasa mit dem Greifen anrückte, und Urako ihn verzweifelt gesucht hatte in der Sorge, er wäre tot, hatte diese entsetzlichen Alpträume ausgelöst und seither peinigten sie ihn fast jede Nacht, abwechselnd mit denen, in denen Gasmi ihm fremdging oder Dave und Varmi ihn mit eisiger Miene darüber in Kenntnis setzten, dass er hässlich war und sie ihn die ganze Zeit verarscht hatten. Nicht zu vergessen jene, in denen Pavo plötzlich bösartig und abweisend zu ihm war und ihn nicht mehr mochte und Urako deswegen aus der Gilde verstieß - und alle dabei auf Pavos Seite waren.

  • Aino musste über Urakos Kommentar lachen. Zeitgleich war sie sehr froh über ihre "Kriegsbemalung", so sah er nicht, dass sie Puterrot anlief.


    "Bis jetzt hat vermutlich noch niemand einen Grund dazu gehabt mir Blumen zu schenken. Die wenigstens Kunden sind so höflich, nach einem gut durchgeführten Auftrag einen mit Blumen zu danken. Und die Männer hier, denken vermutlich in ganz anderen Bahnen als Du Urako. Ich bekäme vermutlich ehr 100 Dolche geschenkt als nur ein einzige, kleines Gänseblümchen.


    Solche kleinen Aufmerksamkeiten scheinen die meisten leider keine Beachtung zu schenken. Der einzige der neben Dir für so etwas ein Auge hat ist Varmikan. Er beschenkt Dave oft mit irgendwelchen kleinen Nettigkeiten. Nur hat Dein frostalbischer Freund das umgekehrte Problem, sein Schatz weiß meist nichts mit den Gesten anzufangen.


    Aber das Problem hast Du nicht, Dein Mann weiß Deine Gesten sicher zu schätzen.
    Und ich weiß Deine Blumen sehr zu schätzen. Du hast quasi einen Markstein gesetzt. Du bist der erste Mann der mir Blumen schenkte.


    Das ist vermutlich für Dich kein sonderlich huldvoller Titel, aber mir bedeutet die Geste etwas. Drum nochmals, vielen Dank", sagte Aino glücklich.


    "Mir die Füße massieren? Du bist mir einer. Wobei, gut. Mir hat auch noch niemand jemals die Füße massiert. Warum nicht? Ich renne den ganzen Tag durch die Gegend und ich wage mich mal was. Aber sei vorsichtig, falls ich aufspringe und lachen muss, kann ich nichts dafür", prustete Aino wie ein Schulmädchen.


    Bei der Vorstellung dass Urako ihr tatsächlich die Füße massierte, wurde Aino ganz warm. Natürlich sagte sie nichts davon, denn sie hielt ihre Unterhaltung nur für Blödelei, einfach um etwas entspannt rumzualbern. Urako konnte schließlich nicht wissen, dass sie ihn attraktiv fand.


    Woher sollte er das auch wissen?


    Weder ihm noch Dave hatte sie je gestanden, wie sie die beiden sah. Dass sie die zwei unheimlich attraktiv fand, dass wusste niemand. Pavo hatte einst versucht, Dave einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben. Aber der Magier war wie immer betriebsblind für solche Hinweise.


    Aino hatte nicht vor Urako davon zu erzählen, dass sie ihn mehr als nur mochte. Und dabei würde es vermutlich auch den Rest ihres Lebens bleiben. So hart und taff Aino sonst auch war, dies war ihre Schwachstelle. Sie hatte nicht nur noch nie Blumen geschenkt bekommen, sie hatte auch noch nie einen Partner gehabt.


    Es gab nur zwei Personen, die davon wussten. Pavo und Gasmi, ansonsten wusste niemand davon. Wer ging auch schon mit so einem Problem hausieren? Gut einige trugen vielleicht das Herz auf der Zunge und konnten aussprechen, was sie tief im innere quälte und bedrückte. Aino konnte es nicht. Sie hatte meist das Gefühl, an solchen Worten zu ersticken.


    Als Urako seine Sorge wegen Gasmi aussprach, nickte Aino verstehend. Es war süß und liebevoll von Urako, dass er sich solche Sorgen um seinen Mann machte.


    "Urako ich verstehe Deine Sorge. Aber Gasmis Dolch muss scharf bleiben. Wenn ich ihn auf die Reservebank setze und nur für den Notfall losschicke, dann hat er keine Praxis mehr. Es ist etwas anderes in einem Trainingsraum zu üben, anstatt unter tatsächlichen Bedingungen seine Fähigkeiten einsetzen zu müssen.


    Ich könnte auch den ganzen Tag im Hof stehen und mit dem Bogen üben. Ich übe selbstverständlich auch. Dennoch ist es etwas völlig anderes unter großer Anspannung auf ein bewegliches Ziel zu schießen, wenn es heißt Du oder der Feind. Oder schlimmer noch, einer Deiner Familie oder der Feind. Genauso ergeht es Gasmi Urako", erklärte sie freundlich.

  • Urako hatte sich vor sie hingekniet, ihre Füße von Schuhwerk und Strümpfen befreit und nahm den ersten Fuß in beide Hände. Kraftvoll knetete er ihre Fußsohlen und bewegte die Mittelfußknochen gegeneinander. Als er merkte, dass sie das Gefühl genoss, wurde er frech und nahm ihre große Zehe in die Zahnlücke zwischen seinen Frontzähnen. Er zog seine zahnlosen Kiefer fest von der Zehenwurzel bis zur Spitze und grinste dabei.


    "Fußmassage nach dämonischer Art", log er. In Wahrheit hatte er gerade einfach Bock, ihr die Zehen zu lecken und ließ sich alle Zeit der Welt, während er grübelte, wie er sie davon überzeugen könnte, Gasmi freizustellen vom Dienst als Nahkämpfer. Aber ihm fiel nichts ein. In erster Linie waren die Geister ein Dienstleistungsunternehmen und das lebte nun einmal von Arbeitsleistungen. Es war ein Wunder, dass sie Urako so lange verletzt durchgefüttert hatten, vermutlich hatte Gasmi in der Zeit doppelt schuften müssen.


    "Wie viel müsste ich verdienen, um Gas für den Rest seines Lebens freizukaufen? Wie viele Köpfe müsste ich dir bringen?"