Dunwins Lehrstunden -- Ansgar - Varmikan

  • Dunwins Lehrstunden


    Varmikan führte Ansgar in ihr Quartier. Er wollte mit seinem Schwager alleine sprechen, um sich mit diesem auszusprechen. Zudem erhoffte er sich einige Informationen aus Ansgars und Daves Kindheit.


    "Ansgar manche Erinnerungen von Dave sind versiegelt. Mir ist bewusst, dass das nicht grundlos der Fall ist. Würdest Du mir etwas erzählen? Ich kann mir denken, dass er misshandelt wurde, aber inwieweit weiß ich nicht.


    Ich möchte und muss es aber wissen um ihm beistehen zu können, sollte es ihm wieder schlecht gehen. Unser Anfang war nicht der beste, trotzdem bitte ich Dich darum", flüsterte Varmikan.


    "Unser schlechter Anfang liegt nicht an Dir sondern er lag ausschließlich bei mir. Dafür habe ich mich allerdings auch bei Dave entschuldigt. Nun gut, nicht bei Dir.


    Als Zeichen meiner Aufrichtigkeit, komme ich Deinem Wunsch nach. Ich erzähle Dir etwas über eine Lehrstunde. Vater nannte es Desozialisierung. Es ist ein Unterrichtsprogramm um Dich von allen anderen Gefühlen loszulösen.


    Die Vorbereitung zur Neuformung Deiner Seele. Andere würden es als Brechen der Seele bezeichnen. Jeder von uns wird auf andere Art der Gesellschaft entzogen. Wie Deine Familienangehörigen es durchführen, ist unterschiedlich.


    Das Ergebnis ist das gleiche.


    Du lernst, dass Gefühle schädlich sind für Dich und Dir nur persönliches Leid zufügen.
    So lernst Du völlig emotionslos zu handeln.


    Eine sehr beliebte Möglichkeit der familiären Erziehung in dieser Sparte ist, Du erhältst eine Aufgabe sprich einen Sklaven oder eine Sklavin. Diese Person hast Du zu versorgen. Klingt suspekt, dass Du jemanden versorgen sollst und das obwohl Deines Standes.


    Du Lüge lautet, erlerne Demut.
    Die Wahrheit ist wesentlich härter, als jede Demut werden könnte.


    Deine Aufgabe ist klar, Versorgung – keinerlei Bindung. Das sagte mir mein Vater.
    Falls Du selbst nur versorgt wirst, oder nur soweit Bindung sprich Zuneigung bekommst, dass Du nicht eingehst – wirst Du bei der Aufgabe versagen.


    Ich habe versagt.
    Das hatte Dunwin auch so beabsichtigt.
    Das war Zweck der Übung.


    Meine Aufgabe lautete, ich hatte mich um eine Albensklavin zu kümmern. Ich musste sie täglich füttern, ihr Wasser geben und ihr Befinden kontrollieren. Das sollte ich in eine Tabelle eintragen.


    Bis dato ja gar nicht schwer, denkt man.
    Weit gefehlt.


    Irgendwann fängst Du an sie zu grüßen. Du würdest ja auch Deinen Hund oder Deine Katze grüßen und sagen, dass es Futter gibt oder? Irgendwann grüßt Du und verabschiedest Dich. Und noch etwas später, wirst Du mit ihr reden, während Du Deine Aufgabe erfüllst. Irgendwann bringst Du ihr mehr Futter, oder was Leckeres mit von Deinem eigenen Futter.


    Das hat zur Folge, dass Du Wochen später die Aufgabe gerne machst. Du gehst hin, freust Dich und versorgst Dein Nichtmenschen - Deine Sklavin. Ist ja Deiner, soll´s ja gut haben. Kurzum Du magst sie.


    Sobald Du sie magst, erhältst Du eine neue Aufgabe – Liquidierung.
    Töte es.


    Du wirst sie nicht mehr töten können. Mein Vater hat sie direkt vor meinen Augen mit dem Degen enthauptet und mir erklärt warum sie starb.


    Die Antwort ist so logisch wie grausam, Deine Aufgabe war das „Tier“ zu versorgen. Es war verboten eine Bindung zu ihm aufzubauen. Du hast die Regel gebrochen, den Befehl missachtet. Du hast eine Verbindung aufgebaut, Du hast Zuneigung für es empfunden – darum musste es sterben.


    Es gibt keine Zuneigung zu anderen Personen, es gibt nur den Gehorsam ihm gegenüber und Aufgabenerfüllung. Für nichts anderes bist Du da.


    Die Übung machst Du ein einziges Mal, glaub mir das. Jedenfalls wenn Du Deine Sklavin mochtest und Grips hast. Du wirst niemals wieder einen Deiner Sklaven grüßen, oder auch nur ein Wort zu viel mit einem der Diener wechseln, auch wenn Du es Dir wünscht.


    Der Wunsch Dir nicht das Gehirn von einem Wesen aus dem Gesicht zu wischen dass Du gerne gehabt hast, ist größer als der Wunsch nach Kontakt.
    Klares Lernziel - halt Dich fern, ist die Devise.


    Einfache Regel für die für mich und meinen Bruder galt, unsere Nähe tötet. Wir suchen nur Kontakt um unseren Geschäften nachzugehen - dazu zählt auch die Partnersuche, Feinde zu liquidieren, unsere Macht zu verteidigen oder auszubauen, oder um ein anderes uns gesetztes Ziel zu erreichen.


    Suchst Du fehlerhaft Kontakt, wird die Person von der Familie eliminiert.
    So oder so tötest Du die Person.
    Entweder persönlich, oder durch Dein Fehlverhalten.


    Schließlich wurdest Du dafür gezeugt, geformt und ausgebildet. Dafür bist Du geschaffen. Größtmögliche Macht der Familie zu bringen und die nächste Generation genauso darauf vorzubereiten. Bestenfalls soll diese noch mächtiger werden.


    Es gibt zig Formen davon, wie man jemanden umkrempelt, dass er kontaktscheu wird oder sogar fremde Personen grundlos hasst“, erklärte Ansgar Varmikan.
    "Oder warum man andere fürchtet und lieber jeden Gedanken für sich behält", sagte Varmi.


    "Ganz genau. Eine andere Lehrstunde beinhaltete Nahkampf. Dunwin war der Auffassung, dass wir ebenso Nahkampf beherrschen sollten.


    In Wahrheit hatte er einfach Spaß daran uns zu zeigen, wer im wahrsten Sinne des Wortes Herr im Ring ist.


    Wir, sprich Dave und ich standen um den Ring, ich hatte gerade noch etwas zu Dave gesagt, als ihn Dunwin dafür anpfiff. Somit hatten er einen ersten Freiwilligen – Dave.


    Er war 11 Jahre und hatte nur die Kampferfahrung die er bei uns Zuhause durch seine Lehrer gesammelt hatte. Gut vermutlich hatte er bereits zu der Zeit damit mehr Nahkampferfahrung als ein Bauer je in seinem Leben sammeln würde, aber er stand ja keinem Bauern gegenüber, sondern unserem Vater. Und der war im Nahkampf unschlagbar. Das ist keine Witz.


    Daves Gegner schlug nicht nur genauso hart, schnell und treffsicher zu, er tat es wesentlich schneller, besser und härter als Daves es jemals können würde. Und so kämpften die beiden. Dave gab alles was er zu bieten hatte. Ich weiß noch, dass er irgendwann einfach nicht mehr konnte.


    Er konnte nichts mehr sehen, er konnte nichts erspüren da sein Schädel dröhnte und er bekam kaum noch Luft. Dave kämpfte vermutlich einfach nur noch Gehör. Also bin ich einfach unerlaubt in den Ring und habe Dave beigestanden. Das Ende vom Lied war, unser Vater hat uns beide aufgemischt. Das rückt Deine Weltsicht zurecht, wenn Du sonst gewöhnt bist niemanden fürchten zu müssen“, erklärte Ansgar.


    „Wie genau endete der Kampf?“, fragte Varmikan.


    „Für uns beide mit einer mehrfach gebrochenen Nase. Ich hatte noch einige Rippenbrüche. Dave hatte einen Kieferbruch, zig andere Brüche und Frakturen. Und überall Blut. Danach, nach dem Kampf, hatte ich immer eine rasende Wut wenn ich in den Ring steigen musste. Wie viele von den Flecken waren von meinem Bruder, wenn er ihn eingenordet hat? Es waren schon so viele, dass die Ränder gar nicht mehr aus dem Scheiß-Leinen rausgingen. Das war unser Vater Varmikan", erklärte Ansgar tonlos.


    „Ich verstehe nicht, warum Du dann dort geblieben bist. Oder Ihr beiden generell. Wieso seid Ihr nicht geflohen? Oder wieso habt Ihr Euch nicht erhoben? Ich meine wenn Dir ein Normalo gegenübersteht, was kann der schon groß tun, außer sein Maul aufreißen? Eurer Vater war ein Normalo, ein Purie. Du musst nicht mal einen Finger krümmen um ihn zu töten“, warf Varmikan ein.


    „Die Frage kann auf viele Weisen beantworten, von logisch, bis philosophisch – letztendlich ist die Wahrheit, dass man so lange unter der Knute war, dass man es gar nicht anders kannte.


    Du kennst von klein auf, dass Du sehr mächtig bist, aber Dein Vater Wege und Möglichkeiten hat Dich zu bestrafen und in die Knie zu zwingen. Großvater und Vater bestrafen Dich einige Male dermaßen hart, dass sie diese Bestrafung nur androhen müssen und Du knickst ein. Später ist es dann einfach reines Vermeide-Verhalten. Gehorchen bedeutet meist gut und schmerzfrei leben.


    Irgendwann bist Du dann erwachsen und bis dato haben sie Dir schon beigebracht, warum das alles sein musste.


    Es ist Deine Pflicht so zu handeln, wie sie es Dir beigebracht haben. Und die Erziehung hast Du ertragen, dass Du so handeln kannst wie sie es von Dir verlangen.


    Du bist der Wächter Deiner Sippe, der Hüter Deiner Blutlinie, dafür wurdest Du geboren und geschaffen. Geschaffen indem man Dich bricht und neu zusammensetzt. Aber nichts was einmal völlig zerstört wurde, kann ohne Risse repariert werden.


    Wenn Du das 20 Jahre lang hörst, 20 Jahre tagtäglich siehst und 20 Jahre lang ertragen musst - kennst Du nichts anderes.


    Es sei denn Du lässt Dich versehentlich drauf ein. Das habe ich getan. So lernte ich Fin kennen. Das Schlimme daran war, ich wusste genau was passieren wird, sollte ich versagen meine Freundin vor meiner Familie zu beschützen. Ich habe nicht versagt, jedenfalls nicht dabei", erklärte Ansgar.


    "So auch nicht Ansgar. Das was Dave Dir sagte, Ihr könnt Eurer Verhalten Lin gegenüber noch ändern. Allerdings würde ich das an Deiner Stelle sofort umsetzen, denn das beste Vorhaben nützt nichts, solange Lin es nicht erfährt. Du weißt nicht, wie er denkt oder was er eventuell plant. Und sag ihm ehrlich, dass Du es falsch gesehen hast und entschuldige Dich. Nur das Verhalten ändern, wird nichts nützen. Die erste Zeit über fühlt er sich vielleicht sogar verarscht oder befürchtet irgendeinen Hinterhalt.


    Spiel mit offenen Karten hätte mein erster Mann gesagt. Er hätte Dir vermutlich auch einige Tipps geben können, ich kann Dir nur sagen, was er mir zu Lebzeiten beigebracht hat. Und das war, dass man zu seinen Fehlern stehen muss und auch die Eier in der Hose haben muss eine Entschuldigung auszusprechen wo sie notwendig ist. Dazu gehört auch, es ab dato besser zu machen.


    Ich selbst habe es nicht geschafft, ich hatte nicht den Mut mit meinem Vater zu reden. Aber das ist ein anderes Thema und im Moment unwichtig", antwortete Varmi.


    "Nehmen wir den heutigen Tag als Wendepunkt Spitzohr", schmunzelte Ansgar.
    "Abgemacht Rundohr", stimmte Varmikan zu.