• Schwester Sieben

    Der Frostalb ritt auf seinem Eisbären über unbekanntes Land. Seine Begleiterin hielt sich an ihm fest. Beide hofften auf einen baldigen Nachteinbruch, bis dahin mussten sie sich allerdings noch eine Weile gedulden.


    Ein seltsames Geräusch ließ die beiden Alben, wie auch den gewaltigen Bären aufschrecken. Ohne jede Vorwarnung brach der Boden unter ihnen weg und sie stürzten in die Tiefe.


    Der Fall wurde von einer Wasseroberfläche abgebremst die sich bei ihrem Aufschlag steinhart anfühlte. Mej kämpfte sich zurück an die Oberfläche und spuckte Wasser und Blut.

    Suchend schaute er sich nach Pranke um. Sie waren in eine Art Tropfsteinhöhle gestürzt. Sein Eisbär schwamm bereits auf ihn zu und hatte die Frostalbin fest im Griff seiner Zähne.


    Taj kämpfte sich mühsam auf den Bären und reichte Mejdineel ihre Hand. Gerade als sich der Frostalb auf seinen Bären ziehen wollte, umschwirrte Schneeball zwitschernd seinen Kopf und schoss in eine Richtung wie ein weißer Blitz davon. Mejdineels Blick folgte seinem keinen Vogel. Was er sah ließ ihm den Atem stocken.

    In einiger Entfernung ruhte ein Tauchschiff!

    Mej löste sich sofort von Pranke und schwamm auf das Schiff zu. Als der Frostalb es erreicht hatte und die Außenhülle berührte, erwachte der Stahlkoloss zum Leben und die Beleuchtung im Cockpit flammte auf. Pranke war seinem Herren gefolgt und Tagiranel musterte mit ungläubigem Staunen das vor ihr liegende Schiff. Es ertönte ein hydraulisches Zischen und die obere Luke entriegelte sich.

    „Mej… was ist das?“, fragte die Frostalbin ehrfürchtig.
    „Ein Relikt. Komm“, antwortete er freundlich und kletterte auf die Nase des Schiffes und von dort nach oben.

    Mit einiger Anstrengung folgte ihm Pranke. Den leichtesten Aufstieg hatte Schneeball. Damit auch Pranke ins Innere des Schiffes gelangen konnte, schraubte sich der obere Eingang weiter auf, wie für Ladezwecke.


    Mej samt Begleitung verschwand in dem Schiff, dass danach alles wieder verriegelte. Der Frostalb führte seine Begleiterin und Pranke durch albenleere Gänge und die Luft roch so abgestanden, als wäre hier schon Ewigkeiten niemand mehr an Bord gewesen. Mej führte seine kleine Gruppe bis ins Cockpit des Schiffes. Tagiranel hatte noch nie so eine Konstruktion gesehen.

    Kaum dass sie das Cockpit geentert hatten, wurde die Beleuchtung soweit heraufgefahren wie es für Frostalbenaugen angenehm war. Die vorher noch unscheinbar wirkenden großen Flächen vor dem Frontfenster flammten in einem dunklen grün auf, so dass Tagiranel aufgeregt Mejdineel musterte.

    „Willkommen an Bord von 07-5501. Ihre Kennung“, erbat eine seltsame Frauenstimme aus dem Raum, die Tagiranel nicht zuordnen konnte. Beim ersten Ton war die Albin zusammengezuckt.


    „07 meine Kennung lautet Mancu, Name Mejdineel Eisseher, Dienstgrad Stabler und Leibwächter außer Dienst des ehrenwerten Inspektor Zarkurasmas Frostbrecher auf Schwesterschiff 03-5501. Meine Stimme ist meine Identifikation“, stellte sich Mejdineel vor.

    Das Schiff schwieg einen Moment, ehe es sich erneut an seine Bemannung wandte.

    „Ihre Stimme samt Kennung wurde identifiziert. Kennung Mancu – der Eishai.
    Einst User auf Schwester 03, willkommen an Bord Mancu. Ihre Instructionen?“, fragte das Schiff.


    „Schwester 07 Du samt Mannschaft Ihr geltet als verschollen. Soweit mir zu meiner Dienstzeit noch bekannt wurde, hattest Du zu keiner Schwester weiteren Kontakt aufgenommen. Wir hielten Dich samt Besatzung für gefallen, da Du aus den Gedanken der Schwestern verschwunden bist. Schwester 06 ist ebenso verschollen wie Du. Laut meinem letzten Informationsstand existieren nur noch 5 Schwestern. Wo ist Deine Besatzung?“, fragte Mej, während Tagiranel verstört den Raum absuchte.


    „Laut unserem letzten Input ging die Mannschaft von Bord um Außenerkundigungen einzuholen. Unsere Befehle lauteten Stummschaltung und warten auf Comeback. Diese Schwester wartet nun seit 29 Jahren, 12 Tagen und 3 Stunden auf die Rückkehr ihrer User samt dem Administrator. Diese Schwester befürchtet, dass sämtliche Lebensfunktionen der User samt des Administrators offline gegangen sind.


    Einen Beweis dafür hat diese Schwester nicht, so dass sie weiterhin wartete bis ein anderer User vor Ort erscheinen würde um neuen Input zu liefern oder eine neue Instruktion zwecks Vorgehensweise. Hat User Mancu nach Schwester 07 gesucht?“, fragte das Schiff.

    Tagiranel verstand von dem Gespräch nur Bahnhof und sie fürchtete sich in dem Bauch von diesem seltsamen, sprechenden Stahlschiff. Mej hingegen schien sich kein bisschen zu fürchten.

    „Nein. Ich bin über Dich gestolpert. Aber ich teile Deine Vermutung, dass die Besatzung verstorben ist. Hätte nur ein User überlebt, hätte er Dich nicht zurückgelassen, sondern nach Hause gebracht. Da Du so lange auf Deine Besatzung wie auf neue Befehle gewartet hast, erbitte ich um Übertragung von Generalvollmacht und Befehlsgewalt über Dich Schwester 07. Wir bringen Dich nach Hause“, sagte Mej freundlich.


    „Bitte gewährt. Ihre Instruktionen User Mancu?“, hakte das Schiff nach.

    „Aufhebung der Stummschaltung. Verschluss sämtlicher Bereiche bis auf die Lebenserhaltungsfunktionen, Sauerstoffaufbereitung hochfahren, Beleuchtung abdunkeln, Umgebungstemperatur auf -10 Grad herunterfahren, Waffensysteme auf volle Leistung hochladen, Waffensysteme in Alarmbereitschaft belassen, Abtauchen und dieses Höhle Richtung offenes Meer verlassen. Umsetzung sofort“, sagte der Frostalb und machte es sich im Pilotensessel gemütlich. Er deutete Tagiranel an, es ihm gleich zu tun.

    „Stummschaltung aufgehoben, vermutliche Rückkehr von Schwester 07-5501 ins Hive vermutlich in 20 Minuten auf offener See. Befehle von User Mancu wurden umgesetzt, Tauchgang wird eingeleitet. Voraussichtliche Tauchtiefe 120 Meter. Konsolenfreigabe auf User Mancu erfolgt. Steuerung verbal oder über Konsole User Mancu?“, fragte das Schiff während es langsam abtauchte und unter Wasser beidrehte.
    „Beides da ich Dich alleine steuern muss. Verbal Befehl steht vor Konsolenbefehl. Sobald Du zurück im Hive bist, rufe Deine Schwestern und teile ihnen samt deren Administratoren und Usern mit, dass Du in die Heimat zurückkehrst. Allerdings nicht unverzüglich, da ich Dich noch für einen Zwischenstopp benötige. Ich bin auf der Suche nach verlorenem Wissen“, erklärte Mej dem Schiff.

    „Verlorener Input, kann eventuell durch diese Schwester wieder hergestellt werden. Benötigt User Mancu Backup?“, fragte das Schiff.


    „Eigentlich braucht User Mancu Rache…“, antwortete der Frostalb.

    „Ich verstehe diese Eingabe des Users nicht, bitte wiederholen Sie“, gab 07 zu bedenken.
    „Ich bin unterwegs in einer Familienangelegenheit“, grinste der Alb.


    „07 versteht“, antwortete das Schiff.

    „Wie lautet der Rufname von Schwester 07? User Mancu möchte Schwester 07 persönlich ansprechen“, erläuterte der Alb.
    „Der Rufname von Schwester 07-5501 lautet Aprogänis. Vielen Dank für Ihr Interesse User Mancu“, sagte das Schiff, was Mej schmunzeln ließ.

    „Aprogänis ich hätte nicht gedacht, jemals wieder an Bord eines Relikts zu sein. Es freut mich Deine Bekanntschaft zu machen. Bald wirst Du wieder Zuhause sein und dann bekommst Du einen neuen Administrator sprich Inspektor vom Orden und neue User. Ich verspreche es Dir“, erläuterte Mej.


    „Diese Schwester wird auf unbegrenzten Zeitraum die Bergung und Dienstwilligkeit des Users Mancu ihn ihren Dateien wie auch im Hive sichern“, gab Aprogänis zurück, was Mej leise auflachen ließ.


    „Der Dank ist ganz meinerseits und auch ich werde Dich nie vergessen. Versprochen. Sobald wir offene Gewässer erreicht haben, scanne zur Vorsicht nach Schiffen der Rundohren“, erklärte Mejdineel und machte es sich im Pilotensessel gemütlich.


    „Tagiranel, Pranke und Schneeball sind meine Crew. Sie dürfen sich frei bewegen, Ausnahme der KI-Kern-Bereich, der Waffensystembereich, die Lebenserhaltung und natürlich die versiegelten Bereich. Ich werde für eine Stunde schlafen. Sei so gut und wecke mich dann“, bat der Frostalb das uralte Tauchschiff.

    „Zur Kenntnis genommen. User Mancu geht für 60 min auf Standby.
    Wecken erfolgt nach Zeitablauf“, bestätigte Aprogänis freundlich.