Nachtmahr -- Pavo und Dave

  • Nachtmahr



    Daijan


    Daves Pferd lief langsam in einen Stadtteil voller Touristengeschäfte. Sie kamen dem Hafen immer näher, die Fußwege und Straßen waren voll.


    „Warst Du schon mal am Hafen Pavo?“, fragte Dave.


    Man sah überall Pferde und Karren. Jeglicher Art und Form, dazwischen wuselten geschäftig Fußgänger hin und her.


    „Früher einmal mit meinem Paps, aber das ist schon lange her. Reiten wir doch hin“, schlug der alte Goblin gut gelaunt vor.


    Dave suchte einen Stellplatz, stellte Rulrot ab und band das Pferd fest.


    „Vergiss nicht Deine Tabletten einzustecken. Na dann auf geht’s, shoppen wir“, sagte Pavo und hopste vom Pferd. Dave folgte ihm auf dem Fuße.


    In einem Kram-Laden des Einkaufszentrums kaufte sich Pavo eine Tasche. Dave angelte die Medikamente aus seiner Hosentaschen und nahm eine Tablette ein.


    "Was ist los?", fragte Pavo.
    "Nichts - gegen Reizüberflutung. Frag nicht immer was los ist", gab der Magier zurück.


    In einer Drogerie kaufte er Rasierzeug, Waschzeug und Haarpflege. Dann bummelten sie weiter über den Markt. Klamotten, Schuhe, Schmuck, Kleinkram und Schnickschnack. Sie plauderten die ganze Zeit über und scherzten über einigen exotischen Nippes.


    „Bekommst Du nicht auch langsam Hunger? Lass uns was Essen gehen“, schlug Pavo vor.
    „Darf ich aussuchen, was wir futtern?“, fragte Dave.
    „Natürlich, Du zahlst ja auch“, prustete der alte Goblin.
    "Mir fällt einfach kein anständiges Wort für Arschloch ein", grinste Dave.


    Es dauerte nicht lange, und sie sahen schon die ersten Stände mit typischen goblinischen Essen. Der Platz wo sich die Stände befanden war sehr schön gemacht.


    Die ganze Szenerie hatte etwas Exotisches. Auf dem Platz standen Tische und Stühle aus weißem Holz.


    "Dir zu Liebe Pavo, wenn Du Dich auf dem Nachhause-Weg beschwerst, fliegst Du vom Pferd", warnte Dave ihn vor.


    Der Magier nahm sich an einem Geschirrstand ein Tablett und sah sich an mehreren Ständen um. Dave lud sich zig Sachen auf sein Tablett und setzte sich hin. Pavo hockte sich einfach dazu. Bei der Menge, konnte Dave nur für sie beide gewählt haben, schoss es ihm durch den Kopf.


    „Ich hab folgendes für uns gewählt. Nudeln mit extra Portion Orangensoße. Gekochter Tintenfisch mit Kartoffelscheiben, frittierte Fischfilets mit gebratenen Pepperoni und Obst als Nachtisch. Also greif zu und lass es Dir schmecken“, sagte Davard und mampfte los.


    Der alte Goblin stand kurz noch einmal auf, holte Getränke und setzte sich zurück zu seinem Freund.
    „Denk an Deine Tabletten“, erinnerte ihn Pavo und mampfte ebenfalls los.
    "Ich hab vorhin eine genommen", gab Dave zurück und musterte Pavo über den Rand des Trinkglases hinweg.


    „Du starrst mich an Davard“, sagte Pavo schmatzend.
    „Mund zu beim Essen. Ich hab vorhin einen Alchemie- und Kramladen gesehen. Wollen wir uns was Lustiges für unsere Bude kaufen?“, fragte Dave mit vollem Mund.
    „Mach selber den Mund zu beim Essen! Wenn Du mir sagst was, klar“, kicherte Pavo.


    „Eingelegte Körperteile oder warte - eine Laterna Magica zum Beispiel. Kleine Kisten, die ein Bild an die Wand unter sich projizieren. Du kannst hunderte Bilder nutzen. So hast Du immer ein anderes Bild in Deiner Bude. Ich hätte gerne verschiedenen Landschaften. Ein Meer sollte auch dabei sein oder Wälder. Wir kaufen eins mit 50 Bildern und jeder sucht 25 aus. Deal?“, fragte Davard.


    "Och Du. Du wenn Dir die Laterne gefällt, kauf sie Dir ruhig. Es wird Dich ablenken und aufheitern. Unser Quartier ist eh etwas trostlos, drum such ruhig alle Bilder aus. Ich lass mich gerne überraschen. Ich bezahle die Laterne aus meiner Tasche. Also kauf Dir das Du möchtest", bot Pavo an.


    "Bist Du krank?", hakte Dave nach.
    "Danke! Da ist man einmal nett und kann sich sowas anhören", murrte der Goblin.
    "Du bist ein Goblin, Du spendierst mir was - da macht man sich Sorgen", grinste Dave.
    "Das überhöre ich jetzt einfach", grinste Pavo zurück.


    Sie machten sich erneut auf den Weg. Dave kaufte direkt die Laterna Magica für ihr Quartier.


    "Ist Dir mal aufgefallen, dass wir ständig miteinander abhängen?", fragte Pavo.
    "Nö", antwortete Dave trocken.
    "Du bist mein Maskottchen", antwortete Pavo kichernd und rempelte Dave an.
    "Ich Deins? Du wohl eher meins", lachte der Magier.


    ****


    Kaffee


    „Hey ich weiß wir latschen schon eine Weile. Lass uns einfach einen Kaffee trinken gehen und uns setzen“, grinste Pavo zu Dave rüber.
    „Du bist klüger und freundlicher als so mancher Mensch Pavo“, antwortete Dave.
    „Keine Ahnung warum Du das sagst, oder was Du nun schon wieder meinst. Da oben ist ein Café. Da könnten wir ein bisschen entspannen. Hast Du Lust?“, fragte der alte Goblin.
    „Du meinst auf einen riesigen Pott Kaffee? Oh ja“, seufzte der Magier.


    Die Tische und Stühle standen weit genug voneinander entfernt, um in Ruhe reden zu können. Sie bestellten Kaffee bei der Bedienung, dann machten sie es sich gemütlich und fläzten sich in die Stühle.


    „Lust auf Gedankenspiele? Wollen wir ein bisschen privat plaudern?“, fragte Pavo. Dave nickte zustimmend.


    „Gut fangen wir bei Dingen an die wir mögen. Hobbymäßig mag ich gerne Fossilien und Steine. Achat ist sehr schön. Ich hatte mal einem. Sein Anblick hatte etwas Beruhigendes. Jetzt wo ich so drüber nachdenke, wäre es sicher schön gewesen, auf eine normale Schule zu gehen. Vielleicht hätte man darüber auch etwas gelernt. Nun ich hab mir das Wissen selber beigebracht, weil ich über Mineralien gelesen habe. Es muss ja nicht alles mit Medizin zu tun haben. Was liest Du gerne außer magische Bücher?“, fragte Pavo.


    „Also ich lese gerne Waffenkataloge, allerdings nur Stichwaffen. Keine Ahnung warum, ich kann mit den Waffen nicht mal richtig umgehen. So einen Achat werde ich Dir kaufen, versprochen. Allerdings ist er der Kauf an eine Handlung geknüpft. Tust Du es, bekommst Du ihn. Dann kommt der Stein in unser Quartier. Dein Markstein Deiner Freiheit dann - Priesterschaft ade“, grinste Dave als die Bedienung ihre Getränke brachte.


    „Dankeschön. Jetzt kommt´s, was soll ich tun, was ein Priester nie tun würde?“, hakte Pavo nach.
    "Sag Du es mir", grinste Dave breit.
    "Das ist hinterhältig Davy. Ich könnte Dich belügen", grinste Pavo zurück.
    "Nein... Du sagst es mir mental, wenn wir verbunden sind", antwortete der Magier.
    "Du kannst ganz schön fies sein", kicherte Pavo.


    "Ach komm, wir müssen immer Haltung vor den anderen bewahren, ein bisschen Blödsinn haben wir uns auch verdient", sagte Dave gut gelaunt.
    "Das stimmt. Gut bevor Du mit dem Supergau um die Ecke kommst wie einem Bordelbesuch - jemanden küssen, dass würde ein Priester nicht", grinste Pavo.


    "Richtig küssen", kicherte Dave.
    "Kann man auch falsch küssen?", grübelte Pavo.


    "Natürlich - ohne Zunge. Gut abgemacht, der Deal steht. Du wirst eine Person Deiner Wahl leidenschaftlich mit Zunge küssen. Einziges Gebot - keine Person aus unserer Familie", kicherte Dave.
    "Haben wir noch rostige Nägel Zuhause? Die könnte mir vorher jemand in die Stirn hämmern", schlug Pavo vor.
    "Wenn Du drauf bestehst, mache ich das", schmunzelte Dave.


    "Gut, ich werde es tun! Wir sind total gestört oder?", lachte der Goblin.
    "Normal kann jeder", antwortete der Magier.
    Der Goblin nahm einen großen Schluck Kaffee.


    "Sag mal, kann man Gedanken auch entfernen?", fragte Pavo.
    "Ja klar. Aber die Erinnerung an Deinen Zungenkuss wirst Du behalten. Du meinst Dekontamination, sprich reinigen. Man könnte sogar alle Erinnerungen löschen. Alles aus dem Gedächtnis entfernen. Würde dies jemand mit Dir tun, würdest Du Dich nicht an mich erinnern, an unser erstes Treffen, nicht an unsere Familie, nicht an Deine Gefühle. Man hätte Dich als Person quasi getötet. Du bist nur noch eine leere Hülle“, antwortete Dave ehrlich.


    „Danke“, raunte der Goblin.
    "Wen soll ich besuchen Pavo?", fragte Dave leise.
    "Niemanden Großer - ich war neugierig, wie immer", grinste der Goblin.


    ****


    Hatz und Flucht


    „Mal eine Frage, wenn ich so ein komisches Zeug erzähle, hältst Du mich für verrückt?“, grübelte Dave.
    „Du? Warum solltest Du verrückt sein? Ich mache den Mist doch immer mit, oder stifte Dich an“, lachte Pavo.
    "Auch wahr", grinste Dave, als er auf einmal mitten in der Bewegung innehielt und sich nicht mehr rührte. Einige Sekunden später war sein Gesicht eine grimmige Maske.


    „Ist irgendwas? Mach damit keine Scherze Dave, Du beunruhigst mich“, sagte Pavo misstrauisch und schaute sich in der Gegend um.


    „Versuchter Kontakt. Abgeblockt. Seltsame Gedankenmuster. Unterwegs mit mehreren Personen. Planmäßiges Vorgehen. Feindseligkeit. Wir gehen sofort!“, befahl Dave, stand auf und machte sich direkt auf den Weg.


    Pavo folgte ihm umgehend, wäre aber beinahe stehengeblieben um nach dem Feind Ausschau zu halten.


    „Weitergehen, nicht anhalten“, befahl der Magier im scharfen Tonfall.
    Der alte Goblin gehorchte ihm sofort.

    „Geh mitten durch das Gewimmel. Ich werde mich vergewissern, ob uns jemand folgt. Du weißt noch wo Rulrot steht?“, fragte Davard.
    „Ja. Wir trennen uns?“, fragte Pavo verunsichert.
    „Nein, ich wollte nur sicher gehen dass Du den Weg allein findest, falls wir getrennt werden. Bleib an meiner Seite“, antwortete Dave.


    Während sie sich auf den Rückweg machten, erfasste Dave alle Bewegungen der Leute in seiner Umgebung. Er war so angespannt, dass sein Kiefer schmerzte. Bald merkte er, dass ihm sechs Menschen aus vier Richtungen in der Menschenmenge folgten.


    "Das Cafe´ von vorhin", flüsterte Dave.
    "Scheiße gelaufen, meine Schuld. Was jetzt?", hakte Pavo nach.
    "Unfug. Sechs Leute folgen uns. Die Verfolger fortjagen und dann Flucht", antwortete Dave trocken.
    "Sechs Magier? SECHS! Wie denn zur Hölle?", fragte der Goblin nervös.


    "Ein Magier, sechs Feinde insgesamt. Keine Angst, ich bin auch ein Magier, falls Du es vergessen hast. Und es kommt noch auf den jeweiligen Leistungslevel an. Ich bin nicht harmlos, das wissen auch unsere Verfolger. Sie werden keinen offenen Kampf riskieren. Allerdings kann ich auch keinen riskieren. Dennoch beschütze ich Dich", antwortete Dave.
    "Woher wissen sie das?", fragte Pavo.


    "Sie tastete die Leute ab, ich war ein blinder Fleck - manchmal ist es nicht die Info die einen verrät, sondern dass man keine liefert. Aus dem Grund wollte sie sich verbinden - nachsehen was oder wer ich bin. Ich hab sie weggestoßen - ihr mental in den Arsch getreten sozusagen. Jetzt sucht sie mich gemeinsam mit ihren Lakaien", gab Dave zurück.


    Als sie den Markt verließen und in eine leere Seitenstraße einbogen, näherten sich ihnen fünf Männer und eine Frau, die ihnen vollkommen emotionslos den Fluchtweg abschnitten. Dave blieb stehen und krallte sich in Pavos Schulter. Der Goblin hielt den Almanen fest und stützte ihn.


    "Drei Gruppen. Zwei Männer haben die Order mich einzufangen. Sie bleibt zurück, zwei zu ihrem Schutz. Die anderen vier bereiten sich darauf vor, mich anschließend wegzuschaffen", flüsterte Dave heiser und ließ Pavo wieder los.
    "Bist Du verrückt sie hier auszulesen?", schalt ihn der Goblin.
    "Nur einen der Handlanger", rechtfertige sich Dave.
    "Gleichgültig!", kam die strenge Antwort von Pavo.


    Dave erfasste die Bewegungen der restlichen vier, die sich tatsächlich an einem Ort sammelten. Die zwei die auf ihn angesetzt waren, teilten sich auf. Einer lief in die Richtung, in die sich der Magier bewegte, der andere wollte ihn von hinten in die Zange nehmen.


    Niemand hielt sich in der Dämmerung in dieser Straße auf. Er streckte vorsichtig seinen Geist aus und erreichte die Ecke, hinter der einer der Männer auf ihn lauerte. Dann blieb Dave abrupt stehen, der Kerl sprang plötzlich vor. Beides passierte im gleichen Augenblick.


    Blitzartig schlug der Magier mit seinem Geist zu. Vor den Augen des erstaunten Pavo brach der Mann zusammen. Er zuckte in Krämpfen, Schaum bildete sich vor seinem Mund, und er verdrehte die Augen bis nur noch das Weiße zu sehen war.


    "Ich hab ihm eine gelangt, der steht so schnell nicht wieder auf", grinste Dave seinen Freund an.
    "Gelangt?", fragte Pavo baff.
    "Tür eingetreten und sofort wieder losgelassen. Wie ein Tritt vor den Kopf, nur mental", gab Dave zurück und linste um die Ecke.


    In dem Moment kam der andere Mann von hinten. Er sah seinen Kollegen am Boden liegen und raste unfassbar schnell auf sie zu. Dave drückte den Rücken gegen die Wand. In Trance streckte er seinen Geist nach dem Feind aus, doch der Mann wich ohne Schwierigkeiten aus.


    Nein es sah nur so aus, als wäre er ausgewichen, korrigierte sich Pavo. Der andere Mann ging in die Knie, allerdings war der Stoß zu schwach, er war noch bei Bewusstsein und starrte Dave in die Augen.


    In dieser Sekunde riss Pavo seine Waffe heraus. Der Mann starrte entsetzt auf die Armbrust. Mit einem trockenen, fast lautlosen „Pling“ traf der Schuss ihn mitten ins Gesicht. Blutüberströmt klatschte der Feind zu Boden.


    "Beeilen wir uns, schnell - zu Rulrot", befahl Dave.
    Hastig rannten sie zurück zum Anbindeplatz.


    Dave band sein Perd los und sprang hinauf. Keine Sekunde später hievte er Pavo vor sich aufs Pferd.


    "Das ging schnell", grinste der Goblin.
    "Muss es. Sie hat bemerkt, dass es nicht nach Plan läuft, sie ist unterwegs", antwortete Dave.
    "Sie? Was nun? Kämpfen?", fragte Pavo.


    "Ja eine sie. Wenn es nicht nötig ist zu kämpfen, ist es das Beste nicht gegen einen Magier zu kämpfen. Beeilen wir uns, nichts wie raus hier. Möglicherweise haben sie den Ausgang der Stadt abgeriegelt. Wenn alles glatt geht, reiten wir ganz einfach wieder nach Hause. Falls nicht, brauche ich einen Ort, wo ich mich hinsetzen kann. Ich kann nicht ständig zwischen Diesseits und Nexus wechseln. Wenn ich gegen sie mental kämpfen muss, muss ich auf voller Leistung im Nexus verbleiben, also richtig in Trance fallen", erklärte Dave und triebt Rulrot an.


    "Glaubst Du allen Ernstes, dass wirklich nichts passiert?", fragte der Goblin während sie losritten.
    "Nein und ich habe es auch nie behauptet", antwortete der Magier.


    Daves Worte hinterließen einen faden Beigeschmack und verärgerten Pavo. In dem Moment trabte das Pferd vom Platz auf den Ausgang des Marktes zu. Von der anderen Seite näherte sich plötzlich ein großer Wagen mit zwei kräftigen Pferden.


    "Es passiert also doch was…", stöhnte Pavo.
    "Korrekt", antwortete Dave und gab Rulrot die "Sporen".


    Mit einer Geschwindigkeit, die das vorgeschriebene Tempo eindeutig überstieg, raste das Pferd über die Bordsteinkante haarscharf den Schnauzen der beiden Pferde des Wagens vorbei, der ihnen um ein Haar den Weg versperrt hätte.


    Als Pavo zurück sah, folgte ihnen der Karren. Sie konnten hören, wie die anderen Kutscher empört schimpften.


    "Was jetzt?", kreischte Pavo.
    "Na wollen wir mal meine Fähigkeiten als Blaublütiger zur Flucht nutzen mein Lieblings-Goblin. Zur Jagd nutzt man Geländeritt. Vertrau mir", antwortete Dave grinsend, dem die Verfolgung scheinbar gefiel.


    "Als ob ich das nicht schon die ganze Zeit täte! Bei allem was heilig ist Dave! Achte auf die Fußgänger", schnauzte Pavo und klammerte sich ans Pferd.
    "Die haben auch Augen", kam die trockene Antwort.


    Eine Frau sah das beige Pferd auf sich zu donnern und duckte sich schreiend in Panik auf den Fußweg. Rulrot sprang mit einem gewaltigen Satz über die Frau hinweg ohne sie zu verletzen und donnerte weiter.


    Vor ihnen tauchte ein Absperrzaun rund um den Außenbereich einer Gaststätte auf und Pavo legte die Ohren an.


    "Dave guck nach vorne! Ainuwar steh uns bei", rief der Goblin panisch.


    Der Magier spannte den Körper an, als sie nur noch wenige Galoppsprünge von dem Zaun entfernt waren. Das Pferd sprang kraftvoll ab. Dave lehnte sich nach vorne um den Rücken von Rulrot zu entlasten. Pavo spürte den Wind auf seinem Gesicht und das Blut in seinen Ohren rauschen, als Rulrot auf der anderen Seite des Zaunes zwischen den kreischenden Gästen wieder aufsetzte. Den nächsten Zaun nahm das Pferd genauso geschickt und schoss dann die Straße entlang herunter.


    Pavo presste die Lippen zu einem festen Strich aufeinander, sagte aber kein Wort, was Dave leise losprusten ließ.


    Dave konzentrierte sich voll und ganz auf Rulrot und dessen Wahrnehmung. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er die Positionen der Fuhrwagen, Fußgänger und sonstiger Hindernisse in der Umgebung erfasst. Das Pferd raste durch engste Zwischenräume, glitt wie ein Eisschnellläufer durch die Kurven und beschleunigte weiter auf einen gestreckten Galopp - Höchstgeschwindigkeit.


    "Super ich bin noch nie im Galopp durch eine Fußgängerzone geritten! Panik erfass mich", verkündete Pavo mit Schweiß auf der Stirn.
    "Es gibt für alles ein erstes Mal, auch für Dich", antwortete Dave.


    Sie rasten auf Rulrot durch eine Seitengasse und erreichten schließlich die Hauptstraße, auf der ihnen zwei schwarze Pferde in einem irrsinnigen Tempo entgegenkamen.


    Einer der Kerle sprang ab, stellte sich auf die Straße und wedelte mit den Armen um Rulrot zum Anhalten oder Steigen zu bewegen. Das Pferd des Magiers verringerte weder sein Tempo, noch machte es Anstalten zu steigen. Das Pferd schoss haarscharf an dem Kerl auf der Straße vorbei und Dave trat mit voller Wucht zu. Er erwischte den Feind direkt vor den Schädel. Der Bursche ging gefällt zu Boden.


    "Gut getroffen", stöhnte Pavo.


    Die Verfolger hatten ihren Fluchtweg vorhergesehen. Der eine Reiter setzte ihnen nach und kam immer näher, Dave konnte ihn genau erfassen, ohne auch nur in ihre Richtung sehen zu müssen.


    Der Reiter zückte eine Armbrust.


    "SUPER! Verfluchte, verkackte Drecksscheiße hier, ich hab keine Hand frei um zurück zu feuern", fluchte Pavo.
    "Dann lass mit einer Hand los", schlug Dave vor.
    "Ich??? Niemals! Dave die werden auf uns schießen, weich aus!", befahl Pavo.


    Bei vollem Tempo sahen sie gemeinsam glasklar wie sich der Finger des Mannes um den Abzug krümmte. In der Sekunde manipulierte Dave die Sicht dessen Pferdes. Ein Verstand ohne Argwohn und Gegenwehr.


    Der Schuss ging im heftigen Wiehern des steigendes Pferdes unter. Als der Bolzen knapp am Hintern von Rulrot vorbei schoss, beschrieb das Pferd von Dave bereits einen Bogen auf der Hinterhand, genau in die andere Richtung. Pavo presste sein Gesicht in Rulrots Mähne, als das Tier eine 180Grad-Wendung hinlegte und in die Richtung zurück galoppierte, aus der sie gekommen waren.


    Die Kutscher der entgegenkommenden Karren rissen vollkommen entgeistert an ihren Zügeln. Während die Reiter ihre Tiere zur Seite rissen und ihnen gemeinsam mit den Fußgängern hinterher brüllten.


    Dave erfasste durch Rulrots Augen auch die kleinste Bewegung. So wich er jedem noch so kleinen Hindernis aus, ohne das Rulrot einen einzigen Kratzer davontrug. Nach ein paar hundert Metern spürte Dave, dass einer ihrer Verfolger mit einem der Fuhrwagen zusammengestoßen war. Einer weniger.


    Jede Wendung, jede Kurve, die ganze Route gab Dave seinem Pferd mental vor. Rulrot folgte nach wie vor strikt den Anweisungen seines Herren und donnerte wieder in die dreckigen Straßen in der Nähe des Hafens.


    "Das mit dem Wahnsinn diskutieren wir besser ein anderes Mal… Davard", sagte Pavo lauernd.
    "Gut", lachte der Magier.


    "Du jagst in der falschen Richtung durch die Straße! Schon erstaunlich, wie der Rest Deiner Weltsicht. Ich hoffe nur das Pferd scheut nicht, dann brechen wir uns die Hälse", murmelte der Goblin.
    "Er scheut nicht, er reitet andere nieder. Das war der sicherste Weg für uns aus der Notlage. Es geht um die Wahl der angemessenen Mittel, nie übertreiben und so weiter", antwortete Dave mit konzentrierter Miene.


    Pavo musterte Dave mit einem entgeisterten Gesichtsausdruck.


    Rulrot raste weiter nach Daves Anweisungen durch die komplizierten Straßen und Gassen, um die Verfolger abzuschütteln. Sie donnerten durch einen Tunnel, danach über einige Kreuzungen, und als sie schließlich die Ausläufer des Zentrums der Stadt erreichten, war von den Verfolgern schon lange nichts mehr zu sehen. Die Nacht über der Stadt war so dunkel, als hätte jemand schwarze Tinte über den Himmel gekippt.


    "Die wir zuerst erfasst haben, die haben wir schon lange abgeschüttelt, aber…", murmelte Dave, während er überlegte.
    "Meinst Du, es folgt uns noch jemand?", hakte Pavo nach.


    Dave hielt Rulrot an und zog die Augenbrauen zusammen. Der Magier schloss die Augen und hielt sich an Pavo fest. Er griff auf einen weiteren Radius zu.


    "Einer verfolgt uns noch…", teilte er dem Goblin mit.
    "Einer der Feinde? Konzentrier Dich", bat Pavo.
    "Nein… doch… nein… dieses Muster ist…", antwortete Dave verwirrt, als ein Pferd plötzlich in dieselbe Straße einbog.


    "DAVE", brachte sich Pavo brüllend in Erinnerung.
    "Das wirst Du nicht...", flüsterte Dave sehr leise und so ernst, wie ihn Pavo noch nie gehört hatte. Pavo drehte sich um und klatschte Dave eine.
    "Komm zu Dir!", brüllte er seinen Kumpel an.


    Dave schreckte hoch und schaute sich um. Er bemerkte dass der Verfolger schnell die Distanz zwischen ihnen verringerte. Dave ließ Rulrot erneut die Fersen spüren. Das Pferd schoss davon.


    "Was war los?", fragte Pavo.
    Dave zog nur eine Augenbraue hoch. Das ließ Pavo erahnen wie mächtig ihr Gegner war. Das Dave schwieg, ließ Pavo das Blut in den Adern gefrieren.


    "Lass uns da vorne anhalten. Ich werde kurz mit ihr reden", sagte Dave.
    Der Goblin starrte ihn entgeistert an.


    "Nein!", entschied Pavo.
    "Doch", hielt Dave dagegen.


    Der Magier stoppte sein Pferd und drehte sich mit ihm zu ihrem Verfolger um.
    Ihr Verfolger schloss zu ihnen auf und hielt sein Pferd in einigem Abstand an.


    Der Verfolger war eine sie. Als die Frau sie anstarrte, mit ihren fast schon anorganischen, arroganten Zügen und ohne jeden Ausdruck, stieg in Pavo eine seltsame Angst hoch, die er vorher nicht kannte.


    Nicht die Angst, dass die Frau ihn einfach so töten konnte. Sondern die Angst, dass diese Frau ihn einfach so töten würde, ohne dass er sich wehren und Widerstand leisten konnte. Diese Angst zog jeden Widerstand aus seinem Geist. Die Frau bewegte sich ein wenig und musterte Pavo, fixierte ihn regelrecht.


    "Beruhig Dich! Deine Abschirmung ist extrem hoch. Solange ich bei Dir bin, wird sie Dir nichts antun. Sie will mich nicht töten, aber Dich bekäme sie nur über meine Leiche", erklärte Dave leise.


    „Verlaufen?“, fragte die Frau mit knirschender Stimme. Eine gefühllose Stimme wie eine Druckwelle, eine Stimme, die sich anfühlte, als stünde man im Visier einer bereits entsicherten Waffe. Bei der Bemerkung zuckte sie mit ihrem Kinn minimal in Pavos Richtung.
    „Du wolltest verhandeln - sprich“, antwortete Dave eisig.
    Daves blaue Augen waren kalt, sehr kalt und voller hartem Licht.


    „Begleite mich oder Dein Haustier stirbt“, antwortete die Frau.
    „Das ist eine Drohung und keine Verhandlung. Glaubst Du, Du kannst mir drohen? Für weh hältst Du Dich?“, sagte Dave ruhig und starrte die Frau an ohne zu blinzeln.
    „Du bist rekrutiert Magier, Du folgst mir“, sagte die Frau gelassen und starrte zurück.
    „Nein", sagte Dave schlicht.


    „Wir werden unsere Anstrengungen gegen Dich fortsetzen, irgendwann musst Du schlafen und dann wird es ungemütlich Magier. Drum denk nicht mal in diese Richtung … Es wäre besser Du folgst mir freiwillig“, warnte die Frau und ihre Augen glänzten noch kälter und härter.


    Pavo hörte der seltsamen Unterhaltung zu. Was passierte da gerade? Redeten sie auf zwei Ebenen miteinander?


    „Du hast Angst, oder?“, knurrte die Frau und richtete ihren Blick auf Pavo.


    Verzweifelt mit fest zusammengepressten Lippen erwiderte Pavo den Blick.
    „Wenn Du nicht sterben willst Goblin, dann gehst Du jetzt und lässt mich mit dem Magier allein. Kurzum ich töte Dich – und niemand kann Dich beschützen. Das ist Dir bewusst nicht wahr? Wähle“, sagte die Frau kalt.


    In der Anspannung, die ihm die Luft zum Atmen nahm, konnte Pavo nur nicken. Er grabschte Daves Hand und drückte sie. Nur mit absoluter Konzentration gelang es Pavo nicht vor Furcht oder Demütigung vor der Frau zu fliehen.


    „Du solltest nie wieder solche Maßnahmen androhen Schlampe, er steht unter meinem Schutz. Droh ihm noch ein einziges und ich vernichte Dich, koste es mich was es wolle", zischte Dave.


    Pavo schielte nach oben.
    `Schlampe? Hat Dave tatsächlich Schlampe gesagt?´, dachte Pavo baff.


    „Ich weiß nicht, wovon Du spricht“, behauptete die Frau und verzerrte ihr Gesicht zu einer Grimasse, die zu grausam war, um sie als Lächeln zu bezeichnen.
    „Woher auch. Hättest Du Ahnung, hättest Du meinen Gefährten nicht bedroht“, sagte gab Dave zurück.


    "Selbst den stärksten Willen kann man brechen, alles was man benötigt ist Zeit", erklärte die Frau.
    "Die Du nicht hast", antwortete Dave. Er riss Pavos Armbrust an sich und schoss auf die Frau.


    Der Bolzen traf sie mit Wucht in der Schulter und ließ sie vom Pferd stürzen. Dave riss Rulrot herum und jagte mit dem Pferd erneut los. Die Magierin sah Pavo und Dave hasserfüllt hinterher.


    "Guter Schuss, hätte ich Dir nicht zugetraut", rief Pavo.
    "Gut? Grauenvoll! Ich hatte auf den Kopf gezielt", antwortete Dave verlegen.

    „Dave?“, fragte Pavo und krallte sich an Rulrots Mähne.
    „Ja?“, hakte Dave nach und trieb Rulrot weiter an.


    „Du hast Schlampe gesagt“, lachte der Goblin.
    „Sie hat Dich bedroht, kam da so über mich", schmunzelte der Magier.


    "Trotzdem bekam ich die Panik vor der Eule", sagte Pavo.
    „Vertrau mir bitte. So wie ich Dir vertraue. Ich werde Dich beschützen. Ich habe Dich beschützt, Du hast es doch gemerkt, sie hat zweimal versucht Dich anzugreifen, aber wir sind verbunden ich hab Dich komplett abgeschirmt. Glaub mir doch“, bat Dave.


    „Das hat sie gemeint?“, fragte der Goblin.
    „Ja. Meine Gedanken überlagern Deine wie ein Schutzschild. Sie muss mich töten, erst dann kommt sie an Deine Gedanken heran. Sie muss an mir vorbei um Dich zu töten. Sie hat zwei Mal versucht mich von Dir zu trennen, ohne mir dabei schaden zu wollen. Das hat sie nicht geschafft, also aufgegeben. Du hast es gespürt in Form von Todesangst. Das Gefühl konnte ich nicht dämpfen, da er sehr mächtig ist, auch wenn ich kein Stümper bin. Egal was kommt, ich werde nicht zulassen, dass Dir was passiert“, sagte Dave freundlich.


    „Aber Dir oder wie? Antworte!“, forderte Pavo schneidend.
    „Mich will sie nicht töten, sondern abwerben“, antwortete Dave.
    „Versklaven passt besser“, korrigierte der alte Heiler.


    "Man kann keinen Magier versklaven", gab Dave zurück.
    "Jeder kann versklavt werden. Sie werden über Mittel verfügen, Dich ruhig stellen zu können, sonst hätten sie nicht versucht Dich einzufangen. Notfalls über Erpressung. Du hast es doch gehört", erklärte Pavo.
    "Wohl wahr", stimmte Dave zu.


    "Nur weg hier", forderte der Goblin etwas beruhigt.
    "Schon dabei“, antwortete der Magier.


    ****


    Rulrot war eine ganze Weile durch die Nacht geprescht. Wie lange sie fast im gestreckten Galopp geritten waren, konnte Pavo nicht mehr abschätzen. Eine andere Stadt kam in Sicht und endlich ließ Dave das Pferd langsamer laufen.


    „Das vorhin war ganz schön knapp. Ich bekomme bestimmt Alpträume. Was träumst Du Davy?“, fragte Pavo.
    „Eigentlich träume ich ganz selten. Wenn ich tatsächlich schlafe wechsele ich automatisch in den Nexus, da träume ich nicht. Ansonsten döse ich oder meditiere“, gab Dave zurück.
    Dave lenkte Rulrot durch die Straßen von Alessa. Aufmerksam schaute sich der Almane um. Pavo der vor ihm saß, tat es ihm gleich. Der alte Goblin hielt sich krampfhaft an der Mähne des Pferdes fest und hoffte, dass sie nicht noch einmal im gestreckten Galopp losreiten mussten.


    „Pavo“, flüsterte Dave und der Goblin zuckte erschrocken zusammen.
    „Was?“, wisperte der alte Heiler Retour.


    „Warum bist Du außer Atem? Rulrot ist galoppiert, nicht Du“, schmunzelte Dave.
    „Angst und Dein Pferd hat nicht mal eine Bremse im Maul“, gab der alte Goblin zu.
    „Trense“, korrigierte Dave.


    Dave hielt an und ließ Rulrot langsam und leise rückwärts in eine dunkle Gasse laufen. Der Magier wartete schweigend ab und schaute aus dem Dunklen auf die Straße hinaus. Dabei legte er seinem Tier eine Hand auf den Hals.


    Rulrot stand absolut still, es schnaubte nicht, es schlug nicht mit dem Schweif – ganz so, als wüsste es, was sein Herr erwartete.


    Vielleicht war es aber auch einfach nur müde und geschafft von dem harten Ritt, schlussfolgerte Pavo. Der Goblin wartete ab und starrte mit auf die Straße. Allerdings waren seine Bemühungen umsonst, da er im Dunklen so gut wie nichts sah.


    Es dauert eine ganze Weile, ehe sich Dave wieder regte. Als er die Hand von Rulrots Hals nahm, bewegte sich auch wieder das Pferd, stellte Pavo erstaunt fest.


    „Keine Verfolger. Jedenfalls keine mit schnellen Pferden. Wir wechseln trotzdem das Pferd“, entschied Dave und trieb Rulrot wieder an.
    „Wo reiten wir hin? Und wogegen willst Du das Pferd austauschen, doch wohl keine Hyäne?“, fragte Pavo skeptisch.
    „Zu meinem Bruder“, antwortete Dave.


    Der Magier ließ sich tief in den Sattel sinken und ließ Rulrot ganz langsam laufen.


    „Was tust Du? Dave? Davard? Hörst Du mir noch zu? Das machst Du jetzt nicht wirklich oder?“, fragte Pavo besorgt.
    „Ansgar… sprechen...“, antwortete der Magier halb in Trance. Dave verschränkte die Arme und legte seinen Kopf auf seiner Brust ab.


    „Ich nehme besser die Lenkleinen! Dave gib mir die Dinger. Ist es denn wahr. Hoffentlich hört Dein Höllenpferd auf mich. Wenn wir zu Tode stürzen, ist das nicht meine Schuld Dave, ich sag es Dir. Helfen werde ich Dir dann auch nicht mehr können, ich stürze schließlich tiefer als Du. Mit Dir macht man was mit“, murmelte der Goblin und nahm Dave die Zügel ab.


    Rulrot blieb stehen und wartete.


    „Geh weiter“, flüsterte Pavo.
    Das Pferd ignorierte den Befehl des Goblins.


    „Husch jetzt! Geh! Lauf! Hopp hopp! Voran! Hü! Dich streicheln lasse ich besser, wer weiß was Du dann tust. Ich bekomme noch die Panik. Erst rennst Du los wie von allen Teufeln besessen und jetzt gehst Du keinen Schritt. Wenn uns jetzt die Feinde erwischen, ist es aus, nur weil Du Pause machst Rulrot! Du bist auch nicht normal mein Pferde-Freund“, stöhnte Pavo.


    Dave blinzelte kurz, nahm Pavo die Zügel ab und trieb Rulrot wieder an.


    „Und was hast Du Deinem Bruder gesagt?“, fragte der alte Goblin.
    „Wir können sein Pferd nehmen“, antwortete Dave.
    „Er kann antworten?“, hake Pavo nach.
    „Ja“, schmunzelte Dave.


    „Dann ist er ein Magier wie Du?“, mutmaßte Pavo.
    „Exakt“, antwortete Dave freundlich.
    „Dave? Alles gut? Welche Ausrichtung in der Magie beherrscht Dein Bruder?“, fragte der alte Goblin.


    „Alles in Ordnung, mir geht es gut. Du darfst gleich mal raten“, gab der Magier zurück.
    „Bestimmt hat er einen riesigen Garten oder?“, bohrte Pavo nach.
    „Ja einige Hektar sind das schon rund um sein Anwesen. Aber wir reiten zu seinem Stadthaus“, erklärte Dave.
    „Hektar ums Anwesen, ich hätte jetzt Grünstreifen vor dem Haus bei uns gesagt. Verstehe“, grinste der Goblin.


    Ihr nächtlicher Ritt dauerte noch eine ganze Weile, als sie auf den steinernen Hof eines großen Anwesens ritten. Links und rechts flankierten große Bäume das Anwesen. Ein Gebäudekomplex umschloss den Innenhof und durch eine Art Pavillon der ein Tor darstellte konnte man in den hinteren Bereich des Anwesens gelangen.


    Dave über den Hof, vorbei an Laternen die den Weg erhellten und passierte das Tor aufs Anwesen. Ein seltsames, blaues Licht herrschte im Pavillon, dann hatten sie ihn durchreist und ließen ihn hinter sich zurück. Einen anderen Zugang gab es nicht.


    Pavo hielt Ausschau nach dem Eingang des Hauses, das scheinbar wie zwei „U“ geformt war. Eines war nach vorne hin offen, dass andere ab dem Pavillon nach hinten.


    Dave folgte dem gepflasterten Weg, vorbei rechter Hand an einen einem weiteren Gebäudekomplex und dann standen sie vor dem Herrenhaus. Eine große, steinerne Treppe führte hinauf zu dem Anwesen.


    Wie ein monumentales Bollwerk stand das Haus dort. Einladen, urig und dennoch wehrhaft. Der Rücken des Hauses schmiegte sich an eine Felswand. Ob diese Wand natürlicher Herkunft war, oder einen künstlichen Ursprung hatte, entzog sich Pavos Kenntnis.


    Dave lenkte Rulrot auf die linke Seite des Hauses bis zu den Ställen. Der Magier stieg ab und hob Pavo vom Pferd. Am Zügel führte Dave Rulrot in den Stall und stellte sein Pferd in die erste freie Box.
    „Das soll das Stadthaus Deines Bruders sein? Das ist ein Anwesen!“, sagte Pavo baff und begeistert.
    „Stadthaus, kein Anwesen“, schmunzelte Dave und strich Rulrot einmal liebevoll über den Hals.


    Der Magier ging tief in den Stall hinein, bis ihn fast die Dunkelheit verschluckte. Pavo machte, dass er schleunigst hinterher kam. Irgendetwas war unheimlich in dieser Finsternis. Sie waren an den anderen Pferden vorbeigegangen und hier hinten herrschte Stille. Absolute Stille. Pavo spitzte die Ohren und hörte nichts.


    Gar nichts. Der Magier hob seinen Stab und der Totenschädel fing an in einem blassgrünen Licht zu glimmen.


    „Wir sind da. Pavo, das ist Nachtmahr“, sagte Dave freundlich.


    Der Goblin musterte das Pferd das dort im Stall stand. Es war groß, stark und schwarz. Es wieherte nicht, es atmete nicht!


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    Das Tier sah aus wie aus einem lebendigen Alptraum entsprungen. Sein muskulöser Körper hatte an einigen Stellen bereits sein Fell verloren und darunter sah man auf das blanke Fleisch. An der rechten Flanke konnte man sogar auf die Rippenbögen des Pferdes schauen.


    Am schlimmsten war der Schädel. Über ein halb skelettierten Schädel zogen sich noch einige Muskelfaser hin und die Mähne fiel dem Tier ins Gesicht. Eine leere Augenhöhle starrte auf den Goblin herab. Das Pferd war bereits gesattelt und gezäumt.


    Dave öffnete die Stalltür, schnappte sich die Zügel und führte das Pferd in den Stallgang. Dort schwang er sich in den Sattel und reichte Pavo eine Hand. Der Goblin griff zu und ließ sich vor den Magier vorne aufs Pferd ziehen.


    Als Pavo richtig saß, trieb Dave Nachtmahr an. Sie ritten aus dem Stall und vom Anwesen seines Bruders.


    „Adelig und Garten, Du hast auf Naturmagie getippt. Einen Blumenfreund“, brach Dave belustigt das Schweigen.
    „Das stimmt. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Pferd aus dem Nexus. Das ist ein Zombie oder? Wenn Dein Bruder so etwas kann, ist er vermutlich ähnlich mächtig wie Du Dave“, flüsterte Pavo.


    „Richtig der Hengst ist ein Zombie. Er wird nicht müde, er braucht weder Wasser noch Futter. Man kann ihn nicht töten, er ist bereits tot. Nachtmahr wurde vor langer Zeit ausgebildet, sollte uns jemand angreifen, wird er uns verteidigen. Und müssen wir fliehen, wird im Gegensatz zu Rulrot nicht müde. Die Pferde unserer Verfolger schon.


    Die Macht meines Bruders? Die Gabe ist mächtig in unserer Familie, dass weißt Du“, antwortete Dave.


    "Dein Bruder ist ein Nekromant, ich dachte Du magst keine Nekros", warf Pavo ein.
    "Mein bester Freund ist ein Priester, ich mag keine Priester", antwortete Dave.
    "Eigentlich...", grinste Pavo.
    "Eben", grinste Dave zurück.


    ****


    Heimweg


    Sie ritten bereits eine geraume Weile durch die dunkle Nacht, als sich ihnen in etwas Abstand drei Reiter in den Weg stellten. Der Magier brachte Nachtmahr zum Stehen und starrte die drei Gestalten an.


    "Sag nicht, die sind das schon wieder", stöhnte Pavo leise.
    "Doch", gab Dave zurück.
    "Was jetzt?", fragte der Goblin und musterte die Gruppe hasserfüllt, obwohl er sie kaum sah.


    Der Magier zückte seinen Stab und beugte sich kurz nach vorne.


    "Reite wie Malgorion mein Freund", flüsterte Dave.
    "Ich soll was?!?", fragte Pavo.


    In dem Moment schoss Nachtmahr wie ein schwarzer Blitz davon. Das Pferd war wesentlich schneller als Pavo vermutet hatte. Einer der Reiter schoss ihnen entgegen um sie auszubremsen.


    Fast auf gleicher Höhe mit ihnen riss Dave seinen Stab herum und spießte den Feind auf die Klinge des Stabes auf. Ein gewaltiger Ruck ging durch seine Schulter und der Magier drehte den Stab sofort um, da Nachtmahr keine Anstalten machte auch nur einen Huf langsamer zu galoppieren. Während das Pferd weiter voranstürmte rutschte der Feind von der Klinge. Der Schwung war allerdings immer noch heftig genug um Dave selbst vom eigenen Pferd zu befördern.


    Zwar versuchte der Magier sich noch an Nachtmahr festzukrallen, allerdings vergeblich. Er flog rücklings vom Pferd, landete ziemlich unsanft auf dem Kreuz und blieb für einige Sekunden keuchend liegen.


    Nachtmahr bremste als hätte er einen Anker geworfen und wandte sich sofort zu seinem Reiter um, um ihn mit seinem Körper abzuschirmen. Pavo ließ sich vom Pferd plumpsen und hockte sich neben Dave.


    "Meine Güte. Komm zu Dir. Wie viele Finger siehst Du?", fragte Pavo und zeigte Dave drei Finger. Gleichzeitig hielt er nach den sich nähernden Feinden Ausschau.
    "Clawais oder?", antwortete Dave, rappelte sich auf und stieg schleunigst wieder aufs Pferd. Einen winzigen Moment später packte er Pavo am Kragen und zerrte den Goblin ebenfalls wieder auf das Schlachtross.


    "Reite wie Malgorion mein Freund", flüsterte Dave erneut und Nachtmahr schoss wieder davon.
    "Gut jetzt hab sogar ich begriffen, dass das Pferd gemeint ist...", murmelte Pavo, ehe er nach vorne zeigte.


    "Dave meine Güte, sag ihm es muss bremsen!", schrie Pavo über die Schulter hinweg, als der alte Goblin sah, dass Nachtmahr genau auf eines der feindlichen Pferde zuhielt.
    "Festhalten", befahl Dave und krallte sich in Nachtmahrs Mähne.


    Der alte Goblin tat es ihm gleich. Keine Sekunde zu früh, denn schon krachte das Zombie-Pferd in das Tier ihres Kontrahenten. Erst jetzt bremste Nachtmahr mit der Hinterhand so stark ab, dass er noch ein Stück nach vorne schilderte und fast so aussah als wollte er "sitz" machen. Dave krallte sich diesmal rechtzeitig an sein Pferd um nicht erneut abgeworfen zu werden.


    Der feindliche Reiter wurde samt Pferd zu Boden geschleudert. Nachtmahr stieg und deckte den am Boden liegenden Reiter samt seinem Tier mit harten Hufschlägen ein. Das Pferd am Boden wälzte sich über den Reiter wieder auf die Hufe und floh in die Nacht.


    Nachtmahr setzte dem Tier nicht nach, sondern ging dazu über, den Feind am Boden mit seinen schweren Hufen in Grund und Boden zu stampfen. Hinter ihnen ertönte ein wütender Kampfschrei und da war der letzte Feind auch schon auf seinem Pferd heran geprescht.


    Pavo riss sich die Waffe vom Rücken, wirbelte mit gezückter Armbrust herum und Dave sah zu, dass er sich so schnell wie möglich über den Pferderücken duckte. Der Goblin schoss und einen winzigen Augenblick später schlug Nachtmahr mit der Hinterhand aus.
    Ob der Goblin getroffen hatte, konnten sie nicht erkennen, denn das Pferd des Feindes wurde zu Boden geschleudert und begrub seinen Reiter mit knochenbrechendem Krachen unter sich.


    "Reite wie Ainuwar", lachte Pavo und Nachtmahr drehte sofort um.
    "Steh!", befahl Dave schneidend und Nachtmahr blieb sofort stehen.


    "Lass den Unfug Pavo! Der Name Deines Gottes schickt ihn nach Hause zu Ansgar zurück", erklärte Dave und lenkte Nachtmahr wieder in die richtige Richtung.


    Erneut trieb der Magier das nekrotische Schlachtross an. Nachtmahr schoss in die Nacht davon. Der Ritt war lang und hart. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie Shohiro und ihr Haus. Dave ließ sich müde vom Pferd rutschen und half Pavo abzusteigen. Mit einem "reite wie Ainuwar" schickte er Nachtmahr zurück zu seinem Besitzer.


    "Verlier bloß kein Wort über die Sache", grinste Dave schräg und betrat völlig erschöpft und ausgelaugt das Haus.
    "Ich doch nicht", flötete Pavo und folgte ihm.