• Ausritt


    Das Pferd war in Bestform und ließ sich von den Wetterverhältnissen nicht aus der Ruhe bringen. Warum die Jagd bei dem Wetter stattfand, war Dave ein Rätsel, aber er vertraute auf Blakkur. Der schwarze Hengst nahm die Hindernisse im Wald rasch und aufmerksam.


    Beim Sprung über den nächsten Baumstamm rutschte er allerdings mit der Hinterhand aus, der Boden war zu aufgeweicht vom Regen. Dave brachte sein Pferd wieder unter Kontrolle.


    "Ruhig", flüsterte er seinem Tier zu.


    Er selbst hatte schon keine Lust mehr auf die Jagd, nicht das Dave dazu überhaupt je Lust gehabt hätte. Ein Tier zu Tode zu hetzen und dann von einer Meute gewaltiger Hunde zerreißen zu lassen war keine Kunst. Das Einzige was ihn an der Jagd reizte war der Ausritt.


    Ein kleiner Bach trennte sie vom Rest der Gruppe, Ansgar rief ihm zu, sich zu beeilen und Dave trieb sein Pferd erneut an. Blakkur schnaubte und sprang mit einem gewaltigen Satz über das Wasser-Hindernis.


    Mehrere umgestürzte Baumstämme trennten die beiden Brüder noch. Blakkur nahm die Hindernisse indem er auf sie zu galoppierte und kraftvoll absprang. Als das Pferd zur Landung ansetzte, sanken seine Hufe in den matschigen Boden ein und fanden keinen Halt. Der Untergrund war zu schlammig, so dass das Pferd mit der Vorderhand einsank und ihm die Beine wegknickten.


    "Scheiße nein!", konnte Dave seinen Bruder fluchend brüllen hören, als er selbst den Boden auf sich zurasen sah.


    Er hörte die Geräusche des Entsetzens der Jagdgruppe, als er auf dem Boden aufschlug. Einen Sekundenbruchteil später wurde es dunkel als Blakkur auf ihn stürzte. Das letzte was Dave in dem Moment hörte war das Brechen seiner Knochen.


    ****


    "Das Scheißvieh muss sofort runter von ihm!", brüllte Ansgar die anderen an, während das Pferd vor Schmerzen geradezu schrie und mit den Beinen um sich schlug.
    "Wie?", fragte einer der Diener.


    "Notfalls in Stücke!", bellte Ansgar, während sein Vater Freiherr Dunwin von Hohenfelde auf seinem Pferd saß und dem Geschehen zuschaute, als ginge ihn das alles nicht das Geringste an.


    "Ansgar, halte Dich von dem ausschlagenden Tier fern, ehe es Dich verletzt! Ich habe einen Diener nach einem Heiler geschickt! Er wird Davard beistehen", befahl Dunwin streng.


    Ansgar warf seinem Vater einen vernichtenden Blick zu, entriss einem der Diener die Armbrust und jagte dem Pferde mehrere Bolzen in den Schädel. Das tote Pferd wurde von seinem Bruder mit vereinten Kräften heruntergehoben.


    Ansgar beugte sich zu seinem Bruder herunter und wollte dessen Hand ergreifen, unterließ die Geste aber aus Angst ihn weiter zu verletzten. Er hockte sich neben ihn und strich ihm beruhigend über die Wange.


    "Alles wird gut, hörst Du Davy? Vater hat nach einem Heiler geschickt", sagte er aufmunternd zu seinem kleinen Bruder.


    Dave musterte seinen Bruder. Das einzige was er noch spürte war die Hand seines Bruders und wie sich das Blut in seinem Mund sammelte und als heißes Rinnsal aus seinen Mundwinkel lief.


    `Ans keine Luft... ich...´, übermittelte Dave seinem Bruder, während ihm roter, schaumiger Speichel aus dem Mund lief und blutige Blasen aus seinem Mund traten beim Atmen.
    `Du bleibst hier Davy. Ich halte Dich am Leben bis der Heiler hier ist, versprochen Kleiner´, antwortete Ansgar auf gleichem Weg und hielt seinen Bruder mental fest.


    "Scheiße ich hätte den Gaul nicht erschießen sollen", fluchte Ansgar leise und schaute sich um.


    `Ist gut. Lass... los...´, bat Dave seinen Bruder matt.


    "Nichts ist gut. Cunlin! Hierher sofort!", befahl Ansgar seinem Leibdiener schneidend.
    Sein Diener trat sofort an seinen Herrn heran und hockte sich neben diesen.


    "Ihr wünscht Herr?", fragte Cunlin dienstbeflissen und musterte Dave mit mitfühlendem Blick.


    In dem Moment klatschte Ansgar ihm eine Hand auf den Schädel und drang in Cunlins Gedanken ein. Der Magier konzentrierte sich so stark er konnte und riss ohne Rücksicht auf Verluste die mentalen Barrieren seines Dieners nieder und zapfte dessen Lebensenergie an und leitete sie ungefiltert an seinen sterbenden Bruder weiter.


    Ansgar spürte nach den ersten Augenblicken bereits, dass er die Lebenstransfusion nicht lange aufrechterhalten konnte. Die Konzentration die er aufbringen musste war gewaltig und er spürte seine Kräfte schwinden, als hätte er im Körper ein Loch aus dem sie in flüssiger Form ausliefen.


    Die Kontrolle entglitt ihm langsam aber sicher. Er blutete magisch aus, wie sein Bruder real unter seiner Hand. Cunlin neben ihm brach zusammen und kippte zur Seite.


    Schlotternd stand die Dienerschaft in einem Pulk zusammen und starrten auf die beiden Magier. Der eine lag sterbend mit zermalmten Knochen in seinem eigenen Blut, das bereits durch seine Kleidung sickerte. Der andere hockte wie ein wahnsinniger Dämon neben seinem Bruder und hatte seinen Leibdiener getötet.


    "Wo bleibt der Heiler?", donnerte Ansgar seine Diener an.
    "Ich bin hier", antwortete ein Goblin und hockte sich sofort auf die andere Seite von Dave.


    Der Heiler musterte Dave von oben bis unten, zog einige Spritzen auf und verpasste sie dem Naridier. Danach begann er die Kleidung von Dave aufzuschneiden. Mittendrin hörte er auf und schaute Ansgar an.


    "Was ist mit ihm passiert?", fragte der Goblin ernst.
    "Sein Gaul ist eingeknickt. Mein Bruder ist über den Hals zu Boden gestürzt und das Pferd mit voller Wucht auf ihn gefallen", antwortete Ansgar.


    "Wir müssen ihn sofort zu meiner Praxis bringen, ich muss ihn operieren. So geht das nicht. Er hat zig gebrochene Rippen und seine Lunge ist verletzt. Ich stabilisiere ihn so gut es geht, dann muss er transportiert werden. Sie haben ihn irgendwie bis jetzt durchbekommen richtig? Wie?", fragte der Goblin.


    "Ich halte ihn mental fest, per Magie", antwortete Ansgar.
    "Sie reisen mit", entschied der Goblin und widmete sich sofort wieder Dave.


    Der Goblin tastete Daves Nacken vorsichtig ab und schaute ihm dann genau ins Gesicht.


    "Hör zu, ich werde Dir helfen. Dass bekommen wir wieder hin, aber Du musst kämpfen. Du musst hier bleiben verstehst Du dass? Du darfst nicht ohnmächtig werden, sonst verlieren wir Dich. Ich werde Dich operieren müssen", sagte der Heiler.


    Dave setzte zu einer Antwort an, aber Pavo drückte ihm vorsichtig das Gesicht zur Seite, damit das Blut aus seinem Mund abfloss.


    "Nicht reden", sagte der Goblin und bereitete Dave für die Abreise vor.
    "Wie heißt er?", fragte er Ansgar.
    "Davard... Dave", antwortete Ansgar sofort und versuchte Daves Mund und Nase vom Blut zu befreien.


    Der Goblin baute eine Trage zusammen und wies die Diener an, Dave darauf zu ziehen, nicht zu heben. Stumm gehorchten sie aus Angst vor Ansgar der alles mit Argusaugen bewachte.


    "Jetzt kommt er schwierige Teil. Beiß die Zähne zusammen Dave und halt die Luft an beim Anheben. Gleich hast Du es geschafft, konzentriere Dich einfach auf meine Stimme", sagte der Goblin freundlich und befahl dann "anheben".


    Dave klammerte sich an die Stimme des Heilers und kämpfte darum nicht ohnmächtig zu werden. In seinem Mund breitete sich ein seltsamer Geschmack aus, während er versuchte den Goblin im Blick zu behalten. Sein Blick verschwamm, das Letzte was er wahrnahm war wie sich ein nasser, zitternder Atemzug aus seiner Lunge kämpfte und über seine Lippen schwappte.


    ****


    Dave wachte auf. Er schaute aus dem Fenster. Ein großer Baum war zu sehen in dem einige Vögel zwitscherten. Der Ausblick war ihm unbekannt. Einer der kleinen Vögel beobachtete ihn und hockte sich kurz auf den Fenstersims bevor der davonflog. Nach dem Blattstand des Baumes zu urteilen musste es Sommer sein...
    Sein Unfall war im Herbst gewesen!


    "Schau mal einer an wer wach ist", grüßte ihn der Heiler freundlich und stellte das Essenstablett mit Getränk und Brei auf einen Beistelltisch.
    "Hallo", grüßte Dave matt aber gut gelaunt zurück.


    Er schlug so gut es ging die Decke beiseite, wackelte probeweise mit den Zehen und schaute sich an.


    "Bist ein zäher Hund Dave, ist alles noch dran was dran gehört. Zum Glück blieb Dein Rücken unverletzt und auch Deine Beine. Es sah nicht gut aus, wirklich nicht. Aber wir haben Dich wieder hinbekommen", grinste der Goblin breit, deckte Dave wieder zu und stellte ihm das Tablett auf die Decke.


    "Wie heißt Du?", fragte Dave und aß einen Löffel Brei mit zittrigen Händen.
    "Pavo", grinste der Goblin und nahm ihm den Löffel ab um ihn zu füttern, "heute füttere ich Dich das letzte Mal. Ab Morgen machst Du das wieder selber".


    "Dankeschön Pavo", antwortete Dave grinsend.
    "Bitte", grinste der Goblin.