Erinnerung - Trennung 184 n.d.A.

  • Erinnerung - Trennung 184 n.d.A.



    Stell Dir vor Du gehst morgens aus dem Haus, bist einige Stunden später wieder da und nichts ist mehr so wie es vor einigen Stunden gewesen ist. So war es bei mir. Ein extrem grauenvoller Zustand, wenn man ihn sich bewusst ins Gedächtnis ruft. Wer in so eine Situation gerät, sollte genau das vermeiden.


    Also am Morgen war noch alles in Ordnung, wir zogen los einen Job zu erledigen und gefühlte Stunden später war meine Gefährtin nicht mehr meine Gefährtin.


    Wir saßen uns gegenüber und sie hatte laut Ihrer Aussage einen neuen Kerl an ihrer Seite.


    Unausgesprochene Info:


    Tata – wir sind nicht mehr zusammen.
    PS - ich hasse Dich.
    PS2 – vielleicht doch nicht.
    PS3 – wenn ich ehrlich bin, liebe ich Dich sogar.
    PS4 – Du verstehst mich eh nicht.


    Sag bloß, wie denn wenn sich Deine Meinung im 5 Sekunden Takt wechselt?
    Gut mittlerweile war sie „alt“ und „ruhiger“ geworden, früher ging das im 2 Sekunden Takt.


    Sie war nicht mehr meine Frau…


    Der Moment, in dem ich mich zum ersten Mal mit meiner neuen Situation konfrontierte, zählt zu den unangenehmsten meines Lebens. Ich musste mich innerlich irgendwie von ihr scheiden lassen. Eine Scheidung ist im Endeffekt nichts anderes als der Tod einer Liebe. Gibt es was Schlimmeres?


    Es gibt eine Trauerzeit, die sehr lange, schmerzhaft und trostlos sein kann. Das weiß ich und ich war bereit dem Schrecken erneut ins Auge zu gucken. Leider wurde mein Vorhaben jedes Mal im Keim erstickt, wenn die Verursacherin putzmunter und gut gelaunt an mir vorbeihüpfte!


    Jedes Mal, wenn ich von Einsamkeit und Sehnsucht heimgesucht wurde, suchte ich sie auf. So konnte dass doch nicht weitergehen, kurzum ich musste mich dem Leben stellen, heißt ich ging dann Pavo auf die Nerven.


    Er hat nie etwas gesagt, mich nie verscheucht oder irgendwie einen dummen Kommentar abgegeben – obwohl ich sicher bin, ihn ab und an genervt zu haben.


    Zu akzeptieren, dass meine Beziehung gescheitert war, war eine der schwersten Aufgaben, die ich mir stellte. Und ehrlich gesagt, wollte ich das gar nicht akzeptieren… bitte, es geht schon wieder los!

    Aber es blieb mir im Moment nichts anderes übrig als anzunehmen, dass der Traum vom ewigen Glück, den man mir als Kind verkauft hatte, eine einzige Lüge war. Mit einem Schlag lösten sich all die Märchen in Luft auf, die den großen Liebesgeschichten zugrunde liegen.


    Es war an der Zeit, sich der enttäuschenden Tatsache zu stellen, dass die Märchen an ihrem Ende auch wirklich zu Ende waren, es gab nie einen Teil 2 oder schon gar keinen Teil 3. Denn dann wären es keine Märchen mehr, sondern Tragödien.


    Die Wirklichkeit sieht nämlich so aus, dass "eine gewissen Dame im Sarg" in ihrem späteren Leben mit Sicherheit an einem Punkt angelangt wäre, an dem sie lieber noch hundert Jahre länger geschlafen hätte, als nur eine Stunde länger diesen Kerl zu ertragen!!!


    Meine eigene Geschichte passt da wunderbar, nur hätte ich eben für immer in meiner Halbwelt weiterschlafen sollen. Meine Geschichte ist eine Mischung aus Überlebens-Horror und Monster-Märchen.


    Ich wachte aus meinem Schlaf auf, aber nicht um einer Prinzessin ins Angesicht zu blicken. In meinem „Märchen“ hatten sich anscheinend alle Hexen verbrüdert und mit Dämonen 1.000 Pakte geschmiedet um mir das Leben zur Hölle zu machen.


    Und wo war meine gute Fee abgeblieben???
    Feen sind weiblich, rief ich mir ins Gedächtnis – danke auch.


    Wie soll man denn bitteschön an ewig währende Liebe glauben, wenn sie uns jedes Mal beweist, dass sie gar nicht ewig währt? Wobei hatte ich letzteres nicht selber in der Hand? Wenn ich es schaffen würde, wieder frei und unabhängig zu sein, würde die Liebe vielleicht zu mir zurückfinden.


    Wer findet schon einen Jammerlappen sexy?
    Meine erste Verzweiflungstat war ein Besuch bei einem dieser Berater.
    Wer Masochist ist, dem kann ich gerne seine Adresse geben.


    Der Typ, saß in einem gewaltigen Sessel und ich hatte eine Schachtel Taschentücher neben mir als ich auf dem Stuhl saß, von denen dieser Seelendoktor sicher annahm, dass sie meine Tränen aufsaugen würden. Der Kerl trug ein kurzärmliges Hemd und Stoffhosen.


    Ich weiß nicht, warum mich die Tatsache, dass er Hosen aus Leinenstoff trug, so sehr störte.


    Vielleicht, weil ich in meiner geistigen Verwirrung annahm, dass jemand der kein Urteilsvermögen in Kleidungsfragen besaß, auch keins hatte, wenn es um die Beurteilung meiner Ängste ging?


    Jedenfalls hatte ich sämtliche Hoffnungen in ihn gesteckt, und da saß ich nun, zum ersten Mal in meinem Leben vor einem Seelendoktor, bereit ihm meine intimsten Geheimnisse anzuvertrauen.


    Für 50 Taler die Stunde konnte ich zumindest darüber klagen, wie schlecht es mir ging.


    Mal ehrlich ist doch echt unglaublich, dass einer seine Moppen damit verdient, sich die Probleme anderer Leute anzuhören oder?


    Ich fand es schlagartig deprimierend, dass jemand so viele Jahre an der Akademie verbracht hatte, nur um dann in einem riesigen Sessel zu sitzen und dem Leid seiner Mitmenschen zu lauschen.


    Denn was macht dieser Mensch denn sonst? Er beschränkt sich doch nur aufs Zuhören, und ich hatte viel zu erzählen – üblich in meiner Situation.


    Als Erstes erzählte ich ihm von der Frustration und Enttäuschung, die ich erlebte, von der Zeit die ich heulend im Bett verbracht hatte und davon, dass mich nichts mehr wirklich interessierte außer den lieben langen Tag im Nexus abzuhängen.


    „Ehrlich gesagt gibt es überhaupt nichts mehr, was mir noch Spaß macht“, erklärte ich.
    „Das ist normal, Du machst gerade eine schwierige Phase durch“, seine Antwort.


    In einem Anfall von Dramatik, dem Drehbuch einer albischen Oper würdig, schloss ich daraus „Ich glaub ich hab die Lust am Leben verloren!“.


    „Und warum glaubst Du das?“, fragte der Doc.
    Beantwortete der meine Fragen mit Gegenfragen? Wenn ich eines hasse, dann das.


    „Weil mein einziger Wunsch ist, mich ins Bett zu legen und nie wieder aufzustehen. Ist das auch normal?“, fragte ich grantig.
    „Das ist ein ganz normaler Abwehrmechanismus, Du versucht vor der Wirklichkeit zu fliehen“, erklärte der Doc.
    „Na dann, ich hatte schon die Befürchtung, ich hätte vielleicht Selbstmordgedanken!!!“, gab ich zurück.


    „Und was fühlst Du noch?“, fragte er.
    „Schmerz. Überall, auch körperlich. Er bricht einfach aus mir heraus, ist wirklich überall“, sagte ich.
    „Und wie fühlt sich das an?“, bohrte der Doc weiter.


    Ich fand es wirklich beeindruckend, wie abstrakt und unpersönlich er alles aufnahm was ich sagte. Ich fragte mich insgeheim, ob es irgendwas gäbe, was den Kerl wohl aus der Fassung bringen würde. Vielleicht ein Messer zwischen den Rippen?


    „Naja, man sagt das ja auch so, dass jemand am gebrochenen Herzen stirbt und so fühl ich mich. Außerdem hab ich immer wieder Panikattacken, wenn ich sie sehe. Ich muss zwanghaft in ihrer Nähe bleiben und danach hab ich wieder Schmerzen, wenn ich danach alleine bin. Aber das ist ja gar nicht das Schlimmste“, heulte ich.


    „Was ist das Schlimmste?“, quälte mich der Doc.
    „Das ich mittlerweile den Schmerz genieße, ich will ihn spüren und versinke in Selbstmitleid“, erklärte ich dem Kerl.


    „Das ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil, es bedeutet, dass Du den direkten Kontakt mit Deinem Schmerz suchst, dass Du akzeptierst was Dir gerade passiert. Wenn Du mit dem Schmerz umgehen kannst, und das Selbstmitleid nicht zu Deiner Lebensform wird, ist das kein Problem“, sagte der Doc.


    „Ach, und wie geht man mit diesem Schmerz um?“, fragte ich baff.
    „Versuch zu akzeptieren, dass er ein Teil des Lebens ist, genauso wie die Freude“, riet er mir.


    Also wenn ich ehrlich bin ja, ich glaubte kein Stück, dass der Schmerz ein Teil des Leben ist. Der Schmerz ist das Leben an sich! Ich habe dafür auch Beweise.


    Es ist schmerzhaft geboren zu werden.
    Es ist schmerzhaft aufzuwachsen.
    Es ist schmerzhaft zu lieben.
    Es ist schmerzhaft wenn wir eines Tages gehen.
    Beweisführung abgeschlossen.


    Es gibt einen Spruch der heißt, die Freude ist so eng mit dem Schmerz verbunden, dass wir vor Freude oft weinen müssen.


    In meinem Fall hatte wer auch immer den Schmerz so eng mit der Freude verbunden, dass ich mich langsam aber sicher in einen echten Masochisten verwandelte! In meiner Opferrolle fühlte ich mich komischerweise immer wohler.


    „Ich meine die Nächte, in denen ich nicht schlafen kann und nur daran denke, was war und was hätte sein können“, erklärte ich dem Doc zum besseren Verständnis.
    „An was denkst Du da genau?“, fragte er nach.


    „An all die vielen schönen Dinge, die ich mit ihr erlebt habe, und die Pläne die ich für unsere Zukunft hatte. Wegziehen oder reisen, heute hier und morgen da, heiraten… man was hätte ich sie gerne geheiratet!


    Aber bis zu der Frage kam es nie, jetzt eh nicht mehr. Ich glaub ich hab alles verloren…“, sagte ich niedergeschlagen.


    „Du hast nichts verloren. Die Vergangenheit wird Dir niemand nehmen, und die Zukunft hast Du nie besessen. Sie hat noch nicht stattgefunden. Ich möchte, dass Du ab jetzt versuchst, im HEUTE zu leben. Denk nicht mehr über die Vergangenheit nach und vergiss die Zukunft“, riet er mir wohlwollend.


    Na toll!!!


    Jetzt sollte ich auch noch ein Kerl ohne Vergangenheit und ohne Zukunft spielen – einfach niederschmetternd. Ich ging nie wieder zu dem Kerl.


    Ich hatte immer mein eigenes Ding durchgezogen – ich würde auch dass wieder geradebiegen verdammt nochmal!!!


    Genau, dass war die richtige Einstellung.


    In einer Taverne in der ich meinen Frust ersaufen wollte, hörte ich zu dem Thema einen Tipp, der mein Leben höchsten komplizierter machte, als verbesserte.
    „Du musst Deine Gedanken neu sortieren und versuchen wie ein Alleinstehender zu denken. Lösche die Vorstellung aus Deinem Kopf, dass Du nur mit einer Frau eine Nummer schiebst, weil Du sie liebst oder weil sie die Frau Deines Lebens ist.


    Das ist jetzt sowieso vorbei. Lass nur den einen Gedanken zu, dass Du mit ihr schläfst, um Spaß zu haben und Deine Lust zu befriedigen und das ist doch nichts Schlechtes. Irgendwann kommt es Dir ganz normal vor, glaub mir. Niemand würde Dir was vorhalten, wer sollte schon?“, fragte mein Tresennachbarin und zog mich fast mit ihrem Blick aus.


    Wer mir was vorhalten sollte? Diese dusslige Kuh – na ich!


    Nenn mich bekloppt oder nenn mich altmodisch, aber wenn ich mit wem schlafe, dann tue ich es aus Zuneigung und Liebe. In anderen Zeiten liebe ich mich selbst. Ich habe nie eine Frau angefasst, die nicht meine war.


    Das alles ist in meinen Gedanken gespeichert und lässt sich nicht so einfach löschen. Und ich wollte es auch gar nicht löschen, verdammte Scheiße!


    Ich bin doch nicht unnormal nur weil ich Sex und Gefühl brauche oder?
    Das ist für mich untrennbar.


    Single, solo, getrennt, allein – die Worte sind eindeutig. Für die meisten Frauen – egal ob in der Taverne oder im Ballsaal heißen sie aber scheinbar was anderes, nämlich sichere Beute für diesen Jagdabend.


    Sie sehen einen als liebesbedürftige Person, die offenbar ein Schild auf der Stirn pappen hat, auf dem steht in riesigen Lettern:


    BRAUCHE DRINGEND SEX!!!


    Es scheint fast so, als hätte man bei Trennung in alle Welt hinausgeschrien, sich jetzt auf alles zu stürzen, was die Gegend zu bieten hat.


    Die bloße Tatsache, dass Du frisch getrennt bist, scheint sie auf die absurde Idee zu bringen, dass Du zur freien Verfügung stehst.


    Ich hab keine Ahnung wie Frauen oder Kerle auf die Idee kommen, dass verschmähte Liebe, Schuldgefühle, verletztes Selbstwertgefühl und Sehnsucht nach der Ex durch Sex kuriert werden könnte!


    Die Frau neben mir laberte mich dermaßen voll, dass ich ihr am liebsten die Faust ins Gesicht gegraben hätte. Für wen hielt die sich? Meinte sie vielleicht, sie trug eine Antidepressiva-Pille zwischen den Beinen und musste mir eine Dosis verabreichen?


    Der Gedanke, dass sie nach einer Trennung die Erste ist, die Dich als Hengst sattelt, scheint manche Frauen mit Stolz oder was Ähnlichem zu erfüllen. In ihren Augen ist sie wahrscheinlich die perfekte Liebhaberin. Klar weil einer der solo ist, so lange seine Lust unterdrückte, dass er wohl jede nimmt oder wie?


    Am Ende artet dass noch in einer Wohltätigkeitsveranstaltung aus.
    Die Frau neben mir glaubte wohl allen Ernstes, dass ich wegen ihr sämtliche Frauen vor ihr vergessen werde, vor allem meine Ex, und auch alle, die mir in Zukunft noch begegnen würden.


    Danke dass ich Dich schubsen durfte!


    Ein historischer Moment der in die Geschichte eingehen sollte, reicht es wenn ich Beifall klatsche, oder muss ich die Fahne hissen und die Nationalhymne singen?


    „Sag mal, warst Du mit niemanden mehr im Bett, seit Du Dich von Deiner Frau getrennt hast?“, versuchte sie es erneut und ich hegte bereits Mordgedanken.


    Die Frau konnte froh sein, dass ich von Natur aus gutmütig und was lahmarschig bin.


    „Nein ich bin noch nicht mal auf die Idee gekommen“, antwortete ich und trank einen Schluck Bier.
    „Das kann doch nicht möglich sein. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass ein Kerl wie Du keinen Bock hätte“, sagte sie grinsend.


    „Ehrlich gesagt nein. Außerdem geht es gar nicht um Lust. Ich gehöre zu den Perversen, für die Sex etwas Romantisches ist und mit Liebe zu tun hat“, erklärte ich knurrig.


    „Aber Lust musst Du doch gehabt haben. Jeder hat Bedürfnisse…“, grinste sie mich an.
    „Jaja ich weiß, von Bedürfnissen hab ich auch schon gehört“, antwortete ich trocken.


    „Du musst es wieder versuchen, sonst bekommst Du am Ende noch ein Trauma oder sowas, von der ganzen Grübelei bestimmt auch. Am besten tust Du es einfach jetzt sofort mit mir, damit Du endlich aus diesem Teufelskreis rauskommst und Dich nicht die ganze Zeit damit verrückt machst“, schlug sie vor.


    „Du meinst lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende? Ich werde warten bis ich soweit bin, ich will mich nicht schlecht fühlen“, antwortete ich.


    „Warum solltest Du Dich schlecht fühlen? Es ist wegen Deiner Ex oder? Du glaubst wenn wir es machen, könnte es sich so anfühlen als würdest Du sie betrügen. Hast Du nie?“, fragte sie und schaute mich unverwandt an.


    Meine Antwort war dass ich ihr so lange in die Augen starrte bis sie wegguckte.
    Die Frau räusperte sich einige Minuten später und war immer noch nicht kuriert.


    „Also ich garantier Dir, wenn wir es gemacht haben Schätzchen, werden Deine Schuldgefühle wie weggeblasen sein und Deine Ex wirst Du danach schneller vergessen als Du für möglich hältst“, bot sie an.
    „Schon klar – oder kurz gesagt, eine Sorge löst dann die andere ab“, sagte ich, zahlte und ging.


    Nur weil mein Herz gebrochen war, bedeutete dass doch nicht, dass ich die Einzelteile einfach so in alle Richtungen davon schleudern wollte. Im Gegenteil, ich hatte mir vorgenommen, es ganz alleine und mit der größten Sorgfalt wieder zusammenzufügen, damit die Wunden gut verheilen und keine allzu großen Narben zurückbleiben würden.


    Mein Plan war mir ein eigenes Zuhause einzurichten.
    Kein tatsächlicher Umzug oder so, sondern ein geistiger.
    Mein Quartier würde mein Zuhause werden.


    Aber dazu musste ich einige uralte Gedanken loswerden oder anpassen, zum Beispiel dass es sinnlos ist, sich selber Schokolade zu kaufen. Sie wäre ja nur für mich alleine, ekelhafte Vorstellung. Sie schmeckt nur zu zweit.


    Mein Gedanke ist, dass ein Zuhause eine geliebte Person ist. Klingt vielleicht rückständig, aber von klein auf war mein Gedanke immer das der Begriff Zuhause gar keinen Ort meinte – Zuhause ist dort, wo Dich jemand wirklich gerne hat. Dir niemals etwas zuleide tun würde - kurzum wo Dich jemand um Deiner selbst Willen liebt. Das habe ich mir immer gewünscht.


    In einer Gesellschaft wo die Familie das höchste Gut ist, kann sich niemand vorstellen, dass jemand irgendwie allein sein Leben fristen muss. Wer keine Familie hat, ist verloren heißt es bei uns.


    Und so fühlte ich mich gerade. Doch genau das musste ich jetzt tun, und darum musste ich mich davon überzeugen, dass es nur eine einzige Person braucht um ein Zuhause zu gründen – MICH.


    Gut mein Plan stand also, noch einmal neu beginnen.
    Hört sich einfacher an, als es ist.


    Wie schwer schon der Versuch ist, es tatsächlich in Angriff zu nehmen.
    Wo fängst Du an, wenn sich alles gegen Dich verschworen hat?


    Wenn Dir die ganze Welt unter die Nase reiben will, was Du für ein Versager bist?


    Du bist alleine Davy vergiss das bloß nicht für 5 Minuten… und das ist nicht die ideale Lebensform für Dich…


    Es fängt an mit Verwandten, die Dir plötzlich Gott und die Welt vorstellen - heiratsfähig, mit Gabe und passendem Stand natürlich.


    Was sage ich, es genügt ein Lied von einem Barden zu hören und los geht’s.


    Alle Lieder handeln von Abschied, von Schmerz, den die Liebe hinterlässt und von unheilbaren Wunden. Fest steht, dass Komponisten alles Sadisten sind. Sie beabsichtigen nichts anderes, dass sich arme Menschen die Pulsadern zu ihren Songs aufschneiden, vermutlich im Takt der Musik. Wahlweise kann man sich auch einen Stein um den Hals hängen und ins Meer stürzen.


    Ich versuchte mich an Lieder zu erinnern, die von einem Neuanfang und von wieder auferstandener Liebe handelten… nichts.


    Gar nichts.
    Kein einziges Lied.


    Ich Depp erreichte nur das Gegenteil. Alles was mir einfiel, machte die Sache noch schlimmer.


    Denn wenn es in den Liedern nicht um Trennung, Schmerz und verflossene Liebe ging, dann handelten sie davon, dass sie die Liebe ihres Lebens gefunden hatten und dass dies ihre glücklichste Beziehung war. Dass sie ohne diesen Menschen nicht mehr leben konnten.


    Fakt war also, ich gehörte zu den Menschen die nichts waren, die für nichts dankbar sein konnten, weil sie nichts hatten.


    Es gab einfach keine Lieder, wo es um einen Neuanfang ging, keine Ahnung aber vielleicht hatte meine Verfassung kein Lied verdient.


    Ich suchte mir eine neue Zerstreuung, wie man Rumgammeln in Adelskreisen fein umschreibt.


    Es wurde nicht besser, denn schlimmer geht immer.
    Sind Lieder quasi ein Schnitt mit dem Rasiermesser, dann ist Werbung vergleichbar mit einem Bauchschuss.


    Werbung, egal ob gerufen oder auf ein Plakat gezeichnet ist nichts für Getrennte, Alleinstehende oder Geschiedene, merkt Euch das bloß.


    Für sie existieren wir gar nicht, sie ignorieren uns.


    Der Kaffee ist noch aromatischer, wenn er ihn ans Bett bringt.
    Und Shampoo ist noch effektiver, wenn sie es einmassiert.
    Vom Essen ganz zu schweigen, nur Familien nehmen Nahrung auf.


    Was heißt das denn übersetzt?


    Ich darf keinen Kaffee trinken bis ich jemanden finde der ihn mit mir trinkt?
    Wo waren die guten alten Zeiten, wo es noch Menschen gab, die in rein hygienischer Absicht ihre Haare wuschen?


    Ein neuer Plan musste her aber ganz flott.


    Was ist begehrt? Das was man nicht haben kann. Angebot und Nachfrage.
    Was rar ist, ist selten und man will es haben. Was man jederzeit haben kann, immer zur Verfügung steht ist nichts wert. Wenn ich mich also rarmachen würde, könnte ich vielleicht interessant werden.


    Das ging nur über eine Schiene, ich brauchte eine Verabredung.
    Dringend!


    Das Schwierige an der Sache war, dass ich meinen Schutzschild runternehmen musste, den ich die ganze Beziehung über umhängt hatte.


    Mein Schutzschild hieß Vanessa Charlotte van Leutrimar.
    Es kam nicht oft vor, aber wenn mich mal eine Frau ansprach, oder einen Annäherungsversuch wagte, war mein Schutzschild das ich vergeben war und wehrte jede Annäherung ab. Sowas gab es bei mir nicht.
    Seitdem sie meine Gefährtin war, im Grunde vom ersten Augenblick an wo ich sie sah, waren alle anderen Frauen auf einen Schlag von dieser Welt verschwunden – es waren nur Neutrums geblieben.


    Jetzt wo ich zurück auf den Markt musste, musste ich wieder damit anfangen, Blicke und Gesten zu entziffern, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.


    Allein wollte ich nicht gehen, drum fragte ich Pavo ob er gewillt war mich einen Abend dabei zu begleiten. Er war es, und so stiefelten wir in einen Club.


    Es ist nicht ratsam, wenn man als „von und zu“ auf Frauenfang gehen will so einen Kerl wie Pavo mitzuschleppen.


    Er hatte komischerweise mehr Bewerberinnen als ein Straßenköter Flöhe, dass er nicht flambiert wurde als er sich eine Pfeife in den Mundwinkel schob und ihm seine Horde Anbeterinnen Feuer gaben war alles.


    Ich war bisschen neidisch, geb ich zu.


    Also machte ich es mir am Tresen gemütlich. Klar warum Aino gerne mit ihm rumzog, zum protzen - „guckt nur mein persönlicher Priester – in den Staub mit Euch wertloses Pack!!!“


    Ja gut, ich gönnte Pavo seinen Spaß, der sich nur aufs Tanzen beschränkte.


    „Du hast einen süßen Mund“, dieser Satz riss mich nicht nur aus meinen Gedanken, sondern löste in mir eine größere Panik aus, als es der Ausbruch des nächsten Großkriegs gekonnt hätte.


    Leider war meine Intelligenz in dem Moment schlagartig abgeschaltet.


    Ich versuche meinen Verteidigungsmechanismus in Gang zu setzen, den ich damals vor meiner Beziehung angewendet hatte in der Hoffnung auf eine gute vielleicht sogar schlagfertige Antwort.


    Mir fiel nichts ein.


    Mein einziger Gedanke war, dass ich die junge Frau die ganze Zeit wohl anstarrte als wäre ich schwachsinnig.


    Und aus meinem Mund der scheinbar die peinliche Situation verursacht hatte, kam kein einziger Ton. Ich befürchtete, wenn ich ihn jetzt noch aufmachte, würde die Situation noch peinlicher werden.


    Denn wenn Dir einer sagt Du hast einen Knackarsch oder heiße Stelzen, dann ist es auch nicht gerade ratsam, dass Objekt der Begierde zu bewegen – gut gesagt hat mir so etwas noch niemand.


    Zum Glück reichte mein Verstand noch aus um in Notfallsituation umzuschalten.
    Alarmstufe Rot!!!


    Bewaffnung ausgefallen, Verstand auf null, Verteidigung auf null, Pferd vor der Tür?
    Oh ja der Gaul ist noch da! Samt Pferd ergriff ich die Flucht in meine eigenen vier Wände und verfluchte Vanessa dafür, dass sie mich in so eine Situation gebracht hatte.


    Und am Ende wusste ich gar nicht mehr, was mir peinlicher war. Dass ich mich dermaßen lächerlich gemacht hatte, oder das diese fremde Frau einfach die Frechheit besessen hatte mich so plump anzumachen, ohne dass ich ihr den geringsten Anlass gegeben hatte.
    Einige Minuten nach mir erschien Pavo in meinem Quartier und schaute mich mit einer Mischung aus Tadel und Mitleid an.


    Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich ihn einfach stehen ließ, dass hatte ich nicht gewollt und erklärte meine Situation.


    „Es geht doch gar nicht darum, ob Du ihr einen Anlass gegeben hast mit Dir zu flirten. Sie fand Dich eben süß. Sieh es doch als Kompliment“, erklärte mir Pavo und drückte mich tröstend.
    „Ich habe überhaupt gar nichts gemacht, keine Andeutung noch sowas. Nichts was sie ermuntert hätte so einen Spruch loszulassen Pavo“, sagte ich verwirrt.


    „Wer hat Dir gesagt, dass Du ihr erst einen Anlass geben musst? Du hast ihr gefallen, bist offensichtlich noch zu haben, und sie hat es gewagt – kein Verbrechen. Du hast nichts anderes mit Vanessa getan“, erklärte er mir auf seine ruhige Art.
    „Ja stimmt, aber das war was anderes. Die Frau hätte mir doch wenigstens ein Zeichen geben könne, das sie sich für mich interessiert oder so. Stattdessen ist sie gleich mit der Tür ins Haus gefallen“, antwortete ich bedrückt.


    Pavo lachte. Wirklich er lachte!!!


    Aber ich konnte ihm nicht böse sein, da ich sofort sah, dass er es nicht böse meinte. Er drückte mich fest und knuffte mich ehe er mir antwortete.


    „Dave, sie hat Dir tausend Zeichen gegeben. Aber Du bist noch so in Deiner Rolle als Gefährte Deiner Süßen drin, dass Du überhaupt nicht mitbekommen hast, was um Dich herum passiert. Was Dich und Deine Treue wiederrum ehrt.


    Was hast Du denn erwartet hm?
    Rauchzeichen?
    Einen schriftlichen Bescheid?
    Einen Eilboten?


    Du musst langsam wieder Deine fünf Sinne trainieren, sonst wird das nichts. Und mal ganz ehrlich unter uns beiden ja?


    Willst Du überhaupt eine Frau?
    Oder willst Du lieber etwas warten?


    Wenn Du noch keine neue Liebe möchtest, tu Dir das nicht an. Zieh nicht mit Vanessa gleich um sie eifersüchtig zu machen.


    Das zieht nicht. Das zieht nur rein. Was glaubst Du wie Du Dich fühlst, wenn Du ihr erzählst Du hast wen abgeschleppt und die Frau wird kein Stück eifersüchtig, sondern lauscht Dir und freut sich für Dich mit? Freut sich ehrlich für Dich, weil sie doch von Deinem Plan nichts ahnt! Du würdest Dich beschissen fühlen, dreckig und verarscht – leider von Dir selber.


    Also willst Du eine neue Partnerin?
    Willst Du im Moment überhaupt eine Partnerin oder was willst Du Dave?
    Wenn wir einen Plan ausarbeiten wollen damit es Dir besser geht, muss ich schon wissen was Du wirklich willst“, erklärte Pavo mir freundlich.


    "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal mehr ob ich sie geliebt habe, oder dem Umstand jemanden zu haben. Ich weiß gar nichts mehr. Was sie sich geleistet hat, hätte nicht sein dürfen. Ich könnte sie nicht zurücknehmen. Ich bin nur nachtragend, weil sie mich betrogen hat. Hätte sie vorher mit mir gesprochen... ich hätte es vielleicht akzeptiert“, erklärte ich Pavo.


    „Dave, sowas akzeptiert man nicht. Entweder sie liebt Dich, oder einen anderen. Bei so einem Deal, hätte sie Dich nur aus Bequemlichkeit und Deines Geldes wegen behalten. Die Frau ist es nicht wert.


    Ich weiß leider nicht was ich Dir raten soll – aber vielleicht redest Du einfach mal offen und ehrlich mit ihr. Nicht für sie, für Dich Davy. Wenn Du Dich alleine nicht traust, bin ich dabei als neutraler Schlichter. Rede und klär das. Anders ist es nicht machbar.


    Nur eines sag ich von meiner Warte aus, hau nicht ab. Mach nicht die Biege. Das lasse ich nicht zu. Das würde mir wirklich leidtun, denn ich mag Dich sehr. Als meinen Kurzen und als meinen besten Kumpel. Und viele hab ich nicht. Ich gewähre Dir auch jederzeit Asyl und Schutz wenn etwas ist und ich denke Aino sieht es genauso", erklärte Pavo.


    "Du wärst der Letzte den ich je freiwillig verlassen würde", antwortete ich ihm.


    "Dito Großer. Zudem gibt es keinen Grund uns sitzen zu lassen, wenn Dich eine Frau sitzen ließ. Wir sind für Dich da, wir sind Deine Familie Davy. Was sagst Du?“, fragte Pavo mich freundlich.


    Was sagt man auf so eine Frage? Was sagt man zu so einem Angebot? Drum sagte ich ihm das was mir einfiel.


    „Danke“.