Eine eher spontane Abreise

  • "Los, den Absacker nehme ich noch mit.", sagte Blammo bestimmend und hämmerte zwei Münzen auf den Tresen. Der Barmann kam seiner Arbeit nach und kurzerhand hatte Blammo ein Pinnchen vor sich stehen. Er leerte es in einem Zug, griff nach seinem Dreispitz und schwang sich von dem wackeligen Hocker. Leicht angeschlagen verließ der Kapitän dann die kleine Kneipe. Eine lange Reise lag hinter ihm und seiner Mannschaft, da konnte man sich ruhig mal ein paar Tage Landgang gönnen. Das Schiff hingegen war schon wieder zur Abfahrt bereit und eigentlich wartete nur noch alles auf ihren Kapitän. Blammo wollte noch eine gemütliche Runde drehen und dann zu der Aasfresser zurückkehren. Meeresluft ist eben einfach besser.


    Hier und da warfen die Bewohner des Fischerdorfes dem Goblin abschätzende und misstrauische Blicke zu. Anscheinend kam es nicht oft vor, dass hier Fremde zu Besuch waren. "Was soll man hier auch wollen?", brummelte Blammo in sich hinein. "Schließlich ist das hier ein absolutes Kaff.". So zog der Goblin noch etwas umher, als ihm ein Botenreiter entgegen kam. Der Mann war offensichtlich in Eile und winkte schon aus der Ferne. "Hedort! Zur Seite!". Blammo machte einen Satz nach links und der Reiter preschte an ihm vorbei. Der Kapitän schaute dem Mann ein paar Augenblicke hinterher, schüttelte dann den Kopf und zog weiter seiner Wege. Da vorne, auf dem Marktplatz, schien noch etwas los zu sein. Einige Dorfbewohner standen um eine Person herum, die etwas vorzulesen schien. "Oh, hier kann sogar jemand lesen.", stellte Blammo grinsend fest und näherte sich der Gruppe. Natürlich konnte er aufgrund seiner geringen Körpergröße den Redner nicht sehen, auch auf den Zehenspitzen stehen half da nicht. Wenigstens konnte er den Kerl hören. Er faslte irgendwas von dem Botenreiter, der die Botschaft überbracht hatte, einem darin vorkommenen Verbrecher und einer Belohnung. "Das könnte interessant werden.", dachte sich Blammo und lauschte weiter. Sogar eine Beschreibung des Verbrechers hatte man mit auf diesen ominösen Zettel geschrieben und man solle doch Ausschau nach ihm halten. Natürlich seien Hinweise direkt an die örtliche Wache weiterzuleiten. "Komm zum Punkt.", rief Blammo in Gedanken und endlich wurde auf den gesuchten weiter eingegangen. Vor dem inneren Auge des Kapitäns fügte sich langsam ein ungefähres Bild zusammen. Das ging eine Zeit lang gut. Und zwar so lange, bis besagtes Bild mehr und mehr ihm zu gleichen schien. Blammos Augen weiteten sich. "Jetzt aber mal lieber weg von hier.".
    Vorsichtig und leise ging Blammo rückwärts von der Gruppe weg, niemand schien den Goblin überhaupt bemerkt zu haben. Schließlich drehte er sich um und wollte unauffällig in Richtung Aasfresser verschwinden. Seine Krähe war allerdings anderer Meinung. Blammo freute sich immer sie zu sehen, nur jetzt gerade war ihre Rückkehr aus einem nahegelegenen Baum eher unpassend. Laut krächzend kam der Vogel auf ihn zugeflogen und wollte auf Blammos Dreispitz platz nehmen. "PSSSSSST!!", zischte Blammo, doch die eher amateurhaften Versuche das Tier zum Schweigen zu bringen waren hinfällig. Jemand aus der Gruppe hatte sich anscheinend umgedreht und rief "Is' das nich der Kerl?!". Blammo seufzte und wandte sich langsam wieder der Gruppe zu. "Jah!", bestätigte ein anderer. "Das muss er sein!". Dann passierte einen Moment lang gar nichts. "Und...", begann der Goblin, "Wie gedenken wir nun mit dieser Situation umzugehen?". "Is' doch klar! Wir packen dich und kassieren die Belohnung ein! Konnte ja keiner Ahnen, was für ein Bursche hier unsere Gastfreundschaft ausnutzt!", rief der Redner und zeigte auf die Zahl unter dem Schreiben. Zwar konnte Blammo die Zahl selbst nicht richtig erkennen, aber das waren ihm deutlich zu wenig Nullen. "Für den Spottpreis wollt ihr euch wirklich mit mir anlegen?", fragte Blammo fast vorwurfsvoll. "Euer Ernst jetzt?! Außerdem...ich habe ein verdammtes Schiff voller Seeteufel in eurem Hafen. Die machen euch die Hölle heiß!". Die Gruppe wurde unruhig. "Ich sag euch was. Ich werde nun verschwinden und wenn ich wieder in euer Kaf....Dorf komme, dann lohnt sich der Ärger vielleicht sogar.". "Nichts da!", gab der Redner zurück. Anscheinend wollten sie es wirklich drauf ankommen lassen. Blammo fand es lächerlich das eigene Leben für diese geringe Summe wegzuwerfen, aber die Bewohner hörten anscheinend lieber auf ihren Redenschwinger als auf ihren Verstand. Noch während der Kerl seinen nächsten Satz begann wandte sich Blammo kopfschüttelnd zum Gehen. "Er will abhauen!". Der Goblin hörte schnelle Schritte hinter sich, die rasch näher kamen. Reflexartig wirbelte er herum, zog dabei sein Entermesser und lies den Spazierstock drohend kreisen. "Ihr wollt euch doch nicht verletzen, oder?". Mit solch schneller Reaktion hatten seine drei Verfolger nicht gerechnet und blieben abrupt stehen. Als Blammo an einem der Männer vorbeischaute konnte er erkennen, wie der Redner den Rest der Gruppe auf seine Verfolgung ansetzte. "Ganz toll...", brummte der Goblin und spie auf den Boden. Die drei Verfolger machten den Fehler und folgten den Blicken des Kapitäns. Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte Blammo und schlug mit seinem Spatzierstock nach den Beinen der Männer. Sie gingen zwar nicht alle zu Boden, aber immerhin würden sie ihn nicht so ohne weiteres verfolgen können. Dann gab Blammo Fersengeld. Die Krähe flog lauthals davon. "Sei DU bloß still!"


    Ildred lehnte sich an die Planke. Alles war vorbereitet, die Mannschaft komplett. Fast. Nur ihr Kapitän fehlte noch. "Wo er sich wohl wieder rumtreibt?", fragte sich die Norkara und ließ den Blick über das Dorf wandern. Da plötzlich...bog der Goblin um eine Hausecke. Er schlug mehrere Haken, sprang über eine kleine Mauer und rannte dann in Richtung Schiff. "Was zum...". Dann wurde ihr alles klar. Eine Gruppe Dorfbewohner erschien kurze Zeit später hinter ihrem Kapitän und sie kam auch noch rasch näher. Der Gruppe humpelten drei weitere Männer wild fluchend nach. "Wir legen ab!", donnerte die Stimme von Ildred über das Deck und Leben kam in die umstehenden Korsaren. Jetzt musste jeder Handgriff sitzen.


    "Was. Für. Ein. Dreck.", keuchte Blammo vor sich hin während er rannte. Das Schiff war nicht mehr weit und sie...legen ab?! Einen kurzen Moment keimte Panik in Blammo auf. "Die Saubande wird mich doch wohl nicht hier lassen?!". Blammo erreichte die Kaimauer und sprang auf den zusammengezimmerten Steg. Seine Verfolger mussten einen Umweg nehmen als Blammo im vorbeispurten mit seinem Säbel ein Seil kappte. Einige Fässer polterten umher und sorgten dafür, dass der Goblin seinen Vorsprung gut ausbauen konnte. Fast hatte er das Schiff und die heruntergelassene Leiter erreicht. Jemand warf einen Stein nach ihm. Dann noch einen. "Frechheit.", fand Blammo und machte eine beleidigende Geste nach hinten, wo seine Verfolger mittlerweile das Hindernis überwunden hatten.
    "Ahoi, Käptn!", rief Skop, der Handwerker, seinem Kapitän zur begrüßung zu und salutierte. "Hab da was vorbereitet...Kopf einziehen, könnte splitter geben!". Skop stemmte etwas auf die Planke und ein lautes KLACK war zu hören. Irgendetwas zischte und dann krachte es hinter Blammo, der gerade an die Leiter sprang. Sekunden später hatte der Goblin das Oberdeck erreicht und die Leiter des bereits ablegenden Schiffes wurde hinter ihm eingeholt. Keuchend stützte sich der Goblin auf seinen Spazierstock und wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Geschafft.
    Ein Blick zurück verriet ihm, was passiert war. Skop hatte anscheinend wieder eine neue Erfindung ausprobiert, eine Art...Armbrust? Das Geschoss hatte den Steg fast mittig zerteilt und einige Verfolger wurden wild fluchend von ihren Kameraden aus dem Wasser gezogen. Dankend nickte Blammo Skop zu, der sein Konstrukt wieder verstaute. Als einige seiner Crewmitglieder näher kamen um nach ihrem Kapitän zu sehen baute dieser sich vor ihnen auf. "Keine Sorge, mir geht es gut!", rief Blammo und hob die Hände. "Gut, dass wir aus dem Kaff weg sind. Die wollten sich am Ende doch tatsächlich mit uns anlegen?", fügte er hinzu und erzählte knapp, was gerade passiert war. Ein lautes Lachen erklang, als Blammo seinen Leuten die lächerliche Summe nannte, die als Belohnung für seine Ergreifung ausgeschrieben war.