Der Weg zum Chaos

  • Der Tiefling hatte beschlossen seinen heimatlichen Sumpf zu verlassen und dem Rat der Jäger zu folgen. Er wollte sich Rakshor und seinen Truppen anschließen. Dazu musste er nach Cara´Cor reisen.


    Einer Zeltstadt, so hatten es ihm die Jäger erklärt und ihm einen seltsamen Zettel ausgehändigt.


    Wie immer wenn er sich draußen befand und ihm etwas unklar wurde, war sein erster Blick rückversichernd hoch in den Himmel. Für andere Leute ausweglose Situationen hatten für ihn immer noch den Notausgang nach oben. Wurde ihm eine Situation zu mulmig, dann floh er in den Himmel.


    Die meisten Feinde konnten ihm dahin nicht folgen. Beschuss und fliegende Feinde konnte Aksoy in den Weiten des Himmels mit etwas Geschick abschütteln. Hier in der unteren Region des Himmels war es fast windstill, aber an den Zug der Wolken konnte er erkennen, dass es weit oben anders aussah. Dort schien ein schneller Wind zu wehen. Es war angenehm warm.


    Gut, er hatte bis jetzt nicht oft Grund gehabt zu fliehen und heute wollte er auch nicht vor irgendetwas davonfliegen, sondern er wollte zu seinem neuen Leben aufbrechen. Wenn er gleich vorher den Schwanz einkniff, gab es keinen Grund die Flügel zu entfalten, dachte sich Aksoy.


    Wie die meisten seiner Art zog er es vor in größerer Höhe gemütlich im Segelflug weite Strecken zurückzulegen, anstatt kräfteraubend im Ruderflug fliegen zu müssen. Er nutze lieber Aufwinde, als sich selbst abzumühen.


    Es war nicht so, dass er das nicht gekonnt hätte. Im Gegenteil er war fit, ein guter Flieger und beherrschte so manches Manöver am Himmel, aber er war bequem und er wollte sich seine Kräfte für die unbekannte Umgebung aufsparen.

    Generell mochte er keine Dinge die ihn unangenehm werden konnten. Weder im Flug, im Kampf noch im täglichen Leben. Solche Dinge umging er lieber. Nur gab es in seiner momentanen Situation keine Möglichkeit sich Unangenehmen zu entziehen. Sollte er solchen Situationen unterwegs begegnen, musste er sich ihnen stellen.


    Der große Tiefling rief sich ins Gedächtnis was die Jäger ihm erklärt hatten. Er hatte selbst schon Jäger durch die Sümpfe geführt, nun musste er sich auf deren Wort verlassen.


    Aksoy ging mit weit ausgebreiteten Flügeln in die Hocke und sprang dann mit einen gewaltigen Satz in die Luft. Der Tiefling schlug hart mit den Flügeln um schnell an Höhe zu gewinnen.


    Als er genug Höhe gewonnen hatte, nutzte er die Aufwinde des Himmels um in großen Kreisen weiter aufzusteigen. Während er gemächlich seine Bahnen zog, tastete er nach seinem Amulett. Dabei schaute er nach unten und beobachtete den Boden unter ihm.


    Noch kannte er die Landschaft.


    Der Tiefling folg weiter, so wie man ihm den Weg beschrieben hatte. Zu weit aufsteigen durfte er auch nicht. Er musste wenigstens etwas von der Landschaft unter ihm noch erkennen können. Nach einiger Zeit des Fluges veränderte sich die Landschaft unter ihm. Aksoy segelte gemütlich im Gleitflug und schlug nur mit den Flügeln wenn es nötig war um seine Kraft zu schonen, falls er auch noch in der Nacht fliegen musste.


    Langsam flog er wieder tiefer und auf die flache Landschaft hinaus, dabei hielt er Ausschau nach einem Artgenossen, nach Personen, Nahrung und auch eine geeigneten felsige Steilwand, wo er zur Not die Nacht verbringen konnte, falls er zu müde zum Fliegen wurde.


    Statt einer Felswand entdeckte Aksoy einen schwarzen Zaun. Zuerst konnte sich der junge Tiefling keinen Reim auf dieses Gebilde machen. Er flog noch tiefer und langsamer.


    Vor dem Zaun befand sich ein Lager in dem Düsterlinge lebten. Ihre Zelte waren mit Schlamm verdreckt, die Erde war zertrampelt dass sie fast seinem heimatlichem Sumpf glich und überall waren Schnüre gespannt auf denen Lumpen hingen. Wozu die gut sein sollten, wusste Aksoy nicht. Einige Kochstellen waren ebenfalls zu sehen und dem Tiefling knurrte der Magen.


    Das Lager wirkte eindeutig zu groß für die Anzahl an Düsterlingen. Er wollte gerade ansetzen sich einen Landeplatz unter den Düsterlingen zu suchen, als er ein Stück weiter Holz- und Schilfhütten von Tieflingen entdeckte. Er startete über den kleinen Kerlen durch und flog ein Stück weiter.


    Zwischen den Hütten und seinen Artgenossen suchte sich Aksoy einen geeigneten Platz zum Landen. Aksoy landete und faltete seine Flügel eng auf dem Rücken zusammen. Auch dieses Lager war kaum besetzt.


    Der Hüne schaute sich kurz im Lager um und schritt dann auf einen der Tieflinge zu.


    "Du da. Ich brauche Deine Hilfe. Wo schreibt man sich ein? Ich komme direkt aus der Heimat und die Jäger gaben mir dies hier. Aber die Lager scheinen fast verwaist zu sein", erklärte Aksoy mit seiner tiefen, rauen Stimme. Er zeigte sich wie immer friedlich.


    Der fremde Tiefling nahm den Zettel entgegen, musterte ihn und nickte knapp.
    "Aha und wer bist Du? Ich bin Kishori", stellte sich der fremde Tiefling vor.
    "Hallo Kishori, ich bin Aksoy", antwortete der Hüne.


    "Die Truppe ist schon losgezogen. Sie sind nach Dunkelbruch aufgebrochen um den Zwergen das Fell über die Ohren zu ziehen", grinste der Tiefling mit gebleckten Zähnen und reichte Aksoy den Zettel zurück.
    "Wo liegt Dunkelbruch?", hakte Aksoy nach.


    Der Kishori beschrieb Aksoy so gut er konnte den Weg nach Dunkelbruch.


    "Aber Du wirst vorher schon aus der Luft die Truppe erkennen. Dort meldest Du Dich bei Tarrik Tarkan, so steht es auf dem Zettel geschrieben. Bei ihm schreibst Du Dich ein", erklärte Kishori.
    "Danke", sagte Aksoy und nickte dem anderen Tiefling knapp zu.


    Er trat einige Schritte beiseite, faltete seine Schwingen auseinander und brach erneut auf.


    Ein Stück der Strecke kam ihm nun vertraut vor. Dies hätte er sich gut sparen können. Nun hinterher wusste man immer mehr, pflegte seine Mutter zu sagen.


    Aber Kishori sollte Recht behalten. Aksoy hatte zwar erneut einen seiner Meinung nach weiten Weg zu fliegen, aber die Truppe des Rakshor sah man schon von weitem.


    Aasgeier kreisten über dem Trupp und versprachen sich leichte Beute. Nun warum auch nicht? Wild floh kopflos vor der gewaltigen Armee und schien sich zu Tode zu stürzen und über die eigenen Beine zu fallen.


    Eine kurze Rast konnte nicht schaden. Aksoy pflückte eines der verletzten Tiere vom Boden. Er packte es um den Hals und flog ruckartig auf, um sein Opfer so zu strangulieren. Er wartete in der Luft bis seine Beute aufgehört hatte zu zappeln. Er gab ihr noch einen Moment, da er sicher sein wollte das sie tot war und landete.


    Der Tiefling packte mit eine Hand die Hinterbeine der Tiers, hielt es hoch und riss ihm mit seinen messerscharfe Krallen der anderen Hand die Bauchdecke auf. Vorsichtig räumte er die Innereien seiner Beute aus, damit ihr Fleisch nicht verdarb. Herz, Lunge, Leber und Milz fraß er direkt auf, den Rest schmiss er achtlos auf den Boden.


    Als sein Essen auf die Art für sich gesäubert hatte, riss er ihr das Fell von ihrem Körper, so dass es wie ein Lappen um den Kopf seiner Beute herab hing. Gut gelaunt begann Aksoy das Fleisch von dem Tier abzufressen.


    Nach seiner Mahlzeit machte sich der Tiefling sofort erneut auf den Weg. Aksoy flog tiefer und konnte schon bald Lachen hören. Allerdings schien es von den seltsamen Reittieren zu kommen. Der große Tiefling landete und wäre dabei fast auf einen Ghul getreten der durch das Steppengras schlich. Mit einem kurzen Flügelschlag konnte Aksoy gerade noch verhindern auf die Kreatur zu treten.


    Der Tiefling ging auf einige am Rand marschierende Orks zu und fragte nach Tarkan und zeigte ihm den Zettel.


    Der Mann erklärte ihm, dass Tarkan weiter vorne zu finden war. Da die Marschformation eher locker gehalten war, konnte sich der große Tiefling den anderen anschließen. Er machte sich daran sich nach vorne zu arbeiten und sich nach Tarkan durchzufragen.

  • Aksoy musste sehr lange warten. Als Organisator der Offensive hatte Tarkan alle Hände voll zu tun. Um den Tiefling herum wimmelte das Lagerleben und -sterben, was in einem Krieg nun einmal unvermeidlich war. Die Kämpfer wurden mehrmals am Tag ausgewechselt, sie kämpften in Schichten, so dass zwar nicht übermäßig viele, dafür aber stets hundertprozentig ausgerute Krieger mit perfekt gewarteter Ausrüstung an vorderster Front standen.


    Ein Ghul schnupperte am Genick des Neulings, ließ jedoch enttäuscht von ihm ab, als er feststellte, dass es sich bei ihm nicht um einen Vampir handelte, sondern um einen gewöhnlichen Sterblichen. Ansonsten kümmerte man sich wenig um ihn, da kaum jemand zu irgendetwas Zeit hatte und andere Dinge wichtiger waren. Achtlos trampelte man an ihm vorbei, raunzte ihn höchstens einmal an, weil er im Weg rumstand und nichts Nützliches tat.


    Endlich kam ein Trupp von Rakshanern, die in Zebrafelle gewandet waren und darüber die seltenen Eisenrüstungen trugen und hielt vor ihm. Tarkan selbst erkannte man an dem Leopardenschädel auf dem Haupt, dessen geflecktes Fell wie ein Umhang hinter seinem Rücken flatterte und den zahlreichen langen Geierfedern im Haar. Sein Gesicht war wie bei allen Rakshanern verhüllt, in seinem Falle mit einem grauen Tuch. Seine ganze Erscheinung war staubig, voller Blutspritzer und er stank wie der Rest seiner Truppe heute zum Himmel. Man sah ihm an, dass er wenig davon hielt, die Schlacht nur aus sicherer Entfernung zu dirigieren.


    "Neuer Rekrut?", fragte er knapp.

  • Dem großen Tiefling machte warten nichts aus. Manchmal hatte er tagelang nichts anderes getan als zu warten. Gut andere würden vermutlich dazu faulenzen sagen, aber hier war es schließlich nicht anders. Neugierig beobachtete er die Leute die ihn umgaben.


    Krieger kamen und gingen, ein Ghul kam ihm nahe und schnupperte an ihm. Scheinbar war er nicht dass, was immer der Ghul sich erhofft hatte, denn das Wesen zog wieder seiner Wege.


    Wenn ihn einer anranzte, weil er im Weg stand, schaltete Aksoy wie immer auf stur. Er stand schon vorher da, und so groß war der Umweg um ihn herum nun auch nicht.


    Falls doch oder jemand frech werden sollte, konnte er immer noch die Flügel öffnen, wenn die Person "ungünstig" stand. Aber so etwas hob er sich nur für den Notfall auf. Einen Notfall sah Aksoy hier weit und breit nicht, nur Chaos - aber das musste man auch beim Chaos vorfinden. Wohl geordnete Reihen wären verstörender gewesen.


    Als dann eine Gruppe von Rakshanern in Zebrafellen erschien, musterte Aksoy die kleinen Menschen genauer. Sie trugen Rüstungen aus Eisen, was bedeutete dass sie wichtige Personen waren. Die Menschen die er kannte, trugen solche Rüstungen nicht.


    Der Anführer von ihnen, vermutlich genau jene Person die er gesucht hatte, war mit Federn und einem Schädel geschmückt. Passend dazu trug er das Blut seiner Feinde.


    Der große Tiefling beugte sich ein Stück herunter und faltete die Flügel eng auf dem Rücken zusammen.


    "Ich habe Euch gesucht, ich wollte mich Euch anschließen", sagte er freundlich.


    Aksoy ließ bewusst jede Anrede weg, weil er davon keine Ahnung hatte. Was immer er sagte und vielleicht höflich meinte, könnte der Mensch als Beleidigung auffassen. Er war nicht gerade gut darin die passenden Worte zu wählen. Seine Stärken lagen woanders.

  • Tarkan blickte ihn streng an und musterte ihn innerhalb eines Augenblickes von Kopf bis Fuß. Tieflinge meinten es fast immer ehrlich mit ihren Rekrutierungsgesuchen, da sie woanders kaum unterkamen. Es war sehr selten, dass sie jemand auf der Seite des Feindes dafür bezahlte, die Rakshaner auszuspionieren und wenn, dann gab es ohnehin abgesehen vom Wissen über die geplanten Taktiken, das sicher in den Köpfen der Anführer verwahrt war, nichts, dass irgendeiner Geheimhaltung bedurfte, das nicht ohnehin auch von außen ersichtlich war. Die Rakshaner verfügten über keine Wunderwaffen oder dergleichen. Die Position der Hauptstreitmacht war ohnehin bekannt, von einzelnen Abteilungen, die andere Aufgaben wahrzunehmen hatten, abgesehen. Der Bursche vor ihm sah kräftig und gesund aus und Tarkan konnte jeden Mann gebrauchen.


    "Was ist das Chaos?", fragte er, um sich auch über dessen Geist ein Bild zu machen. Einen Ghul, der stehenblieb und neugierig Witterung aufnahm, verjagte er mit einem stechenden Blick. In ihren modernden Gehirnen verstanden sie es nicht einmal, dass nur Alben und Menschen zu Vampiren werden konnten und sie hier vergebens auf einen Leckerbissen hofften. Wenn sie sich erst einige Tage an der Front den Wanst vollgeschlagen und ihre Hirne regeneriert hatten, würden sie weniger aufdringlich und vor allem weniger dumm sein. Vielleicht würden sie dann auch aufhören, auf allen vieren zu gehen. Mit dem Gedanken, dass einer von denen für Südrakshanistans Streitmacht verantwortlich war, konnte Tarkan sich immer noch nicht so richtig anfreunden.

  • Der Tiefling hörte seinem hoffentlich zukünftigen Herrn aufmerksam zu, auch wenn dieser nicht viel sagte, sprach sein Blick Bände.


    Der Anführer fragte ihn schlicht und ergreifend was Chaos ist.

    Aksoy wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ein Ghul stehenblieb und erneut nach im schnupperte. Das war schon der zweite heute! So langsam wurde ihm die Sache unheimlich, der Tiefling krallte seine Fußkrallen fester in den Boden und hob unbewusst abwehrend seinen Schweif um den Ghul zur Not wegzuschubsen.

    Konnten sich die Kerle irgendwie lautlos verständigen?

    Er war schließlich nicht absichtlich fast auf den verwesenden Kollegen von ihnen gelatscht bei der Landung. Der Bursche war auf allen vieren durchs Gras gekrochen!


    Wie sollte er ihn da sehen? Gut, wenn man bei der Landung hinguckte, wo man landete – aber das hatte er nun mal für einige Sekunden vor Aufregung vergessen und er hatte den Burschen ja nicht getroffen. Warum sie sonst schnupperten, entzog sich seinem Verständnis. Weder roch er faulig wie sie selbst, noch roch er irgendwie anziehend und wie leichte Beute sah er nicht aus. Das hoffte Aksoy jedenfalls inständig.

    Der Tiefling konzentrierte sich wieder auf das hier und jetzt. Er wusste nicht, welche Antwort der Rakshaner vor ihm erwartete.

    Eine religiöse?
    Eine erklärende?

    „Chaos ist das Fehlen von Ordnung. Ordnung bedeuten Regeln und Regeln sind Ketten. Chaos bedeutet Freiheit, denn es zählt nur der Augenblick und das eine Leben von dem wir wissen.


    Oder wollt Ihr eine religiöse Antwort hören? Da weiß ich glaube ich keine“, gestand Aksoy Tarkan ein und zuckte mit seinen gewaltigen Schultern.

  • "Nein, das reicht. Was kannst du? Was für Aufgaben stellst du dir vor? Hast du Kampferfahrung?"


    Als er die abwehrende Körperhaltung des Neulings bemerkte, als der Ghul an ihm schnupperte, fühlte Tarkan sich zu einer kurzen Erklärung genötigt. Ihm war bekannt, dass diese Daseinsform an so ziemlich allen anderen Orten Asamuras keineswegs alltäglich war.


    "Die Ghule sind ausgehungert, da wir lange nicht im Kampf waren und die Nahrung im Feldlager für sie knapp ist. Viele Rakshaner ziehen zwar eine Bestattung im Magen eines Ghuls dem langsamen Verwesen vor, aber nicht alle und die anderen Rassen noch weniger. Du riechst fremd, hast noch nicht den typischen Geruch unserer Streitmacht angenommen. Darum hoffen sie, dass sie ein wenig an dir knabbern können, ohne dass dein Verschwinden jemanden stört. Wenn sie augehungert sind, erschaffen sie sich notfalls die Leichen, die sie brauchen, selbst. Ich lasse dir nach unserem Gespräch Kleidung, gegebenenfalls auch Waffen und Rüstung aus unseren Beständen geben, damit sollte sich das Problem erledigen. Bis dahin ignoriere die Ghule einfach oder verpasse ihnen notfalls ein paar Tritte. Ein gebrochener Kiefer schadet ihnen nicht, sie können sich regenerieren."

  • Aksoy war froh, dass er nicht einen religiösen Monolog halten musste. Er war besser darin Chaos zu verbreiten, als es groß und breit zu erläutern. Aber das konnte der Mann vor ihm nicht wissen, und Tollpatschigkeit als besondere Fähigkeit wollte der große Tiefling lieber auch nicht angeben.


    Dann musste er vermutlich direkt wieder den Abflug machen und die Schande wollte er nicht über sich ergehen lassen, oder über seine Mutter.


    Kampferfahrung hatte er keine, es sei denn man sah von der einen oder anderen Rauferei ab. Dafür war er bereit jede Aufgabe zu leisten. Er dachte gerade nach, wie er das höflich formulieren konnte, als ihm der Mann vor ihm erklärte warum die Ghule so aufdringlich waren.


    Aksoy starrte Tarkan total perplex an und nickte dann langsam.


    "Ehm, ja Danke. Mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet.
    Ich meine was die Ghule angeht.


    Was ich kann? Eigentlich nichts besonders, wisst Ihr? Ich habe mein Leben in den Sümpfen verbracht und für mein Futter gejagt. Kampferfahrung habe ich keine. Es sei denn Ihr zählt eine Rauferei dazu. Aber ich kann es lernen, garantiert. Haben die anderen Tiefling hier doch auch, nicht wahr?


    Ich bin bereit jede Aufgabe zu erledigen, die Ihr mir übertragt. Und wenn etwas im Flug erledigt werden muss, kann ich das gerne für Euch tun. Das ist kein Problem, ich bin ein guter Flieger, das kann ich Euch versichern.


    Eine Frage zurück an Euch. Wie soll ich Euch ansprechen? Habt Ihr einen Titel oder einen Wunsch? Es klingt komisch, immer drum herum zu reden", antwortete Aksoy ehrlich wie freundlich.


    "Wegen Eurer Ghule, fressen sie nur Personen? Ich sah totes und verendendes Wild. Vielleicht sollten sich die Ghule daran zu schaffen machen", schlug der große Tiefling vor.

  • "Tarrik Tarkan", antwortete er. "Lass dich nicht davon verunsichern, wenn manche mit als Rakshamanen bezeichnen, das bin ich nicht. Zentralrakshanistan hat keinen. Bis es so weit ist, kümmere ich mich um alles. Ach ja, und weil es mir auffiel: Der Majestätsplural ist nicht erforderlich. Das ist eine ätzende Angewohnheit, die von den Westlern abgeschaut und hierher geschleppt wurde. In Rakshanistan ist jeder nur einer, auch ich. Ein Du samt Titel reicht vollkommen aus."


    Er überlegte kurz, welche Aufgabe er dem neuen Tiefling erteilen sollte. Er war unerfahren, doch Erfahrung erlangte man nicht, indem man in Watte gepackt wurde. Er sah robust aus, ein Schubs ins kalte Wasser wäre in seine Fall einen Versuch wert. Also sprach Tarkan:


    "Wir hatten große Verluste bei den Flugeinheiten. Nicht durch den Feind, sondern wegen einer Seuche. Die Seuche ist im Griff, aber die Lufttruppen sind ziemlich löchrig. Wir haben unsere wichtigsten Anführer verloren und die fliegenden Krieger sind untereinander verstritten, weil sie sich gegenseitig die Schuld für die Ansteckung in die Schuhe schieben. Dich kennen sie nicht und du warst bei der Seuche nicht dabei. Wenn du es dir zutraust, beauftrage ich dich damit, die überlebenden Tieflinge zu einer schlagkräftigen Truppe zu vereinen. Geh zu ihnen und mach dir ein Bild von der Lage, rede mit ihnen, motiviere sie. Wenn es dir gelingt, sie alle in geschlossener Formation vor mein Zelt zu bringen, habe ich einen wichtigen Auftrag für dich. Gelingt es dir nicht, kommst du vielleicht als Küchengehilfe unter bei den Versorgungstruppen."

  • Aksoy konzentrierte sich so gut er konnte auf das was sein Boss von sich gab.


    `Er ist kein Schamane, noch nicht, alles klar. Aber was bedeutet das?
    Dass er kein Heiler ist und niemanden mit Medizin helfen kann?
    Oder noch nicht?


    Ist er noch in Ausbildung und macht das nur bis ein Schamane vor Ort ist?
    Ganz Zentralrakshanistan hat keinen Schamanen?
    Gefährliche Sache. Wer kümmert sich denn um die Kranken?


    Er... das hat er ja gerade gesagt. Besser aufpassen.
    Solange es noch nicht soweit ist, kümmert er sich darum. Sehr gut. Ein weiser Boss, wenn er keine Heiler hat, macht er den Job selbst. Er muss ganz schön klug sein, wenn er das mal so eben aus dem Ärmel schüttelt´, dachte der große Tiefling beeindruckt und nickte freundlich als Tarkan fortfuhr.


    `Hier ist jeder nur einer, ein Du reicht völlig aus? Hatte ihm sein Boss damit das Du angeboten? Was eine große Ehre!´, freute sich Aksoy.


    "Dankeschön Tarrik", antwortete der riesige Tiefling freundlich darauf.


    Was das mit dem Majestäts-Ding auf sich hatte und warum der Westen es hergebracht haben sollte, kapierte Aksoy nicht. Es reichte, wenn er wusste, sowas gehörte nicht hierher.


    Er beschloss, falls er so ein Majestäts-Dings sehen sollte, würde er es niederschlagen und seinem Boss vor die Füße legen. Dass würde ihn sicher freuen. Denn er sprach sehr angewidert von dem Plural-Ding.


    Vermutlich war es gefährlich und vielleicht sogar die Seuche schuld, schlussfolgerte Aksoy.


    "Tarrik, Boss - ich werde mein Bestes geben um die Flieger wieder zu vereinen. Darf ich erwähnen, dass ich wenn ich die Flieger nicht vereinen kann in die Küche muss? Ich könnte etwas zur Probe zusammenkochen. Glaub mir, wenn sie meinen Fraß fressen mussten, vertragen die sich ganz flux", grinste der Tiefling.

  • Der Tiefling glotzte ihn freundlich an, sah aber indess nicht so aus, als ob er etwas verstanden hätte. Er kam vermutlich aus dem hintersten Kaff von Weitfortistan und wusste so ziemlich gar nichts von Politik, fühlte sich aber, wie die meisten Tieflinge, instinktiv vom Chaos angezogen.


    Kurzerhand packte Tarkan einen seiner Zebras am Kragen und schob ihn nach vorn zum Tiefling. Auch wenn das Gesicht des Mannes verdeckt war, sah man an seinen Augen, dass er breit grinste.


    "Crize, du wirst unseren Neuling begleiten. Helfen darfst du ihm nicht, aber jedwede Frage breit und ausführlich beantworten." Dann wandte Tarkan sich wieder Aksoy zu.


    "Ob du ihnen mit almanischem Eintopf drohst oder sonstwomit ist mir gleich. Wir sehen uns später. Bei Unklarheiten wende dich vertrauensvoll an Crize." Damit eilten Tarkan und seine Zebras davon, mit Ausnahme des Mannes, der zwischen Zehen und Fersen hin- und herwippte. Auf dem Rücken trug er einen nicht gespannten Reiterbogen, der sich wie ein C in die falsche Richtung krümmte und dazu einen Köcher voller schwarz-weiß-gefiederter Pfeile. Am Gürtel hatte er einige frische, noch blutige Skalps.

  • Aksoy schaute auf den kleinen Menschen vor ihm herab, der breit grinsend auf seinen Füßen hin- und her wippte. Menschen hatten manchmal wirklich ein seltsames Verhalten. Das Gewippe machte ihn ganz konfus. Aksoy schüttelte seinen riesigen Schädel.


    Gut niemand zwang ihn Augenkontakt mit dem Menschen zu halten. Was vermutlich auch besser war, ansonsten bekam er vermutlich noch stehender Weise am Boden einen Drehwurm!


    Kurzerhand hielt er den kleinen Menschen an der Schulter fest und schüttelte erneut ganz langsam den Kopf.


    „Lass das bitte, dass macht einen ja ganz nervös“, sagte der Tiefling.


    „Gut zum Plan. Du darfst mir nicht helfen, aber mir alle Fragen beantworten, so sagte es der Boss. Dann verrate mir als erstes Crize, wo ich überhaupt die Flieger finden kann. Und bitte nicht einfach nach oben zeigen“, grinste Aksoy.


    Er musterte die Skalps von dem Menschen.


    „Woher hast Du die? Die sehen ziemlich frisch aus. Wärst Du bereit mir einen abzugeben? Ich hatte heute noch nicht viel zu essen. Bei nächster Gelegenheit teile ich auch mit Dir, versprochen. Spätestens dann, wenn ich völlig versagt habe und in der Küche arbeite.


    Was nicht vorkommen wird, denn sobald ich in der Küche bin, werden sie mich bestimmt wieder zu den Fliegern beordern. Es klingt zwar lustig, aber ich kann überhaupt nicht kochen. Du etwa? Weißt Du wie wir das Zuhause machen? Wir schlagen was tot, reißen ihm den Bauch auf und werfen den Kadaver ins Feuer. Man wartet kurz – fertig. Eigentlich ganz einfach, aber manchmal auch recht fade“, erklärte der Tiefling seine Kochkunst.


    „Was machst Du so außer Tarrik im Kampf zu begleiten? Hier ist ziemlich viel Trubel. Vorhin hätte ich fast einen Ghul plattgetreten. Dieser verrückte Kerl ist durchs Gras gekrochen, als ich landen wollte. Wer kriecht denn durchs Gras??? Gut dieser Ghul, aber normal war der nicht – das sage ich Dir. Lass uns zu den Fliegern gehen, je ehr wir da sind umso besser“, sagte Aksoy freundlich.

  • Crize erstarrte mitten in der Bewegung, so dass er nun auf den Fersen stand, während der Tiefling mit ihm redete. Er glotzte den Hünen unverwandt an. Als Aksoy was von seinen frischen Skalpen abhaben wollte, reichte er ihm ohne zu zögern einen.


    "Die sind für meine Frau! Zwergenhaare, wir kommen gerade von der Front. Sie will sich unbedingt eine blonde Perücke machen! Den hier kannst du haben, der ist zu dunkel. Hat auch noch ein paar feine Fleischklümpchen dran. Lass es dir schmecken!"


    Er führte Aksoy durch das Lager, um ihn zu den Fliegern zu bringen. Nebenbei plauderten sie weiter. "Ich bin Hyänenreiter, Leibgarde vom ollen Tarkan. Manchmal als Bogenschütze, damit mir nicht langweilig wird, aber eigentlich bin ich Nekromant. Ich erzeuge Untote und dann lasse ich sie wieder frei. Ich bin also einer von denen, die Schuld an den ganzen Ghulen hier haben. Sind sie nicht allerliebst?" Fast verliebt betrachtete er die Kreaturen. "Sie kriechen auf allen Vieren, wenn sie hungrig sind. Ihre Gehirne fangen dann an zu vermodern, sie werden dumm und tierisch, verlernen irgendwann auch das Sprechen. Die armen Kleinen." Er tätschelte im Vorbeigehen einem Ghul den Kopf, der ihn dafür nur verständnislos anglotzte.


    "Soooo, mein Lieber, da wären wir!" Crize zeigte auf eine Ansammlung von Tieflingen, die in mehreren Grüppchen herumlungerten und ausgesprochen unfreundliche Blicke tauschten. Sie trugen leichte rakshanische Rüstungen aus Leder und Knochen. Einige von ihnen waren verwundet und mit schmutzigen Verbänden aus zerrissenen Feindeskleidern versehen. Rakshaner waren nicht dafür bekannt, eine besonders gute medizinische Versorgung zu haben. Wer starb, wurde eben zum Ghul oder zu Ghulfutter.

  • Aksoy schritt neben Cirze her und hörte dem Mann aufmerksam zu. Er machte einen sehr freundlichen und angenehmen Eindruck. Ganz anders, als er es sonst von Menschen gewöhnt war. Und geizig war Cirze ebenfalls nicht, als Aksoy ihn um ein Beutestück bat, händige er ihm ohne weiteres eines aus. Der Tiefling grinste den Rakshaner gut gelaunt an und lies sich sein Geschenk schmecken.


    "Warum will Deine Frau denn wie ein Zwerg aussehen? Was ist denn an blonden Haaren so schön?", fragte der Tiefling schmatzend.


    Aksoy hörte dem Mann aufmerksam zu, der zig Berufe auf einmal auszuüben schien. Der Tiefling kam sich dabei ziemlich klein trotz seiner Größe vor, denn er beherrschte keinen einzigen Beruf. Aber er hoffte, dass würde sich bald ändern.


    "Hyänenreiter? Alles was ich reite ist der Wind, dass reicht aus um gut voran zu kommen. Aber das Bogenschießen, dass stelle ich mir interessant vor. Damit kannst Du jede Beute erlegen. Könntest Du fliegen Cirze wärst Du sogar noch besser darin, weil sich dann niemand vor Dir verstecken könnte. Wobei bei der Landschaft hier, wird es eh schwer, sich zu verstecken. Das dürfte dann wohl unser Vorteil sein.


    "Du erzeugst Untote?", fragte Aksoy ungläubig und zuckte mit den Flügeln. Eine Art Schulterzucken unter Tieflingen.


    "Wie erzeugt man denn Untote? Gut ich vermute zuerst macht man aus einem Lebenden einen Toten. Bis dato könnte ich sogar noch mitmachen. Aber wie macht man aus dem Toten einen Untoten? Dann sind die Ghule hier überall Deine Schöpfung? Tja wenn sie dumm werden, wenn sie hungern solltest Du sie vielleicht füttern - wie wäre es mit Zwergen?", scherzte Aksoy.


    "Ich wäre vorhin fast auf einen Deiner kleinen Lieblinge getreten, es war keine Absicht", entschuldigte sich der große Tiefling.


    Die Zeit verging wie im Flug durch ihren netten Plausch und schon standen sie vor den anderen Tieflingen. Die einen lungerten herum, andere waren verletzt und die meisten schienen einen Groll auf ihre Artgenossen zu haben.


    Aksoy ging zu der Gruppe hin und musterte sie einzeln. Nun er musste es versuchen und am besten gelang so etwas mit der Wahrheit. Wenn nicht hatte er wenigstens sein Bestes gegeben in seinem ersten, echten Job.


    Der Hüne räusperte sich und schaute die Gruppe der Flieger an.


    "Tarrik Tarkan schickt mich Leute. Er sagt Ihr seid zerstritten, aber ohne die Flieger ist seine Streitmacht nicht die gleiche. Aus dem Grund bat er mich Euch wieder zu vereinigen. Was ich hiermit versuche, von Tiefling zu Tiefling. Wir haben nichts davon, wenn wir uns gegenseitig bekämpfen oder? Gemeinsam als Gruppe sind wir schlagkräftiger und werden wesentlich mehr Beute erlegen.


    Ihr fragt Euch vielleicht wer ich bin, dass ich Euch das erzähle und mit welchem Recht ich vor Euch spreche. Dass ist ganz einfach - ich bin Eurer schlimmster Alptraum. Und das meine ich tatsächlich und wortwörtlich.


    Denn wenn Ihr nicht auf meine Worte hört und Euch unter meinem Namen wieder vereint als Truppe, dann werde ich der Küche zugeteilt. Das heißt, ihr - jeder einzelne von Euch - wird das fressen müssen was ICH koche. Und glaubt mir, dass ist ein Alptraum. Es ist Eure Wahl, Fleisch erbeuten auf einer guten Jagd oder den Fraß runter würgen den ich zusammenkoche", erklärte Aksoy freundlich und wartete die Entscheidung der Tieflinge ab.

  • "Warum meine Frau eine blonde Perücke haben will?", fragte Crize. "Keine Ahnung! Versteh einer die Weiber! Von mir hat sie den Floh jedenfalls nicht ins Ohr gesetzt bekommen!"

    Als Aksoy sich nach den Ghulen erkundigte, traf er bei Crize genau ins Schwarze und stieg auf seiner Beliebtheitsskala auf einen der vordersten Plätze. Crize blieb sofort stehen, um in aller Ausführlichkeit von seinen Lieblingen erzählen zu können. "Untote erschafft man über ein Beschwörungsritual. Im Prinzip ist Nekromantie eine besondere Spielart der Geistmagie, bei welcher der Geist über die Grenzen des Todes hinaus kontrolliert wird. Man zwingt ihn in den Körper zurück und nagelt ihn gewaltsam daran fest! Will man keinen Sklaven, sondern einen Ghul, löst man anschließend das Band zwischen Ghul und Magier und schon ist der Untote frei. Wenn ihr auf einen Ghul tretet, macht das nichts, die heilen wieder. Dann essen sie eben einen Happen mehr."


    Seine Augen glitzerten, als er so lange am Stück über seine Schätzchen sprechen konnte, ohne dass der Zuhörer ihm irgendwann genervt ins Wort fiel oder so tat, als hätte er es plötzlich eilig. Allerdings wäre es auch unklug gewesen von Aksoy, es sich mit Crize zu verscherzen. Und Crize nutzte diesen Umstand schamlos aus.


    "Seht nur, wie süß sie tippeln", schmachtete er, als zwei abgemagerte Ghule, deren graue, gerade vollgefressene Bäuche, an denen die Adern hervortraten, sie wirken ließ, als seien sie hochschwanger, auf allen vieren an ihnen vorbeikrochen. Bei einem stülpte sich der Bauchnabel nach außen, derart viel hatte er verschlungen. Crize verlor schlagartig das Interesse an Aksoy und führte die beiden Ghule zu einem Wagen, unter den sie sich für ein Verdauungsschläfchen legen konnten, damit ihre Bauchdecke nicht riss und so wurde seine Litanei glücklicher Weise unterbrochen. "Wo waren wir?" Er kratzte sich den grauen Turban. "Ach ja. Die Tieflinge." Endlich brachte er Aksoy den restlichen Weg zu ihnen.


    Er beobachtete Aksoy bei seinem nun folgenden Versuch, die Tieflinge zu motivieren. Er tat dies auf eine gar nicht dumme Weise durch eine kleine Rede mit einer Pointe, die den schmalen Grad zwischen Humor und Ernsthaftigkeit meisterte.


    Die Tieflinge lachten und klatschten Beifall.
    "Schlimmer als jetzt kann es wohl kaum werden", meinte einer. "Also warum nicht?"
    "Hast du Krätze?", fragte ein anderer und schnupperte in der Luft.
    Nicht alle wirkten begeistert, aber es äußerte auch niemand ein offensichtliches Nein.


    "Nun, das ist wohl ein Ja", schlussfolgerte Crize. "Jetzt musst du sie nur noch dazu bringen, bei Tarkan vorzumarschieren! Wenn ich einen Tipp geben darf: Am besten in irgendeiner eindrucksvollen Formation. Immer abwechselnd mit heller Haut und dunkler Haut, wie ein Schachbrett! Oder gestreift mit kurzen und langen Haaren, also die Reihen immer abwechselnd damit. Wie eine Ringelsocke. Oder mit und ohne Hörner schräg versetzt. Äh ..." Er blickte sich suchend um. Irgendwo greinte ein hungriger Ghul und lenkte ihn ab.

  • Aksoy hörte Crize aufmerksam zu.


    „Vielleicht hinterfragt man es besser gar nicht. Eine Frau ist natürlich etwas ganz anderes als eine Mutter, aber auch Mütter haben Wünsche wo man sich fragt, wozu die gut sein sollen. Verstehen muss man sie nicht, nur erfüllen“, lachte der Tiefling.


    „Kann denn jeder Nekromantie erlernen? Einen Geist zurück in den toten Körper zwingen und ihn daran festnageln, klingt nach sehr mächtiger Magie. Was ist wenn der Geist sich versehentlich wieder löst, wie eine schlecht genähte Naht? Kann das auch passieren?


    Wenn Du dieses Band nicht lösen würdest, dann wäre der Ghul kein Ghul, sondern Dein Sklave? Was macht er dann? Oder was macht er nicht, was Deine Ghule können?


    Das beruhigt mich, dass ich den Ghul nicht verletzt habe. Ich meine wir stehen immerhin auf derselben Seite, da sollte man schon besser hinschauen. Ich hatte nur nicht mit dem Kerlchen da gerechnet. Aber das ist wohl der Trick an der Sache oder? Niemand rechnet im Gras mit ihnen. Wenn ein Zwerg durchs Gras schleicht, war es wohl das für ihn“, grinste der Tiefling.


    „Die Ghule müssen besser teilen. Die einen sind zu vollgefressen und die anderen hungern. Kannst Du ihnen nicht sagen, dass sie ihr Futter etwas vernünftiger teilen sollen?


    Ich meine es nützt doch keinem was, wenn die Ghule platzen wie reife Melonen, während die anderen vom Fleisch fallen. Essen sie auch Tierfleisch? Auf dem Weg hierher habe ich genug verendete Tiere gesehen. Ich selbst hab ein verletztes gerissen und mir schmecken lassen. Ich weiß ja nicht, was Ghule als Nahrung bevorzugen“, warf Aksoy ein.


    Als er vor den Tieflingen stand, sie sich sogar seine Rede anhörten und ihm mehr oder weniger zustimmten indem sie nicht offen widersprachen viel Aksoy erstmal ein Stein vom Herzen. Die erste Aufgabe die man ihm gestellt hatte, hatte er geschafft.


    „Sehe ich so aus als hätte ich Krätze?“, fragte er Retour an den Fragesteller und zuckte mit den Flügeln.


    `Falls er jetzt ja sagt, sollte ich mal einen Heiler aufsuchen´, überlegte Aksoy.


    „Eine Formation klingt gut, wählen wir die mit den Hörnern, immerhin hab ich vier davon“, grinste der Tiefling gut gelaunt.


    „Also wie Crize schon sagte, eine Formation in Form von Hörnern bitte. Einmal links mit und einmal rechts ohne. Nächste Reihe seitenverkehrt. Dass müsste gut aussehen, ich hoffe auch für Menschenaugen“, sagte Aksoy und wartete ab.

  • Die Tieflinge guckten sich gegenseitig an. Irgendwer zuckte mit den Schultern. Jemand kratzte sich mit dem Flügel hinter dem Ohr. Schließlich erhob sich der Erste und sah sich um. Ein anderer stand auf und dann noch einer. Das Sortieren ging mit einigem Gemurre und Geschubse vonstatten.
    "Also unter Flurk mussten wir nie eine Formation bilden", nörgelte einer.
    "Vielleicht ist er ja darum im Kochtopf gelandet", konterte ein anderer.
    "Der ist im Kochtopf gelandet, weil er Krätze hatte", grollte ein Dritter genervt.
    "Hier hat keiner mehr Krätze."
    "Lexi sieht noch ziemlich rau aus. Wir hätten ihn doch mit kochen sollen, zur Prophylaxe."
    "Nein, nein, mir geht es ganz vorzüglich! Ich vertrage nur die trockene Steppenluft nicht so gut!", erwiderte ein Tiefling, der in der Tat ausgesprochen ungesund aussehende Haut hatte, was er mit einer Kapuze zu verbergen versuchte.


    Nach einigen weiteren Diskussionen dieser Art hatten sich die Tieflinge sortiert. Es dauerte etwas, weil niemand neben Lexi stehen wollte und ein anderer Tiefling nur ein Horn besaß, weil das andere abgebrochen war und somit unklar war, wie man ihn einsortieren sollte. Schließlich einigte man sich darauf, ihm das verbliebene auch noch abzubrechen, es gab einen kurzen Tumult und die Sache war erledigt.


    Endlich standen die Tieflinge wie gewünscht in Reih und Glied und betrachteten Aksoy mit einer Mischung aus Skepsis, Langeweile und Neugier. Insgesamt machte die Truppe einen verwahrlosten und wenig militärischen Eindruck. Immerhin hatte das auch den Vorteil, dass es keine Rolle spielte, ob Aksoy Erfahrung im Führen von Kriegstrupps hatte oder nicht und er sich nicht mit einem Haufen bärbeißiger Veteranen mit jahrzehntelanger Kampferfahrung auseinandersetzen musste.


    "Hübsch!", quiekte Crize entzückt.

  • Aksoy musterte das Treiben „seiner Truppe“ und bei Lexis Anblick unterdrückte der den Drang sich selber wie ein räudiger Hund zu kratzen. Das kranke Mitstreiter gekocht wurden, war entweder nur ein lustiger Scherz, oder die schrecklichste Abschreckung sich krank zu melden, von der Aksoy je gehört hatte.


    Auf der anderen Seite, war Krätze soweit er wusste eine Hautkrankheit. Folglich konnte man den Rest der Person durchaus noch essen. Aber wer bekam schon einen Kameraden herunter, mit dem er vorher auf Jagd war und vielleicht das eine oder andere erlebt hatte?


    Der große Tiefling dachte darüber nach, in wie weit seine Befugnisse reichten. Wenn er wirklich das Kommando über diese Truppe bekam, dann wollte er niemanden mehr im Kochtopf enden lassen, egal wie verwahrlost sein Haufen auch aussah.


    Immerhin hatte er jetzt sowas wie Verantwortung, auch wenn er noch nie welche im Leben tragen musste, wollte er nicht gleich damit auffallen völlig zu versagen. Er wollte seinen ersten, richtigen Job auch richtig gut machen.


    Seine Truppe, die eigentlich ehr aussah wie ein Haufen gelangweilter Kneipenschläger, wie Aksoy gut gelaunt feststellte, hatte sich in Reih und Glied aufgestellt. Es hatte eine ganze Zeit gedauert, aber das war Aksoy gleichgültig, sie waren hier auf der Arbeit und nicht auf der Flucht.


    Und immerhin bestand die Aufgabe darin sich irgendwie zu ordnen, dass dauerte nun mal seine Zeit, so einfach war das nicht. Zudem war Aksoy kein Mann der andere hetzte, er selbst ließ sich schließlich auch gerne Zeit. Geduldig wartete er ab, bis all seine Leute fertig waren.


    `Formation – so sieht das also aus, wenn man damit loslegt. Könnte in der Luft auch gut aussehen, nur guckt da ja eh keiner. Oder sollte nicht gucken, sonst ist die Jagd vorbei bevor sie begann. Dass muss ich mir merken. Formation heißt nach dem Aussehen sortieren´, machte sich der Hüne gedanklich eine Notiz.


    „Hübsch“, quiekte Crize neben ihm entzückt, was den großen Tiefling sehr freute.


    „Nicht wahr? Das finde ich auch. Wir haben eine gute Wahl getroffen. Das haben sie gut gemacht und es sieht gut aus. Dann wollen wir uns mal dem Boss in der neuen Form zeigen“, grinste Aksoy und machte sich mit den Tieflingen und natürlich Crize auf den Weg zu Tarkan.

  • Tarkan gönnte sich eine seiner wenigen Pausen. Mit einer aus Feindesknochen geschnitzten Pfeife führte er sich getrocknete Blätter des Kaffeebaums zu Gemüte. Er rauchte selten, aber wenn, dann widmete er dem seine ganze Aufmerksamkeit. Der Rauch biss scharf in seinem Rachen, zwackte dann in der Lunge. Im gleichen Moment setzte die Wohltuende Wirkung ein und Tarkan entspannte sich, während er langsam durch den Mund wieder ausatmete. Eine weiße Wolke breitete sich vor seinem Gesicht aus und verflüchtigte sich wieder. Vor seinem Zelt hörte er Geräusche, doch diese paar Minuten gehörten ihm. Erst, als er die Pfeife fertig geraucht und noch einen Schluck Kaffee zum Nachspülen genommen hatte, zog er in aller Ruhe wieder seinen Gesichtsschleier zurecht und trat nach draußen. Der Krieg musste auch mal warten können.


    Er staunte nicht schlecht darüber, dass die Tieflinge tatsächlich schon fein säuberlich eingereiht vor ihm standen, mit Aksoy an der Spitze. Das war schnell gegangen. Tarkan fiel auch sofort das Schema auf, nach dem sie sortiert waren. "Wie ich sehe, hat Crize dich beraten", stellte er nüchtern fest und blickte sich suchend nach seinem Nekromanten um, der sich allerdings nicht zeigte, wahrscheinlich, damit es aussah, als hätte Aksoy das allein bewerkstelligt. Inwieweit er dabei Hilfe erhalten hatte, war nicht mehr festzustellen, aber das war auch unwichtig. Wichtig war, dass nun alle flugfähigen Tieflinge hier standen. "Gut, da ihr offensichtlich bereit seid, habe ich einen ersten Auftrag für euch. Shenaba, bring ihnen ihre Ausrüstung."


    Eine Rakshanerin in Kampfmontur nickte und eilte davon. Abgesehen davon, dass sie keinen Turban mit Gesichtsschleier trug, sondern nur ein im Nacken zusammengebundenes Tuch, was all ihre Haare verdeckte, unterschied sie sich in der Kleidung und Ausrüstung nicht von ihren männlichen Kameraden. Sie kam bald mit einigen Gehilfen zurück, die Fellsäcke trugen, in denen etwas Schweres zu sein schien. Jedem Tiefling wurde eine Tonflasche ausgehändigt, die fest mit einem Lappen verstopft war, der nun angezündet wurde.


    "Brandbomben", erklärte Tarkan. "In den Flaschen befindet sich brennbares Öl aus den Beutegutbeständen des alten, nun von unseren Leuten besetzten Almaniens. Die Almanen nutzten es als Delikatesse, doch ich finde, man kann damit auch etwas Sinnvolleres anfangen. Wenn sie aufbrechen, ergießt sich das Öl und geht sofort in Flammen auf. Barlok Eisenhand hat meine Männer verbrannt - nun erhält er die Rechnung. Führe deine Männer hinauf in die Lüfte, in den Luftraum über Dunkelbruch. Zunächst will ich, dass seine Triböcke und die anderen großen Geschütze in Brand gesteckt werden. Alle Kriegsgeräte mit Flächenschaden müssen weg. Dafür dürfte die erste Ladung der Brandbomben vollständig verbraucht werden. Mehr als zwei Brandbomben gleichzeitig werdet ihr nicht tragen können, sie sind doch recht schwer. Habt ihr das erledigt, kommt zurück und holt euch die nächste Fuhre ab. Ich verlasse mich auf dich, Aksoy." Tarkan blickte ausgesprochen Ernst. "Wegtreten und Abflug."

  • Aksoy wartete mit seinen Männern draußen vor dem Zelt. Es störte ihn nicht. Vielmehr empfand er die ganze Vorgehensweise als entspannend.


    Dass der Krieg so locker genommen wurde und dass es dabei so entkrampft zuging hätte er nicht vermutet. Weder musste er sich beeilen was die Übernahme der Flugtruppe anging, noch hatte er seinen Männern zur Einnahme der Formation Stress gemacht und jetzt wo sie auf Tarkan warteten, schien auch der große Boss die Ruhe weg zu haben. Besser konnte es nicht laufen.


    Zudem hatte er von Anfang an einen Berater zur Seite gestellt bekommen, Crize. So viel konnte er also überhaupt nicht falsch machen, dass alles schief lief. Es sei denn Crize machte alles falsch, so dass alles schief lief. Wobei der Mann war Magier, sogar Nekromant, wenn sich einer auskannte dann Crize.


    Mit der Formation hatte er ihn auch erstklassig beraten. Ihre Truppe sah gut aus. Das stand für den großen Tiefling fest.


    Es dauerte noch eine Weile, dann kam Tarkan aus sein Zelt und musterte sie. Die Formation schien ihm zu gefallen, und er merkte an, dass wohl Crize ihn beraten hätte. Aksoy schwieg darüber und lächelte freundlich. Immerhin hatte sich der Nekromant verdrückt, um ihm die Ehre zu überlassen.


    `Schwer anständiger Zug von Dir Crize´, dachte Aksoy gut gelaunt.


    Nach einem Augenblick gab auch Tarkan die Suche nach seinem Nekromanten auf und schickte eine Kämpferin los um ihnen ihre Ausrüstung für den ersten Einsatz zu holen. Brandbomben. Gefertigt aus Öl in Tonflaschen. Angeblich wurde das sonst von Almanen gegessen. Bei der Beschreibung konnte sich Aksoy ein breites Grinsen nicht verkneifen.


    Was Menschen so alles fraßen, war immer wieder erstaunlich. Öl! Wer aß schon freiwillig Öl? Und dann noch als Delikatesse? Zudem wenn, würde man diese widerwärtige Brühe nicht trinken? Aber die Frage stellte er Tarkan lieber nicht, zudem hatte es nichts mit ihren Einsatz zu tun. Und die Eßgewohnheiten der Almaner interessierten seinen Boss vermutlich genauso wenig wie ihn.


    Wichtig war, dass man deren Futter in Waffen umwandeln konnte. Und Brandbomben klangen wirklich nach guten und vor allem eindrucksvollen Waffen.


    Aksoy hörte Tarkan aufmerksam zu. Der Befehl lautete zuerst alles zu zerstören, was selbst Flächenschaden anrichten konnte. Also Katapulte und ähnliches. Triböcke führte Tarkan auf und Aksoy nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte, während sein Boss ihm weiter den Einsatz erklärte.


    `Willst Du Dich von etwas trennen, dann musst Du es verbrennen…´, sinnierte der große Tiefling grinsend. Die Vorstellung die Zwerge abzufackeln gefiel ihm.


    „Verstanden Boss. Wir werden alle Großgeräte abfackeln. Wir legen los“, sagte Aksoy respektvoll und wandte sich dann an seine Männer.


    „Ihr habt den Boss gehört. Jeder schnappt sich von Euch noch ein zweites dieser Dinger mit Öl. Danach folgt mir. Wir brechen umgehend nach Dunkelbruch auf“, sagte Aksoy. Während er sich selbst direkt eine zweite Flasche schnappte, machte er sich auf die Suche nach Crize.


    Als er den Nekromant endlich gefunden hatte, packte er den Mann kurzerhand.


    „Wir haben Befehl nach Dunkelbruch zu fliegen und die Zwerge einzuäschern. Vorrangig sind die Geräte mit Flächenschaden. Was wichtig ist für die Zwerge und was nicht, wirst Du wissen Crize. Du begleitest mich.


    Wir beide übernehmen gemeinsam die Führung“, erklärte Aksoy dem Rakshaner und lud ihn sich kurzerhand huckepack auf den Rücken, ohne die Antwort seines Beraters abzuwarten. Aksoy wartete bis sich alle seine Männer bei ihm eingefunden hatten.
    „Festhalten“, sagte der große Tiefling zu Crize.


    Aksoy machte einen gewaltigen Satz in die Luft, breitete zeitgleich seine Flügel aus und hob ab. Er schlug hart mit den Flügeln um schnell an Höhe zu gewinnen und flog dann führend Richtung Dunkelbruch davon.


    „Wegen vorhin wo Du Dich verdrückt hast Crize - Danke. Schwer anständig von Dir gewesen. Halt die Augen auf. Wenn Du was siehst, was weggebombt werden muss, sag´s mir“, brummte der große Tiefling gut gelaunt und flog etwas schneller.