• Wir oder ich


    Duc Maximilien Rivenet de Souvagne hatte sich in seine Gemächer zurückgezogen. Mehr noch, er hatte sich sogar in sein Wohnzimmer zurückgezogen und die Tür hinter sich geschlossen. Fabien sein treuer Leibdiener war besorgt, als er in das Gemach seines Herrn eintreten wollte.


    "Seine Hoheit hat sich jede Störung verbeten", verkündete eine der Wachen an der Tür.
    "Seine Hoheit wird damit jeden gemeint haben, außer seinen Leibdiener. Wir sind für seine persönliche Belange zuständig. Lasst mich passieren", erklärte Fabien erbost.


    Die zweite Wache nickte knapp und beide gaben den Weg frei. Fabien schritt bis zur Wohnzimmertür, klopfte leise und trat ein. Eine Aufforderung wartete er entgegen der Sitten nicht ab, da er in Sorge war. Lieber nahm er eine Schelte in Kauf.


    Der Duc stand am Fenster, schaute in den Garten hinaus und schien seinen Gedanken nachzuhängen. Als Fabien eintrat musterte er diesen mit müdem Blick.


    "Eure Hoheit, geht es Euch gut?", hakte Fabien fürsorglich nach.
    "Nenne mich beim Namen Fabien", forderte der Duc seinen Leibdiener auf.
    "Herr?", fragte Fabien bestürzt nach.


    "Ich benötige einen Moment der Besinnung. Du teilst Dein Leben mit mir, opferst alles, hast kein eigenes Leben und lebst in meinem Schatten. Du trägst von uns beiden die stille, ungesehene Bürde. Also Du der alles von mir weißt, der alles von mir kennt und schon alles von mir gesehen hat, sollte sich nicht scheuen meinen Namen auszusprechen. Mein Name Fabien, ich möchte meinen Namen hören. Erde mich damit. Die ganze Zeit bin ich Souvagne, bin ich das Land. Das alles da draußen gehört "uns" - wir sind Souvagne, unsere Person ist das Recht und der Alleinherrscher in diesem Land. Wir verteilten Lehen - haben Land entliehen. Dennoch gehört alles uns. Vom niedersten bis zum höchsten Bewohner, sie sind die unseren Fabien.


    Wir sprechen Recht, denn wir sind die Oberste Ordnung. Was Recht und Unrecht ist, liegt in unserer Hand. Wir handeln und verhandeln im Namen eines Volkes, wir entscheiden über das Schicksal tausender. Wir entscheiden über Leben und Tod Fabien, all das tun wir der Duc de Souvagne.


    Selbst unsere Zusammenkünfte mit unseren Frauen sind ein "Staatsakt", eine Aufgabe. Unsere dritte Frau hat uns noch kein Kind geschenkt. Nichts bleibt dem Zufall überlassen.


    Wir tragen die Staats-Insignien, sind Träger der Reichskleinodien, wir tragen die Krone, das herrschaftliche Schwert, das Zepter und wir tragen ein reich behangenen und tonnenschweren Mantel aus Verantwortung, Zwängen, Zeremonien und Etiketten.


    Dies ist unsere Aufgabe, dies ist unser Schicksal, manchmal unser Glück, manchmal unsere Bürde - das sind wir.


    Aber ab und an Fabien, möchte ich für einen winzigen Moment einfach nur ich sein.
    Kurzum ich muss mich auf mich selbst besinnen, mich erden. Mich vergewissern, dass es mich selbst noch gibt, hinter all dem. Nenne mich bitte beim Namen", erklärte der Duc.


    "Möchtest Du einen Tee Max?", fragte Fabien freundlich, was Maximilien leise auflachen ließ.
    "Gerne", antwortete dieser schmunzelnd.