• Schicksal


    Linhard wachte am Morgen auf und benötigte einen Moment der Orientierung. Erneut hatte er auf dem Sofa von Gregoire geschlafen. Und erneut stellte er fest, dass dieses Sofa verdammt gemütlich war. Wobei die ganze Atmosphäre in Gregs Wohnbereich war gemütlich und auch wenn es sich Lin nicht eingestehen wollte, ein Großteil davon machte Gregoire aus. Lin streckte sich ausgiebig und wollte gerade die Decke zur Seite schlagen, als ihm jemand über den Kopf strich. Lin schaute verdutzt nach oben. Normalerweise schlief er so, dass ihn jedes noch so minimale Geräusch alarmiert hochschrecken ließ, hier schlief er tief und fest wie ein Stein.


    „Guten Morgen und hast Du gut geschlafen?“, fragte sein Gastgeber. Greg stand neben dem Sofa und hielt ihm einen Kaffee hin. Lin setzte sich auf und nahm ihn mit dankbaren Nicken entgegen.
    „Mehr als gut, Dankeschön“, freute sich Lin und genoss den ersten Schluck Kaffee am Morgen.


    „Wo ist Dein Leibdiener?“, hakte Gregoire nach, setzte sich neben Linhard und zündete sich eine Rauchstange an.
    „Kasimir mein Leibdiener ist ein Vampir, er kann mir nur Nachts dienen. Zudem durfte er nicht in den Palast. Hast Du auch eine Fluppe für mich übrig?“, bat Lin Kaffee schlürfend.


    „Dann wird sich Zerbino für die Zeit auch um Dich kümmern. Sicher hier nimm“, antwortete Greg gut gelaunt und steckte Lin die eigene Rauchstange zwischen die Lippen, während er sich selbst eine neue anzündete.


    „Verwöhnprogramm am Morgen, Kaffee und eine Rauchstange serviert bekommen, was möchte man mehr?“, grinste Linhard vergnügt.


    „Da würde mir einiges einfallen“, gähnte Verrill.
    „Ich bin ganz Ohr“, flüsterte Lin verschwörerisch.


    „Bezogen auf die Eheschließung und die Hochzeitsnacht muss ich Dir was erläutern, wo wir schon beim Thema sind. Wir müssen die Ehe vollziehen, damit sie besiegelt ist. Sprich damit sie voll anerkannt wird. Das heißt, sobald Du dazu bereit bist, werden wir die Trauung vornehmen lassen.


    Vorher den Bund der Ehe einzugehen und dann abzuwarten, bis Du sie vollziehen möchtest, ist laut dem Hausrecht nicht möglich. Haben wir die Trauung vollzogen, die Feier ist beendet und wir ziehen uns auf unser Zimmer zurück, dann geht es ans Eingemachte. Dafür wirst Du kurz vorher von einem Heiler in Empfang genommen.


    Bei einer Frau würde er überprüfen, ob sie noch unberührt ist und gesund. Bei Dir wird er das Gleiche überprüfen, zumindest ob Du gesund bist. Ist alles in Ordnung, wird er Dich zurück zu mir begleiten. Uns quasi sozusagen unter eine Decke stecken. Am Morgen danach siehst Du ihn wieder und er wird den Vollzug der Ehe bestätigen.


    So ist der übliche Ablauf, dieser dient der Sicherung und Wahrung unserer Blutlinie. Das Hausrecht sieht keine Ausnahme bei einer Eheschließung zwischen zwei Männern vor. Ich denke es gibt bewusst keine Ausnahme, um die Gesundheit jedes Ehepartners zu überprüfen. Ich wollte Dich nur vorgewarnt haben, damit Du nicht fälschlicherweise davon ausgehst, ich enthalte Dir die Trauung vor, bis Du bereit für den Beischlaf bist. Du kannst jederzeit im Hausrecht der de Souvagnes nachlesen. Eine Frage, bist Du unberührt oder nicht?“, fragte Greg, rutschte ein Stück näher und legte Linhard einen Arm um die Hüfte.


    „Verständlich, Eure Linie kann sich Kinderlosigkeit nicht leisten. Und Du wirst Dir eine zweite Frau nehmen um Kinder zu zeugen, das ist mir bewusst Greg. Unsere Familie hat ebenfalls ein Hausrecht und das ist nicht ganz so liberal gestrickt. Daran müsste ich etwas ändern, falls Du magst, kannst Du mir dabei behilflich sein. Zum Thema Warten bis ich zum Ehevollzug bereit bin…


    Du kannst die Eheschließung arrangieren, wir werden die Hochzeitsnacht vollziehen Greg. Nein ich bin nicht unberührt, ich vollzog schon öfters den Beischlaf, ob nun mit mir alleine oder mit einer Frau. Mit einem Mann war ich nie intim. Falls Du das gemeint hast, bin ich unberührt“, grinste Lin und gönnte sich noch einen Schluck Kaffee.


    „Mit Dir selbst zählt nicht als Beischlaf“, grinste Greg breit.
    „Na komm sei ehrlich, dass zählt schon…“, prustete Lin, was Greg ebenso loslachen ließ.


    „Von der Befriedigung her zählt es, trotzdem ist es ein gewaltiger Unterschied ob man solo spielt oder mit jemanden den man gerne hat. Das bringt mich zu meiner nächsten Frage“, schmunzelte Greg.
    „Du hast ganz schön viele Fragen…“, lachte Lin leise.


    „Habe ich immer und auf die meisten Fragen liefern mir meine Bücher Antworten. Aber auf die Frage weiß kein Buch eine Antwort. Also Lin, pack die Karten auf den Tisch. Stimmst Du dem Vollzug zu, weil Du tatsächlich möchtest oder weil Du heiraten willst? Was ist der Grund Deiner Zustimmung? Du hattest Dir vorher Wartezeit erbeten, darum möchte ich darauf gerne eine Antwort. Vorweg, eine Verlobung hat hier Gültigkeit, sie ist das Versprechen zur Ehe. Nun?“, fragte Greg abwartend.


    Linhard musterte Greg, während ihn dieser mit abgewandtem Blick kraulte. Die stille, liebevolle Art löste eine ungewollte Welle von Gefühlen bei Linhard aus.


    „Was ist los Lin? Bekomme ich keine Antwort?“, fragte Greg freundlich, während er ihm weiter sanft die Seite kraulte.
    „Ich frage mich, ob mir das Schicksal mit Dir gerade versöhnlich die Hand reicht“, antwortete Linhard leise, stellte seine Kaffeetasse beiseite und legte Greg ebenfalls einen Arm um die Hüfte.


    „Dann bleibt der Termin zur Doppelhochzeit stehen“, freute sich Gregoire und streichelte Linhard über die Wange. Auffordernd legte er den Kopf schief.


    Linhard schmunzelte Greg an, beugte sich zu ihm herüber und küsste ihn als Antwort liebevoll auf den Mund. Gregoire entschlüpfte dabei ein sehnsüchtiges Keuchen. Er presste seine Lippen fordernder und verlangender auf Linhards. Lin erwiderte die Geste, küsste Greg mit gleicher Leidenschaft und spürte auf einmal etwas, dass er nicht erwartet hatte - ein angenehmes Ziehen zwischen den Beinen. Abrupt beendete er den Kuss und starrte Greg verunsichert an.


    „Hab keine Angst, es ist alles gut“, flüsterte Gregoire beruhigend.
    „Angst? Ja ich habe Angst“, gestand Linhard genauso leise.


    „Wovor denn? Ich tue Dir garantiert nicht weh, versprochen“, murmelte Greg Lin ins Ohr.
    „Vielleicht davor mich am Ende doch noch in Dich zu verlieben… und damit wie üblich aufs Maul zu fallen“, gab Lin zurück.


    „Das Risiko wirst Du wohl eingehen müssen. Nur so viel, wir sind dafür bekannt ziemlich zu klammern. Besonders bei Ehepartnern, Du kannst Dich gerne erkundigen“, grinste Gregoire glücklich.
    „Da komme ich bei Bedarf drauf zurück und jetzt mach mich nicht verlegen“, lachte Linhard und befreite sich ein Stück von Greg.


    „Was möchtest Du heute unternehmen? Ich habe gestern Abend mit Zerbino gesprochen, er meinte ein Ausflug zum Meer oder nach Beaufort würde Dir sicher gefallen. Dann ist mir eingefallen, dass Du noch gar kein Haus besitzt, in das Du bei Deinem Umzug einziehen kannst. Falls Du nicht neu bauen möchtest, gibt es dort sicher noch einige Anwesen, die vom Krieg verschont wurden und keine Ruinen sind.


    Ich habe entsprechende Erkundigungen eingeholt und entsprechende Bücher samt Grundstückskarten heraus suchen lassen. Sollten diese Herrenhäuser tatsächlich noch stehen, hast Du einiges an Auswahl. Ich hatte vor mir die Häuser mit Dir gemeinsam in der Bibliothek anzuschauen, damit Du eine Vorabwahl treffen kannst. Zudem benötigt mein Bruder dort ebenfalls ein geeignetes Domizil, da er ebenfalls umzieht.


    Vermutlich wird er nach Goldwasser ziehen um von dort aus seine Regierungsgeschäfte zu erledigen. Ich möchte für ihn gleich mit nach geeigneten Häusern schauen. Und für mich selbst werde ich auch nach einer Unterbringung schauen, da ich Euch beide nach Neu-Souvagne begleiten werde. Natürlich sind alle Angaben ohne Gewähr, da wir nicht wissen ob die Häuser, Burgen und so weiter tatsächlich noch stehen. Einige stehen mit Gewissheit noch, denn es wurde ja nicht das ganze Land verwüstet, sondern ein Landstrich. Nach unserer Suche würde ich dann wie gesagt gerne mit Dir nach Beaufort oder zum Meer reiten“, erklärte Greg und trank einen Schluck Kaffee aus Linhards Kaffeetasse.


    „Wie Du möchtest, von meiner Seite aus benötigst Du kein separates Heim in Neu-Souvagne. In Beaufort wohnst Du am Hof und in Hohenfelde wohnst Du bei mir. Das mit den Häusern ist eine sehr gute Idee von Dir. Ich hatte nicht vor neu zu bauen, ich hatte vor eine alte Burg oder ein altes souvagnisches Herrenhaus zu beziehen. Irgendein Haus, das auf den ersten Blick gemütlich aussieht.


    Wenn ich es mir schon aussuchen darf, lass und nach dem Schmöckern nach Beaufort reiten. Ich möchte den Ort kennenlernen, wissen wo sich was befindet und ein bisschen was einkaufen. Einen Ausflug zum Meer können wir immer noch unternehmen, am besten wenn es etwas wärmer ist. Dann könnten wir auch schwimmen gehen. Momentan ist mir das einfach noch zu lausig kalt. Hey dann reite ich heute zum ersten Mal mein Verlobungsgeschenk, da freue ich mich drauf. Wir können in Beaufort auch zu Mittag essen“, schlug Linhard vor.


    Er drückte seine Rauchstange im Aschenbecher aus und legte sich noch einmal lang. Da dabei nutzte Lin Gregs Schoss als Kopfkissen.


    „Gleichgültig wo wir hinziehen Greg, Dein Sofa muss mit“, grinste Lin was Gregoire losprusten ließ.