Verraten und verkauft

  • Verraten und verkauft


    Fabiens Mutter ordnete ihre von der Arbeit wirren Haare und nahm die Schürze ab. Sie goss Nathan und sich einen Kräutertee ein, stellte eine Schachtel Gebäck auf den Tisch und setzte sich dann zu dem jungen Freund ihres Sohnes.


    Das er sie einmal allein besuchen würde, davon war Elise nicht ausgegangen, aber nun saß er hier und hatte die Frage der Fragen gestellt. Möglicherweise hatte er sie genau deshalb allein aufgesucht.


    „Es freut mich Deine Bekanntschaft zu machen Nathan. Fabien hat schon viel von Dir erzählt, nur Gutes, sei unbesorgt. Es scheint ihm sehr ernst mit Dir zu sein, wenn wir uns persönlich kennenlernen. Zu Deiner Frage, natürlich kann ich Dir den Namen des Vaters von Fabien nennen Schätzchen.


    Aber es ist eine traurige Geschichte. Fabien hätte nichts davon seinen Vater kennenzulernen, er weiß nicht einmal, dass er einen Sohn hat.


    Fabiens Vater ist Chevalier Gideon Aymon de Gladu.


    Er war damals mein Herr und wir lebten in Cheverette. Würdest Du Gideon sehen, würde Dir sofort auffallen, wie ähnlich er und Fabien sich sehen. Fabien hat die Figur, die Haarfarbe und auch das markante Gesicht von seinem Vater geerbt. Vor allem die hohen Wangenknochen und die Vorliebe für Tätowierungen. In seiner Art kommt mein Junge aber nicht nach seinem Vater, da kommt er wohl nach mir.


    Cheverette ist ein sehr schöner Ort, direkt am Meer gelegen. Die Familie der Gladu lebte vom Handel und der Verarbeitung des Fischfangs. Also von den Eträgen ihrer Fischer, Fischen und der Herstellung von Fischleder.


    Nach der richtigen Verarbeitung ist Fischleder sehr weich, elastisch und leicht. Seine Haltbarkeit entspricht den besten bekannten Ledersorten wie Rinds- und Kalbsleder. Das Material ist sehr individuell, da keine Haut der anderen gleicht. Fischleder wird zu Schuhen, Kleidern, Taschen, Hüten, Hosen und Schmuck verarbeitet.


    Besonderes Fischleder ist das des Hais oder von Rochen. Da es sehr rau ist, fertig man daraus die Bandagen um Schwertgriffe. So ist der Griff rutschsicher. Der Geruch entspricht dem anderer Leder. Obwohl das Fischleder nach der Bearbeitung keine Schuppen hat, bleibt die Hautstruktur mit dem Schuppenmuster, je nach Art, erhalten.


    Fischleder sieht sehr exotisch aus, daher kann es die Haut anderer, seltenere Tiere ersetzen. Da es ausreichend Fischhäute als Abfallprodukt nach dem Fischen gibt, wurde so mit dem Fisch und den Fischhäuten Geld verdient. Ich lebte fast mein ganzes Leben dort, fühlte mich wohl und glücklich.


    Cheverette war meine Heimat Nathan.


    Als unser alter Herr starb, übernahm Gideon das Familienerbe der de Gladus. Damals war ich 35 Jahre alt, er war sieben Jahre jünger als ich, also 28 Jahre alt. Damals diente ich noch in der Küche und wir kamen öfter ins Gespräch, wenn er sich für abends etwas zu essen wünschte. Aus seiner anfänglichen Freundlichkeit wurde Werben und so kamen wir uns näher. Jedenfalls nahm ich das damals an.


    Chevalier Gideon Aymon de Gladu war ein Hitzkopf, ein attraktiver Mann, trainiert, mächtig, ein Magier der das Feuer beherrschte und er war mein Herr.


    Ich fühlte mich geschmeichelt, dass sich so ein Mann für mich interessierte.
    Ausgerechnet für mich, die kleine dürre Küchenhilfe, die sonst übersehen wurde.


    Wie sehr ich mich irrte, stellte sich heraus, als er einen Hochzeiter beauftragte. Er suchte eine Frau und ich war bereits zu diesem Zeitpunkt von ihm schwanger. Ich stellte ihn an diesem Tag zur Rede, als wir uns trafen.


    Fragte, weshalb er einen Hochzeiter beauftragt hatte, wenn wir doch zusammen waren. Gideon sagte, an unserem Verhältnis würde sich nichts ändern, wenn er verheiratet wäre. Auf die Frage ob er denn nie daran gedacht habe, mich zu heiraten, lachte er nur amüsiert.


    Ich weiß selbst nicht, warum ich so naiv war und mir eingebildet hatte, er würde mich heiraten. Er hätte mir alles sagen können Nathan, sogar dass er mich nicht mehr liebte, aber sein Lachen war ein Stich ins Herz. Dabei hätte ich alles für diesen Mann aus Liebe getan. Ein winziger Teil von mir liebt ihn vermutlich immer noch.


    Aber seine Lache hat mich damals mehr verletzt, als es ein Schlag jemals gekonnt hätte, so dass ich mich im Wort ihm gegenüber vergriff. Ein Wort gab das andere und er beherrschte sich nur mit Mühe, seine Magie zu unterdrücken. Man sollte keinen Pyro reizen, es ist ein Spiel mit dem Feuer, dass für einen tödlich enden kann. Er hatte genug Selbstbeherrschung weder seine Magie noch die Hand gegen mich zu erheben. Aber eine Woche darauf, wurde ich von einem Beamten des Hofes abgeholt, zwecks Arbeit in der Wäscherei.


    Gideon hatte mich verkauft.


    Das Kind von Leibeigenen ist durch seine Geburt ebenfalls ein Leibeigener. Auch dann, wenn zum Beispiel ein Herr dieses Kind gezeugt hat. Ändern würde dies nur die Tatsache, wenn das Kind seitens des Vaters anerkannt würde. Viele Herren zeugen mit ihren Leibeigenen Kinder Nathan. Sie genießen den Spaß und sie vermehren nebenbei sich und ihren Besitz. Ich war nicht die einzige Frau, die von Liebe zu einem Adligen träumte und in der Realität aufwachte.


    Gideon hat niemals erfahren, dass ich von ihm schwanger war.
    Er weiß nicht, dass er einen Sohn hat Nathan.


    Fabien benötigt so einen Vater nicht“, erzählte Elise.

  • "Das macht nichts", sagte Nathan leichthin. "Fabs darf meinen Papa mit haben, ich teile ihn mit ihm. Mein Papa ist genau so lieb wie ihr. Und er kann schön singen. Fabs darf nur nicht so viel mit ihm zanken, weil Papa das nicht so mag, wenn man mit ihm streitet. Er liebt den Frieden und die Musik. Dann hätte Fabs wieder eine Mama und einen Papa."


    Er mochte Mademoiselle Eliese und streichelte ihre faltige Hand.


    "Der andere Papa, also der Chevalier de Gladu, hatte vielleicht gerade keinen guten Tag damals. Manche Menschen lachen, damit sie nicht weinen. Vielleicht hätte er Euch gern geheiratet, aber konnte nicht. Wegen der Standesschranke, man versteht nicht alles, was die Herren bedrückt. Und nicht alle Herren reden gern darüber. Vielleicht war alles ganz anders, als es den Anschein machte. Seid nicht mehr traurig, mein Fabs und ich kommen Euch immer besuchen, dann seid Ihr nicht allein. Aber ich finde, also vielleicht sollte Fabs dennoch von dem Chevalier erfahren. Dann kann er sich aussuchen, ob er ihn mal angucken gehen will."

  • Elise


    Elise tätschelte von Nathan die Hand.


    „Du bist ein lieber Junge Nathan. Ja es gut möglich, dass sich Gideon etwas anderes dachte, als das was er sagte. Oder dass seine Handlung einen anderen Grund hatte. Ich weiß es nicht Schätzchen. Dennoch tat es weh und man soll niemandem weh tun, der einem etwas bedeutet.


    Er hätte mir einfach sagen können, dass er mich nicht heiraten kann oder möchte. Hätte das nicht gereicht? Ich finde schon. Ich bin keine streitsüchtige Frau, nein ich war mein Leben lang sogar immer viel zu leise. Aber an diesem einen Tag, fühlte ich mich auf ganzer Linie von dem Mann verraten, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte.


    Und er hat nicht nur mich verraten, sondern auch unser gemeinsames Kind und unsere Liebe. Du hast Recht, manchmal lacht man, wenn man nicht weinen kann. Lache wenn es zum Weinen nicht reicht, ein trauriges Sprichwort.


    Eigentlich zankt Fabien nicht Nathan und ich weiß von ihm, dass er Deinen Papa gerne als Schwiegersohn kennenlernen würde. Das hast Du schön gesagt, dass Du Deinen Papa mit ihm teilen möchtest. Da er selbst keinen Vater hat, ist er traurig darüber, dass er zu seinem Schwiegervater in Spee kein gutes Verhältnis hat. Aber das ist Unsinn Nathan und Du musst das für Fabien und Deinen Vater ändern.


    Die beiden hatten nur einen schlechten Start. Dein Vater hat nur seine Arbeit gemacht, genau wie Fabien, Du oder ich. Vielleicht können wir uns einmal alle gemeinsam treffen und einen gemütlichen Abend verbringen. Dann könnte uns Dein Vater etwas vorsingen.


    Fabien wird sich mit Deinem Vater vertragen, das ist sicher. Er möchte Dich nicht verlieren und er möchte nicht, dass Du traurig bist. Darum hat er sich schon beherrscht bei Eurem gemeinsamen Treffen und nur seinen Unmut kundgetan.


    Mein Fabien streitet selten offen, er war sicher nur schnippisch oder gekränkt Nathan. Er war auf Deinen Vater nur sehr wütend, weil er schon solche Angst hatte, als die Reisegruppe entführt worden war. Und Dein Vater sang wohl lustige Lieder als er gemeinsam mit Domi dem Henker im Kerker eingesperrt worden war. Zudem war Domi verletzt, er wurde angeschossen.


    Das hat mir Fabien erzählt. Und als er dort im Kerker saß, hatte er Angst um seinen Herrn, um die Herrschaften die den Duc begleiteten, um den verletzten Domi und um Dich Zuhause. Dass Fabien dann die lustigen Lieder sauer aufgestoßen sind, kannst Du ihm doch nicht verübeln.


    Was seinen eigenen Vater Gideon Aymon de Gladu angeht habe ich Angst ihm die Wahrheit zu sagen. Was ist, wenn er sich seinen Vater anschaut und dann feststellt, dass dieser von ihm nichts wissen möchte? Dass Gideon kein Interesse an ihm hat und ihm dies genauso fies und verachtenswert ins Gesicht sagt?


    Was dann Nathan? Fabien kann doch nichts für meine Dummheit. Meine Gutgläubigkeit und meine Blauäugigkeit haben mich in die Situation gebracht. Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, Gideon war mein Herr, er hätte alles verlangen können. Aber ich möchte nicht unfair werden, so etwas hat er niemals befohlen oder als Herr verlangt.


    Was er von mir erhielt, gab ich ihm stets freiwillig. Und während der Zeit unserer Zusammenkunft war er stets liebevoll, freundlich und zuvorkommend. Und genau deshalb hat mich die Wendung samt dem Ende so hart getroffen.


    Auf der anderen Seite kann ich natürlich auch Fabiens Wunsch verstehen. Er möchte wissen wer sein Vater ist, möchte ihn wohlmöglich kennenlernen um seine Wurzeln zu kennen. Insgeheim wird er sich fragen, welche Eigenschaften er von seinem Vater geerbt hat und welche nicht. Ich könnte es ihm verraten, aber ich habe Angst ihn zu verlieren.


    In Gefühlsdingen denken Menschen nicht logisch. Fabien mag aussehen als ob ihn nichts umhauen kann Nathan, aber er hat eine friedliche und empfindliche Seele. So etwas nimmt er sich schwer zu Herzen. Einst hatte ich überlegt, ihm die Wahrheit zu sagen, damit er selbst entscheiden kann, ob er seinen Vater aufsucht. Vielleicht sollte ich dies trotz aller Angst tun, denn im Grunde hat er ein Anrecht auf die Wahrheit.


    Was mich glücklich macht ist, dass er so glücklich mit Dir ist. Du tust ihm gut. Streitet bitte nicht wegen Deinem Vater, vermittele zwischen den beiden“, bat Elise.