Schrecksekunde und Schokolade - 170 n.d.A.

  • Schrecksekunde und Schokolade - 170 n.d.A.


    Maximilien Rivenet de Souvagne schritt in Begleitung seiner Leibgarde sowie seines Leibdieners Leon die Flure des Palastes entlang. Der junge Duc war müde und dass sah man ihm auch an. Trotz seines immensen Wissens, über das der Duc bereits in seinen jungen Jahren verfügte, hatte er noch einiges zu lernen. Unter anderem wie man einen kompletten Hofstaat führte, dass Land und die Leute selbst zu führen, war dagegen fast ein Kinderspiel. Mit müden aber dennoch forschen Schritten hielten sie auf die Gemächer des Großherzogs zu.


    Ein Adliger schoss aus einem Seitengang und verbeugte sich tief, instinktiv hatte die Leibgarde bei diesem Auftritt zu den Waffen gegriffen. Selbst Leons Hand ruhte nach dieser Schrecksekunde auf seiner Waffe und er hatte seinen Herrn schützend hinter sich gezogen. Der junge Geck wurde noch blasser als er schon war und gab unverzüglich den Weg frei. Die Leibgarde verstand kein Spaß, was die Sicherheit des Ducs anging. Vater und Bruder von Maximilien lagen noch nicht lange unter der Erde. Ein Unfall hatte den Duc samt seinem ersten Sohn das Leben gekostet. Wie es in Souvagne üblich war, wurde umgehend nach dem Ableben des alten Ducs, sein Nachfolger ausgerufen.


    Seit der Gründung Souvagnes, hatte es keinen einzigen Tag in diesem Land gegeben, an dem nicht der Großherzog auf seinem Thron saß und es regierte. Und jeder der Leibwache des Duc hatte mit grimmiger Entschlossenheit vor, dafür zu sorgen, dass Ihr Herr längstmöglich auf dem Thron sitzen blieb und für Nachkommen sorgen konnte. Der Tag war lang gewesen, Staatsgeschäfte hier, Lehrstunden dort, Trainingseinheiten hier, Audienzen dort… Max wusste nicht mehr wo ihm der Kopf stand, er folgte einfach dem Coutilier der Gardeeinheit. Er war so müde, dass er hätte im Stehen einschlafen können.


    Mit knappen Nicken setzte der Coutilier der Leibgarde seinen Weg fort, gefolgt von dem treuen Leibdiener Leon, dem Duc und umringt von den restlichen Gardisten. Als sie endlich die großherzoglichen Gemächer erreichten, konnte sich Max ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen. An den Gesichtern seiner Gardisten sah man, dass sie seine Meinung teilten. Auch die hartgesottenen Männer waren müde, dank des anstrengenden Tages. Ein Regierungswechsel bedeutete immer Stress, für alle Beteiligten, besonders für den jungen Duc und seine Garde.


    Leon öffnete die Tür zu den großherzoglichen Privatgemächern und Maximilien wollte sie gerade schon ohne zu zögern betreten, als ihm Leon und Maico eine Hand auf die Schulter legten und ihn synchron zurückzerrten. Maximilien musterte beide scharf, mit einer Mischung aus Unglauben, Unverständnis und Müdigkeit im Blick. Der alte Leibdiener wie auch der Coutilier der Garde schüttelten kaum merklich den Kopf.


    „Herr Ihr betretet nach uns den Raum und verlasst ihn als Erstes, so seid Ihr vor eventuellen Angriffen geschützt. Denkt bitte daran“, sagte Leon freundlich und ging gemeinsam mit Maico vor. Sie sicherten die Gemächer, nickten den dort wachhabenden Kollegen zu und Leon bat seinen Herrn mit einer einladenden Geste herein.


    „Es ist alles in bester Ordnung, kommt Herr“, bat Leon und schob Maximilien mit der flachen Hand im Kreuz ins Quartier, während die Gardisten draußen Stellung bezogen.
    „Wir vergaßen das Protokoll für einen winzigen Moment“, sagte Max und ließ Leon gewähren.


    Leon entkleidete seinen Herrn von der prunkvollen Alltagskleidung, wusch ihn am Waschtisch und machte ihn im Anschluss daran bettfertig. Maximilien ging umgehend in sein Schlafzimmer und ließ sich einfach in sein gigantisches Bett fallen, so dass er noch halb heraushing. Leon schnappte sich Max Beine und warf ihn mit Schwung ganz ins Bett, was Max gut gelaunt losprusten ließ.

    „Den Rest hättest Du sicher auch noch geschafft Maxi“, warf Leon ein, massierte Maximilien kurz den Kopf und kämmte ihm danach die Haare.
    „Ich glaube nicht, ich bin zu müde. Muss ich mir morgen die Damen angucken?“, fragte Max.


    „Da kommst Du nicht drum herum Riv“, antwortete Leon und legte die Haarbürste beiseite und suchte seine eigenen Schlafsachen heraus.
    „Vielleicht möchte ich heute alleine schlafen? Ich bin 17 Jahre Leon, nicht 7“, sagte Max und beobachtete aus dem Bett heraus seinen Leibdiener, der sich ebenfalls bettfertig machte.


    Leon schmunzelte nur und schüttelte leicht den Kopf.


    „Was ist?“, hakte Max nach.
    „Der Unwissende wird böse, der Weise versteht Riv“, gab Leon freundlich zurück und stellte Max nachdem er sich umgezogen hatte, einen Tee ans Bett.


    „Danke. Und Du verstehst was?“, fragte Maximilien seinen Tee schlürfend.
    „Dass Du Deinen Unmut nicht an mir auslassen musst Riv, es aber unbewusst tust, da sonst niemand da ist. Du weißt nicht wohin mit Deiner Wut und Dir bietet auch sonst niemand Paroli. Du weißt genauso gut wie ich, dass ich nicht an Deiner Situation schuld bin. Drum erzähle mir was Dich bedrückt, aber führe Dich nicht auf, als wärst Du die von Dir erwähnten 7 Jahre alt. Mir ist durchaus bewusst wie Du Dich fühlst und dass Letzte was Du möchtest ist alleine schlafen. Du möchtest mich provozieren Du Schelm. Aber um das zu schaffen bist Du zu jung und ich zu alt. Also trink Deinen Tee und erzähl mir was los ist oder sei friedlich“, schmunzelte Leon.


    „Ich bin friedlich“, antwortete Maximilien und verstecke sein Grinsen hinter der Tasse während er trank.
    „Das glaube ich Dir nicht so ganz, aber sei es drum. Schön, es war ein langer Tag. Ruh Dich aus, oder lies noch ein bisschen“, sagte Leon besonnen und setzte sich auf die andere Bettseite.


    Maximilien nickte zustimmend, stellte seine Teetasse zur Seite und musterte Leon.
    Leon musterte Max zurück und strich ihm liebevoll über den Kopf.


    „Doch lieber noch etwas reden?“, fragte er freundlich.
    „Erzähl mir irgendetwas“, bat Maximilien und legte sich auf die Seite um Leon besser zuhören zu können. Dabei stopfte er seine Hände unters Kopfkissen, während Leon auf der anderen Seite im Bett saß.


    „Hast Du schon mal Rosenlimonade getrunken?“, fragte Leon und nahm sich sein Buch vom Nachttisch.
    „Nein, ich kenne auch nur Rosenwasser. Damit stell man Marzipan her und Kosmetik“, antwortete Max.


    „Rosenlimonade habe ich heute auch zum ersten Mal gesehen in der Confiserie. Eigentlich führen sie Gebäck und andere leckere Luxusartikel, ich habe uns eine Schokolade mit Rosenwasser mitgebracht. Was Süßes ist gut für die Seele“, erklärte Leon und kramte die Tafel Schokolade aus dem Nachttisch. Er reichte sie Maximilien, damit sich dieser zuerst davon bedienen konnte.


    Max nahm sie mit breitem Lächeln und leuchtenden Augen entgegen und packte sie bedächtig aus. Er brach sich ein Stück der rosafarbenen Schokolade ab und reichte sie Leon zurück.


    „Doch sieben was?“, lachte Leon leise und wurde von Max geknufft.
    „Für Schokolade ist man nie zu alt, oder zu jung“, grinste Max und nutzte Leons Schulter als Kopfkissen.
    „Das kann ich nur bestätigen“, schmunzelte Leon und deckte Maximilien vernünftig zu.