• Vorbereitung zur Exekution



    Maximilien hatte gemeinsam mit Ansgar und Leon den Hof erreicht. Der Duc entsandte umgehend Bellamy, damit dieser seinem Sohn Ciel beistehen konnte und so reiste der Greif gleich wieder in die Richtung ab, aus der er gekommen war.


    Max schaute dem imposanten Tier hinterher und wünschte sich er könnte es dem großen Geschöpf gleich tun, seine Schwingen ausbreiten und allem davonfliegen. Aber dem war nicht so, er war erd- und amtsgebunden.


    Maximilien wandte sich an seine Begleiter. Er schaute Leon lange schweigend an. Er hätte den Mann jederzeit wieder erkannt, es gab kaum ein Gesicht dass er so gut kannte wie das Leons. Und dennoch, die Zeit ließ alle Bilder verblassen, sogar das geliebter Personen. Die kleinen feinen Nuancen verschwanden und die Bilder wurden unscharf.


    Im goldenen Schein von Leon gehüllt, frischte Maximilien die Erinnerungen an seinen langjährigen Leibdiener, besten Freund und Ziehvater auf. Es gab so unendlich viel zu sagen, aber sie hatten sich im Grunde bereits alles gesagt. Das wusste Max und Leon wusste es ebenso.


    "Leb wohl alter Freund", sagte Maximilien mit Wehmut zu Leon.
    "Du möchtest nicht darüber reden?", fragte der Geist des alten Leibdieners erstaunt.
    "Nein es ist alles gesagt. Ruhe in Frieden Leon, das ist mein Scherbenhaufen, nicht Deiner", antwortete Maximilien und Ansgar gab den Geist frei.



    ****



    Was Maximilien bevorstand waren einige der schwersten Stunden. Vielleicht nicht als Außenstehender betrachtet, aber nahm man sich die Zeit hinter die Kulissen zu schauen, sah man dass der Mann der alles besaß, doch nichts wirklich sein Eigen nennen konnte.


    Fast nichts.
    Maximilien setzte sich zu Fabien und schaute seinen Leibdiener nachdenklich an. Fabien schaute freundlich zurück und schob seinen Kaffeebecher in die Mitte, damit Max einen Schluck nehmen konnte.


    "Was trägt man als Teilnehmer einer Hinrichtung?", fragte Max Fabien, der ihn schockiert musterte.
    "Bitte?", fragte Fabien perplex.


    "Nicht meine eigene, die meiner Mutter. Aber auf gewisse Art fühlt es sich wie meine eigene Hinrichtung an Fabs. Das einzige Stück Wurzel, dass von mir übrig geblieben ist, muss ich am kommenden Morgen selbst abhaken", sinnierte Max und nahm einen Schluck Kaffee.
    "Ich kenne die Hintergründe nicht, aber das hieße ja...", ließ Fabien den Satz unvollendet und rutschte näher zu Max auf.


    "Ja, genau so ist es auch Fabien. Ich habe meinen Vater verloren, ich habe meinen Bruder verloren.
    Am kommenden Morgen werde ich meine Mutter als Hochverräterin verlieren. Vor wenigen Minuten habe ich Leon erneut verloren.


    Mein Vater starb, da meine Mutter nicht in einer Zwangsehe mit ihm leben konnte und wollte.
    Mein Bruder wurde versehentlich mit in den Tod gerissen.
    Und um das Ganze zu vertuschen, wurde von dieser Frau ein Orden in den Tod geschickt und in Misskredit gebraucht.


    Lebe ich so anders als mein Vater? Nein. Auch ich führe eine Pflichtehe als Erstehe. Wie meine Frau tatsächlich zu mir steht, ist mir unbekannt. Ich habe zwei weitere Frauen, geführt als Liebesehen. Aber was diese von mir halten, ist mir ebenso unbekannt.


    Heiratete eine von ihnen Maximilien oder heirateten sie alle nur den Duc?
    Die Frage kann ich weder Dir noch mir beantworten.


    Welches Grauen für alle Beteiligen aus solchen Absprachen entstehen kann, siehst Du am Beispiel meiner Eltern.


    Dreux hingegen bestand darauf, dass auch die Erstehe eine Liebesehe sein darf, dass auch diese Ehe von Zuneigung, Vertrauen und Freundschaft getragen werden sollte. Er hat Recht und ich wünsche ihm, dass seine Ehe genau das wird - eine Liebesehe.


    Meine Mutter hatte ein Verhältnis mit Parcival. Scheinbar wurde er als Werkzeug für ihre Pläne genutzt. Ich denke beide haben sich gleichfalls mit Schuld beladen, denn es gehören immer zwei dazu. Einer der benutzt und einer der sich ohne jede Gegenwehr benutzen lässt.


    Ich musste mit 17 Jahren den Thron besteigen und von Null anfangen. Leon stand mir bei und lehrte mich die Dinge, die ich trotz aller Ausbildung nicht kannte. So war es Tradition, ebenso wie es Tradition war, dass die Erstehe eine Pflichtehe ist. Anstatt das Amt mit kalten, toten Händen weiterzureichen, wie es mir mein Vater überreichte, änderte Dreux die Tradition und nun wird das Amt mit warmen, lebenden Händen weitergegeben. Auch hier hatte er Recht.


    Vielleicht sollte man sich nicht jeder Tradition ungefragt beugen, sondern im Zweifelsfalle die Tradition ändern, wenn sich das Beugen zu sehr schmerzt.


    Und den Umstand über den Fall der Agenten der Autarkie, wie auch den Unfall meines Vater zu klären wurde Leon mein alter Leibdiener beschworen. Er klärte uns auf, was sich damals zugetragen hatte Fabien. Zum Klärungsbedarf kam es, da sich zwei Kinder der Agenten der Autarkie als Paar zusammengeschlossen haben. Wir befürchteten ein Bündnis gegen die Krone dahinter, aber Ciel war dafür genau den Umstand offen anzusprechen. Allein den Kindern der Agenten wurde damals Gnade gewährt, sie wurden mental bereinigt und dann in Kinderheime gegeben.


    Und auf einmal aus heiterem Himmel, bittet mich Chevalier de Mancini im Thronsaal darum, Boldiszar meinen Leibgardisten erwerben zu dürfen. Beides jene Kinder der Agenten. Dass ich in dem Fall nicht an Zufälle glauben konnte, war klar.


    Der Zufall führte sie aber nicht zusammen um uns zu schaden, sondern um altes Unrecht zu sühnen. Und um wieder zusammenzufügen, was zusammen gehört.


    Die Klärung fand bei der Ruine der Gewitterfeste statt, da sich Ciel dort vor Ort befand. Ein passender Ort - eine Ruine, genau dass was unsere Familie auch bald werden.


    Nach Leons Aufklärung, bat Ciel darum, mit Parcival persönlich die Aussprache suchen zu dürfen. Ich gewährte ihm seine Bitte. Abseits von uns führten sie das Gespräch und es zog sich besorgniserregend in die Länge.


    Bis zu jenem Punkt, so Parcival Ciel magisch angriff. Glücklicherweise hatte mich Davard begleitet. Leon lenkte Parcival ab, Davard störte den Angriff auf Ciel und in dem Moment enthauptete ich Parcival um das Leben meines Sohnes zu retten.


    Eine Handlung, die jeder liebende Vater begangen hätte.
    Eine Handlung, die in den Augen von Ciel verachtenswert war.


    Ciels Wut nach Parcivals Tod richtete sich gegen mich. Seine Trauer galt nicht Paricvals Opfer, sondern dem Verräter. Weder kann ich dies logisch noch emotional erfassen, es entzieht sich meinem Verständnis.


    Ciel warf vor dem Gespräch die Frage auf, ob es möglich wäre, dass ich der Sohn von Duchesse Francoise Esme de Souvagne und Parcival wäre. Demzufolge wären wir, sprich ich sowie alle meine Nachkommen keine de Souvagnes und der Thron würde an die de Neufvilles übergehen. Seltsamerweise schien er von der Idee sehr angetan zu sein, ebenso davon, dass Parcival sein Großvater sein könnte.


    Wenn dem tatsächlich so wäre Fabien und ich kein de Souvagne wäre, dann wäre mein gesamtes Leben eine Farce. Weder hatte ich eine Kindheit, noch hatte ich ein richtiges Erwachsenenleben, noch habe ich eine Familie wie man sie allgemein hin kennt. Ich hatte und habe stets ein Amt erfüllt und selbst das wäre nicht das meine gewesen. Meine gesamte Existenz wäre sinnlos.


    Für Dreux, Greg und Ciel wäre ein Umdenken sowie eine Umkehr nicht zu spät. Zwar hatten sie auch die Kindheit eines Adligen zu leben, aber ich habe ihnen alle Möglichkeiten geboten, die mir zur Verfügung standen. Ich weiß was ich selbst vermisst habe, aber ich weiß auch, wo man für junge Adlige und vor allem für zukünftige Monarchen die Grenze ziehen muss.


    Wenn man mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, kann man gerne behaupten auf alles zu verzichten. Aber würden sie das wirklich wollen? Würde Ciel das tatsächlich wollen? Der Palast, die Diener, die gesamte höfische Leben, die Lebensart und die Lebensweise, der Reichtum, die existenzielle Sorglosigkeit - all das was wir genießen dürfen, wäre fort.


    Nichts davon würde bleiben, denn die Geburtslinie des Mannes ist ausschlaggebend und Parcival war nicht einmal von Stand oder Adel. Würde Ciels Wunschtraum in Erfüllung gehen würde er als freier, mittelloser Mann aufwachen. Es wäre von Vorteil, dann auf die Freiheit zu verzichten und sich einen guten Lehnsherren zu suchen, denn einen Beruf der einen ernährt haben wir nicht gelernt. Wir könnten uns höchstens als Buchhalter, Büttel oder Söldner verdingen, resultierend aus dem was ein Adliger nebenbei lernt.


    Trotz all seiner Wünsche, Tagträume und Hirngespinste kann ich jedem versichern der Sohn meines Vaters Alain Etienne de Souvagne zu sein, denn ich würde einem Mann nicht dermaßen optisch ähnlich sehen, wenn wir nicht blutsverwandt wären.


    Was ist nun die Quintessenz aus dem heutigen Tage?


    Das ist trotz all meines Wohlstands nichts besitze.
    Weder Vater, Mutter, noch Bruder, aufgrund ihres Todes.
    Weder Ehefrauen, noch Kinder, aufgrund seelischer Distanz.
    Weder Freunde, Kameraden, noch Kumpel, aufgrund meines Amtes.
    Die wahre Bedeutung von Duc ist allein.


    Ich besitze einzig und allein einen einzigen Vertrauten - Dich.


    Und morgen früh gilt es, nicht nur das tonnenschwere Ornat zu tragen, sondern auch das Reichs- und Richtschwert um damit die Duchesse persönlich vor aller Augen zu richten. Niemand, auch nicht die alte Duchesse steht über dem Duc selbst. Keine Person in Souvagne steht über dem Großherzog. Ein Angriff auf ihn wird stets und in aller Härte mit dem Tode geahndet.
    Auch wenn mir die Duchesse Francoise Esme de Souvagne nie etwas als Mutter bedeutete, ist sie dennoch die Frau die mich gebar, ein Teil meiner Wurzeln, ein Teil von mir selbst.


    Ich möchte sie nicht töten, ich will sie nicht persönlich richten. Aber ich werde es tun, wie stets der Tradition folgend. Und der Tradition folgend, werde ich Rüstung tragen, so wie der Duc de Souvagne einem Feind auf dem Feld gegenübertritt.


    Ich überlege ob dies meine letzte Amtshandlung als Duc sein wird. In dem Fall werden wir den Hof, aber nicht Sovagne verlassen Fabien. Die Verhaftung aufgrund von Hochverrats müsste bereits erfolgt sein. Sei so gut und rufe Remy zu mir", erklärte Maximilien sanft.


    Fabien stand auf, nickte stumm und machte sich umgehend auf den Weg. In der Tür blieb er stehen und schaute zu seinem Herrn und besten Freund zurück. Müde und ausgelaugt, saß der Duc am Tisch und trank gedankenverloren seinen Kaffee.

  • Wenig später kam Remy herbei. Man konnte ihm viele charakterliche Unzulänglichkeiten ankreiden, wie Verschwendungssucht und einen einseitigen Blick auf die Damen, der sich auf die Freuden beschränkte, den ihre sinnlichen Körper zu bieten hatten, aber als Himmelsauge und auch als Freund war er immer zuverlässig gewesen. Er sah heute arg zerknautscht aus. Man sah ihm an, dass er die Nacht mit dem Genuss seines Lieblingslasters verbracht hatte und sein Leibdiener noch zu unerfahren war, um die Spuren der Nacht in der Kürze der Zeit auch nur annähernd glaubwürdig zu verdecken.


    "Entschuldigt bitte meinen Aufzug, Majestät", erklärte Remy mit einer eleganten Verneigung. "Ich bin sehr übereilt vom Nachtlager aufgebrochen, als mich Davard kontaktierte. Was für ein Schock! Ein Eimer kaltes Wasser ist nichts dagegen. So schnell bin ich noch nie aus dem Bett aufgestanden. Ich bin geradewegs zu Jules geeilt, ach was geeilt, ich bin gerannt, und habe ihm den Befehl bezüglich Eurer Mutter übermittelt. Jules war genau so von den Socken. Aber er hat nicht verraten, in wie weit die Himmelsaugen den Tod Parcivals mitbekommen haben. Ich glaube, er ist momentan selbst nicht mit ihnen verbunden, kann das sein? Ich vermute aber, der Tod des Erzmagiers wird eine tsunamiartige Erschütterung aller magischen Ebenen nach sich gezogen haben, besonders aber in der Frequenz, in der sich die Himmelsaugen tummeln. Ich meine selbst auch etwas gespürt zu haben, obwohl ich geblockt werde, aber es könnte auch ein Beben der Wiedersehensfreude gewesen sein, denn Olivie hat mich sehr herzlich in ihren Gemächern empfangen. Jules und ich hatten uns jedenfalls gerade besprochen, wie wir am klügsten Vorgehen. Das ist nämlich nicht so einfach, wisst Ihr? Ich kann da nicht einfach reinmarschieren und sagen: Mutter des Ducs, folgen Sie mir ins Verlies, Sie sind verhaftet. Das heißt, wenn Ihr mir das befehlt, dann mache ich es, aber ich wollte eigentlich noch eine Weile leben und dachte, dies läge vielleicht auch in Eurem Interesse. Ich bin noch nicht sehr lange Prince und obendrein eingeheiratet, man würde es vielleicht missverstehen. Mir würde man nicht abkaufen, dass dieser unerhörte Befehl von Euch stammt, sondern Übles vermuten, vielleicht sogar den stümperhaften Auftakt eines Staatsstreichs! Wir waren daher gerade zu dem Schluss gekommen, Jules und ich, zuvor Dreaux zu informieren, so dass der Befehl von ihm ausgesprochen werden kann, damit ich nicht den Schwertern einer übereifrigen Leibgarde zum Opfer falle, aber auf dem Weg zu ihm hat mich Euer Fabien abgefangen. Sehr tüchtiger Bursche übrigens, Maurice sollte sich von ihm einarbeiten lassen. Ihr seht ja, wie ich aussehe, Majestät."


    Er unterbrach seinen Redeschwall, richtete sich wieder auf und sah Maximilien mit gesenkten Augen an. In die Augen blicken durfte man dem Duc nicht und er als Geistmagier noch weniger, da dies im doppelten Sinne als Angriff missverstanden werden konnte. Wie Maximilien da an seinem Tisch hing und Kaffee schlürfte, wirkte er durch und durch unglücklich.


    "Max?", fragte Remy vorsichtig.

  • Maximilien hörte Remy zu, oder vielmehr hörte er die permanente Geräuschkullisse die Remy verursachte. Es störte Max nicht weiter, im Grunde tat die Beschallung gut um sich nicht völlig allein zu fühlen. Wie wenn man morgens früh das Fenster aufriss um den Vögeln beim Gesang zuzuhören, damit man überhaupt etwas hörte.


    Max verfolgte Remys Bericht mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege und schlürfte seinen Kaffee, oder besser gesagt den kalten Kaffee von Fabien. Er vermisste einen gewaltigen Schluck Rum oder Klaren im Kaffee, aber soviel wie er gerade trinken wollte um zu vergessen, vertrug er gar nicht.


    Während seiner Gedankengänge fiel ihm ein weiterer wichtiger Punkt ein, der Marquis Mayhew de Cheverette.


    Mit dem Marquis musste er umbedingt reden. Denn der Mann war zur Zeit nicht nur sein Gast, sondern er war ebenso sein Onkel. Seine Mutter Duchesse Francoise Esme de Souvagne war die Schwester von Mayhew und es galt zu klären in welchem Verhältnis Mayhew zu dem Verrat und seiner Schwester stand.


    Bestenfalls war er genauso ein Opfer der Umstände wie Alain, Bernard und er selbst. Maximilien empfand es als trauig, so etwas als beste Umstände bezeichnen zu müssen, aber dem war leider so. Sein Onkel würde sich von einem Himmelsauge und zwar von Jules auslesen lassen müssen. Maximilien hoffte, dass Mayhew unschuldig war und der Spuk mit der Hinrichtung von Duchesse Francoise Esme de Souvagne ein Ende hatte.
    Dennoch würde er als Zeichen der Ehrlichkeit und Ehrbarkeit von Mayhew erneut den Treueschwur verlangen.


    Als Zeichen seiner Ehrbarkeit und seines Vertrauens könnte er der Bitte entsprechen Mayhews Tochter zu ehelichen. Und mit diesem Akt schloss sich erneut der Kreis der Tradition. Eine erneute Zweckehe um etwas zu besiegeln, dass überhaupt nichts mit einer Ehe zu tun hatte. Wieder eine Pflichterfüllung, die erst zu dem ganzen Desaster geführt hatte.


    Am Rande seines Bewusstseins bekam Maximilien mit, das Remy die Duchesse Francoise Esme de Souvagne nicht verhaftet hatte. Warum? Das hatte er nicht mitbekommen. Natürlich konnte man die Sache auch völlig schmerzfrei unter den Teppich kehren, wenn die Duchesse des Nachts entschlafen würde.


    Aber den Gefallen würde ihm seine Mutter nicht freiwillig tun. Wo war einer dieser verfluchten Lichs wenn man ihn benötigte? Nun er hatte andere Möglichkeiten, weitreichende sehr tödliche und effektive Möglichkeiten, eine davon war unter anderem Davard und seine Fantome. Aber man konnte kaum das Recht repräsentieren, indem man es selbst brach.


    Allerdings konnte man so den Frieden wieder herstellen, ohne allzugroßen Staub aufzuwirbeln, wie es seinerzeit durch die Agenten gehandhabt wurde und wie es heute noch in Einzelfällen die Lotusse zu tun pflegten.


    Öffentliche Aburteilung und Hinrichtung mit dem Rattenschwanz der dazu gehörte versus Meuchelmord und absolutem Frieden.


    Maximilien nahm noch einen großen Schluck, irgendwie schmeckte ihm der Kaffee schlagartig nicht mehr, er hinterließ etwas widerwärtiges pelziges auf seiner Zunge. Angewidert stellte er den Becher beiseite. Er rieb sich gerade erschöpft über das Gesicht um seine hämmernden Kopfschmerzen zu vertreiben, als jemand seinen Namen sagte und ihn somit aus seinen trüben Gedanken riss.


    Max schaute sich kurz irritiert um und musterte Remy, als sähe er ihn zum ersten mal.


    "Remy?", gab Maximilien zurück.

  • Maximilien schaute Remy in die Augen und hielt dessen Blick für einen Moment fest. Das Angebot rührte Max, aber leider konnte Remy ihm nicht helfen, niemand konnte das.


    "Danke der Nachfrage Remy. Nein Du kannst nichts für mich tun.
    Es liegt nicht daran ob jemand etwas für mich tun kann. Es geht nicht um das tun, sprich die Ausführung.
    Es geht um die Entscheidung was getan werden muss und diese kann mir niemand abnehmen.


    Momentan ist nicht der beste Zeitpunkt für ein Gespräch, ich hätte Dich zu einer anderen Stunde rufen lassen sollen. Trotzdem Danke ich Dir für Deinen Besuch und Deine Umsicht. Sei so gut und halte Dich bitte mit Jules bereit. Sobald das Problem behoben wurde, lade ich Dich als Dankeschön auf ein privates Treffen ein. Aber nun geh bitte, ich benötige einen Augenblick der Ruhe und Besinnung", bat Maximilien.

  • Remy guckte verwirrt. Er merkte sehr deutlich, dass Max neben sich stand. Erst ließ er ihn rufen, dann hörte er ihm nicht zu und nun schickte er ihn einfach wieder weg. Es war offensichtlich, wie elend es ihm ging. Aber der neue Schwiegersohn war offenbar ungeeignet, ihm in dieser Stimmung Trost zu spenden. Remy beschloss also in seiner Geistesgegenwart, Minette vorbeizuschicken. Sie galt als die Lieblingsfrau des Ducs. Ob es wirklich so war, wusste er nicht, aber zumindest ging sie immer sehr liebevoll und zärtlich mit ihrem Mann um. Das würde Maximilien sicher gut tun.


    "Wie Ihr wünscht", sagte er ergeben, verneigte sich und verließ rückwärts den Raum. Kurz bevor die Tür von den Gardisten verschlossen wurde, krähte Remy noch hindurch: "Aberfallsduesdirandersüberlegstsageinfachbescheid!" Dann klickte das Schloss. Remy marschierte im Eiltempo los und suchte Minette auf.

  • Maximilien musste nicht lange warten. Minette betrat den Raum, dicht gefolgt von ihrer Zofe. Als sie ihren Mann sah, wusste sie, das irgendetwas Schlimmes vorgefallen sein musste. Allerdings sah er nicht so übel aus, dass sie fürchten müsste, Ciel wäre etwas zugestoßen. Das beruhigte sie ein wenig.


    Sie gab ihrer Zofe ein Zeichen. Diese löste die Schnürung von Minettes Korsett, so dass sie es ihr abnehmen konnte. Sie löste ihr auch vorsichtig das Brustband unter dem Oberteil heraus, so dass Minettes Oberkörper ganz weich war. Das war Sinn und Zweck der Sache. Minette hielt sich nicht mit irgendwelchem Geplapper auf, sondern nahm Maximiliens Hand und zog ihn mit sanfter Führung in Richtung Sofa. Ihre Zofe zog es derweil aus und legte die Kissen so zurecht, dass sie beide sich hineinlehnen konnten. Minette setzte zuerst ihren Mann hinein und sich dann daneben. Halb saßen, halb lagen sie. Sie griff ihm an den Hinterkopf und zog seinen Kopf auf ihre weiche Brust, um ihn liebevoll zu kraulen. Wenn er sprechen wollte, konnte er das tun, oder einfach nur ihre Nähe genießen. Sie würde für ihn da sein.

  • Maximilien war erstaunt einige Minuten später Minette zu sehen. Er beobachtete irritiert ihr Treiben, bis sie ihn aufs Sofa gesetzt, in den Arm genommen und an sich gedrückt hatte.


    Sie sagte ihm alles was er wissen musste, ohne ein einziges Wort zu verlieren.
    Er antwortete ebenso, hielt sich an seiner Frau fest, schmiegte sich an und ließ seinen Tränen stumm freien Lauf.