Royaler Besuch - Duca Tazio Ferdinando di Ledvicco

  • Royaler Besuch - Duca Tazio Ferdinando di Ledvicco



    Die Ankunft von Tazio und Vianello in Souvagne


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    In einem dunklen Gang des Palastes öffnete sich inmitten der hölzernen Wandvertäfelung eine Tür und zwei Männer traten hinaus. Der eine war jung, der andere war alt und beiden sah man an, dass sie nicht von hier stammten. Der Jüngere untersuchte kurz, wie die Tür sich in der Wand einfügte, so dass sie im geschlossenen Zustand vollkommen unsichtbar war. »Wir hätten diesen Wartungsgang nicht ohne einen ortskundigen Führer betreten sollen«, stellte er fest. »Dass er in so labyrinthische Tiefen führt, konnte niemand ahnen. Wie viele Stunden waren wir darin verschollen? Am Ende war es ein Geheimgang und nicht für die Augen von Gästen bestimmt.« Er rückte seinen schwarzen Dreispitz zurecht, den er zusammen mit einer Halbmaske trug. Von diesen Accessoires des ledwicker Adels abgesehen trug er momentan souvagnische Hofkleidung. Er war in seiner Felduniform gereist, die nach Monaten - einem Jahr? - des Einsatzes dermaßen verschlissen war, dass er sich in ihr nicht unter Zivilisten zeigen konnte. Die Zusammenstellung mutete etwas merkwürdig an, aber er würde sich über Gastfreundschaft nicht beklagen. »Ich denke, wir sollten langsam unseren Gastgeber aufsuchen«, fand er. »Frag dich durch.«


    Vianello Leonardo
    Vianello der alte Leibdiener und Wächter von Tazio nickte ergeben. "Sicher Herr, wer weiß was uns dort alles hätte passieren können. Wohlmöglich wären wir dort verloren gegangen. Wir sind schließlich niemandem begegnet. Wen wünscht Ihr aufzusuchen? Seine Majestät oder ein anderes Mitglied der Krone?", fragte Vianello respektvoll und befreite die Kleidung des Duca vom Staub. "Also wenigstens eine Putzkolonne könnten sie in Intervallen durch die Gänge scheuchen", schmunzelte er.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Der junge Duca breitete die Arme aus, so dass Vianello ihn entstauben konnte. »Jemanden, der Zeit hat, sich um uns zu kümmern. Ich kenne die Herrschaften nicht und kann daher keine Vorliebe benennen. Schauen wir einfach, wer Zeit hat.« Er schaute in beide Richtungen des Flures, in den der Geheimgang gemündet war. »Ich denke, wir müsse da lang.« Er gab die Richtung vor.


    Vianello Leonardo
    Vianello folgte dem Duca, aber kaum einen Schritt entfernt, so dass er zur Not eingreifen konnte. Er glaubte zwar nicht, dass dies hier erforderlich war, aber er wollte keine Nachlässigkeit einschleifen lassen. Er musste stets und immer wachsam sein. Der Weg führte sie zurück zu den öffentlichen Räumen. Es gab Wartezimmern, kleinere Lese- und Unterhaltungszimmer und in jedes spähte Vianello für seinen Herrn hinein. Sie liefen weiter und schlagartig hinter der nächsten Tür standen sie in der größten Bibliothek die sie sich vorstellen konnten. Nicht nur das domartige Gewölbe war atemberaubend, oder die Anzahl der Bücher die auf mehreren Etagen in absoluter Akrebie gehortet wurden, sondern auch die Gestaltung des Flügels. Von den Deckenmalereien bis hin zu den Sitzbänken, alles in diesem Raum verschlug einem schier die Sprache. Mittendrin an einem der Tische thronte Gregoire in ein Buch vertieft. Vianello hielt seinen Herrn behutsam am Arm fest und machte eine allumfassende Geste. "Wundervoll findet Ihr nicht auch?", sagte er ergriffen.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    "Wundervoll trifft es gut." Voll Andacht blieb Tazio stehen und ließ den Blick über die weiß lackierten Regale schweifen. Die Bücher darin standen in makelloser und lückenloser Ordnung. Es mussten Zehntausende sein, vielleicht Hunderttausende. Das Tageslicht fiel durch deckenhohe Fenster hinein. Stille. Dies war weniger eine Bibliothek, als eine Kathedrale des Wissens. Und mitten darin, wie der Regent dieses Reiches thronte des Ducs jüngster Sohn, vertieft in seine Lektüre. Tazio hatte ihn schon gesehen und der Diener, der sich um ihn gekümmert hatte, bis Vianello wieder zurechtgemacht war, hatte ihm erklärt, wer die Mitglieder der Krone waren. Da Tazio es als unhöflich empfunden hätte, still und heimlich wieder zu gehen, verneigte er sich knapp und grüßte: »Hoheit.« Er wartete einen Moment, um zu sehen, ob der Prince mit ihm sprechen wollte oder das Schriftwerk gerade Vorrang hatte.


    Gregoire Verrill de Souvagne
    Gregoire schaute von seinem Buch auf, taxierte Tazio von oben bis unten ehe er leicht das Haupt neigte und ihm ein strahlenden Lächeln schenkte. "Eure Majestät Duca di Ledvicco, was treibt Euch in meine Leseecke? Die Sehnsucht nach Wissen, oder der Wunsch nach Stille? Gesellt Euch zu mir, falls Ihr mögt", bot Verrill an.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Erfreut ob der freundlichen Begrüßung trat Tazio näher. »Der Wunsch nach Gesellschaft ist es«, antwortete er und erwiderte das Lächeln, nicht ganz so breit. Er gab Vianello ein Zeichen, ihm eine Sitzgelegenheit zu organisieren, da er auf die Schnelle keinen zweiten Stuhl entdecken konnte. So stellte er sich gemütlich hin. Er legte ein wenig den Kopf schräg, als er versuchte, zu erkennen, was für ein Buch vor dem Prince lag. »Was lest Ihr da, wenn die Frage gestattet ist? Lang ist es her, dass ich etwas anderes las als Lageberichte, Statistiken, Korrespondenzen.«


    Vianello Leonardo
    Vianello ging durch die Flure, schnappte sich einen der dort stehenden Sessel und wuchtete das gute Stück zu seinem Herrn. Er stellte ihn direkt neben Verrill ab, so dass sich die beiden in einer angenehmen Lautstärke unterhalten konnten.


    Gregoire Verrill de Souvagne
    "Natürlich ist die Frage gestattet. Wie so oft, lese ich einen Reisebericht. Die fernen Landen interessieren mich außerordentlich. Deshalb lese ich zu meinem Vergnügen Reisen in fremde Länder. Was wurde dort entdeckt? Wie leben die Einheimischen dort? Was unterscheidet sie von uns und was verbindet sie? Einfach alles was zu einer guten Reise dazugehört. Nur diese Reise findet auf dem Papier und in meinen Gedanken statt. Und Ihr? Was lest Ihr gerne?", fragte Verrill.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio setzte sich in den Sessel und machte es sich darin so bequem, wie es mit einer engen Kniebundhose und einem Korsett möglich war. »Einst las ich gern almanische Heldensagen. Bis ich feststellte, wie wenig Heldenhaftes im Krieg liegt und wie viel Blut und Schmutz, auch menschlicher. Ich wurde zu nachdenklich, um diese Art der Literatur noch genießen zu können. Erfahrungsberichte, Autobiografien wurden meine nächste literarische Leidenschaft. Zu lesen, was andere für ein Leben führen und wie sie es meistern oder daran zerbrechen. Aus ihren Fehlern zu lernen, aber auch aus ihren Erfolgen. Was ist Euer Lieblingsbuch und wer hat es geschrieben?«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    "Krieg ist immer ein Gräul Eure Majestät, ein niemals enden wollendes Spiel der Machthungrigen. Es ist ein Spiel, dessen Einsatz die Soldaten mit ihrem Leben zahlen und die Zivilbevölkerung leider auch. Souvagne führt nur Krieg um sich zu verteidigen. Und dies aus gutem Grund. Ihr könntet mit jedem von uns darüber reden, aber wohl weise wäre die Wahl meinen Bruder Ciel zu fragen, denn er war wahrlich in der Schlacht und kann nur das berichten, was auch Ihr soeben preisgegeben habt. Meine Person saß auf dem Thron als mein Vater und meine Brüder den Friedensverhandlungen in Ehveros beiwohnten. Wusstet Ihr, dass diese hier begannen? Das Zwergenkönig Dunkelerz höchstselbst an unsere Tore klopfte und um Beistand bat? Möglicherweise hat er sich eine andere Form des Beistandes erhofft, als die des schlichtenden Wortes. Aber unser Vater ließ den Fürsten von Alkena einladen und Tarik Tarkan war vor Ort. Und so wurde zwischen allen Parteien verhandelt, bis zu jenem Zeitpunkt, wo der Großherzog von Ehveros zu Friedensverhandlungen in seinem Lande einlud. Ihr werter Duca, wart zu diesem Zeitpunkt bereits verschollen. Die Verhandlungen liefen anders als erwartet. Souvagne wurde die Hohe Mark zugesprochen. Seid versichert, mein Vater strebte keine Expansion an, aber hier muss ich einwenden hat es sich für uns zum Glück so gefügt. Unser Land ist gewachsen, die Hohe Mark ist in den Schoss Souvagnes eingegliedert worden und erstmalig haben jene Almanen die nun unsere Brüder und Schwestern sind erfahren, das sie regiert werden anstatt beherrscht. Mein Vater beschützt sein Volk, er führt es nicht im Größenwahn in einen Krieg, der nicht der unsere ist. Euer Land wurde von Stellvertretern vertreten wisst Ihr davon? Jene Stellvertreter werter Duca, wurden von meinem Vater darauf hingewiesen, dass auch während der Abwesenheit des Großherzogs immer noch die Erbfolge gilt. Ihr solltet Zuhause aufräumen, was Eure Vertrauten angelangt. Vertraut mir insoweit, dass nichts so wichtig ist, wie wahrliche Vertraute. Ihr erkennt sie daran, dass sie Euch auch unbequeme Wahrheiten sagen. Denn dies setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Kürzlich erst hatten wir leider einen Fall, wo sich ein guter Mann scheinbar auf die falschen Leute verließ, oder diese auf Rücksicht auf seine seelische Erkrankung ihn in seiner Trauer gewähren ließen. Dies geht nicht. Ihr seid nicht nur der Duca von Ledwick, Ihr seid die Personifizierung Ledwicks", erklärte Verrill freundlich und legte seine Hand kurz auf die von Tazio. "Zu Eurer Frage, alle Bücher die hier in meine Hallen Einzug erhalten liegen mir am Herzen, sonst wären sie nicht hier. Meine neuste Errungenschaft ist mir natürlich immer die Liebste. Dies ist ein Reisebericht Rakshanistan, Süd, Zentral, über das gesamte Gebiet. Nehmt es, ich schenke Euch dieses Buch mit den besten Wünschen. Möge es Euch Euren Aufenthalt versüßen", sagte Verrill. Er legte sanft ein Lesezeichen hinein, klappte das Buch zu und reichte es Tazio.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio nahm das Buch entgegen und strich über die Kanten. »Dies wird mein erstes Buch in Friedenszeiten. Ausgerechnet eines über Rakshanistan.« Er lachte leise. »Ich danke Euch, Hoheit. Ich freue mich darauf, es zu lesen.« Er behielt es in den Händen, als er die Augenlider hinter der Maske niederschlug. »Mein Vater, Ainuwar habe ihn selig, zog für eine gerechte Sache in den Krieg. Das Kaisho-Abkommen war zum Wohle aller beteiligten Völker gedacht. Gemeinsam ist man stärker als allein. Gegenseitiger Schutz, Handel, Austausch von Wissen. Doch rückblickend frage ich, was wir wirklich daran gewonnen haben? Als die Goblins in den Krieg zogen, ließen drei von vier almanischen Großherzögen sich mitreißen. Auch Soldaten unter dem wehenden Banner des Leone di Marino zogen nach Norden. Geblieben sind wenige, gewonnen ist nichts. Die meisten Banner sind zusammen mit den Trägern vor Dunkelbruch liegen geblieben. Wen die Rakshaner nicht holten, den holte der Winter. Am Ende aber waren unsere Bezwinger unsere Retter. Sie gaben uns Zuflucht, Nahrung und ließen uns an ihren Feuern sitzen. Und als wir gehen wollten - da ließen sie uns. Dass in Ledvicco Unordnung herrscht, ist mir zu Ohren gekommen. Sie haben sich moderne naridische Titel gegeben, unsere waren ihnen wohl nicht gut genug. Counts haben geherrscht, wo Marchesi herrschen sollten. Es ist an der Zeit für den Duca, heimzukehren und sich Ledviccos anzunehmen.«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    Verrill schmunzelte den Duc de Ledwick freundlich an. "Vielleicht ist es genau aus jenem Grund das korrekte Buch Hoheit. Man soll die Toten ehren Majestät, aber Vorrang haben immer die Lebenden, so heißt es in Souvagne. Das Kaisho-Abkommen mag in seiner Grundidee gut gewesen sein. Im ersten Moment des Grolls schlossen sich jene Völker zum Bunde zusammen, die sich bedroht sahen um sich gemeinsam einem großen Feind zu stellen. Aber wie es bei vielen großen Bürokratien der Fall ist oder wird, bringen sie sich selbst zu Fall durch Gewinnsucht und Eitelkeit. Denn wie heißt es so schön? Gewinnsucht und Eitelkeit sind Werbeoffiziere der Schlechtigkeit. Ist das Handgeld aufgezehrt, verlangt das Gewissen - Fersengeld. Und wo waren sie denn, als man sie benötigte? Das Kaisho-Abkommen hat sich widerrechtlich über Landesgrenzen hinweggesetzt, Staatseigentum annektiert und Diebstähle begangen. Unsere Souveränität wurde angegriffen. Roderich oder auch die Goblins haben keine Verfügungsgewalt über Souvagnischen Boden! Ein Kriegsrat hätte einberufen werden müssen. Aber sie entschieden über die Köpfe aller hinweg. Für Kaisho? Für die Almanen? Für die Goblins? Nein! Sie opferten gute, rechte, aufrichtige Männer - Almanen wie Goblins, um sie in den Flammen des Krieges zu verheizen der nicht einmal der ihre war. Sie ließen Männer des Kaishos sterben für Zwerge. Waren die Zwerge Bündnispartner? Nein! Die Zwerge waren seit jeher autark und wollten mit keiner Nation auf Asamura etwas zu schaffen haben. Als sie merken dass sie dabei waren mit Verlaub - den eigenen Arsch zu riskieren, erst da waren sie Manns genug auch das Gesicht zu verlieren und um Hilfe zu bitten. Vorher haben wir sie keinen Deut interessiert. Und urplötzlich, als Hilfe rar war und dennoch benötigt, erinnerten sich die Zwerge an die anderen Nationen. Und auf einmal, war jene Tugend - die er Autarkie plötzlich erpönt. Denn nun bekamen die Zwerge genau das zu spüren, was sie jahrelang anderen Völkern entgegen brachten - Gleichgültigkeit. Dies schien den kleinen Männern nicht zu schmecken. Nein für Kaisho wurde im Krieg nicht gehandelt. Raffgierige Herrscher hatten vor sich auf Kosten der kleinen Männer und Frauen die für sie im Graben des Krieges verreckten zu profilieren. Sich mit Orden und Lammetta zu behängen und sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Sterben durften dafür andere. Uns Souvagnern ist es gleich wie man uns schimpft. Uns scheren weder andere Nationen, noch scheren uns andere Meinungen uns scheren Souvagner und wahre Verbündete. Jene die noch wissen, was Wahrheit, Loyalität, Gesetz und Ehre bedeuten. Ehveros wusste es nicht, Evalon wusste es nicht, die Hohe Mark wusste es nicht und Euer Land - leider auch nicht. Also schlossen wir die Grenzen und bereiteten uns auf den ultimativen Endschlag vor. Wie so oft. Möchtet Ihr vielleicht etwas Tee und leichtes Gebäck? Nun ich möchte Euch lediglich unsere Sicht nahelegen, aber wenn ich Euch einen Rat geben darf Duca - Ihr seid das Land, Ihr seid das Leben der Ledwicker - denkt zuerst an sie. Kein Bündnis der Welt ist es wert Eure Leute bewusst in den Tod zu schicken. Es sei denn Ihr verteidigt, das taten die Kaishos nicht. Denn Kaisho wurde nicht angegriffen. Sie rächten auch nicht. Sie waren Selbstdarsteller. Sie zogen in den Krieg. Zeigten die einstigen Feinde damit mit größere Gnade als jeder Zwerg? Die Zwerge schlachteten Euch wie Vieh! Die Rakshaner gaben Euch von ihrem Brote. Gedenkt meiner Worte", sagte Verrill freundschaftlich.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Gebäck wäre sehr freundlich. Wir zogen nicht für die Zwerge in den Krieg«, stellte Tazio klar. »Wir taten es für Almanien und damit auch für unser Land. Der Gedanke war, die militärische Kraft der Zwerge zu nutzen, um das Chaos zurückzudrängen, bevor es weiter nach Süden marschiert. Anstatt dass die Rakshaner uns einzeln nacheinander niedermähen, wollten wir Seite an Seite ein Bollwerk gegen den Tod bilden. Nachdem die Tore von Dunkelbruch zerstört worden waren, zogen die Zwerge sich in den Schoß der roten Berge zurück. Sie versiegelten die Eingänge - und wir standen noch draußen. Ledvigiani, Streiter der Hohen Mark und von Ehveros und Goblins gleichermaßen. Der geplante Vernichtungsschlag gegen das Chaos vernichtete vor allem unsere eigenen Truppen. Es war jene Zeit, in der mein Vater fiel. Nachdem der Frieden endlich vereinbart war, fernab von Dunkelbruch im sonnigen Ehveros, war es für die meisten von uns bereits zu spät. Erst jetzt zeigten die Zwerge ein Erbarmen und versorgten uns mit Decken und Kleidung. Ein Teil von uns wurde durch ihre Stollen evakuiert. Ob sie die Heimat je erreichten oder dort unten blieben, dies weiß ich nicht. Ich verbot meinen Männern, den Zwergen zu folgen, da ich ihnen nicht mehr traute. Ich konnte nicht alle aufhalten. Nicht jeder war dazu zu bewegen, draußen in den Schneestürmen auszuharren.«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    Verrill läutete nach Gaston. Der Leibdiener des Prince kam einige Minuten später herbei geeilt und servierte Tee und leichtes Gebäck. Als er sah dass sein Herr einen Gast hatte, eilte Gaston erneut davon und holte ein zweites Gedeck. Er verneigte sich respektvoll und ließ die beiden Hochadeligen wieder allein. Verrill nahm sich einen Keks, tunkte ihn in den Tee und nahm einen Bissen. "Meine Sicht der Dinge wird Euch vermutlich nicht schmecken, aber man sagt mir nach meine Sicht wäre vollumfänglich. Habt Ihr gehört was Ihr gerade sagtet? Ihr seid den Zwergen zur Hilfe geeilt, für ein höheres Wohl. Ein ehrenhaftes Ziel. Ihr wolltet das Böse an den Toren der Zwerge zurückschlagen, für die Zwerge wie auch für Euch. Hehre Beweggründe Eure Majestät. Aber als die Schlacht verloren ging, als jene denen Ihr selbstlos zur Hilfe geeilt seid sich erneut in Gefahr sahen - geschah das, was man allgemein hin als Verrat bezeichnet. Jene die um Hilfe ersucht hatten, und sie von Euch erhielten flohen wie Feiglinge und ließen Euch zum Sterben vor Ihren Toren zurück. Und jene von denen Ihr dachtet, sie bringen Euch den schrecklichsten Tod, jene nahmen Euch in ihrer Mitte auf und gaben Euch Kost und Logis. Was lehrt Euch das junger Duca? Es lehrt Euch zumindest von beiden Parteien, beide Seiten zu betrachten. Die Wahrheit lieber Duca hat stets vier Seiten - Eure Seite, meine Seite, die Wahrheit und das was tatsächlich geschehen ist. Das heißt, jeder hat seine vorgefertigte Meinung. Ihr wie auch ich. Die Wahrheit - tja die sieht jeder anders. Und das was tatsächlich passiert ist, sollte auch berücksichtigt werden. Zumindest aber wusstet Ihr nun, dass es einen guten Grund hatte, warum kein anderes Volk den Zwergen zur Hilfe eilte nicht wahr? Sie haben die Tatsachen dahingehend verdreht, dass Ihr für sie den Kampf ausgefochten habt und gestorben seid. Ein Almane bedeutet einem Zwerg nichts Duca. Er ist geringer als Vieh, Ihr wart für sie Mittel zum Zweck - Schlachtvieh. Schaut, lernt, schaut auch doch einmal die Karte Asamuras an. Wenn die Rakshaner einen Großangriff planen würden, würden jene Mannen tatsächlich die Roten Berge überqueren um Almanien anzugreifen? Möglich ja, aber sehr unlogisch. Ein Rakshaner ist eine Person, der die Natur nichts schenkt. Warum also dieser Kraftakt, wenn er nur geradeaus laufen muss? Von Zentralrakshanistan herabgewandert Richtung Alkena weiter marschiert fast hoch bis zur Küste und dann Richtung Obenza, sie müssten nicht einen Hügel erklimmen und sie ständen im Herzen von Naridien. Naridien Duca, unserem größten Feind. Wozu rettete Ihr Naridien? Seht Ihr wie Euch die Zwerge geführt haben? Vertraut niemals einem Zwerg, vertraut niemals einem Fremdling, lasst Euch dies gesagt sein bei der almanischen Ehre Majestät", erklärte Verrill freundlich und schenkte dem Duca persönlich Tee ein.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Es war teures Lehrgeld«, bestätigte Tazio mit schmalen Lippen. »Und wir haben in Blut bezahlt. Alles, was uns an Truppen noch geblieben ist, habe ich zusammengezogen und von den Bergen fortgeführt bis zur Küste, wo wir auf den Beistand Souvagnes hofften. Unter den Leuten, die sich in unserem Tross bewegen, befinden sich noch Krieger aus der ehemaligen Hohen Mark, die nach heutigem Recht Souvagner sind. Darum haben wir am nördlichsten Tor unsere Ankunft gemeldet und gewartet, auf Hilfe oder zumindest eine Durchreisegenehmigung. Nun bin zumindest ich schon einmal hier. Ist schon geklärt, was mit den bewaffneten Truppen geschehen soll?«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    "Lehrgeld das mich für Euch schmerzt. Euer Land ist wie das unsere, etwas ganz besonderes. Schaut wir könnte auch vergleichen, was uns verbindet, was uns unterscheidet. Wir sind Almanen, wir haben ähnliche Traditionen und Werte. Und dennoch hat Euer Land vieles zu bieten, was wir nicht haben. Und umgekehrt haben wir zu bieten, was Ledwick nicht hat. Ganz lapidar bei den kullinarischen Köstlichkeiten angefangen. Aber nur wer gut genährt ist, ist glücklich und leistet etwas. Über die Truppen wurde noch nicht entschieden. Dies hängt weder mit Euch noch mit den Truppen zusammen, sondern mit einer familieninternen Angelegenheit von großer Wichtigkeit. Unser Vater hat einen Verwandten wiedergefunden und diese Person muss und soll anerkannt werden, wie mein Bruder Ciel Felicien. Ich werde mit Vater für Euch und Eure Truppen wie die unseren sprechen. Wobei, nein. Ich kann auch umgehend mit Dreux darüber sprechen und Euch zumindest Eintritt in unser Land gewähren. Wie Ihr korrekt sagt, sie die Markler nun Souvagner. Und Ihr seid willkommen, also auch Euer Tross Duca. Was habt Ihr für die Zukunft geplant?", fragte Verrill und fasste sich auf den Bauch.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Oh, meinen Glückwunsch zur Familienzusammenführung«, antwortete Tazio und aß einen Keks. Es war ihm etwas unangenehm, dass Gregoire seine Hände sehen konnte, da er keine Handschuhe trug und hoffte, es würde nicht allzu großen Missfallen erwecken. »Meine erste Amtshandlung wird es sein, den Adel von Ledvicco in seine Schranken zu weisen. Meine Stellvertreter, die sogenannten Counts, haben jedes Vertrauen verspielt. Sie werden mit ihren Familien für immer aus unserem Land verbannt. Ich werde hernach fünf besonders verdiente Familien an die leergewordene Stelle in den Stand der Marchesi erheben, was dem souvagnischen Marquis entspricht. Die Wirtschaft muss wieder in Gang gebracht werden. In den letzten Jahrzehnten diente sie ausschließlich Kaisho und dem Krieg gegen Naridien. Das hat nun zusammen mit dem Abkommen sein Ende gefunden. Wenn die Naridier und Norkara uns lassen, werden wir uns der inländischen Wirtschaft zuwenden. Die grundlegende Versorgung der Bevölkerung muss wieder hergestellt werden, Transportwege eingerichtet werden. Die zu großen Teilen in sich zusammengestürzte Logistik muss neu hochgezogen werden. In weniger umständlichen Worten: Wiederaufbau von Ledvicco. Es ist nichts zerstört worden in unserem Land und doch alles. Der Krieg hat uns von innen heraus aufgefressen.« Er sah Gregpire an. »Danke für die Fürsprache bei Eurem Vater, Hoheit. Ich versichere, dass wir nichts anderes tun werden, als schnellstmöglich durchzureisen, damit die Männer endlich heimkehren können.«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    "Ihr seid unsere Gäste und bevor Ihr durchwandert, solltet Ihr mit meinem Vater oder Dreux sprechen. Nichts sprich gegen ein Bündnis, eines dass auch das Papier wert ist, auf jenem man es verewigt. Schaut Alkena und Souvagne. Hegt Ihr daran Interesse? Ein Bündnis auf Gegenseitigkeit, Import - Export, Wiederaufbauhilfe, gegenseitige Hilfe. Das heißt auch Hilfe im Verteidigungsfall - nicht im Kriegsfall. Wobei ich denke, dass Ihr kein Regent seid, der kriegslüstern ist. Nein Ihr seid kriegsmüde. Ihr habt die harte Realität selbst erlebt, Ihr habt dem Krieg ins dreckige Anlitz geblickt und ebenso dem Verrat durch die Fremdlinge. Ich denke ich spreche für meine gesamte Familie, wenn ich Euch dies anbiete. Mein Vater war stets offen und wohlwollend, er bot auch Ricarda von Ehveros Hilfe an seinerzeit in Ehveros. Nun die junge Dame möchte selbst ihren Weg finden, dann sei dem so. Mehr als ein Angebot unterbreiten kann unsereins nicht. Frieden ist ein stetiger Prozess des Kampfes - meist mit anderen Faktoren als Personen. Oder wie mein Vater sagt, eine Entscheidung für etwas, ist auch immer eine Entscheidung gegen etwas. Nun ich frage Euch, da Ihr Euch wesentlich mehr Gedanken um Euer Land zu machen scheint als mach anderer Regent, was haltet Ihr von so einem Bündnis? Und gestattet mir die private Frage, was ist mit Euren Händen? Ihr schaut immer wieder darauf".


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Man müsste die Details freilich besprechen, aber wir stehen einem solchen Bündnis prinzipiell offen gegenüber. An Krieg haben wir kein Interesse, aber danach geht es leider nicht immer. Sollte es sich um einen notwendigen Angriffskrieg handeln, um unsere Feinde zurückzuschlagen, würden wir uns auf uns selbst verlassen. Wir hoffen, dass es niemals erforderlich sein wird, doch die Norkara und Naridier machen es uns manchmal nicht leicht. Ihr könnt aber sicher sein, dass dies keine Entscheidung ist, die wir ohne Not treffen würden. Es ist nicht mehr viel übrig von unserem Land und anstatt das wenige dem Rakshor in seinen Schlund voll stählerner Zähnen zu werfen, würden wir uns dem Aufbau und Ausbau widmen. Was Eure Frage anbelangt, ich bin es nur nicht gewohnt, so viel Haut zu zeigen«, antwortete der Duca schmunzelnd. »In der Regel trägt der Hochadel von Ledvicco Handschuhe. Nun frage ich mich die ganze Zeit, ob Ihr mir auf die Hände schaut und Euch gedanklich darüber amüsiert, dass man meine Finger sehen kann. Es ist natürlich albern, da in Souvagne nackte Hände die Norm sein dürften, dennoch ist es ein ungewohntes, befremdliches und leicht beschämendes Gefühl. Die Tradition rührt daher, dass wir seit jeher eine Schifffahrtsnation sind, um den Teer an den Händen zu kaschieren, der oft kaum zu entfernen ist. Zwar greift der Adel seltener in die Taue, aber es genügt ein Griff an die Reling, auf der Teer klebt und die Finger sind schwarz.«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    Verrill beugte sich so weit zu Tazio, dass dieser nicht nur ihren Duft, sondern auch ihre Wärme spüren konnte. "Ein uraltes Souvagnisches Rezept, mit dem Ihr jeden Teer von den Füßen oder auch Händen bekommt. Von jeder Körperstelle. BUTTER. Fragt meinen Onkel, er ist Seemann und er hat so einiges seltsames Wissen parat, dass mir gefällt. So etwas merke ich mir. Er sich wohl auch, Familie eben. Das was Ihr nanntet ist kein Krieg, Ihr führt keinen Eroberungsfeldzug. Dass würde ich persönlich Prävention nennen. Ich habe auf Eure Hände geschaut, da Ihr selbst hingeschaut habt. Eure Hände sind rein und wohlgeformt, wie der Rest von Euch. Seid unbesorgt", schmunzelte Verrill.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Auf das Kompliment hin neigte der Duca leicht das Haupt und lächelte. »Nach der langen Zeit unter Soldaten wieder so freundliche Worte zu hören, ist eine angenehme Erfahrung. Butter! Dann verwundert es nicht, dass niemand in unserem Land auf diese Idee kam, denn Milchvieh haben wir kaum. Butter ist in unserem Land ein Luxusartikel, so wie Getreide. Da kam anscheinend niemand auf die Idee, ihre Eignung als Hautpflegemittel zu testen. Ich werde es mir merken und das Wissen an jene weiterleiten, die es benötigen.« Tazios Nase schnupperte kaum merklich. Der Prince trug ein etwas feminines, aber wohlriechendes Parfum. »Wart Ihr im Krieg? Drei Prinzen darf Duc Maximilien de Souvagne voll Stolz sein Eigen nennen. Wie sind Eure Pflichten verteilt?«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    "Nun Ihr müsst keine Butter nehmen. Überraschend gut funktioniert die Entfernung mit Ölen und Fetten. Das kann beispielsweise Butter, Magarine, Speiseöl aber auch wichtig Lampenöl sein. Es muss aus natürlichen pflanzen oder Fetten hergestellt sein. Versucht es, wenn Ihr kein Milchvieh habt. Das wäre zum Beispiel ein Tausch, Milchprodukte gegen Sumpfprodukte. Oh das ist einfach. Dreux Gifford ist der Erstgeborene und somit Archi-Duc. Früher wurde das Amt des Duc nach dem Tode weitergegeben. Der Duc starb und sein Nachfolger wurde sofort ausgerufen. In Vaters Abwesenheit änderte mein Bruder genau das - nun wird der Titel mit warmen, also lebenden Händen weitergegeben. Mein Vater bereitet also Dreux auf die völlige Thronbesteigung vor. Dreux wird einst Duc. Ciel und ich bekamen das Amt des Furisto - des Fürsten. Wir stehen direkt unter dem Duc um diesen beraten und helfend zur Seite zu stehen. Nach uns folgen die Marquis. Ciel war im Krieg und mein Bruder Dreux auch, ich hingegen nicht. Ich verlasse den Hof nicht. Jedenfalls bis vor kurzem verließ ich den Hof nie. Dies ist meine Welt, meine Bücher sind mein Tor hinaus", erklärte Verrill feierlich.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Bücher können ein Tor hinaus sein, doch der Weg führt durch das Innere. Während der Geist frei schwebt, verharrt der Körper am selben Ort. Die Gelehrten warnen, dass das Lesen eskapistischer Literatur das Risiko der Entfremdung von der Wirklichkeit und in sich berge. Sie sprechen von Tagträumereien im selben Ton wie von den Sünden Obenzas. Manche gehen gar davon aus, dass der Intellekt darunter leide und mein Erzieher schob die Untugenden der Jugend darauf, dass die jungen Menschen von heute zu viel lesen würden.« Er schmunzelte. »Was ich damit sagen möchte: Ich lese auch gern. Warum habt Ihr im Gegensatz zu Euren Brüdern das ausschließliche Leben am Hof gewählt? Oder war es am Ende gar nicht Eure Wahl?«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    Verrill schaute Tazio an, ernst, lange und so durchdringend, dass es dem Duca vielleicht unangenehm wurde. "Aufgrund meiner Natur und die sich daraus ergebende Angst. Ich... bin der Sohn und die Tocher meines Vaters, ich bin ein Hermaphrodith. Und mein Heiler meinte es etwas zu gut mit mir, so dass ich sicherheitsverwahrt wurde. Mein Vater meinte es gut und ich wollte es auch so, da ich einst lernte, dass meine Art aufgrund von Angst und Aberglaube schnell den Tod finden kann. Mein Vater ist ein guter Mann, er liebt mich so wie ich bin und er wollte mich beschützen. Meine Brüder lieben mich so wie ich bin, aber Ciel möchte dass ich frei leben kann. Nun ich könnte, wenn ich wollte, er hat dafür gesorgt. Aber nur weil die Käfigtür offen ist, traut man sich noch nicht hinaus", gestand Verrill mit klopfendem Herzen und wartete ängstlich die Reaktion von Tazio ab.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio war auf alle möglichen Antworten gefasst gewesen oder auch ein höfliches Verweigern der Antwort - doch mit jener Offenbarung hatte er nun überhaupt nicht gerechnet. Er hob den Kopf und besah sich Gregoires Gesicht. »Jetzt, wo ich es weiß, sehe ich es«, antwortete er und lächelte ein wenig. »Was fehlt Euch, um durch die Tür zu gehen? An einer Leibgarde wird es nicht scheitern.«


    Gregoire Verrill de Souvagne
    "Mut", kam die einfache, schlichte und ehrliche Antwort von Verrill. Gregoire war erleichtert, froh ja sogar glücklich wie gelassen Tazio reagierte. So als hätte er über etwas Alltägliches, etwas Normales gesprochen. Aber wenn Tazio das tat, ein Fremder, jemand der ihn eigentlich nicht kannte - dann war es möglicherweise genau so und sein Gefühl trog ihn noch. Verrill schenkte ihm ein liebevolles und dankbares Lächeln. "Euer Verhalten mir gegenüber bedeutet mir sehr viel. Es ist ein Kompliment und Nächstenliebe, es ist Balsam für die Seele Duca. Habt Dank für Euren offenen Blick und die freundlichen Worte", freute sich Verrill. "Begleitet mich zu meinem Bruder, damit Eure Männer das gleiche Gastrecht in Souvagne genießen wie Ihr. Ein Bündnis zwischen uns kann nur gute Früchte tragen. Folgt mir", bat Verrill gerührt. Er erhob sich, wartete ab bis der Duca di Ledvicco sich ebenfalls erhoben hatte und schritt dann mit diesem gemeinsam zum Quartier seines Bruders. Vielleicht schritt der Duca damit sogar einem neuen Leben als Verbündeter Souvagnes entgegen.