Von Blut, Sold und Liebe

  • Der Ast auf dem Farael saß, war wahrlich keine Freude für seinen Hintern. Schon seit einer geschlagenen Stunde sitzt er über den Büschen am Straßenrand der Salzstraße. Sie führt nach Südwesten, einer Richtung, aus der auch gern Warenlieferungen ankamen oder Reisende in die Stadt kamen. Zumindest die, die blöd genug waren, in die ach so tolle Stadt Obenza zu kommen. Nur im nächsten Moment mit aufgeschlitzter Kehle in einer Seitengasse zu vermodern.


    Wie dem auch sei. Farael hatte vor kurzem einen vielversprechenden Auftrag vom Brett des Söldnerlagers genommen, der eine großzügige Belohnung für das Erlegen einer Banditengruppe versprach. Die paar Arschlöcher sollen wohl Reisende überfallen und somit mittellose Menschen in die Stadt treiben. Weder die Obrigkeit kann noch mehr Bettler gebrauchen, noch wollen die Händler auf ihre über Land kommenden Waren verzichten.


    Also hat sich Farael auf die Lauer gelegt und sitzt seit etwas mehr als einer Stunde auf diesem Baum. Es regte sich nichts. Langsam fragte er sich, ob es überhaupt die Mühe wert gewesen war, den Baum hinaufzuklettern. Nicht dass Farael nicht klettern konnte, doch mit seiner Ausrüstung war das doch dann ein wenig anstrengender gewesen. Und ein paar blaue Flecken waren dabei auch sicherlich entstanden. Das war aber Nebensache.


    Plötzlich hörte er jedoch Schritte und ein paar Stimmen. Tief und dreckig lachen. Eindeutig Männer. Sein Blick ging nach unten. Da schritten sie durch's Unterholz. Drei Personen, mit nicht mehr bewaffnet als Knüppeln und Messern. Das war zugegeben enttäuschend. Farael hatte auf etwas wie einen Kampf gehofft, der nicht unnötig schnell vorbeigehen musste. Wie langweilig. Nun gut, dann sollte es relativ fix gehen. Es musste nur noch die nächste Person über die Straße laufen und den unfreiwilligen Köder von Farael spielen.


    Die Männer unter ihm hatten sich ins Gebüsch gehockt und unterhielten sich. Leise und kaum ein Wort war aufgrund ihrer Ausdrucksweise wirklich verständlich. Zudem stanken sie bis zum Himmel. Im wahrsten Sinne des Wortes. Farael saß ungefähr drei Meter über ihnen und roch sie. Schweiß, Blut, Alkohol und ein wenig Pisse. Na ganz große Klasse. Mittlerweile wunderte sich Farael, wieso die Reisenden mit denen nicht fertig geworden waren. Die konnte man eine Meile gegen den Wind riechen.


    Doch lang musste Farael nicht mehr warten und diesen Gestank ertragen. In der Ferne waren Schritte auf der Straße zu hören, die näher kamen. Sie schienen aus Südwesten zu kommen. Auch die Arschlöcher unter ihm bekamen das mit und verstummten augenblicklich. Farael zog einen Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn in seinen Bogen ein. Danach blickte er in die Richtung der Schritte und konnte durch das Blattwerk ein paar Beine erkennen.Sie wirkten nicht wie die Beine eines Mannes und diese Vermutung bestätigte sich auch, als Farael schließlich den Rest der Person erblicken konnte.


    Eine dunkle Mähne fiel vom Haupt einer bildhübschen Frau. Eine Frau, die er bereits durch Zufall in einer der Tavernen in Obenza getroffen hatte. Wie hieß sie noch gleich? Anne? Anja? Ana? Farael konnte sich nicht mehr ganz erinnern, doch zeit dafür blieb auch nicht. Im nächsten Moment stiegen schon die Banditen aus den Busch, auf ihren Gesichtern ein dreckiges Grinsen. „Hallo du hübsches Ding“, sagte einer von ihnen, sein Messer in der rechten Hand.


    „Wir bekommen alles was du dabei hast und ein paar nette Stündchen mit dir, dann lassen wir dich am Leben.Wie klingt das, hm?“ Charmant. Die Frau schien sich im ersten Moment gar nicht beirren zu lassen, doch Farael tat gut daran einzugreifen. Er konnte nicht einschätzen, ob seine entfernte Bekannte auch kämpfen konnte. Deshalb spannte er den Bogen, legte an und atmete tief durch. Er verengte seine Augen und konzentrierte sich ganz auf den Redner der Gruppe. Dann ließ er die Sehne los. Der Pfeil surrte durch die Luft. Einen Augenblick später durchbohrte er den Kopf des Banditen. Zugegeben, es sah witzig aus, wie der Pfeil im Kopf steckte, ohne etwas aufgerissen zu haben. Der Typ kippte einfach tot zur Seite, seine Kumpanen standen vollkommen perplex daneben.


    Damit schulterte Farael seinen Bogen, nahm zwei Finger und pfiff laut. „Hey ihr Wichser, so behandelt man ein Weib nicht!“, brüllte Farael vom Baum herunter, die Blicke richteten sich auf die Baumkrone in der er saß. Nur musste er erst einmal vom Baum herunterkommen.


    „Du Arschloch hast Bruno getötet!“, kam als Antwort gebrüllt. „Nefir, kümmere dich um unsere Eroberung, ich mach den Scheißer fertig!“ Dann sah Farael auch schon einen von ihnen auf sich zukommen, der Andere versuchte der Frau auf die Pelle zu rücken. Es galt Eile! Mit eher ungelenkem Festhalten und Fallenlassen schaffte es Farael wieder auf den Boden, der Typ unter seinem Baum hatte ihn aber schon erwartet. Knapp entging Farael einen Hieb mit der Holzkeule, als er sich nach unten wegduckte. Dabei gab er dem Banditen einen Schlag in die Niere mit.


    Dieser taumelte zurück, hielt sich die Stelle. Farael zog sein Schwert und griff es mit beiden Händen. Er verschaffte sich einen sicheren Stand und machte sich bereit zu parieren. „Du und dein Kumpel habt wirklich keine Manieren, hm?“, forderte Farael heraus. Erfolgreich. Sein Gegenüber stürzte sich mit hoch erhobener Keule auf ihn. Wirklich schlau schien er nicht zu sein. Ohne Mühe lenkte er den von oben kommenden Schlag ab. Der Bandit rutschte zur Seite weg, seine Deckung war offen.


    Farael preschte nach vorn und verpasste dem Kerl mit dem Ellenbogen eins in die Magengrube. Er wich zurück, schnappte nach Luft. Farael gönnte ihm die Pause. Sein Gegenüber schien plötzlich wieder siegessicher und hechtete nach vorn. Seine Keule kam seitwärts. Farael drehte sich nach links weg, die Keule ging ins Leere, als Farael rechts von dem Banditen stand. Farael machte jedoch kurzen Prozess, nutzte den Schwung aus seiner Drehbewegung und trennte dem Banditen in einem Streich den rechten Arm ab.


    Ein gequältes Schreien ertönte. Der Mann ging zu Boden. Farael gab ihm am Boden den Gnadenstoß. Der Schrei verstummte und wich einem schwachen Röcheln, ehe der Körper des Banditen ganz erschlaffte. Schließlich blickte Farael auf. Dieser Nefir war schon an die Frau herangekommen. Farael war zu weit weg, um seinen ersten Streich zu verhindern. Er hoffte, dass die Frau kämpfen konnte, als er zu ihr zu sprinten begann.

  • „Das war’s mit der frischen Luft!“, dachte Ana, als sie sich dem Stadtrand näherte. Es gab Tage, da konnte sie den Gestank von Obenzas Gassen nicht ertragen und wenn ihr auch der Hafen überdrüssig wurde, der salzige Wind ihr nicht länger die Sinne zu klären vermochte, musste sie die Metropole für ein paar Stunden verlassen. Heute war einer dieser Tage gewesen und sie hatte das Weite gesucht. Die Schwere einer schlaflosen Nacht hatte auf ihren Lidern gelastet und ihr Blut heiß in den Ohren gerauscht, im Versuch, all den Rum aus dem Körper zu spülen. Die Salzstraße war nicht die beste Wahl, um unbehelligt aus der Stadt hinaus oder in die Stadt hinein zu gehen, doch sie war die schnellste und Anas Körper hatte sich nach Ruhe und einem Nickerchen in der Natur gesehnt.


    Bei ihrer Rückkehr war Ana guter Dinge. Ihr Kopf war frei und sie spürte das angenehme Gewicht des gefüllten Lederbeutels an ihrem Gürtel, ein Zustand, den nicht jeder Abend in einer Taverne hergab. Nun trug sie mindestens zwanzig Münzen bei sich, festzusammengebunden, damit sie nicht klirrten und Begehrlichkeiten erweckten. Ana wusste wie man sich einigermaßen sicher durch Obenza bewegte, sofern das überhaupt möglich war.
    Wie ein dunkles Ungeheuer baute sich die Gespaltene vor ihr auf, um sie von Neuem zu verschlingen, gründlich durchzukauen und am nächsten Tag wieder irgendwo auszuspucken, ein Stück mehr gezeichnet vom Leben, ein Stück mehr beschmutzt und doch auf eine ganz spezielle Art und Weise glücklich. Vielleicht würde sie sich heute frei nehmen, ein schönes Gasthaus suchen, am besten sogar in der mittleren Ebene und ausnahmsweise auch dafür bezahlen. Ana lächelte in sich hinein. Heute ging es ihr gut und sie wusste, dass dies auch aus ihr herausstrahlte, in den Augen glitzerte, deren freudiges Leuchten schon so manchen Menschen verzaubert hatte. Womöglich müsste sie doch nicht bezahlen… und auch nicht alleine schlafen.
    „Hallo du hübsches Ding“, grollte eine Stimme in ihre Gedanken und Ana erstarrte. Drei Kerle... Sie war nicht aufmerksam genug gewesen! Mit dreien fertig zu werden würde schwierig werden. Sie fuhr sich mit der Linken durchs Haar, während sie die Rechte unauffällig zu den Griffen ihrer Dolche bewegte. Wenn sie beide warf und Glück hatte, dass sie ihr Ziel erreichten, blieb immer noch einer der stinkenden Bastarde übrig und sie wäre unbewaffnet. „Du hättest einen anderen Weg zurück nehmen sollen!“, schalt sie sich in Gedanken, da fiel der Penner, der sie so blöd angequatscht hatte, wie von Geisterhand zu Boden, einen Pfeil im Kopf. Ana sah auf, komplett angespannt und bereit zu handeln. Die Tatsache, dass der Besitzer dieses Pfeils eingeschritten war, machte ihn noch lange nicht zu einem Freund. Womöglich teilte er seine Beute nur nicht gern. Sie ließ die Griffe der Dolche los. Bevor sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte, konnten die beiden Kerle zwischen ihnen nicht schaden, die nun ebenfalls gebannt auf den Baum starrten, aus dem die Worte gedrungen waren. Der Situation zum Trotz musste Ana grinsen, als den wütenden Worten ihres Helfers mehrere Sekunden lang keine Taten folgten, ehe Bewegung in die Äste und Zweige des Baums kam. Ana kannten den Typen… einen kurzen Augenblick befiel sie das unangenehme Gefühl, wenn man jemanden erkennt, doch nicht zuordnen kann woher und befürchten muss, dass man ihn irgendwann einmal betrogen, beraubt oder beleidigt hat. Dann fiel es ihr ein. Vor ein paar Tagen hatte sie ein kurzes Pläuschchen mit dem Waldalben geführt – Entwarnung.
    Erst als der Kampf zwischen Farael und seinem Widersacher ausbrach, bemerkte Ana, dass der Kerl namens Nefir sich ihr ein paar Schritte genähert hatte. „Scheinbar ist dein Geist doch noch nicht so klar, Ana“, murrte sie in Gedanken. „Du hättest ihm schon drei Mal den Dolch in den Hals werfen können!“ Nun war er zu nah für einen kontrollierten Wurf. Der Mann hatte ein Messer gezückt und instinktiv wich Ana etwas zurück, worauf Nefir grinste und verfaulte Zähne entblößte. „Du wirst mir schmecken, Kleine.“ Sein Blick tastete Anas Körper ab und verharrte lüstern auf ihren Brüsten. Er kam näher an sie heran. Angewidert zog Ana einen Mundwinkel nach oben, harrte aber aus und ließ ihn glotzen. Die Kampfgeräusche der anderen beiden Männer waren verstummt, doch Ana wagte nicht nachzusehen, wer gewonnen hatte. Als der Bandit in Reichweite war, zog die Norkara blitzschnell beide Dolche und ehe der Mann umrissen hatte, was passierte, ließ er klirrend sein Messer fallen, schrie auf und starrte auf die Waffe in seinem Handrücken. Ana richtete die Spitze des anderen Dolchs auf seinen Kehlkopf, sodass die Spitze gerade so die Haut berührte. „Eine Bewegung oder ein falscher Blick auf meinen Körper und du bist tot“, sagte sie mit leiser aber fester Stimme. Hinter dem Mann sah sie Farael, der zu ihr geeilt war. Ein Söldner… sie erinnerte sich an das kurze Gespräch in der Taverne. Ob er auch jetzt für irgendwen arbeitete, obwohl das große Söldnerlager abgebrannt war? „Besser ist’s“, dachte sie. Seit es diesen Herd des Ungeziefers nicht mehr gab, waren ihre kleinen Raubzüge so viel einfacher von der Hand gegangen, da nicht an jeder Ecke ein bezahlter Häscher der Stadtwache lauerte.
    Er war ein attraktiver Mann, das stellte sie erneut fest. Alben verstanden es immer, selbst in der wohl schmutzigsten Stadt Asamuras, gepflegt und sauber auszusehen, eine Eigenschaft, die Ana sehr schätzte. Trotzdem; nur weil er besser aussah, besser roch und bessere Manieren hatte, als die meisten anderen Rüpel, war er hier draußen dennoch eine Gefahr für sie, solange sie nicht wusste, was er wollte. Starr hielt sie dem Kerl Nefir weiter den Dolch an die Kehle. Der Mann wimmerte ob seiner schmerzenden Hand, doch Ana dachte nicht daran, die Klinge herauszuziehen. Über seine Schulter fixierte sie den herannahenden Farael und versuchte ihn einzuschätzen. Ein bezahlter Söldner mit dem Ziel Banditen zu erlegen oder ein arbeitsloser Söldner mit dem Ziel Banditen zu erlegen? Ana fragte sich, was ihr lieber war und fand keines von beiden besonders toll. Der Alb verlangsamte sein Tempo, war aber schon so nahe, dass Ana seine Augen sehen konnte. Sie hatten ein warmes Braun; und sie drückten Sorge aus.

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Bereits von Weitem konnte Farael beobachten, dass die Frau durchaus wehrhaft war. Er sah es und der Typ namens Nefir bekam es zu spüren. Sein Schreien war unverkennbar und Farael musste etwas Grinsen, als er de Klinge eines Dolches in seiner Hand stecken sah. Makaber war es schon, aber diese Männer waren Abschaum, die schon wesentlich schlimmere Dinge angestellt hatten.


    Kaum erkannte Farael, dass seine Bekanntschaft die Situation völlig unter Kontrolle hatte, verlangsamte er sein Tempo und begann zu den beiden zu schlendern. Seine Angst, sie vor Schaden nicht bewahren zu können und als Trophäe dieser Banditen wiederzusehen, verblasste in diesem Augenblick. Sein Schwert behielt er aber vorsichtshalber in der Hand, weder wusste er, welche Tricks dieser Nefir auf dem Kasten hatte, noch ob Verstärkung anrückte.


    Farael zog einen Mundwinkel nach oben und lächelte verschmitzt, ehe er eine Verbeugung andeutete. „Die Dame“, grüßte er sie. Noch immer wusste er ihren Namen nicht mehr! Mist. Schnell ablenken und auf ein anderes Thema bringen. Sein Blick glitt zu dem Banditen und seine Mimik wurde augenblicklich finster. „Scheißkerl“, grüßte er den wimmernden Banditen, der es scheinbar gar nicht wagte, den Mund zu öffnen.


    Schließlich stellte sich Farael neben den Mann und betrachtete das Werk der Spaziergängerin. „Nicht schlecht. Du hast übrigens noch etwas von ihr, Arschloch.“ Farael rammte sein Schwert zwischen zwei Steinen in den Boden, packte die verletzte Hand Nefirs und zog ruckartig den Dolch hinaus. Der Mann schrie auf und begann zurück zu taumeln. Nebenbei reichte Farael wortlos den Dolch der Frau zurück, nahm sein Schwert und enthauptete den Banditen mit nur einem Streich. Dieser sah das Ende gar nicht kommen, wenn man das überraschte Gesicht seines davonrollenden Kopfes betrachtete.


    Mit einem Schwinger durch die Luft ließ Farael das überschüssige Blut von seiner Klinge auf den Dreck der Straße spritzen, so dass er sich die Schwertscheide nicht all zu sehr versaute. Die Waffe ordnungsgemäß verstaut, drehte er sich zu der Frau um. „Alles klar? Noch in einem Stück?“ Sein Blick glitt über ihren Körper und suchte diesen nach Verletzungen ab, wurde aber nicht fündig. „Offensichtlich. Und eine gute Figur hinlegen kannst du also auch, so wie du da stehst.“


    Die rechte Hand auf seinem Schwertknauf abgelegt, deutete Farael mit der Linken auf die Dolche in den Händen der Frau. „Sicherer Stil und für den Notfall sicherlich praktisch. Nichts für richtige Kämpfe. Du solltest üben“, erklärte er grinsend und zwinkerte ihr zu. „Auf alle Fälle 'tschuldige erst Mal für diese Unannehmlichkeiten. Du warst wohl aus Zufall mein Köder für die Scheißkerle. Naja, bringen ein hübsches Sümmchen ein. Kriegst auch etwas, wenn du das möchtest.“


    Abermals glitt der Blick Faraels über den Körper der Frau, doch dieses Mal um ihrer Ausrüstung zu überprüfen. „Bist nicht zum Kämpfen oder weiten Reisen hier draußen. Was treibt dich allein hier herum?“, fragte er neugierig und blickte die toten Körper an. „Jedenfalls scheinst du nicht mit Banditen gerechnet zu haben. Wusstest du nicht, dass die hier draußen 'rumrennen und auf deren Köpfe Kopfgeld ausgesetzt ist. Machen schon seit Wochen Händlern und Reisenden das Leben schwer. Raub, Mord, Vergewaltigung. Das Übliche bei diesem Abschaum.“

  • Ana ließ den Dolch sinken und ging gerade so weit zurück, dass sie sich nicht in unmittelbarer Reichweite des Schwertes befand. Sicher ist sicher, sagte sie sich. Sie verlagerte das Gewicht auf ein Bein und hob das Kinn an, quittierte des Alben Gruß lediglich mit einem knappen Nicken, obwohl sein Auftreten ihr gefiel. Umständlich beugte sie sich nach vorne, um ihren Dolch entgegen zu nehmen, anstelle einfach einen Schritt auf ihn zu zu machen.
    Mit zusammen gekniffenen Augen und einem gequälten Gesichtsausdruck drehte sie den Kopf zur Seite, als Nefirs Leben endete. Sie hatte schon viele Menschen sterben sehen, doch an das Köpfen hatte sie sich nie gewöhnt.
    „Danke, alles Bestens“, gab sie zurück und stemmte eine Hand in die Hüfte. Mit der anderen hielt sie die Dolche und ließ sie zwischen den Fingern wechseln, ein Trick, den sie an langen Tagen auf dem Deck der Skua bis zur Perfektion geübt hatte. … also ein bezahlter Söldner. Dennoch sah er nicht aus, wie die meisten, denen Ana begegnet war. Seine Kleidung wirkte hochwertig und er legte wirklich wert auf sein Äußeres ohne dabei weniger fähig zu erscheinen. Unter all diesen Schichten Stoff, Metall und Leder verbarg sich mit Sicherheit ein gut trainierter Körper.
    Ana dachte an ihren gefüllten Lederbeutel. Es hätte Tage gegeben, da hätte sie solch ein Angebot sofort angenommen, doch heute war es nicht nötig und wer wusste, ob der Mann nicht etwas als Gegenleistung erwartete, wenn sie sein Geld nahm?
    „Vielleicht bin ich ja selbst ein gefährlicher Bandit?“ Ana versuchte sich aus dem Thema heraus zu winden. Der Alb hatte sofort bemerkt, dass sie leichtfertig unterwegs war. Natürlich hörte man in den Tavernen und sonstigen Löchern alles Mögliche über Verbrechergruppen und anderen Abschaum, doch Ana hatte schon lange aufgehört zuzuhören. Stattdessen verließ sie sich auf ihr Gefühl und ihre Instinkte, die sie heute zugegebenermaßen im Stich gelassen hatten. Weder war die Seidenstraße zu nehmen eine gute Idee, noch war sie aufmerksam genug gewesen. „Es kann nützlich sein, wenn man unscheinbar wirkt“, fügte sie lächelnd an und steckte die Dolche wieder in den Gürtel. „Andererseits… du gehst nicht zufällig zurück in die Stadt? Manchmal schadet es nicht, eine fähige Begleitung zu haben.“ Sie legte den Kopf schief und sah den Alben mit großen Augen an. „Übrigens, ich bin Ana.“ Ob sie sich bei ihrer kurzen Begegnung in dieser Taverne vorgestellt hatte, wusste sie nicht mehr; von dem Abend allgemein nicht... wie so oft, seit sie in Obenza weilte.

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Mit einer Mischung aus Amüsement und Neugierde zugleich, beobachtete Farael das Schauspiel, welches Ana vor ihm bot. Als sie schließlich provokativ fragte, dass sie selbst eine gefährliche Banditin sein könne, konnte sich Farael werde Grinsen noch lachen verkneifen. Sie war keineswegs ausgerüstet für einen Raubzug oder Kampf. Farael hätte nicht einmal die toten Männer als Banditen eingestuft, so jämmerlich bewaffnet wie sie waren. Natürlich konnten ihre Dolche einen guten Schaden anrichten, wenn sie nahe genug an etwas Lebenswichtiges herankamen. Doch durch eine Rüstung wie sie Farael trug, hätten sie keine Möglichkeit des Durchdringens gehabt.


    „Ich wusste doch, dass dein Name irgendwas mit A war. Ich hatte zuerst auf Anne getippt, aber Ana passt besser zu dir“, erklärte Farael grinsend und vollführte eine Handgeste, dass Ana ihm folgen sollte. „Ich habe keine Ahnung, ob du dich noch an mich erinnerst. Farael. Farael Dornenwind, stets den holden Maiden zu Diensten. Wie auch in dem Fall ich gern deine fähige Begleitung bin.“ Sein dümmliches Grinsen verschwand nicht aus seinem Gesicht. Möglichst unauffällig musterte er die Frau erneut, als er einige Schritte Richtung Obenza anstrebte. Sie war eine Schönheit, dass musste man ihr lassen.


    Nach einigen Schritten befanden sie sich auf der selben Höhe. Farael musterte das Gesicht der jungen Frau und errechnete sich die Chance für die einfachen Freuden des Lebens mit ihr. Zugleich fragte er sich, ob sie nicht zu schade wäre, dass man mit ihr eine Bettgeschichte teilt und sie dann nie wieder sieht. Bis jetzt hatte Farael das mit Frauen getan, welche er in irgend einer Weise kennenlernte. Die Meisten waren auch nur auf sein gutes Aussehen und den Körper aus, aber nie auf das, worauf es wirklich ankam. Er verspürte keine wirkliche Lust, also vertrieb er die Gedanken. Eine nette Unterhaltung und Gesellschaft war nie verkehrt, auch wenn sie nicht in Sex endete.


    „Also Ana, mich würde es brennend interessieren wie du hier heraus kommst und dann noch so spärlich bekleidet. Nicht nur leichtsinnig sondern auch dumm, wenn man bedenkt was hier draußen alles keucht und fleucht.“ Auffordernd blickte Farael Ana an. „Es ist ja nicht so, dass jemand wie du hier draußen mal eben spazieren geht. Was treibt dich in das Umland Obenzas? Hier draußen ist es manchmal noch schlimmer als in der Stadt.“


    Farael zog einen Flachmann aus seiner Tasche, öffnete ihn und nahm einen kräftigen Schluck. Der Rum rann brennend seine Kehle hinab, nur um dann in seinem Magen ein Loch zu brennen. Das Seemannszeugs. Schwarz gebraut und verdammt stark. Darauf hielt er Ana die geöffnete Flasche hin, aus der es stark nach Alkohol roch.

  • Natürlich glaubte ihr Farael kein Wort, doch kurz beschlich sie die Hoffnung, er würde nicht weiter nachbohren. Der Alb hatte sie ebenfalls wieder erkannt, auch wenn er ihren Namen nicht mehr genau gewusst hatte. Kurz war sie enttäuscht darüber, ermahnte sich aber sogleich für ihren Drang nach Aufmerksamkeit und Geltung. „Nicht jeder, der dich sieht, ist verzaubert und vergisst dich nie mehr“, schalt sie sich. Vermutlich gab es sowieso viele Frauen in Faraels Leben. Er sprach mit Charme und Manieren, was häufig auf Zuspruch treffen musste.
    Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung, da griff er das Thema doch noch einmal auf und Ana seufzte. „Gerade Obenza ist es, was mich von Zeit zu Zeit hinaus treibt. Obenza und seine Wirkung auf mich“, sagte sie. „Bisher ist es noch immer gut gegangen.“
    Kurz zögerte die Norkara, den Flachmann anzunehmen, doch schließlich griff sie zu. Sie roch daran und der beißende Geruch öffnete ihr die Nasengänge. Das war echtes Zeug. Nicht die übliche gestreckte Plörre, die man häufig in Tavernen vorgesetzt bekam. Ana setzte an und nahm einen großen Schluck. Es erinnerte sie an die Zeit auf See. Kurz fühlte sie sich zurückgeworfen in jene Tage, als sie stundenlang an der Reling stand mit Wind und Gischt im Gesicht und dem angenehmen Knarzen sonnengewärmten Holzes im Ohr, als von dann auf wann ihr Bruder Terry neben sie trat und ihr den Arm um die schlanken Schultern legte und an die Abende, die sie sturzbetrunken in der Kajüte saßen, Karten spielten, Lieder sangen und einfach dem Leben frönten. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und sie reichte Farael den Flachmann zurück. „Danke sehr“, sagte sie. „Gutes Zeug.“


    „Bist du schon lange in Obenza?“, fragte sie, als sie die ersten Ausläufer der Stadt erreichten. „Ich vermute, du wirst nun erst einmal deinen Sold einstreichen wollen, oder?“
    Ana spielte mit dem Gedanken den Alben nach einem Drink zu fragen. Zu dieser Zeit würden die Tavernen noch relativ leer sein, sodass man sich in Ruhe unterhalten konnte. Mit etwas Glück würde er sie sogar einladen und sie könnte ihren Verdienst von letzter Nacht aufsparen. Zuvor wollte sie aber ein wenig vorfühlen, in welchen Kreisen sich der Mann normalerweise bewegte. Es gab Orte und Menschen in der Stadt, die sie möglichst zu meiden versuchte. „Also“, sagte sie, als sie soweit in die Stadt vorgedrungen waren, dass sie sich entscheiden musste, ob sie erneut hinab stieg in die düsteren Schluchten von Obenzas Bodensatz oder ob sie nun, da sie Geld hatte, in der mittleren Ebene verweilen wollte. „Hier sind wir. Danke fürs Begleiten. Wo treibst du dich normalerweise rum in dieser traumhaften Metropole?“

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  • Dankend nahm Farael den Flachmann von Ana zurück, verschloss ihn und steckte ihn sich zurück in seine Tasche. Inzwischen waren sie in ihrem Weg weit gekommen und bereits die ersten Häuser zieren links und rechts die Straße. Wobei heruntergekommene Hütten eher der passende Begriff für die Slums waren, durch die man stets zuerst schritt, wenn man über die Salzstraße aus Südwesten kam. Ein furchtbarerer Anblick, was wohl ein hauptsächlicher Grund dafür war, dass ehrliche Leute diese Stadt mieden. Oder vielleicht lag es auch an Korruption und Verbrechen. Vermutlich ging beides Hand in Hand.


    Kaum in den Anfängen der Stadt, schlug bereits der Gestank des Armenviertels um sich, gewürzt mit den Priesen des Meeres, welche von Norden in die Stadt schlugen. Welch' passende Anmerkung und Frage Ana sogleich stellte. „Ja, Obenza ist das letzte Loch in dem ein halbwegs anständiger Mensch leben möchte. Dummerweise bin ich hier groß geworden und irgendwie haben meine Wege immer wieder zurück hierher gefunden. Dieses stinkende Scheißloch. Ironischerweise habe ich hier aber ein kleines Haus an der Grenze zwischen Slums und mittlerer Ebene. Nichts Besonders, es lebt sich aber gut, wenn man die Miete aufbringen kann. Doch manchmal meinen die Hurensöhne von Grundbesitzern einen Monat doppelte Miete zu verlangen oder sie dauerhaft zu erhöhen.“


    Farael seufzte auf. Ungern erinnerte er sich daran, wie er sich den Arsch mit Arbeit hatte aufreißen müssen, weil seine Miete schlagartig einen Monat lang fast 200 Handelstaler betrug. Oder wenn die Herrschaften die Miete um ganze 50 Taler anhoben. In diese Zeiten mussten sehr viele Banditen sterben. Zum Glück gab es in und um Obenza genug davon. „Auf alle Fälle, wie du schon sagtest, ist es echt keine schöne Stadt für ein Leben, wenn man es ruhig haben will. Manchmal kotzt einen die Stadt wieder aus und man muss vor ihr fliehen. Zumindest eine Zeit lang“, stimmte Farael Ana zu und betrachtete seine Umgebung dabei.


    Schließlich hielten sie inne. Sie standen inmitten der Grenzen zwischen Mittelebene und Slums, verschiedene Gestalten wechselten hier die Ebene und auch Faraels Haus war nicht weit von hier entfernt. „Vermutlich werde ich jetzt zum Söldnerlager gehen, von dem ich den Auftrag bekommen hatte. Die warten schon seit mehr als einer Woche auf die Erledigung des Auftrags. Ich will da nur mein Geld holen und vermutlich direkt nach der nächsten Arbeit fragen. Das Übliche eben, was man als Freiberufler so macht“, erklärte er Ana und musterte sie. Sie schien über etwas nachzudenken, konnte aber nicht ganz ausmachen, was ihre Intention war.

  • Erstaunt horchte Ana auf und versuchte sich vorzustellen, sie hätte ihr ganzes Leben in Obenza verbracht. „Das hätte ich nicht überlebt“, dachte sie. „Wenn ich nicht von irgendeinem Verbrecher umgebracht worden wäre oder eine Droge mich hingerafft hätte, wäre ich früher oder später vermutlich von einem Dach gesprungen.“ Laut sagte sie aber: „Du bist hier geboren? Dafür hast du dich gut gehalten.“ Sie grinste den Alben an, im Versuch, ihre Bewunderung mit dem kleinen Scherz zu überdecken. Überhaupt musste das Söldnerdasein ganz schön lukrativ sein, wenn er sich sogar ein kleines Haus leisten konnte. Ein fester Ort zum Schlafen… es war schon einige Zeit her, dass sie so etwas gehabt hatte. Anfangs hatte sie in einem kleinen Zimmer zur Untermiete gewohnt, doch sie hatte so unregelmäßig gezahlt, dass der Hausherr sie schließlich rausgeschmissen hatte und seither schlief Ana mal hier, mal dort, in verschiedenen Gasthöfen, manchmal, wenn der Wirt gnädig und mit ihrem Auftritt zufrieden war, sogar umsonst, aber auch bei Fremden, die sie sich zuvor angelacht hatte oder einfach an einer geschützten Stelle am Hafen, wo sich nach und nach immer ein paar streunende Katzen zu ihr kuschelten, um sich an ihr zu wärmen. Wenigstens fand sie immer irgendwie die Möglichkeit sich zu waschen, denn wenn Ana eines wichtig war, dann war es ihr äußeres Erscheinungsbild.


    Was? Ana zog fragend die Augenbrauen zusammen. Wusste er es denn nicht? Viel war die letzten Tage in den Tavernen und sonstigen Schankhäusern über das Unglück im Söldnerlager gesprochen worden, auch wenn die Geschichten, wie es passiert war, weit auseinander gingen. Manche meinten, es sei schlicht ein Unfall in einer Küche gewesen, andere beharrten darauf, dass es ein Anschlag einer kriminellen Bande gewesen war, wieder andere waren überzeugt davon, dass ein ehemaliger Söldner aus Liebesleiden das Feuer gelegt hatte, um sich an seiner Ehemaligen zu rächen, die ebenfalls dort weilte und die nächsten berichteten von einem betrunken Kerl, der den Niedergang des Lagers im Rausch zu verschulden hatte. Doch Farael hatte scheinbar nichts davon mitbekommen und die Leichtigkeit und Gewissheit, mit der er sein Vorhaben vortrug, verursachte fast schon Mitleid in Ana, wenn sie ihn gleich über die Geschehnisse in Kenntnis setzten musste. „Äh… Farael… das könnte schwierig werden…“, setzte sie an. „Gibt es andere Orte, wo ihr euren Sold einstreichen könnt?“ Der Alb war selbstverständlich zunächst verwirrt und Ana wusste, dass sie deutlicher werden musste. „Das Söldnerlager… es ist vor kurzem abgebrannt… ich bin nicht sicher, ob noch irgendwas davon steht.“
    Unglauben spiegelte sich in Farael Augen wieder.

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Ein wenig musste Farael schon schmunzeln, als Ana sagte, er habe sich gut gehalten. Es war ein niedliches Kompliment und die Blicke die sie ihm die ganze Zeit schenkte, waren durchaus amüsant. Farael wusste um seine Wirkung auf so manche Frauen, wäre er in Stimmung für ein solches Spiel, hätte er sicherlich an diesem Spiel teilgenommen. Doch nicht in diesem Moment oder an diesem Tag.


    Denn seine Laune wurde bereits im nächsten Moment verhagelt, als Ana ihm eine Hiobsbotschaft überbrachte. „Wie, das Ding ist abgefackelt?“, hakte er noch einmal nach und wollte anfangs gar nicht glauben, was seine neue Bekanntschaft dort berichtete. „Du scherzt doch, oder?“ Doch die Miene Anas sprach gänzlich andere Worte. Nach diesem Moment des Unglaubens seufzte Farael etwas genervt auf und blickte in die Richtung der Stadt, in der das Lager stehen müsste.


    Schließlich ließ er die Schultern etwas hängen und dachte darüber nach, wie er jetzt an sein Geld kommen würde. Wie Ana angedeutet hatte, würde es nun wesentlich schwieriger werden, an die Bezahlung des Auftrages zu gelangen. „Das ist scheiße“, sagte er schließlich knapp. „Dabei habe ich überlegt, dass ich dich mit dem Lohn zu einem Schnaps in meiner Stammkneipe einlade. Das hat sich dann wohl erübrigt. Stattdessen werde ich wohl erst einmal meinem scheiß Geld hinterherrennen müssen. Ganz große Klasse. Ich wetter irgend einer der Vollidioten hat im Suff alles abgefackelt. Ich kenn' die Pisser. Liebenswerter Haufen, aber wehe die trinken nur einen Schluck Alkohol.“ Farael fluchte wie ein Rohrspatz und die Leute drehten sich bei seinem Ton verwirrt nach ihm um.


    Nun da seine Stimmung dezent in Richtung Keller gegangen war, blieb ihm nichts Anderes mehr übrig. „Gut, dann werde ich jede verfickte Spelunke in dieser Stadt absuchen und nach den Söldnern des Lagers Ausschau halten. Die müssen mir dann eben das Geld geben. Sollen die sehen wie sie es schaffen.“ Erneut seufzte Farael auf und blickte in Richtung des Himmels. Der Horizont begann sich bereits rötlich zu verfärben.


    „Aber ich denke dafür ist morgen noch Zeit.“ Plötzlich gähnte Farael herzhaft und streckte sich mitten auf der Straße. Erst zu diesem Zeitpunkt bemerkte er, dass er müde war. So hatte er die letzten Tage meist damit zugebracht, außerhalb der Stadt zu jagen und nebenbei die Banditen ausfindig zu machen. Wirklich viel Schlaf hatte er nicht bekommen können. „Wie schaut's aus, was treibt dich in dieser Zeit noch umher?“, fragte Farael an Ana gerichtet. Vielleicht wusste sie eine Möglichkeit, noch etwas zu entspannen, ehe er sich für den Tag zurück zog.

  • Mit aufeinander gepressten Lippen nickte Ana. Er hatte es wirklich nicht gewusst… Anas Enttäuschung über den verpassten Gratis-Schnaps wurde jäh unterbrochen, als Farael begann sich in Rage zu reden. Amüsiert zog sie eine Augenbraue hoch und schmunzelte ob seiner Schimpftirade. „Da hast du aber etwas vor“, sagte sie belustigt, wenn auch vorsichtig, „hier gibt es mehr Spelunken als anständige Menschen.“
    Ihre Füße hatten sie wie von selbst in Richtung Markt getragen und in der Ferne kam schon die große Eisenbrücke in Sicht, der Koloss, der Ober- und Unterstadt miteinander verband, ja manchmal so wirkte, als wolle er sie krampfhaft zusammenhalten… und als bereite dies große Mühe. „Normalerweise suche ich mir abends eine Taverne, um zu spielen.“ Ana deutete auf den Lautenkasten auf ihrem Rücken. „Doch wie es der Zufall will, habe ich heute frei.“ Sie lächelte. Was sollten sie mit diesem gebrauchten Tag anfangen? Der Himmel war recht klar, es würde vermutlich einen schönen Sonnenuntergang geben, den man in den Schluchten der Stadt überhaupt nicht wahrnehmen konnte. „Vielleicht werde ich zum Hafen gehen… bis nach vorne zum Leuchtturm.“ Die Norkara blickte Farael an. „Hast du Lust? Wir könnten uns unterwegs eine Flasche Portwein oder Met kaufen, sofern am Markt noch etwas los ist, und einfach ein wenig auf das Meer hinaus blicken. Das zumindest würde ich jetzt tun.“ Ana wusste nicht, warum sie den Alben einlud, ihr Gesellschaft zu leisten, oder vielleicht wusste sie es doch und hörte nur nicht hin. „Der Hafen ist auch nicht gerade das sicherste Pflaster“, sagte sie sich, „männliche Begleitung kann nicht schaden.“ Doch damit belog sie sich nur selbst. Wie viele Stunden und Nächte hatte sie schon alleine an den Docks verbracht? Am Leuchtturm?
    „Für die ein oder andere Münze lässt uns der Wärter vielleicht sogar nach oben“, durchbrach sie ihre eigenen Gedanken. „Von der Spitze des Leuchtturms hat man einen wunderbaren Blick auf das Meer… und zum Glück für uns, da du ja pleite bist, habe ich gerade ein wenig Geld.“ „… das ich mir eigentlich aufsparen wollte“, fügte sie im Stillen hinzu, doch andererseits besaß sie tatsächlich ein üppiges Sümmchen und Geld auszugeben war in Obenza häufig die beste Möglichkeit, wenn man etwas davon haben wollte. Zudem sagte ihr ihr Gefühl, dass Farael nicht der Typ war, der so etwas auf sich sitzen lassen würde. Und er konnte schon wissen, wann sie das nächste Mal knapp bei Kasse war?

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Zugegeben, ein wenig schaffte es Ana Faraels Gemüt zu erhellen. Auch wenn sie die Überbringerin schlechter Nachrichten war, so hatte sie dennoch etwas an sich, was Farael zum Schmunzeln brachte. Ob es ihre Art war oder aber wie sie mit dem Leben umging. Etwas sagte Farael, dass er ein Exemplar der ganz Besonderen Sorte vor sich stehen hatte. Zumindest im Vergleich mit den sonstigen Frauen in Obenza. Also entschied er sich, vorerst an der Seite der Norkara zu bleiben und entspannt neben ihr zu wandeln, um den Abend vielleicht doch noch entspannt ausklingen zu lassen.


    „Das klingt nach 'nem Plan. Dafür kriegst du später mal einen ausgeschenkt, versprochen“, verkündete Farael seine Antwort und lief gemeinsam mit Ana durch die Straßen Obenzas, bis hin zum Markt. Auf dem Weg konnte er sich aber eines nicht ganz verkneifen: „So so, ein Zufall dass du frei hast, ja? Dieser völlige Zufall kann nicht zufälligerweise damit zusammenhängen, dass du dich in angenehmer und attraktiver Gesellschaft befindest?“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich auf die Lippen Faraels, als er Ana anblickte. „Und natürlich hast du mich nicht das ein oder andere Mal genauer betrachtet“, feixte Farael.


    Natürlich konnte Ana nicht wissen, dass Farael bluffte. Er hatte keinerlei Blicke von ihr gesehen noch wirklich Interesse ihrerseits verspürt, wenn man von der aktuellen Situation absah. Sein Blick wurde neugierig und er hoffte, Ana in Verlegenheit versetzen zu können. Er fand es äußerst lustig, wenn Frauen vor Scham erröteten oder sich ertappt fühlten. Dann wurden die Meisten immer mucksmäuschenstill, was Farael stets amüsierte.


    „Ich meine na gut, ein ganz romantisches Treffen auf der Spitze des Leuchtturms, mit Wein und im Licht der untergehenden Sonne. Dagegen habe ich nichts. Hat einen gewissen Charme.“ Farael musste sich enorm zurückhalten, um nicht lauthals loszulachen. Die Situation war ein wenig seltsam. Er hatte sie auf der Straße als Köder für Banditen genutzt, diese vor ihren Augen abgeschlachtet und nun lud sie ihn zu einer Verabredung an einen Platz ein, an dem junge Hüpfer sich mit ihrer ersten großen Liebe verabredeten.


    Persönlich hatte Farael gar nichts dagegen, im Gegenteil. Einige Geschichten und Dramen die er in seiner Freizeit gelesen hatte, und besser verschwieg er womit er die letzten Tage verbracht hatte, endeten meist mit einem äußerst romantischen Ende, nachdem sich die Ereignisse komplett überschlagen hatten. Nicht dass das Leben wie in einem Buch wäre. Doch genau in diesem Moment zeigte die Absurdität, der wohlgemerkt angenehm war, wie seltsam manchmal die Bahnen verlaufen und Ereignisse die seltsamsten Menschen zusammenbringen konnten.


    Mittlerweile waren sie am Markt angekommen, an dem es für diese Zeit üblich noch einige Stände gab, an denen man sich bedienen konnte. Unter anderem auch Händler für edelste Weine und Biere.

  • „Attraktive Gesellschaft?“, fragte Ana und drehte den Kopf suchend zu allen Seiten. „Wo?“ Sie hielt ihren Ausdruck ernst und blickte Farael scheinbar neugierig an, erstarrte aber dann und zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. Hatte er ihre Blicke bemerkt? Selbstverständlich hatte sie ihn abgeschätzt und das nicht nur, um seine Ausrüstung zu prüfen. Dieser Alb war eine würdige Konkurrenz, so viel stand fest. Ihre Augen glitzerten, als sie ein beschwörendes Lächeln aufsetzte, um die Situation spielerisch zu lösen, doch Farael kam ihr zuvor, offensichtlich höchst amüsiert, was durch ihr aller Mühen zum Trotz nun vollkommen überrascht drein schauendes Gesicht noch verstärkt wurde. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht wie ihre Einladung klingen musste! Immerhin war Romantik für sie so überflüssig wie alkoholfreies Bier, da hatte sie nicht den winzigsten Gedanken an die Wahl des Ortes verschwendet. Was mochte Farael nun von ihr denken? Dass sie ein naives Prinzesschen war, das leicht bekleidet durch Obenza schlenderte und nach einem Prinzen für einen romantischen Sonnenuntergang Ausschau hielt? Der Gedanke ließ schließlich auch sie grinsen. Vielleicht war es ja gar nicht so schlecht, wenn er solch ein Bild von ihr hatte. „Ich bin ein unschuldiges Reh“, dachte sie sich belustigt und doch wurde sie das leichte Schamgefühl ob der merkwürdigen Situation nicht ganz los und war umso froher, als sie den Markt erreichten und sie die Gelegenheit nutzen konnte, das Thema zu wechseln.


    Es herrschte noch reges Treiben auf dem großen Platz und sehnsüchtig blickte Ana zu den Händlern, die edle Tropfen aus ganz Asamura nach Obenza brachten. Sie hatte schon solche Weine und andere Köstlichkeiten gekostet, als ein reicher Kaufmann in ihre Fänge geraten war und sich am Ende mit wesentlich weniger Geld aber ohne ersehntes Glückserlebnis wieder gefunden hatte. Normalerweise war dies allerdings nicht ihre Liga und da sie heute selber zahlen musste, steuerte sie in eine andere Richtung. In den engeren, dunkleren und schmutzigeren Bereichen des Marktes tummelte sich das Gesindel und hier kaufte man nur, wenn man keine andere Wahl hatte oder wusste, was man tat. Für Ana galt meist sowohl als auch.


    „Hey Ana“, knurrte ein knochiger alter Mann mit Pfeife, an dessen Stand sie vorbei kamen. „Alles gut?“ Er spuckte eine Ladung braunen Tabaksaft auf die Straße und hustete röchelnd. „Danke, Jon, alles bestens. Wir geht’s dir? Was macht die Frau?“ „Ach“, murrte Jon mit einer genervten Handbewegung, „noch immer nicht tot! Die Alte ist zäh wie ein Spelunkenschnitzel. Ich glaube, die muss einer erschlagen, damit sie endlich stirbt.“ Lauthals lachte er los und verfiel schließlich in einen heftigen Hustenanfall. Die Menge schob sie weiter und Ana winkte dem alten Jon zum Abschied. „Ein Stammgast im Durstigen Ochsen“, erklärte sie Farael. „Gibt mir immer gutes Trinkgeld.“


    „So…“, die Norkara bliebt bei einem kleinen Marktstand stehen, der unter dem Gewicht staubiger Flaschen ächzte. „Den Wein hier kann man trinken. Bier gibt es auch. Worauf hast du Lust?“

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Frech wie Ana mit ihrer ersten Aussage war, beeindruckte sie Farael. Eine Eigenschaft die Farael an Frauen mochte. Sie war nicht spitzzüngig, aber konnte durchaus auf seine Worte reagieren und das auf eine Art, die weder verlogen noch unangenehm war. Allein daran konnte er erkennen, dass Ana etwas im Kopf haben musste und nicht nur an das Aufreißen von Männern dachte. Zumindest hoffte Farael es. Obgleich ihrer frechen Art, musste er darauf dennoch grinsen und genoss die Situation in vollen Zügen.


    Dem tat es keinen Abbruch, als sich Ana offensichtlich ertappt fühlte. Trotz dessen dass Farael geraten und somit keine genaue Beobachtung vorgebracht hatte, erfreute es ihn umso mehr, dass er aus Zufall Recht gehabt hatte. Sie hatte ihn also tatsächlich über seine Ausrüstung hinweg gemustert. Natürlich hatte das Farael genau so bei ihr getan, doch er war ein Kerl und die Meisten erwarteten das. Nichts Ungewöhnliches zumindest, für einen Mann seines Schlages. Allein bei diesen Gedanken, eine Frau dabei erwischt zu haben und dann ausgerechnet das Ziel der Begierde zu sein, trieb Farael ein Grinsen ins Gesicht. Ana war weit entfernt davon, ein unschuldiges und reines Wesen zu sein, welches keiner Fliege etwas zu leide tun konnte.


    Schließlich quetschten sie sich durch die Massen des Marktes und Farael beschlich das Gefühl, dass es keine gute Idee war, sich in dieser Masse zu bewegen. Im Gegenteil. Hier und da spürte ein paar gierige Hände, die nach seinem Gürtel, oder genauer seinem Geldsäckel, greifen wollten. Obenza war in diesen Belangen schlimm. Die Bettler stahlen um zu überleben, die ausgebildeten Diebe stahlen um ihren Reichtum zu mehren. Jedes Mal wenn Farael eine sich herannahende Hand erblickte, schaute er deren Besitzer mit einer bösem Blick an und deutete auf sein Schwert. Jeder zog sofort seine Hand zurück und verschwand in der Menge. Zu dieser Zeit hasste er den Marktplatz. Man war nie sicher vor Taschendieben.


    Aus diesem Grund bekam Farael auch kaum etwas von dem Gespräch zwischen Ana und einem Standbesitzer mit. Nur die letzten Wortfetzen und ihre Verabschiedung bemerkte er, an sich fragte er sich aber auch nicht wer das war. Ana erklärte mit ihren nächsten Worten, wer dieser Mann war und woher sie ihn kannte. An sich etwas, was kaum interessant für ihn war, doch da es Ana war, die es ihm erzählte, versuchte sich Farael dafür zu interessieren. „Ah, okay“, nickte er bestätigend, als er seinen Kopf wandte und den Händler ein letztes Mal betrachtete, ehe er durch die Menge verdeckt wurde.


    Plötzlich hielt Ana vor einem der Marktstände an, welche überladen mit den verschiedensten alkoholischen Getränken war. Die Auswahl war, für den Markt Obenzas und dem Pflaster in dem sie sich befanden, doch recht unüblich. Wein, Met und Bier lächelten Farael entgegen und sein Griff ging zu einer ihm bekannten Sorte. Aus dem Sortiment zog er eine Flasche Wein hervor. Sie stammte aus Souvagne, war ein halbtrockener Rotwein und hatte für die Qualität einen relativ niedrigen Preis. Farael musste aus offensichtlichen Gründen häufiger auf diesen Markt gehen und sich einer dieser Flaschen erstehen. Seine Bezugsquellen waren wesentlich teurer.


    „Tatsächlich würde ich vorschlagen, wir nehmen den hier. Und zum Vorgeschmack zwei Flaschen Schwarzbier“, erklärte Farael und griff erneut in die Auswahl, als er zwei Flaschen des besagten Bieres. „Guter Preis für das, was es sonst kostet.“ Fragend blickte er Ana an und wartete auf ihre Antwort ab, als ihm noch etwas einfiel. „Ach ja, was den Leuchtturm betrifft, brauchst du kein Geld zücken. Der Leuchtturmwärter schuldet mir noch einen Gefallen.“ Zumindest etwas, was Farael zu diesem Treffen beitragen konnte.

  • Der Rotwein, den Farael wählte, war relativ teuer. Ana willigte dennoch ein, denn sie wollte nicht durchscheinen lassen, dass sie normalerweise ganz anderen Rotz in sich hinein kippte. Und warum auch nicht? Ab und zu etwas zu trinken, das auch schmeckte, war keine schlechte Sache. Auch das Schwarzbier erhielt Anas Zustimmung. Somit konnte sie sich schon mal das Abendbrot sparen. „Alles klar, die nehmen wir“, sagte sie halb zu Farael, halb zu dem Händler. Sie öffnete ihren kleinen Beutel gerade so weit, dass sie ein paar Münzen herausfischen konnte, darauf bedacht, dass der Rest danach wieder fest verschnürt war und reichte das Geld über den Ladentisch hinweg.


    Neugierig drehte sie den Kopf zu Farael hinüber. Er kannte den Leuchtturmwärter? War er möglicherweise öfter am Hafen? Konnte es gar sein, dass er sie schon ab und zu dort gesehen hatte und ihr Zusammentreffen heute gar kein Zufall war? „Er ist ein Söldner“, sagte sie sich. „Vermutlich hat er nur einen Auftrag für den Mann erledigt.“ Trotzdem konnte sie das Misstrauen nicht ganz aus ihrem Ausdruck wischen. Sie spielte gerne Spiele mit anderen, doch war ungern selbst der Spielball. Die ganze kurze Zeit, die sie nun in Faraels Gesellschaft verbracht hatte, hatte sie das Ruder nicht so recht an sich reißen können. Es glitt ihr immer wieder durch die Finger, so sehr sie sich auch danach reckte und diese Schwebe, diese kleine Unsicherheit, löste ein ambivalentes Gefühl in ihr aus. Es war ihr unwohl, vielleicht fürchtete sie sich gar ein wenig, war zumindest wachsam und angespannt, doch zeitgleich reizte es sie ungemein, spornte sie an, das Spiel weiter zu treiben, aufgeregt und voller Vorfreude, was noch passieren würde. Sie wollte es sich noch nicht so recht eingestehen, doch dieser Alb hatte wahres Interesse in ihr geweckt, nicht das übliche Vorgegaukel, das sie sich selbst in den letzten Jahren zum Schild gemacht hatte.


    Mit den Getränken im Gepäck bahnten sie sich den Weg durch den restlichen Marktbereich. Auch an den Docks herrschte noch reges Treiben. Schiffe wurden be- und entladen, gebrüllte Befehle flogen durch die Luft und das schmutzige Wasser gurgelte in den Hafenbecken. Westlich tat sich der Rotlichtbezirk auf, mit der verruchten Eleganz einer gepuderten Dirne und gleichzeitig nicht weniger dreckig und gefährlich als der Rest von Obenza. Weiter außen war das Meer sauberer und Ana nahm einen tiefen Atemzug der salzigen Brise. Auf der anderen Seite der Tangobucht baute sich die Oberstadt auf und Farael blickte in die Richtung, in der einst das Söldnerlager gestanden hatte. Möglicherweise konnten sie von der Spitze des Leuchtturms etwas davon erkennen. Wesentlich größer als der alte, streckte der Turm sich stolz in den Himmel und Ana freute sich richtig darauf, nach oben zu gehen und hinaus auf die ewige Weite des Meeres zu blicken, ihr eigentliches Zuhause.

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Auffällig ruhig verhielt sich Ana, während sie sich am Marktstand ihre Getränke kauften und schließlich weiter zum Hafenbezirk Obenzas aufmachten Farael wunderte sich bereits, was aus der frechen und dreisten Art der jungen Frau geworden war. Sie gab keinen Ton mehr von sich und wanderte neben ihm her, als ob sie entweder nachdachte, oder aber etwas ausheckte. Letzteres für ihn schien unwahrscheinlich, was sollte sie schon tun? Außer ihm vielleicht ein Messer in den Rücken rammen oder die Getränke vergiften. Farael musste etwas grinsen und die Gedanken aus seinem Kopf schütteln. Zu sehr hatte er gerade an die Vergangenheit denken müssen, in der diese Gefahren jeden Tag Realität waren. Doch Ana war weder sichtbar eine feindliche Söldnerin, noch war Farael länger aktiv. Zumindest nicht als Anführer eines ganzen Lagers.


    So schlenderten sie durch das schmutzige Hafenviertel Obenzas. Möwen kreischten über ihren Köpfen und das Rauschen des Meeres gegen die Piere der Stadt waren zwei beständige Geräusche, die stets zu hören waren. Für die Dämmerung üblich, arbeiteten noch immer diverse Schiffsmanschaften, die meisten davon Schmuggler. Sie löschten gerade angebrachte Ware oder machten sich bereit, um den Anker zu lichten. Es war nicht verwunderlich, dass viele im Schutz der Dunkelheit in See stachen, um besser den Patrouillen der größeren Fraktionen entgehen zu können. Zumindest hatte das sein Vater immer erzählt und irgendwo klang dies auch logisch. Die großen Fraktionen, wie zum Beispiel die Ordnung, hatten etwas gegen die Geschäfte der Schmuggler.


    Nach einiger Zeit des entspannten Spazierganges, schritten Ana und Farael auf den Leuchtturm zu, dessen Feuer bereits entzündet worden war. Denkmal und Leitstrahl zugleich, hatte er eine gewisse Anziehungskraft auf Gesindel und Schiffe gleichermaßen. Nicht selten sah man Bettler und Hunde, auch Hundewandler, in der Nähe des Leuchtturms. Der Leuchtturmwärter hingegen versuchte alles ordentlich zu halten, was auch das Fernhalten von den Personen beinhaltete. Zum aktuellen Zeitpunkt war es rund um den Leuchtturm ruhig, wofür Farael mehr als dankbar war.


    Gemeinsam schritten Ana und Farael die Treppen hinauf zum Leuchtturm, worauf sie schon bald vor einer schweren Holztür standen. In diesem Moment hielt Farael allerdings inne und blickte nachdenklich Ana an. "Eine Warnung vorweg: Lass dich nicht durch die Worte der Wärters ärgern. Und unterschätze weder seine Abstammung noch sein Aussehen. Glaube mir, er ist mehr als das, was er zu sein scheint", erklärte er und klopfte schließlich drei Mal laut an der Tür. Von innen heraus war das Schieben eines Möbelstücks zu hören, gefolgt von Schritten die sich der Tür näherten. Darauf folgte mehrmals ein metallisches Klicken, ehe sich die Tür nach innen zu öffnen begann.


    In der Tür stand ein älterer Waldalb, dessen Erscheinungsbild mehr an einen Greis erinnerte. Seine Gesichtszüge waren mit tiefen Furchen durchzogen, eine Narbe zog sich von seiner Stirn über das linke Auge. "Ah, Farael!", grüßte ihn der ältere Mann mit einem Lächeln, ehe er seine Arme zu einer Umarmung ausbreitete, welche Farael auch erwiderte. "Lang nicht mehr gesehen, du verdammter Herumtreiber. Und wie ich sehe hast du sogar überaus hübsche Begleitung mitgebracht. Respekt, sie kann sich sehen lassen." Mit einem Grinsen über beide Ohren musterte der Mann Ana ausgiebig von Kopf bis Fuß.


    "Hallo Vater", erwiderte Farael schließlich und blickte schließlich ermahnend, als er den Kommentar Manhirs bezüglich Ana hörte. Mit einer Handbewegung lud Faraels Vater die Beiden in den Leuchtturm ein, worauf er hinter ihnen die Tür schloss. Das innere des Leuchtturms, war hingegen jeder Erwartung, gut eingerichtet. In diesem Stockwerk standen Tisch, Kochstelle und Schreibtisch versammelt und angepasst an die runde Form des Turms.


    "Verzeihung, ich vergaß meine Manieren", ergänzte Manhir schließlich, verbeugte sich vor Ana und nahm deren Hand, um einen Handkuss anzudeuten. "Manhir Dornenwind, Vater von dem guten Farael und Leuchtturmwärter dieser heimeligen Unterkunft." Farael rollte darauf mit den Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit Manieren hatte dies wohl kaum etwas zu tun, sein Vater neigte dazu, jede Frau so zu behandeln. Obgleich er verheiratet war oder nicht. Wie seine Mutter es mit ihm aushielt, war Farael immer ein Rätsel, doch sie war nicht unbedingt von einem anderen Schlag. Trotz dessen wusste Farael, dass sein Vater immer treu war und niemals seine Mutter betrügen würde. "Was kann ich für euch liebreizendes Pärchen denn tun, hm?"


    "Wir würden gern nur nach oben gehen, auf die Spitze des Leuchtturms und die Aussicht genießen. Wäre das möglich?", stellte Farael schließlich seine Frage an Manhir.


    Einen kurzen Moment meinte Farael Enttäuschung in den Augen seines Vaters sehen zu können, doch der Augenblick war schnell vorüber und das Grinsen seines Vaters am strahlen. "Natürlich, natürlich. Passt aber bitte bloß auf, dass ihr euch am Feuer nicht verbrennt. Und wenn ihr es unbedingt miteinander treiben müsst, dann macht es im Liegen, damit der Lichtschein des Leuchtturms nicht unterbrochen wird und euch die halbe Stadt sieht." Farael schlug sich die Hand gegen die Stirn, ließ das Gesagte aber unkommentiert. Sein Vater grinste hingegen nur verwegen.


    "Danke dir", antwortete Farael und deutete Ana an, ihm zu folgen. Auf halben Weg auf der Treppe blickte Farael hingegen noch einmal nach unten und schaute seinen Vater an. "Wie geht es Mutter?", fragte er.


    "Sie steckt noch in den Verhandlungen. Es wird wohl noch dauern, bis eine Einigung stattfindet."


    Wissend nickte Farael und ging darauf weiter die Stufen hinauf. Was die Worte seines Vaters bedeuteten, musste nur er in diesem Moment wissen, doch sie betrübten ihn auch etwas. Schließlich war seine Mutter in Gefangenschaft geraten und sie bezahlten gemeinsam jeden Monat Geld an die Stadtwache, damit sie ihn nichts antaten. Noch liefen die Verhandlungen darüber, welche Summe für ihre Freilassung von Nöten war. Dies geschah, wenn man die falsche Person in Obenza bestahl.


    Nach einer endlosen Anzahl an Stufen, kamen Farael und Ana oben an der Spitze des Leuchtturms an. Die Sonne versank bereits zur Hälfte im Horizont und tauchte den Himmel in ein wunderschönes Abendrot. Solch ein Anblick machte es Farael ohne Probleme möglich, die Sorgen und die anstehenden Aufgaben für einen Moment zu vergessen und sich nur auf das Sein zu konzentrieren. Auch der bestätigende Anblick der noch immer rauchenden Ruinen des obenzischen Söldnerlagers störten ihn in diesem Moment kaum.


    Stattdessen löste er die Schwertscheide von seinem Gürtel und lehnte diese samt Schwert an einer der Säulen. Köcher und Bogen folgten darauf, so dass Farael bequem sitzen konnte. Er machte es sich im Schneidersitz vor der Feuerschale gemütlich, wobei die Flammen seinen Rücken wärmten. Auffordernd klopfte er auf den Platz neben sich, um Ana zum Sitzen einzuladen. "Schöne Aussicht, nicht wahr?", meinte er darauf, ohne den Blick vom Horizont zu nehmen. "Fast so, als ob die Welt in Frieden leben und ganz ohne Waffen auskommen würde."


    Im nächsten Augenblick kam ihm die Begegnung mit seinem Vater wieder in den Sinn. Lautstark seufzte er und sein Blick ging zu Ana. „Tut mir leid wegen meines Vaters. Er ist manchmal … sehr speziell. Man gewöhnt sich dran. Er ist an sich aber eine treue und gute Seele“, erklärte er und lächelte etwas verlegen, offensichtlich beschämt aufgrund seines Vaters.

  • Faraels Zögern und seine Worte irritierten Ana. Einen Gefallen sollte der Wärter ihm schulden? Es wirkte eher so, als kenne Farael den Mann ziemlich gut. Das ganze Prozedere hindurch, das es brauchte, bis die Tür endlich aufschwang, spannte die Norkara sich innerlich an, neugierig und misstrauisch zugleich. Ein alter Mann öffnete, was Ana nicht weiter verwunderte. Irgendwie schien es ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass ein Leuchtturmwärter bejahrt sein musste. Dass es sich um einen Alben handelte, erstaunte Ana allerdings schon und seine Art zu sprechen kam ihr unterschwellig bekannt vor, auch wenn sie nicht ganz greifen konnte, an wen sie sich erinnert fühlte. Farael? Nein… das konnte nicht sein, immerhin kannte sie ihn ja kaum. Bestimmt lag es nur daran, dass er ebenfalls ein Alb war... Angestrengt überlegte sie noch, wer es sonst sein konnte, als Farael den Mann grüßte. Ana klappte die Kinnlade hinunter. Vater??? Der Leuchtturmwärter war Faraels Vater??? Wie irrsinnig musste es ihm vorgekommen sein, dass sie ausgerechnet diesen Ort ausgewählt hatte? Und wieso hatte er nichts gesagt? Mit Sicherheit bereitete es ihm großen Spaß, sie so zu überraschen. Ana musste sich eingestehen, dass sie es ebenso genossen hätte. Sie versuchte ihr Erstaunen hinunter zu schlucken und zwang ihre Gesichtszüge zurück in Normalzustand, sagte erst einmal nichts und nahm stattdessen den Raum in Augenschein. Sofort fühlte sie sich wohl. Die Enge und die runde Form, gepaart mit der Einrichtung, die sich perfekt an die Wände des Turms schmiegte, verursachten eine wohnliche, heimelige Atmosphäre.


    „Freut mich“, entgegnete Ana und musste grinsen. Jetzt, da sie um Faraels und Manhirs Verbindung wusste, war die Ähnlichkeit in Gestik und Mimik unverkennbar. Umso mehr amüsierte sie, dass Farael sich über seines Vaters Verhalten brüskierte. „Ich bin Ana“, fügte sie an und war versucht, ihn bezüglich des Beziehungsstandes von Farael und sich selbst zu berichtigen, beließ es dann aber dabei. Der alte Alb schien ohnehin eine ganz eigene Vorstellung von ihren Plänen für den Abend zu haben und Ana fragte sich, ob dies etwas war, was Farael normalerweise zu tun pflegte. Sie musste sich eingestehen, dass sie über diese Möglichkeit selbst schon nachgedacht hatte. Immerhin war der Alb ein schneidiger Kerl und unter seiner Rüstung verbarg sich mit Sicherheit Einiges, das Frauenherzen höher schlagen ließ. Doch irgendwie hatte sich dieser Gedanke nicht richtig angefühlt. Etwas in ihr wollte Farael besser kennenlernen, anders kennenlernen. Er sollte sich nicht in die Liste der kurzweiligen Freuden einreihen, die man nie wieder sah und auch nicht sehen wollte. So dachte zumindest ein Teil von ihr.


    Eines lernte sie jetzt schon über den Alben: Seine Mutter steckte in Schwierigkeiten. Es war jedoch kaum möglich zu sagen, wie er darüber dachte, welche Gefühle dies in ihm weckte und in welchem Verhältnis er zu ihr stand. Zudem wirkte es nicht so, als würde er gerne mit ihr darüber debattieren. Ana nahm sich vor, ihn trotzdem später danach zu fragen, vielleicht nachdem der Wein ihre Zungen ein wenig gelockert hatte.


    Der Ausblick von der Spitze des Leuchtturms übertraf alles, das Ana sich ausgemalt hatte. Der Zeitpunkt war ideal und es bot sich ein Traum von einem Abendhimmel. Die Norkara blickte eine kurze Weile einfach nur hinaus auf das Meer, folgte dann Faraels Einladung, sich zu ihm zu setzen. Vorsichtig stellte sie ihren Lautenkasten neben Faraels Waffen ab. „Ja, wunderschön“, hauchte sie. Mit einem lauten Plopp entkorkten sie die Bierflaschen und stießen an. „Ach“, schmunzelte Ana, „ich glaube, ich mag deinen Vater.“ Und sie meinte es auch so. „Was dein Glück ist, denn ich finde, du bist ihm recht ähnlich“, fügte sie spitzbübisch an. „Lebt er schon lange hier?“
    Sie nahm einen großen Schluck und merkte, dass sie schon lange kein Bier mehr getrunken hatte. Nun war es umso köstlicher. Ana liebte die weiche Cremigkeit des Schwarzbieres gepaart mit einer leichten Bitternote, wie von starkem Kaffee. Das rauschende Feuer des Leuchtturms machte ihre leichte Kleidung wett und sie war froh, heute einmal fern von stickigen und klebrigen Tavernen zu sein, wo Männer und Frauen grölten und rauften, wo es stank und beengt war. Hier oben machte die frische Brise vergessen, dass die Großstadt nicht weit war und Farael hatte Recht: fast konnte man das wahre Gesicht dieser Welt vergessen, wenn man hinaus blickte.
    „Ich habe auf See gelebt“, sagte Ana nach einiger Zeit gedankenverloren. „Da gab es fast jeden Abend einen Anblick wie diesen.“ Sie zog die Knie an und umfasst sie mit den Armen. „Warst du schon einmal auf einem Schiff?“
    Sie leerte ihr Bier und blickte sehnsüchtig zu der Flasche Wein, die Farael daraufhin packte und geschickt öffnete.

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    ~ George Bernard Shaw ~

  • Farael:
    Seit Langem war es das erste Bier, welches Farael getrunken hatte. Noch nie konnte er Bier wirklich leiden oder dessen Geschmack genießen, auch wenn er es gern als 'Frühstück' vor den härteren Getränken zu sich nahm. Das stimmte den Körper wunderbar auf das Kommende ein und wenn man dann den Geschmack eines edlen Tropfens danach genoss, baute sich eine einzigartige Geschmacksmischung auf, welche ihre ganz eigene Note entfaltete.


    Das Bier machte es auch sogleich einfacher, Anas freche Bemerkungen und den Unterton den sie inne hatte entspannter zu sehen. Nur ungern ließ sich Farael mit seinem Vater vergleichen. "Ja, tatsächlich lebt er schon länger hier. Zu lang wenn du mich fragst. Er ist hier aber auch nicht herauszubekommen. Im Gegenteil", antwortete Farael wahrheitsgemäß und zuckte mit den Schultern. Wenn er nur an die Diskussionen zurückdachte, die er mit seinem Vater geführt hatte. Furchtbar. "Auf jeden Fall bin ich besser als er, also wird es ein leichtes, dass du mich sehr schnell mögen wirst." Das unverkennbare Grinsen Faraels legte sich auf seine Lippen, welches er nur zu gern zur Schau stellte. Sie genossen ihr Bier und es war auch schnell leer, doch der wahre Genuss würde der Rotwein sein.


    "Ob ich auf See war?", fragte Farael, während er die Flasche entkorkte und zwei Gläser mit dem Inhalt befüllte. "Nein, noch nie. Im Gegenteil. Ich bin eher jemand, der festen Boden unter seinen Füßen bevorzugt. Mein Vater hat mich mal mit auf ein Boot genommen. Der Typ der das Deck schrubben musste, kam gar nicht hinterher, so oft wie ich das Schiff vollgekotzt habe." Farael erhob sein Weinglas und prostete Ana zu, ehe er am Wein nippte und schließlich seinen Blick auf die See richtete. "Eine Norkara wie du kommt nicht einfach mal nach Obenza, der berühmt-berüchtigten Drecksloch. Was treib dich hierher?"


    Ana:
    Ana sah Farael von der Seite an, als er über seinen Vater sprach. Da war es wieder, das charmante Grinsen. Wenngleich sie wusste, das eben diesem mit Sicherheit schon viele Frauen zum Opfer gefallen waren, konnte sie nicht umhin, den Anblick zu genießen. Er war ein gut aussehender Mann! Die warmen Gefühle, die sich des Anblicks wegen in ihr breit gemacht hatten, verschwanden allerdings so schnell wie sie gekommen waren, als Farael von seiner Seeerfahrung berichtete. In Anas Volk galt auf einem Schiff zu brechen als ein Zeichen von Schwäche. Wenn ein Norkara nicht zur See fahren konnte, war er nicht mehr als ein Krüppel ohne Beine. So zumindest der Wortlaut ihres Stammes. Natürlich wusste Ana, dass Farael kein Schwächling war. Trotzdem war das Bild, das sie von ihm hatte, nun ein wenig befleckt. "Dann werde ich dich am besten nie zu einer Exkursion aufs Meer hinaus einladen", sagte sie und schwor sich ebendies im Stillen. Sie wollte den Waldalben nicht zusammen gekrümmt und zitternd über einem Eimer sehen. Ana erwiderte den Prost. Der Wein war wirklich außerordentlich gut. "Ach", seufzte Ana, "das ist eine lange Geschichte." Sie wollte hier enden, doch Farael schien wirklich interessiert, sodass sie zögerlich fortfuhr. "Lange Zeit hatten wir ein glückliches und sorgenfreies Leben als falsche, unmoralische und rücksichtslose Piraten... dann verstarb unser Kapitän in einem Gefecht und da wir keine Nachfolge fanden, gingen wir hier vor Anker. Warum eigentlich Obenza?" Sie grübelte ein wenig, trank einen weiteren Schluck. "Wir waren nicht weit weg und es wimmelt hier von Seeleuten. Wir dachten, wir könnten bald wieder in See stechen. Doch es kam anders. Wir sind versackt und die Crew hat sich in der Stadt verteilt." Sie sah Farael mit ihren braunen Augen an. "Wenn der Ruf zurück ins Meer ertönt, werde ich ohne Wehmut sofort aufbrechen. So lange wie du hier schon lebst... das könnte ich nicht. Wie schaffst du das, ohne verrückt zu werden, oder... naja, du weißt schon, komplett zu verwahrlosen?"


    Farael:
    Piraten also. Natürlich hatte Ana zuvor schon etwas in diese Richtung angedeutet, jedoch hatte Farael nicht gänzlich darauf geachtet. Piraten waren häufig für blutige Massaker auf See verantwortlich. In Sagen und Geschichten waren sie die Schrecken der Meere. Eine Pest die es auszurotten galt. Und doch saß Farael mit einer Piratin zusammen, genoss einen vorzüglichen Wein und, auch wenn er es wohl kaum offen zugegeben hätte, auch Anas Gesellschaft. "Piratin also, hm? Seltsam. So wie du da sitzt, unschuldig und deinen Wein genießend, wäre das erste Wort welches mir in den Sinn gekommen wäre, definitiv nicht Pirat gewesen. Doch wie heißt es so schön? Der Schein trügt gern." Weiterhin grinste Farael breit und lehnte sich ein Stück zurück. Die Sonne war nur noch zu einem Drittel zu sehen und das rötliche Licht der Dämmerung spiegelte sich wunderschön im Wasser des Meeres. "Aber um das festzuhalten, du steckst hier fest? Wenn ich unsere Situation so betrachte, ist es nicht unbedingt zu deinem Nachteil, oder? Vielleicht sähe es anders aus, wenn du schon so lang hier leben würdest, wie ich es bereits tue. Doch man gewöhnt sich an die Dinge. Anfangs wollte ich auch nichts akzeptieren, was hier passierte. Meldete mich bei der Stadtwache und dachte, ich könnte etwas verändern. Nö, keine Chance. Die sind genau so korrupt unterwegs. Die Kunst hier nicht zu verwahrlosen ist wohl die, dass man selbst keine Skrupel haben darf, um in dieser Stadt zu überleben. Wenn du ein moralisch korrekter Mensch bist, kannst du dein Leben hier vergessen. Sieh' uns beide an. Wir passen gut hierher." Dabei deutet Farael mit seiner Hand auf seine Waffen, aber auch auf Anas Gewandung und Bewaffnung. "So wie du dich kleidest, bewegst und verhältst, vermutlich noch talentiert in anderen Dingen, hast du sicherlich keinerlei Probleme hier zu überleben." Einmal mehr musterte Farael Ana und machte auch keinen Hehl daraus. Er spürte den Alkohol in seinem Körper und die Wärme die davon ausging. Somit sparte er auch nicht damit offen zu zeigen, dass Ana sein Interesse geweckt hatte. "Die Gewandung einer Piratin steht dir aber ziemlich gut. Das muss man dir einfach lassen", fügte er noch keck an und zwinkerte seiner Begleitung zu.


    Ana:
    Ob Anas... nun ja: Beruf nun eine positive oder negative Überraschung für Farael war, vermochte die Norkara nicht zu sagen. Ganz abstoßend fand er es aber wohl nicht, denn weiterhin feixte er und schien sich sicher zu sein, dass Ana den Moment mit ihm genoss. Das ärgerte sie ein wenig, doch was nutzte es, zu tun, als täte sie das nicht? Ana musste lachen. Oh ja, wie Recht er hatte. Eigentlich gibt es keinen Ort, an den ich besser passen würde, dachte sie zynisch. Sünde pochte durch Obenzas Adern ebenso wie durch ihre eigenen. Doch war es nicht genau das, dem sie versucht hatte zu entkommen? Und war dieses Vorhaben überhaupt möglich? Natürlich entging Ana die zweideutige Bemerkung des Alben nicht. Sie hatte andere Talente. Das dies aber so einfach zu erkennen war, hatte sie nicht erwartet. Andererseits... Faraels Blick rief ihr die Freizügigkeit ihrer Bluse in Erinnerung. Viele Frauen liefen so wahrscheinlich eher nicht durch eine Stadt voller wollüstiger Kriminelle, es sei denn, ihr Beruf verlangte es. "Da hast du wohl Recht", sagte sie und nahm die Hände über den Kopf, lehnte sich daran an. "Die Verhältnisse hier sind wohl öfter zu meinem Vorteil als umgekehrt." Farael schenkte ihr zuvorkommend Wein nach. "Allerdings hatte ich bislang gedacht, mit einem ehrlichen Verfechter des Rechts unterwegs zu sein. Ich fürchtete schon, du könntest mich ebenfalls überführen oder niederstrecken. Denn eigentlich bin ich nicht viel mehr als ein räudiger Bandit." Ana wusste, dass sie flirtete. Widerwillen. Sich dagegen zu wehren war ihr aber noch nie leicht gefallen, vor allem nicht, wenn der Blick eines anderen sie derart herausforderte. Sie trank von dem frisch aufgefüllten Kelch und blickte den Alben über den Rand hinweg an. "Bald sitzen wir auf dem Trockenen... oder müssen die Vorräte deines Vaters plündern."


    Farael:
    Tatsächlich forderte Ana Farael ebenfalls heraus. Ob es dem Alkohol oder einfach nur ihrer Bekanntschaft geschuldet war, vermochte er nicht zu sagen. Im Gegenteil. Darüber tappte er im Dunkeln. Doch was brachte es ihm, darüber zu sinnieren und genaustens zu analysieren, wenn er es einfach genießen konnte. Allerdings weckte Ana in ihm eine Seite, die er vor vielen verbarg, besonders vor anderen Söldnern. Sie forderte ihn auf eine angenehme Art und Weise, welche er sehr begrüßte. "Wir brauchen nicht mehr Alkohol oder Wein. Beim meinem Vater wirst du auch nicht fündig, er trinkt nicht. Im Gegenteil. Er lehnt es streng ab." Mit Unschuldmiene und schiefem Grinsen entschuldigte sich Farael, ehe er die letzten tropfen aus der Flasche quetschte und gerecht aufteilte. Dies nur zur Erklärung. Faraels Augenmerk lag jedoch klar auf Ana. Doch nicht um sie auszuziehen und es mit ihr zu treiben, wie schön es sein Vater ausgesprochen hatte. "Keine Angst, mit Recht und Ordnung wird dir hier keiner kommen. Eher wird Ungerechtigkeit und Vorteil belohnt." Farael erhob das Glas und prostete erneut zu. "Zudem bist du mehr als eine räudige Banditin. Schau' dich an. Ich meine, ich bin nicht die hellste Leuchte, doch man merkt sofort, dass in dir mehr steckt als das. Und bevor du mich falsch verstehst: Das ist kein leeres Geschwafel. Hast du überhaupt jemanden, der dein wahres Potential erkennt und zu schätzen weiß?"


    Ana:
    Ein Teil von Ana war enttäuscht, ja, vielleicht gar nervös und hibbelig, bei dem Gedanken, dass es bald nichts mehr zu trinken gäbe. Ein anderer Teil schalt ihn dafür. Wollte sie ihre Zunge lähmen, nun, da sie jemanden kennen gelernt hatte, mit dem eine Unterhaltung interessant war und Spaß machte? Ein gemäßigter, ja fast abstinenter Abend konnte ihr nun wirklich nicht schaden. Fortan würde sie einfach langsam trinken. "Wahrscheinlich ist er damit wesentlich besser dran als wir", seufzte Ana, auch wenn sie sich nicht ausmalen konnte, nur einen Tag ohne einen Drink zu verbringen. Da wüsste sie ja morgens schon, dass der Tag nicht mehr besser werden würde. Ana schluckte. Unwissend hatte Farael ein empfindliches Thema angesprochen. "Ich ziehe es vor, die Nähe zu anderen zu meiden, also nein. Mit Ausnahme meines Bruders kennt mich wohl niemand hier genauer." Sie blickte auf das Meer hinaus. "Die Jahre haben mich gelehrt, dass ich damit viel besser dran bin." Seit ihrer Jugendliebe, die - auch wenn sie daran ungern dachte - später auch für kurze Zeit ihr Ehemann gewesen war, hatte sie niemanden außer der eigenen Familie wieder an sich heran gelassen. So etwas konnte doch gar nicht gut ausgehen. "Was denkst du denn, das in mir steckt?", fragte sie zum einen, weil sie gerne das Thema wechseln wollte und zum anderen, weil sie das wirklich interessierte und sie selbst bis auf die musikalischen und diebischen Fertigkeiten wenig in sich sah.


    Farael:
    Farael richtete sich in den Schneidersitz auf und setzte sich zu Ana gewandt. Sein Blick schweifte abermals über sie. Doch musterte er nicht ihren Körper an sich, sondern was sie ausstrahlte und wie sie an sich wirkte. Ihre Frage war verständlich, schließlich hatte sie mit ihrer Aussage mehr als deutlich gemacht, wie sie zu Anderen stand. "Ich kann dich verstehen. Zumindest etwas. In meinem Leben wurde ich auch schon mehrmals hintergangen und musste den Preis dafür bezahlen. Viele Dinge die andere interessanter machen könnten, werden als Schwäche gesehen. Zudem ist Vertrauen eine Sache, die schnell in Verderben und Niederlage münzen kann, wenn man sie nicht dem Richtigen schenkt." Sein Blick entfernte sich schließlich von ihr und lenkte auf die Stadt. Die Bewohner streiften durch die Straßen. Hier und dort erkannte man sich prügelnde Leute, an anderen Stellen wurden Waren feilgeboten und an wieder anderen erhaschten Huren die Aufmerksamkeit ihrer Freier. Schließlich hob Farael einen Arm und deutete auf alles Andere innerhalb der Straßen Obenzas. "Sieh dich um Ana. Das, was da unten keucht und fleucht ist nichts, was es mit dir aufnehmen kann. Tatsächlich kann ich dir nicht sagen, was ich in die sehe. Doch es ist mehr, als du zu vorgeben scheinst. Und das ist gut. Normalerweise bin ich auch nicht der Kerl, der so hier mit dir sitzen würde. Zumindest würden das die Meisten denken." Farael nahm seine Hände und faltete sie in seinem Schoß zusammen. Dabei ging sein Blick wieder auf Ana und sein Grinsen wurde zu einem warmen Lächeln. "Wie gesagt, ich mag nicht die hellste oder aufmerksamste Person sein. Doch in dir erkenne ich, dass du viel erreichen würdest und dich nach etwas sehnst, was über pure Lust oder bloßer Habgier hinaus geht. Was es jedoch ist, dass kann ich dir nicht beantworten. Diese Antwort musst du dir selbst geben." Mit aller Ruhe versuchte Farael mit Ana zu sprechen. Auch wenn er aufrecht saß und sie neugierig musterte, war er entspannter denn je. Einerseits war er auf dem Leuchtturm maßgeblich sicher vor den meisten Gefahren, andererseits wusste er, dass Ana ihm nichts tun oder gar sich ihm abwenden würde. Er hatte das Interesse in ihren Augen gesehen und er musste sich eingestehen, dieses Interesse zu genießen.
    Ana:
    Ein bitteres Lächeln stahl sich in Anas Gesicht. Oh sie wünschte, es wäre auch bei ihr so gewesen! Sie wünschte, es wäre nicht sie gewesen, in die man falsches Vertrauen gesetzt hatte, die Menschen, die sie geliebt hatten, hintergangen und verletzt hatte. Ana brachte es nicht übers Herz ihm das zu sagen. "Vermutlich wäre es das Beste, wenn du gehst", sagte sie sich kalt. "Bevor er der nächste ist, den du benutzt." Doch Ana wollte nicht gehen. Und ebenso wenig wollte sie, dass Farael sich in diese Sammlung einreihte. Obwohl sie fürchtete wohin es führen könnte, wollte sie die Geschichte mit dem Alben weiter schreiben. Er war anders. Vielleicht konnte sie das auch sein. "Eigentlich halte ich dich für äußerst clever", sagte Ana leise, doch fügte schnell im Scherz an: "Aber vielleicht kenne ich dich nur noch nicht gut genug." Ja, nach was sehnte sie sich? Eigentlich war sie, wenn sie ehrlich war, die meiste Zeit vor sich selbst auf der Flucht gewesen. Vielleicht sehnte sich sich nach jemandem, der ihr lernte, mit sich selbst zurecht zu kommen? "Ich vermisse das Meer", sagte sie stattdessen. "Irgendwann werde ich wieder hinaus segeln. Dort habe ich mich frei gefühlt." Sie blickte Farael in die Augen, sah sein freundliches Lächeln und konnte nicht anders, als es zu erwidern. "Allerdings muss ich sagen, deine Gesellschaft ist auch nicht schlecht", zwinkerte sie. Es stimmte. Allein, wie die Zeit verflog, seit sie zusammen waren, bestätigte dies. "Was ist mit dir? Hast du auch Ziele und Wünsche, die du gerne erreichen möchtest?"


    Farael:
    Ein Moment der Kälte und Unsicherheit war in Anas Zügen zu sehen. Sie waren nur kurz und oberflächlich unbedeutend. Farael wunderte sich im Inneren, was in ihrem Kopf wohl vorging. In ihr schien es zu brodeln, die Gedanken zu rasen und doch für die Außenwelt völlig verborgen. Für einen Moment behagte es Farael nicht, was er in ihren Augen sah. Es war jedoch so schnell flüchtig geworden, wie es gekommen war. Eine Frau voller Geheimnisse und Gedanken, die sie aber doch lieber für sich behielt. Vielleicht war es doch besser, in ihrer Nähe auf sich aufzupassen? "Nein, das ist Irrsinn. Sie scheint mit sich zu kämpfen. Beruhige dich und rede mit ihr", dachte er sich und blieb entsprechend ruhig. "Danke dir", bedachte er ihres Kompliments bezüglich seiner Intelligenz, auch wenn das spitzbübische Wort schnell wieder in ihre Sprache zurückkehrte. Darauf lachte er jedoch auf und kratzte sich am Kopf. Manchmal war er wirklich ein Idiot. Das würde sie noch schnell genug merken. Doch ihre nächste Nachfrage verlangte von ihm mehr, als purem Idiotismus. Sie fragte nach Zielen und Wünschen. Etwas, worüber sich Farael nicht viele Gedanken gemacht hatte. Stattdessen hatte er in den Tag hinein gelebt und sich nur um sich gekümmert. Doch ihre Frage rüttelte in ihm etwas wach und setzte etwas in Gang. "Wonach ich mich sehne?", wiederholte er. Sein Blick richtete sich auf den Horizont und schließlich auf die qualmenden Ruinen des Söldnerlagers. "Es gibt da schon etwas, was ich mich in meiner beruflichen Laufbahn wünsche. Was ein Ziel wäre." Seine persönlichen Ziele verschwieg er, so hatte er Angst direkt als weicher Typ dazustehen, dessen Persönlichkeit schwach und voller Narrheit ist. "Ich war einmal ein Anführer eines Söldnerlagers. Ein Ableger des Schutthaufens den du da siehst. Damals wurde ich übermannt und Intrigen um mich gesponnen. Viele gute Männer und Frauen verloren ihr Leben aufgrund meiner Unachtsamkeit und der Finesse des Feindes. Am liebsten würde ich es noch einmal versuchen. Dieses Mal richtig. Männer und Frauen einen, unter einer großen Sache stehen lassen und dennoch ihre Freiheit wahren. Söldner die für ihr Leben kämpfen und arbeiten, doch völlig unabhängig sind. Das wäre mein Traum." Sein Blick haftete an dem Söldnerlager am Horizont, dessen Umrisse nichts mehr von seiner einstigen Pracht zeigten. Faraels schüttelte etwas mit dem Kopf und richtete seinen Blick schließlich wieder auf Ana, auf deren Anblick sich wieder ein sanftes Lächeln auf seine Lippen legte. "Vielleicht wird es irgendwann einmal wahr. Doch es ist heute nur Hirngespinst, ein Luftschloss. Meine Ziele sind aktuell kleiner. Überleben zum Beispiel." Mit einem Schulterzucken und Lachen kratzte sich Farael am Kopf, als sein Blick schließlich auf Anas Instrument fiel. "Würdest du etwas für mich spielen?" Dabei deutete er auf ihre Laute.


    Ana:
    Faraels Antwort verblüffte Ana. Nicht, dass er Anführer des Lagers gewesen war, obwohl sie auch dies natürlich nicht gewusst hatte, sondern seine Vision. Sie musste zugeben, dass sie noch nie viel von Söldnern gehalten hatte. In ihren Augen waren auch dies nur Kriminelle. Farael war ihr von Anfang an nicht wie der typische Söldner erschienen, oder das, was sie sich darunter vorstellte. Und nun übertraf er diese Einschätzung bei weitem. "Das klingt fast wie...", sie überlegte noch einmal kurz, wie sie es ausdrücken wollte, "wie eine Familie." Solch ein hohes, uneigennütziges und definiertes Ziel konnte sie nicht vorweisen. "Ich hoffe sehr, dass du dieses Ziel erreichst, wirklich. Man merkt, dass es... wahrhaftig ist." Sie lächelte und hob ihr Glas. Leer... Ana kräuselte die Lippen. "Oh, Überleben wäre ein Anfang", schmunzelte sie und folgte seinem Blick. "Gern", sagte sie und befreite ihre Laute aus dem Kasten. Das polierte Holz glänzte im schwachen Schein des letzten Tageslichts. "Ich habe sie selbst gebaut", sagte sie, obwohl sie gar nicht wusste warum und begann die Saiten zu stimmen. Eine nach der anderen zupfte sie, mal leer, mal gegriffen, mal einzeln, mal im Akkord und zog nach und nach die Wirbel an. "Wie wird man Anführer eines so großen Haufens Söldner? Ich dachte immer, es gibt nur eines, dem sie dienen: dem Geld", fragte sie, während die Töne immer klarer wurden und schließlich einen sauberen Klang abgaben.


    Farael:
    Interessiert schaute Farael den Fingern Anas zu, wie sie das Instrument geschickt zu stimmen begann. Sie entlockte den Saiten schon beim Stimmen einen angenehmen Klang, auch wenn die Töne ungeordnet und willkürlich schienen. Schließlich war es aber auch kein Lied, sondern nur der Auftakt für ein solches. Dabei hörte auch er ihr aufmerksam zu und schaute genaustens auf jeden Handgriff den Ana tätigte. Farael war völlig fasziniert von dem was sie tat. Schon immer hatte er Lauten als ein schönes Instrument empfunden. Sie hatten seiner Meinung nach etwas magisches an sich, auch wenn ihnen keine tatsächliche Magie inne wohnte. "Zugegeben, für ein selbst gebautes Instrument hältst du dort ein wirklich schönes Instrument in den Händen. Du scheinst allgemein in solchen Dingen begabt zu sein, oder?", hakte er noch einmal nach. "Doch um deine Frage und deine Worte zu beantworten. Geld ist das Bestreben eines jeden Söldners. Doch genauer gesehen, ist es das eines jeden zivilisierten Lebewesens, welches unter der Prämisse lebt, Geld verdienen zu müssen, um zu überleben. Letzten Endes sind wir alle auf Geld aus, um unser Überleben zu sichern. Kaum noch etwas ist umsonst. Noch weniger ohne Geld zugänglich. Jedenfalls bin ich Anführer geworden, weil ich vielleicht den ein oder anderen Einsatz unter meiner Führung erfolgreich abgeschlossen habe. Es war nichts, was ich jemals aktiv wollte. Doch man bot es mir irgendwann an und ich wollte der Herausforderung entgegentreten. Leider bin ich hoffnungslos gescheitert. Ich würde mein Bestes geben, dass das nicht noch einmal passiert und dem auch einen höheren Zweck dient. Danke dir, dass du mich an diesem Punkt verstehst." Mit einem entspannten Seufzen lehnte sich Farael zurück und betrachtete Ana mit voller Ruhe in ihrem Tun.


    Ana:
    Das Kompliment ließ Ana lächeln. Tatsächlich war der Bau von Instrumenten und Schiffen, das einzige, wovon ihr Volk in Sachen Handwerk etwas verstand. Etwas beschämt nahm sie Faraels Worte über das Geldverdienen auf. Er hatte natürlich Recht. Auch Ana tat, was sie tat, um genug Geld für ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit zu haben. Farael schien wirklich ein realistisches und objektives Weltbild zu haben. Und Charakterstärke. Nicht wenige wären nach einem solchen Fehlversuch davon gelaufen, doch er wollte es erneut versuchen; besser, richtig. "Ich denke, du hast eine zweite Chance verdient", sagte Ana und spielte die ersten Akkorde ihres Lieblingsliedes. Sie hatte es in der Nacht auf See komponiert, nachdem sie die Rabeninseln verlassen hatten und immer war es ihr Liebstes geblieben, obwohl so viele folgten. In den Tavernen war es stets eines der Stücke, die von den Leuten allenfalls mit Gleichgültigkeit gestraft wurden und doch spielte sie es hartnäckig jedes Mal. Sie war der festen Überzeugung, dass es etwas in den Leuten bewirken konnte, wenn sie nur empfänglich dafür wären. Einzelne gezupfte Akkorde wurden von einer filigranen Melodie abgelöst und nachdem sie das Intro einmal zu Ende gespielt hatte, begann Ana leise dazu zu summen. Das Lied, so fand Ana, schaffte eine perfekte Verbindung von verspielter Leichtigkeit und schwerer Melancholie, eben jenen Gefühlzuständen, deren Wechselspiel sie sich selbst so oft ausgesetzt sah. Es zu spielen erdete sie stets. Häufig war es ihr Anker in stürmischer See und auch jetzt, in einem Moment, in dem sie eigentlich so schon glücklich war, tat es ihr gut. Sie lächelte Farael an, als sie endete. Ihr gefiel wie aufmerksam er ihr lauschte und sie beim Spielen beobachtete.


    Farael:
    Wie ein Bach aus flüssigem Honig verließen die Töne die Laute Anas. Ihre geschickten Finger schienen mit Leichtigkeit und Feingefühl über die Seiten zu huschen. Jeden Ton traf sie perfekt und das Lied wog in den Wind hinaus auf das Meer. Passend zu dessen Grundton. Die Melodie wurde federleicht davongetragen und doch wog die Schwere einer Geschichte in diesem Lied. Es verbarg etwas und war mit viel Gefühl geschrieben worden. Ana untermalte die Klänge mit dem sanften Summen ihrer Stimmen, welche eine nahezu passende Ergänzung zu dem Lied war. Farael war hinweg über dieses Lied. Selten hörte man etwas auf diese Art, wie sie es Ana zu spielen vermochte. Natürlich gab es zahlreiche Barden, die ähnliche Lieder spielten, doch keines gelangte an die Schönheit heran, welche in Anas Lied mitschwang. Nachdenklich blickte Farael zur See hinaus und überlegte, ob er dieses Lied schon einmal gehört hatte. Doch nichts was ihm in die Erinnerung trat, kam an heran. Leider mussten die Klänge bald schon enden und Farael wurde herausgerissen. Beinahe mit Wehmut akzeptierte er das Ende dieses Liedes. „Es ist eigensinnig, melancholisch“, erklärte er nachdenklich, sein Blick noch immer in Richtung See gewandt. „Deine Finger entlocken der Laute mit diesem Lied ein wahres Kunstwerk, welches ich so noch nie gehört habe.“ Farael richtete seinen Blick auf Ana und lächelte sie an. „Es ist wirklich wunderschön. Woher stammt dieses Lied? Es hat eine persönliche Note, oder?


    Ana:
    Prüfend sah Ana den Alben an, überrascht und misstrauisch zugleich. Allerdings konnte sie kein Anzeichen von Vorgegaukel erkennen. Faraels Blick war in die Ferne entrückt und er schien nach den richtigen Worten zu suchen, für das, was er beim Hören des Stückes empfunden hatte. Ein leises Lächeln umspielte Anas Mundwinkel. "Danke", hauchte sie gerührt. Er sah sie nun an, sanft und weich. "Ich habe es selbst geschrieben", erwiderte sie. "Und ja... es enthält wirklich eine Menge von mir oder zumindest meiner damaligen Gefühlslage." Nun war es an Ana, den Blick in die Ferne zu richten. "Es holt mich stets zurück in das Hier und Jetzt, wenn ich es spiele. Tatsächlich bist du der erste, den es anzusprechen scheint. Die meisten Tavernengäste mögen eher so etwas." Ana griff das Instrument neu und begann eine schnelle, fröhliche Melodie zu spielen, die sie durch Klopgeräusche mit ihrer Zupfhand rhythmisch begleitete. Es war eines der Lieder, die vorne weg dampften, wie eine schnelle Pferdekutsche und alle Leute mit sich zog, sie hin und her schwanken ließ und zum Klatschen, Stampfen und Singen verleitete. Der Text war typisch. Er handelte von Wein und Frauen und der ewigen Jugend und war eingängig und einprägsam. "Mag ich auch ganz gern", sagte sie, nachdem sie geendet hatte. "Je nachdem, in welcher Stimmung ich gerade bin." Gedankenverloren klimperte sie leise vor sich hin, ohne ein wirkliches Lied zu spielen. "Hast du etwas, das du abseits deiner Aufträge gerne tust? Außer trinken und hübsche Frauen ausführen?" Sie zwinkerte freundlich.


    Farael:
    Zu gern hätte Farael Ana weiter über ihr eigenes Lied ausgefragt, doch sie schien für den Moment auf ein anderes Thema wechseln zu wollen. Es war auch völlig in Ordnung, denn das Lied welches sie selbst geschrieben und ihrer Beschreibung nach viel von ihr enthalten würde, war vermutlich ein tiefer Ausdruck eines innere Kampfes, wenn nicht sogar Schmerzes. Farael musterte Ana genau, bevor er ihr antwortete, suchte in ihren Augen und Gesichtszügen nach etwas, was ihm mehr über diese Frau verriet. Doch er fand nichts, womit er hätte etwas anfangen können. Ein wenig enttäuschend für ihn, doch wollte Farael Ana nicht weiter treiben als es nötig war. Ihr Umschwung auf ein gängiges und fröhliches Lied bestätigte schließlich seine Vermutung. "Tatsächlich mag ich diese Art von Lied nicht so sehr. Es ist nicht besonders, so langweilig und wenig gehört. Zu wenig Gefühl und zu wenige Gedanken. Musik sollte die Seele ansprechen und nicht die Lust", kommentierte er schließlich ruhig und lächelte dabei. Warum fühlte er sich so unglaublich wohl in Anas Nähe? "Abseits meiner Aufträge?", fragte er sie und lenkte sich zeitgleich von der Frage in seinem Kopf ab. "Ich gehe noch jagen, für Felle und Fleisch. Ansonsten nicht wirklich viel. Wie ich vorhin sagte, versuche ich eher zu überleben. Wie steht es um dich? Es verbirgt sich mit Sicherheit noch viel hinter deinem Gesicht." Herausfordernd lächelte Farael Ana zu, ehe er ihr Zwinkern erwiderte.


    Ana:
    Farael erntete weitere Pluspunkte. Die wenigstens hatten ein wahres Verständnis und das richtige Gefühl für Musik. Natürlich freute sich Ana auch, wenn die Leute auf Basis ihrer fröhlichen Lieder feierten und ihr zujubelten, doch sie konnte dies von wirklichem Zuspruch unterscheiden. Musik sollte Geschichten erzählen und die Fantasie anregen und zwar nicht auf [i]diese[i/] Art und Weise, da stimmte sie vollkommen mit Farael überein. Der Nachteil war, dass man als Musiker dann häufig alle Hüllen fallen ließ, zumindest, wenn jemand bereit war, genau genug hinzuhören. Vor dem richtigen Publikum wäre Ana jederzeit dazu bereit gewesen.
    "Tatsächlich versuche auch ich hauptsächlich zu überleben und dabei nicht versehentlich im Rum zu ertrinken." Sie lächelte schwach. "Aber das heißt doch nicht, dass man nicht ab und zu einer Leidenschaft nachgehen oder dem Leben frönen kann, oder? Ich lebe vornehmlich in den Tag hinein, weiß morgens meist nicht, wo ich abends schlafen werde... manchmal, so wie heute, verlasse ich die Stadt für eine Weile... manchmal küsst mich die Muse und ich schreibe neue Lieder... doch ansonsten kann ich auch nicht allzu viel vorweisen." Langsam ließ sie die Finger auf und ab über die Saiten streichen. "Früher hat mein Vater mir ab und zu erlaubt, mit den Jungen auf Jagd zu gehen... vielleicht nimmst du mich eines Tages mal mit?"


    Farael:
    Mittlerweile war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden und nur das Feuer in ihrem Rücken wärmte und erhellte sie zugleich. Aufmerksam lauschte Farael den weiteren Worten, die besorgniserregend und zugleich belustigend zugleich waren. Einerseits konnte er sich ein solch freies Leben kaum vorstellen, so war er froh ein Dach über dem Kopf zu haben, andererseits reizte es auch auf eine gewisse Art und Weise. Schließlich genoss er es manchmal bis in die Nacht zu jagen und schließlich unter dem Sternenzelt zu übernachten. "Du hast definitiv Besseres als dieses Drecksloch namens Obenza verdient Ana", antwortete Farael ernst. "Wie ich dir heute schon einmal sagte, du scheinst großes Potential zu besitzen. Es ist nur nicht der richtige Ort oder der richtige Umstand, der dich hier treibt. Zumindest denke ich das." Völlig entspannt lehnte Farael gegen einer der Säulen des Leuchtturms, ehe er ein langgezogenes Gähnen von sich gab. Darauf blickte er Ana wieder mit einem sanften Lächeln an. Ihr Gesicht wurde von den Flammen des Leuchtturms beleuchtet und setzten ihre Züge in einen schönen Kontrast zur Dunkelheit. Man konnte ihr ihre attraktive Natur nicht aberkennen. "Natürlich nehme ich dich gern mal mit jagen. Vorausgesetzt, du hältst es mit mir länger aus, als nur einen Tag. Wenn ich jagen gehe, dann für ein paar Tage." Doch diese Frage Anas drängte sich schnell wieder in Faraels Hinterkopf, als ihm etwas Anderes nicht gut aufstieß. "Wo schläfst du denn diese Nacht?"


    Ana:
    "Das ist sehr nett von dir, das zu sagen. Ich hoffe, du hast Recht." Ana legte den Kopf in den Nacken und blickte nun, da es dunkel war, nach oben an den Sternenhimmel. "Oh... wenn das so ist, dann komme ich besser nicht mit." Krampfhaft versuchte sie ernst zu bleiben, doch musste schließlich doch lachen. "Nein, Spaß beiseite. Ich glaube, ein paar Tage würde ich mit dir schon aushalten, Farael." Sie stupste ihn mit dem Fuß am Bein an. Dann erstarb ihr Lächeln. "Nun ja... ich wollte mir irgendeinen Gasthof suchen... doch daran habe ich jetzt gar nicht mehr gedacht." Überrascht stellte sie fest, dass sie wirklich nicht den geringsten Gedanken an eine nächtliche Bleibe verschwendet hatte, seit sie auf dem Markt gewesen waren. Langsam aber sicher würde es schwer werden, ein Bett zu ergattern, zumindest in den sauberen und sicheren Tavernen. "Möglicherweise hat der Alfons noch ein Plätzchen für mich, das wäre zumindest nicht weit von hier." Der Drang, Farael zu fragen, ob er ihr Obdach gewähren würde, oder, ob sie nicht einfach hier bleiben konnten, machte sich in ihrem Bauch breit. Doch sie traute sich nicht zu fragen. "Meinst du, dein Vater will bald zu Bett? Immerhin wird er nach uns abschließen wollen, oder?"


    Farael:
    Farael teilte Anas lachen auf ihren Kommentar hin. "Glaube mir, ich kann nerviger sein, als dir lieb ist!", feixte er schließlich noch und knuffte Ana in die Schulter, ehe er sich wieder zurück lehnte und die Gebahren Anas beobachtete. Offensichtlich hatte sie nicht darüber nachgedacht, wo sie nun schlafen wollte und wann genau sie schlafen wollte. Insgeheim wunderte er sich, warum Ana nicht einfach Farael fragte, was auch ein wenig an seinem Stolz kratzte. Statt Ana weiter darüber nachdenken zu lassen und ehe sie sich verzettelt oder unter der nächsten Brücke schläft, musste er ihr offenbar ein Angebot machen: "Wie wäre es, wenn du ganz einfach mit in mein Haus kommst. Ich habe zwar nur ein einzelenes Bett, aber du kannst gern das Sofa haben, welches ich gefühlt nie benutze. Sollte bequem und warm genug sein, dass du dort gemütlich schlafen kannst. Und jetzt wo du es ansprichst, sollten wir vielleicht wirklich den Leuchtturm räumen. Vater wird sicherlich schon unten warten und sich fragen, ob ich es geschafft habe dich zu schwängern oder nicht." Mit einem breiten Grinsen erhob sich Farael und streckte sich einmal kräftig durch, ehe er seiner Begleitung die Hand zum Aufstehen reichte.


    Ana:
    Oh wie erleichtert sie war! Vermutlich konnte sie das auch nicht annähernd in ihrem Gesichtsausdruck verbergen. Am liebsten hätte sie Farael geherzt, dass er ihr die schwere Entscheidung abnahm. Vor allem, weil sie sich sicher war, dass es ein ehrlichen Angebot war und nichts damit zu tun hatte, dass er sie ins Bett hätte kriegen wollen. Sie musste sich schon sehr täuschen, wenn das doch sein Ziel war. Viel zu angenehm und natürlich war das Gespräch verlaufen, viel zu ehrlich waren seine Worte und seine Reaktionen gewesen. Nein; Farael wollte ihr wahrscheinlich wirklich nur helfen, vielleicht sorgte er sich gar ein wenig um sie oder konnte es nicht mit sich vereinbaren, eine einsame Frau allein auf die dunklen Straßen loszulassen. "Du bist mein Held", sagte sie. "Ich werde auch nichts mitgehen lassen, versprochen." Vorsichtig verstaute sie die Laute in ihrem Kasten. "Soll ich mein Haar ein wenig durcheinander bringen oder einen zweideutigen Kommentar loslassen, um ihm seine Fantasie zu belassen?", grinste Ana. Sie war aufgestanden und blickte noch einmal hinaus auf das schwarze Meer. "Weißt du, das war wirklich sehr schön hier zu sitzen. Ich habe mich schon ewig nicht mehr anständig mit jemandem unterhalten. Sogar der Mangel an Alkohol hat nicht gestört." Über die Schulter hinweg sah sie den Alben an, der sich kurz streckte und dann seine Waffen ergriff. Das weiche Haar fiel ihm vor das Gesicht, als er sich bückte. Ja... irgendwann wollte sie wissen, was sich unter all den Schichten Stoff, Rüstung und Leder verbarg, wie diese Lippen schmeckten, die so überlegte und charmante Dinge sagten und wie sich die Hände anfühlten, die schlank und kräftig zugleich nach der Ausrüstung griffen. Doch nicht heute. Immerhin wagte sie zu hoffen, dass sie Farael noch öfter sehen würde.


    Farael:
    Mit aller Ruhe griff Farael nach seinen Waffen und lächelte dabei müde vor sich her. Die Reaktion Anas war mehr als grandios und belustigend zugleich. Zudem fühlte er sich etwas besser, sie nicht auf der Straße zu wissen, wo sie vermutlich im letzten Loch schlafen würde. "Keine Sorge, du wirst bei mir nichts klauen. Oder zumindest machst du es nur einmal", erwiderte er mehr spaßig, während er ihr zuzwinkerte und die Zunge herausstreckte. Mit aller Ruhe griff er zu seinen Waffen und brachte sie an die ordnungsgemäßen Stellen an seiner Rüstung. Die brauchte eine Minute, in der Ana mit ihrer Laute beschäftigt war und Farael sich einen Plan ausdachte, ihre Frage anderweitig zu beantworten. Als sie schließlich fertig war und ihre Sachen zusammen gepackt hatte, trat Farael unverhohlen an sie heran, ein charmantes Grinsen auf den Lippen. Sein Blick vertiefte sich in ihre Augen. Er legte seinen Kopf schief. Und plötzlich schoss er mit seiner Hand auf Anas Haupt und brachte ihr Haar völlig in Unordnung. Mit einem äußerst breiten Grinsen und Lachen beantwortete er ihre Frage wortlos. Erst als er mit seinem Werk fertig war, ließ er von Ana ab und betrachtete sie zufrieden. „So, sieht perfekt aus. Der Look steht dir. Schön durchtrieben und frech“, grinste Farael Ana an und deutete ihr den Vortritt nach unten an.


    Ana:
    Ana war noch tief in Schmachterei versunken, als Farael plötzlich auf sie zukam. Was passierte nun? Sie spürte wie ihr Herz wider Willen schneller schlug und ihr Mund öffnete sich ganz automatisch ein wenig, während ihre Augen den seinen anhingen. Würde er sie nun doch küssen? Und würde sie es zulassen? Und wieso klopfte ihr Herz überhaupt so stark? Sie konnte sich nicht erinnern, wann das zuletzt der Fall gewesen war. Doch die Grübelei war umsonst. Vollkommen perplex und im ersten Moment sogar etwas wütend und beschämt darüber, dass sie den Augenblick komplett missgedeutet hatte, stand Ana da wie paralysiert. Schließlich musste sie aber auch grinsen und tastete automatisch nach der zerstörten Frisur. "Okay... so war das nicht gedacht", lachte sie und boxte ihn spielerisch gegen die Brust. "Passt doch gar nicht zu mir, wo ich so artig und brav bin." Sie rettete, was zu retten ging und stieg langsam die Treppe hinab, um nicht zu stürzen.

  • Farael:
    „Artig und brav? Naja, das ist wohl ein Punkt über dem man streiten könnte“, antwortete Farael grinsend und zwinkerte Ana zu. Wohlwollend ist ihm der Blick Anas auf seine Annäherung aufgefallen. Vermutlich hatte sie etwas gänzlich Anderes erwartet, als Farael ihr zuletzt gegeben hatte. Doch wie sie ihn angeschaut und betrachtet hatte. Sie hatte ihren Blick nicht über seinen Körper fahren lassen, zumindest schien es für Farael so, und in ihren Augen hatte keine Lust gelegen. Im Gegenteil. In ihr war etwas Anderes vorgegangen, doch Farael war nicht in der Lage, es richtig zu deuten. So ließ er auch vorerst von diesen Gedanken ab und folgte Ana die Treppe hinab, ehe sie schließlich wieder unten ankamen. Dort wartete bereits sein Vater auf sie, der ein unglaublich schelmisches Grinsen aufgesetzt hatte. „Du siehst ganz schön fertig aus Mädchen. Was hast du denn mit ihr gemacht Farael? Sie sieht ja aus, wie deine Mutter nach unserer ersten Nacht!“, merkte Manhir lachend an und blickte auf Farael und Ana. Natürlich musste er irgend einen dummen Kommentar abgeben und wirklich wissen, wie das Sexleben seiner Eltern ist oder war, wollte Farael nun wirklich nicht. Farael seufzte und warf seinem Vater einem bösen blick zu, doch der grinste nur noch breiter und blickte Ana nun eindringlich an. „Bevor ihr geht, will ich wissen wie mein Sohn so beim Sex ist, junge Dame.“


    Ana:
    Ana überlegte kurz, in welche Richtung sie ihre Antwort lenken wollte. Sie könnte das Ruder an sich reißen und sich als Nymphe und heimliche Sexgöttin ausgeben, sie könnte andererseits Manhirs Vorstellungen von seinem Sohn befeuern, in die eine, wie die andere Richtung oder aber schlicht die Wahrheit sagen, dass überhaupt nichts gelaufen war. Letzters verbannte sie sofort wieder aus dem Kopf. Nicht nur, dass es den alten Alben vermutlich enttäuschen würde, es war auch alles andere als glaubwürdig und wahrscheinlich würde sie allein deshalb schon erröten. "Gute Pferde brauchen gute Reiter", sagte sie schließlich zwinkernd. "Du kannst stolz auf deinen Sohn sein." Sie klopfte ihm mit der flachen Hand auf die Brust und grinste amüsiert, als Farael die Augen verdrehte.


    Farael:
    Ganz zu Faraels Missgunst wurden die Augen seines Vaters wesentlich größer und sein Lächeln zeigte den Stolz, welchen er gegenüber seinem Sohn empfand. Farael, nicht ganz wissen ob er peinlich berührt oder amüsiert sein sollte, zwang sich ein Lächeln ab und gab ein "Danke" von sich. Darauf musste er aber auch grinsen, als sein Blick auf Ana fiel, sie verwegen angrinste und ihr sanft gegen die Schulter schlug. "Du Teufelsweib", flüsterte er Ana schließllich doch zu. "Gut, mehr wollte ich gar nicht wissen. Abflug mit euch Vögelchen!", forderte Manhir schließlich auf und als Farael und Ana an ihm vorbeikamen, klopfte dieser auf Faraels Schulter. "Danke Vater. Und gib Bescheid, wenn es etwas Neues von Mutter gibt." Faraels Vater nickte nur und geleitete Ana und Farael nach draußen, ehe die schwere Tür ins Schloss fiel. "So, du magst ihn wirklich?", hinterfragte Farael bei Ana noch einmal und ging bereits die ersten Schritte in Richtung Stadt. Er selbst war sich nicht ganz sicher, ob Ana Zuneigung zu seinem Vater ein gutes oder schlechtes Zeichen war.


    Ana:
    "Ja", sagte Ana bestimmt. "Er hat freundliche Augen. Ich glaube, er ist ein guter... Alb." Beinahe hätte sie Mensch gesagt. "Da ändern auch seine derben Sprüche nichts daran", fuhr sie fort. "Im Gegenteil. Irgendwie macht ihn das nocht sympathischer." Einen Augenblick verstummte sie. "Du hast dieselben Augen, weißt du das?" fügte sie dann an und lächelte. "Nein, ich mag ihn wirklich. Vermisst er deine Mutter sehr?" Ganz beiläufig stellte sie die Frage, doch sie wusste, dass sie sich auf eine Gratwanderung begab und in Kauf nahm, dass die Stimmung kippte. Sie hatte nicht geplant gehabt, Faraels Vater als Aufhänger für das Thema zu nehmen und hoffte, er nahm es ihr nicht übel. Im Gegenteil: eigentlich interessierte es sie wirklich, denn Manhir hatte irgendwie froh darüber gewirkt, kurz Gesellschaft zu haben, ganz so, als fühle er sich ein wenig einsam.


    Farael:
    Farael lächelte anfangs dankbar bei den Worten, die ihm Ana schenkte. Er hatte noch nie gehört, dass er die Augen seines Vaters haben solle, aber auf einer gewissen Art fand er es angenehm dies gesagt zu bekommen. Manchmal hatte er die Befürchtung, die Wurzeln seiner Eltern seien in ihm verloren gegangen. Ganz so, als ob er ein eigenes Abkömmling wäre. Doch die nächste Frage riss Farael aus diesen Gedanken heraus. Sie kam unverhofft und ein Unwohlsein breitete sich in Faraels Bauch aus. Er seufzte. "Ja, ich denke schon. Mutter ist schon seit fast vier Monaten fort. Mein Vater liebt sie sehr, dass weiß ich und kann ich auch immer spüren, wenn ich in seiner Nähe bin. Es muss furchtbar sein, so lang von einem geliebten Menschen getrennt zu sein", erklärte Farael schließlich, wobei in seiner Stimme Unsicherheit. Er wusste nicht, ob es das Richtige war, Ana diese Dinge anzuvertrauen oder zu erzählen. Doch er tat es einfach. Ana schien die richtige Person zu sein. Natürlich war sie das. Ansonsten würde er wohl kaum mit ihr unter dem Mondlicht durch die ruhiger gewordenen Straßen Obenzas spazieren, durch welche der salzige Duft des Meeres vom Hafen in die Stadt strömte.


    Ana:
    Ana verspürte einen Stich in ihrem Innern. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Sie war gerührt darüber, dass Liebe so lange währen konnte, dass eine Trennung besonders schmerzte und gleichzeitig war sie urplötzlich tieftraurig, dass sie selbst so etwas scheinbar nicht empfinden konnte. War sie nicht immer nach kürzester Zeit davon gelaufen? Hatte sie die Leute, die ihr nahe waren, nicht immer schnell satt? Fast war sie ein wenig neidisch auf Faraels Eltern, dass sie nach all der Zeit noch echte Gefühle für einander hatten. Ana schalt sich für diese Gedanken. Stattdessen konzentrierte sie sich auf Farael. Sie sollte sich eher geehrt fühlen, dass er dies mit ihr teilte und dankbar, dass er ihr die persönliche Frage nicht übel genommen hatte. "Aber es ist auch schön, oder? Zu wissen, dass es jemanden gibt, mit dem mal so etwas teilt?", versuchte sie. "Wisst ihr denn, wann sie zurück kommen wird?"


    Farael:
    Erneut lächelte Farael auf die Worte Anas. Sie hatte etwas an sich, was er nicht beschreiben konnte, aber auf alle Fälle war es das Talent, wie sie mit ihm redete. Sie schien von Moment zu Moment symphatischer, obwohl sie faktisch gar nichts tat. Zwar erinnerten ihre Worte an das Dilemma in dem seine Mutter derzeit steckte, jedoch schaffte sie es auch, ihn zeitgleich zu beruhigen und die Möglichkeit, sich zu öffnen. Etwas, was Farael angenehm und ein wenig unheimlich zu gleich war. "Manchmal sind die Menschen mit denen man solche Dinge teilen könnte, näher als man in einem Moment vermuten kann. Sie könnten einem direkt vor der Nase stehen, doch ihre wahre Bedeutung entfaltet sich immer erst später", antwortete Farael lächelnd auf Anas erste Frage. Sein Blick ging in Richtung des Himmels, in dem die Sterne deutlich zu sehen waren. "Leider wissen wir aber nicht, wann sie zurückkehren wird. Sie steckt in ... schwierigen Umständen." Das seine Mutter im Gefängnis steckte, weil sie den Falschen bestohlen hatte, verschwieg Farael lieber. Er wollte nicht, dass Ana etwas Falsches über ihn oder seine Familie denken konnte. "Wir hoffen Beide, dass sie bald wieder zurückkehrt. In der Zeit halten wir uns mit unserer eigenen Arbeit über Wasser. Hin und wieder besuche ich meinen Vater auch, damit er nicht ganz verkommt."


    Ana:
    Die Norkara dachte über Faraels Worte nach. War das so? War sie womöglich oft zu ungeduldig im Umgang mit anderen oder waren es bislang schlicht die falschen gewesen? "Vielleicht hast du Recht", gab sie leise zurück. Ana entging sein kurzes Stocken nicht. Irgendetwas an der Lage seiner Mutter war ihm unangenehm. Dieses Mal war sie feinfühlig genug, nicht genauer nachzuhaken. "Dann hoffe ich es auch! Mich würde schon sehr interessieren, welche Frau einen Draufgänger wie Manhir zähmen konnte." Sie zwinkerte. "Es ist sehr nett, dass du ihn regelmäßig besuchst. Intakte Familien gibt es auch nicht mehr allzu häufig." Ana wusste nicht, warum sie das sagte. Immerhin war ihre eigene Familie eigentlich auch in Ordnung, wenn man davon absah, dass beide Geschwister dem Alkohol erlegen und fern der Heimat waren. Sie kannte ganz andere Dramen auf der Welt...


    Farael:
    Mit seinem sanften Lachen dachte er über Anas letzte Worte nach. Intakte Familien gibt es nicht häufig. Aus Erfahrung konnte Farael tatsächlich nicht sprechen. "Ja, meine Familie sind die Einzigen die ich momentan noch habe. Zumindest momentan. Ich hoffe es ändert sich irgendwann einmal wieder." Der "Duft" der Stadt wurde zunehmend dichter und man konnte förmlich riechen, dass sie sich nahe der Slums befinden mussten. Je näher sie dem kamen, desto mehr betrunkene Gestalten schlenderten durch die Straßen und trübten die Ruhe des Abends. Aus unerfindlichem Grund fielen ihm aber wieder die Worte Anas ein, die sie an seinen Vater gerichtet hatte. Die Bestätigung seiner Leistung. Ein Grinsen legte sich auf seine Lippen. Einerseits um die Stimmung ein wenig aufzulockern, andererseits um das Thema zu wechseln, fragte er: "Ein gutes Pferd braucht also einen guten Reiter, so so. Wer von uns beiden ist denn das Pferd und wer der Reiter? Wer muss gezähmt werden und wer die Oberhand gewinnen?" Sein Grinsen wurde nur noch breiter, als er Ana verspielt anschaute.


    Ana:
    Ana machte einen etwas größeren Schritt über einen Haufen Erbrochenes. Aus einem geöffneten Tavernenfenster drangen die dumpfen Geräusche einer Schlägerei, begleitet vom Klirren von Gläsern und dem Johlen von Schaulustigen. "Hm", schmunzelte sie. "Darf ich es mir aussuchen?" Sie fuhr sich durch das noch immer etwas zerzauste Haar. "Dann bin ich der Reiter mit den Zügeln fest in der Hand. Und einem unartigen Pferd gebe ich schon mal die Sporen oder hole die Peitsche heraus", sie lachte. "Aber wenn es artig ist, lasse ich Milde walten und es gibt eine Belohnung... hinterher. Was hättest du gewählt?"


    Farael:
    Mit dieser Antwort hatte Farael gar nicht gerechnet. Doch sie sorgte dafür, dass seine Lippen sich weiter in die Breite zogen und er einmal herzhaft lachte. "Eine Frau mit Temparament. Ich muss zugeben, dass mag ich. Wenn du mich aber schon so fragst, hmm." Für einen Moment überlegte Farael seine Antwort, wich dabei einer Schnapsleiche aus und malte sich gerade die Szenarien in seinem Kopf aus. "Ein wildes und ungestümes Pferd, was sich nicht gern zügeln lässt und gezähmt werden will. Das könnte mir durchaus stehen. Also, natürlich nur rein hypothetisch." Farael zwinkerte Ana zu und lachte wieder, ehe er sie in die Seite knufte. Gemeinsam schritten sie weiter, es war nicht mehr weit von seinem kleinen Haus entfernt. Sie befanden sich im Randgebiet zwischen Slums und der mittleren Ebene. Man spürte die Einflüsse beider Schichten und in genau in diesem Grenzgebiet lag sein Haus. "Wie geht es dir eigentlich Ana? Ich meine ... wie fühlst du dich?"


    Ana:
    Ana stimmte in das Lachen ein. "Na dann sind wir uns rein hypothetisch ja sogar einig! Das hätte ich nun auf nicht erwartet." Die Luft wurde wieder etwas besser, auch wenn es natürlich kein Vergleich zu der Meeresbrise war, die sie nochvor kurzem hatten genießen können. Ana war schon äußerst gespannt auf Faraels Haus. Wie es eingerichtet war, wie groß die Zimmer waren und ob er viele oder wenige Dinge besaß. In ihrer Vorstellung war es recht spartanisch, eher pragmatisch, jedoch ordentlich und sauber. "Mir geht es sehr gut, danke", sagte Ana wahrheitsgemäß. Tatsächlich hatte sie sich lange nicht mehr so klar im Kopf gefühlt und so wenig das Bedürfnis verspürt, sich mit einigen weiteren Gläschen zu betäuben. "Ich freue mich sehr, ein sicheres Dach über dem Kopf und die Gelegenheit für gute Gespräche zu haben." Sie schob ihre Daumen unter den Gürtel. "Wie steht es mit dir? Bereust du schon, dass du dein Sofa an eine Wildfremde verkauft hast?"


    Farael:
    "An eine Wildfremde?", hinterfragte Farael, als er diese Worte hörte. Er wusste nicht genau, warum er dies so empfand, allerdings fühlte sich Ana nicht wie eine Wildfremde an. Und als sie schließlich vor einem kleinen Haus mit Kamin standen, kaum größer als ein Bauernhaus. Weiße Fassade aus Stein und ein Ziegeldach. "Um kurz auf deine Frage zurückzukommen: Mir geht's gut. Würde ich es bereuen, würde ich dann Folgendes machen?" Ohne zu zögern und mit einer plötzlichen Bewegung, warf sich Farael Ana über die Schulter. Ihr Kopf hing nach vorn gegen seine Brust, so dass sie auf den Weg vor ihnen blicken konnte. Galant hielt er sie mit seinem rechten Arm fest, während er mit der Linken nach dem Schlüssel suchte, der sich schnell anfand und die mithilfe dessen er die Tür aufsperren konnte. Sie kamen in einen einzelnen Raum. Die Wände waren nicht geschmückt. Ein Sofa und ein Tisch samt einiger Stühle standen im Raum auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sein Bett und zwei Kommoden. Noch daneben ein Rüstungsständer und Waffenhalter. Neben dem Kamin war ein kleiner Schrein mit Bildern und milden Opfergaben für Ardemia aufgebaut. Ihm war es wichtig, dass alles seine Ordnung hatte und nichts schmutzig war. Für ihn stellte dies eine Grundlage für ein gutes Leben dar. Unverfroren wie er natürlich war, ließ er Ana rücklings auf die Couch plumpsen und dabei schaute er sie frech an. "Na, wie gefällt's dir? Ich mache uns noch ein Feuer an, damit es warm für die Nacht wird. Oder hast du noch ein paar andere Pläne?"


    Ana:
    "Na für das Sofa bin ich doch eine Wildfremde", entgegnete sie, erfreut über die Art und Weise, wie Farael das Wort betonte. Sie waren zum Stehen gekommen und neugierig betrachtete Ana das kleine Haus. Es hätte genauso gut irgendwo auf dem Land stehen können. Gerade wollte Ana dies äußern, da fand sie sich unvermittelt in der Luft wieder und ihr Blickfeld drehte sich einmal um 180°. "He!", rief sie, doch lachte dabei und sah die Haustüre auf sich zu wackeln. Sie spürte Faraels Kraft in seinem Arm und sein Bizeps drückte sich fest an ihre Taille. So gut das möglich war, machte sie sich kopfüber ein Bild von dem kleinen Raum. Ihre Vermutungen waren gar nicht so falsch gewesen. Es war einfach, doch wohnlich und vor allem sauber und aufgeräumt. Einzig eine Art Altar überraschte sie, doch dann fiel ihr ein, dass Farael ein Waldalb war und trotz seines städtischen Lebens, typisch für sein Volk, der Mutter huldigte. Das gefiel ihr, obwohl sie selbst nicht wirklich religiös war und nur Nyel ehrte. Ganz kurz verspürte Ana den Drang Farael am Kragen zu sich heran zu ziehen, nachdem er sie abgesetzt hatte, doch er verflog so schnell wie er gekommen war und sie grinste bloß zurück. "Oh, ein Feuer klingt wunderbar!", entgegnete sie. "Es gibt kaum etwas Schöneres, als die knisternde Wärme eines Kamins. Und dann... würde ich vielleicht zu einem kleinen Nachttrunk nicht nein sagen."


    Farael:
    Offensichtlich konnte Ana nicht die Finger von Alkohol lassen, was er nur mit einem Kopfschütteln samt Grinsen quittierte. Bevor er jedoch Feuerholz holen ging, schritt er zur Kommode und holte aus ihre eine saubere Decke hervor, die er für besonders kalte Nächte aufbewahrte. Er liegte sie auf der Couch ab und stellte sich dann vor Ana. "So so. Nur das Trinken im Kopf, obwohl es gänzlich Andere Schönheiten in diesem Raum gibt", gab er schließlich zurück. "Leider habe ich keinen Alkohol hier, tut mir leid. Lass mich erst einmal aus meiner Rüstung schlüpfen, dann können wir noch einmal drüber reden." Damit machte sich Farael auch schon auf den Weg zu seinem Bett und den Rüstungsständer. Seine Waffen wanderten auf den dafür vorgesehen Waffenständer, worauf dann jedes Rüstungsstück an seinem Platz an dem Rüstungsständer fand. Lediglich sein Leinenhemd, die Lederhose und die Stiefel blieben übrig. "Ich geh' eben Holz holen, mache es dir schon einmal gemütlich." Mit diesen Worten schritt Farael hinaus in den Abend, um das Feuerholz hinter seinem Haus hervor zu holen.


    Ana:
    Beinahe war es ihr etwas peinlich. Sie hatte gedacht, es wäre eine gute Idee und auch in Faraels Interesse, doch vermutlich war dies nur wieder eine Masche ihres Trinker-Ichs gewesen, den Wunsch zu rechtfertigen. Dankbar griff sie nach der Decke, setzte sich in den Schneidersitz und warf sich den warmen Stoff über die Schultern. "Ich komme auch ohne zurecht", sagte sie und versuchte einen kleinen Scherz daraus zu machen. Neugierig beobachtete sie, wie Farael die Rüstung ablegte und akribisch jedes Teil an einen passenden Platz drapierte. Nun war schon deutlich mehr von dem zu erkennen, was sich darunter befand und ein kleines Lächeln umspielte Anas Mundwinkel, dann nickte sie. "Danke." In die Decke eingewickelt stand sie noch einmal auf und ging im Raum umher. Sie sah sich den kleinen Schrein an, blickte hoch zur niedrigen Decke, strich mit der Hand über den Tisch und die Kommoden und blieb dann vor dem Kamin stehen, der noch den angenehmen Duft verbrannten Holzes aussandte. "Bestimmt hält er mich für eine Trinkerin", dachte sie. "Eine Obdachlose Trinkerin." Sie seufzte, als hinter ihr die Türe klickte. Farael kam mit einer Armladung voll Holz zurück. "Es ist nicht so, dass ich einen Drink brauche, um die Zeit mit dir genießen zu können", sagte Ana schnell, weil es sie wurmte. "Es ist eher die Gewohnheit vor dem Schlafengehen. Doch ich denke, wenn das Holz wohlig vor sich hin knackt und ich weiß, dass ich in guten Händen, kann ich auch so gut schlafen." Sie lächelte schüchtern.


    Farael:
    Die kalte Luft trieb Farael dazu an, sich ein wenig mit dem Holz zu beeilen, auch der Umstand dass es draußen doch recht gefährlich war, ohne eine Waffe umherzulaufen. Also lud er sich eifrig das Holz auf die Arme, machte eine Kehrtwende und ging zurück in das Innere seines Hauses. Dort angekommen erwartete ihn eine in einer Decke eingewickelte und mit einer reuevollen Stimme sprechende Ana. Behutsam ließ er das Holz vor dem Kamin sinken und tat als erstes einen Schritt auf Ana zu. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen und er legte seine rechte Hand auf ihre Schulter. "Hey, es ist alles gut. Ich verurteile dich nicht und würde es dir auch nicht übel nehmen, wenn du einen Drink gebrauchen kannst. Du wirst aber sehen, dass es mit der richtigen Atmosphäre und einer guten Gesellschaft genau so gut klappt, wenn nicht sogar besser." Behutsam klopfte Farael Ana auf die Schulter. Ein wenig tat sie ihm leid, er hatte das Gefühl, dass er sie zu einer Rechtfertigung zwang, was aber keinesfalls seine Absicht war. Im Gegenteil. Sie sollte sein, wer sie war. Sofern sie keine Diebin oder Assassine ist, die ihm schaden wollte. Aber das glaubte er nicht. Für einen Moment widmete er sich dem Kamin, legte die Scheite zurecht und entfachte schließlich das Feuer. Darauf zog er sich nun auch die Stiefel aus und streckte sich einmal, in der Wärme des Kamins räkeln. "Es tut gut, wieder Zuhause zu sein. Dann noch mit guter Gesellschaft im Haus. Da habe ich dann wohl alles richtig gemacht.", sagte er lachend und setzte sich auf sein Bett. Von dort aus blickte er Ana an. "Ich hoffe es ist bequem für dich hier. Brauchst du noch etwas?"


    Ana:
    Ana war froh, dass sie es noch angesprochen hatte und sah sichtlich erleichtert zu, wie Farael das Feuer entfachte. In die Flammen zu sehen, hatte etwas tief Beruhigendes und auch sie entledigte sich ihrer Stiefel und legte den Gürtel mitsamt den Dolchen und ihren kleinen Beutel neben das Sofa ab. "Es ist wunderbar, danke", sagte sie leise und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Sie lehnte sich zurück und sah Farael an, dessen Gesichtszüge im Feuerschein sanft erhellt wurden.


    Farael:
    Nur das Knacken und Knistern des Feuerholzes durchbrach die Stille des Raumes, die sich in Faraels Haus breitgemacht hatte. Ana war zufrieden und offensichtlich gut versorgt, sie wirkte auch so. Ihr Blick war aufrichtig und Farael erwiderte diesen auch nur zu gern. Für einen Moment musste er sich eingestehen, sich in ihrem kleinen Blickduell zu verlieren. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er genau dies bemerkte und sich dabei erwischte, ihre Gesichtszüge im Schein des Feuers genauer zu betrachten. Der Glanz in ihren Augen barg auch etwas unheimlich Anziehendes, auch wenn es Farael niemals offen zugeben würde. Schließlich war er ein harter Söldner, der nicht zu leicht zu beeinflussen sein sollte. Schließlich war es seine Stimme, die die Stille durchbrach: „Doch, ich denke es fehlt dir noch an etwas.“ Damit erhob er sich wieder und schritt auf den Kamin zu, über dem auch zahlreiche Küchengeschirre hingen. Von dort schnappte er sich einen Teekessel, den er mithilfe eines neben dem Kamins stehenden Kanister mit Wasser befüllte. Diesen stellte er vorerst beiseite, zog eine Metallplatte neben dem Kamin hervor und legte sie über das offene Feuer. Mehr eine provisorische Kochstelle, als wirklich ernstzunehmende Küche, doch Farael war froh diese so nutzen zu können. Nachdem er die Platte in den Kamin geschoben und den Teekessel darauf gesetzt hatte, schnappte er sich noch einen kleinen Teebeutel aus einer Kommode. Gefüllt mit diversen, teilweise exotischen Kräutern, hing er diesen schließlich in das Teewasser und ließ es aufkochen. “Glaube mir, nachdem du diesen Kräutertee probiert hast, wirst du wirklich gut schlafen können und obendrein richtig gute Träume haben! Manchmal, so heißt es, würde einem diese Kräutermischung sogar in den Träumen die Dinge zeigen, nach denen man sich am meisten sehnt. Und man kann sie dort erleben! Doch das ist alles nur Hirngespinst. Zumindest hatte ich noch nicht das Glück. Auf alle Fälle schmeckt er mit einem Löffel Honig richtig gut“, erklärte Farael völlig freudig, obgleich er selbst von diesem Gemisch begeistert war. Auch wenn es nur geschmackliche Begeisterung war. Es dauerte nicht lang, da zischte es auch schon aus dem Kamin heraus. Sofort nahm Farael den Kessel hinab und sog tief den duftenden Dampf ein. Eine wahre Köstlichkeit, die sich in diesem Behälter befand. Behutsam stellte er den Kessel auf dem Tisch ab, holte Honig aus seinem Vorratsschrank und tat zwei große Löffel davon hinein. „Er wärmt wunderbar von innen und gibt einem das Gefühl des Friedens. So wie auf dem Leuchtturm, nur dass dieser Frieden auch die Träume durchsetzt.“ Farael zog zwei Becher hervor und füllte beide mit dem heißen Tee. Einen schob er zu Ana, während er sich selbst einen Stuhl nahm und sich zu Ana setzte. „Ich wollte mich noch einmal bei dir bedanken, für diesen Abend und den Wein. Das Bier natürlich nicht zu vergessen!“, sprach er zu Ana, mit einem Lächeln auf den Lippen und in leisem Ton. „Ich hatte schon lang niemanden mehr, mit dem ich so reden konnte wie mit dir Ana. Du bist aus einem anderen Holz geschnitzt, als alle Anderen.“


    Ana:
    Schweigend beobachtete Ana Farael einen Weile. Sie spürte, wie ihr Körper in der sich ausbreitenden Wärme des Feuers entspannte und mit den wohligen Geräuschen aus den Flammen auch ihr Geist. Ein sanftes Lächeln zog sich über ihr Gesicht, als der Alb voller Begeisterung von dem Tee schwärmte. Es war schön, doch es hatte auch etwas Widersprüchliches an sich, das sie schmunzeln ließ. Sie hatte sich Söldner immer als grobschlächtige Kerle vorgestellt, die billigen Rum und dickes Bier tranken und nun war sie in Gegenwart von einem, dem ein Kräutertee die höchste Freude sein konnte. Ana gefiel das. Sie wurde gerne überrascht, zumindest positiv. "Na da bin ich aber sehr gespannt, wo ich im Schlaf hinreisen werde", zwinkerte sie und nahm die Schale dankbar an. Sofort stieg ihr ein wundervoller Duft in die Nase und Bilder einer sommerlichen Waldlichtung formten sich vor ihrem inneren Auge. "Wundervoll", murmelte sie und trank ein paar vorsichtige Schlücke.
    Es war nicht unbedingt was er sagte, eher die Art und Weise, wie er es tat, die Ana verlegen machte und sie spürte, dass sie sogar ein wenig rot wurde. Gott sei Dank würde man das im Schein des Feuers nicht sehen können.
    "Du musst dich nicht bedanken, Farael. Ich hatte auch schon lange keinen so schönen Abend mehr. Es hat gut getan, aus dem düsteren Alltagstrott auszubrechen." Ana fischte ihre Haare hinter dem Rücken hervor und begann sie einzudrehen. "Damit hätte ich nach unserer Begegnung nicht unbedingt gerechnet", grinste sie, als sie sich zurück erinnerte. Viele Möglichkeiten waren ihr durch den Kopf gegangen, aber nichts glich dem, was wirklich passiert war. Bevor sie es sich anders überlegte, stellte sie die Frage, die in ihr brannte, von der gemütlichen und warmen Stimmung angespornt: "Meinst du, wir können uns wiedersehen?"


    Farael:
    Genüsslich nahm Farael einen Schluck des Tees zu sich, der warm in seiner Kehle hinunterfloss und dessen Hitze sich durch seinen gesamten Körper auszubreiten begann. In seinen Augen eines der schönsten und entspannendsten Gefühle, die einem ein Getränk nur geben konnte. Dabei betrachtet er mit Ruhe Ana, welche von dem Tee probierte und ihrer Miene nach es ihr auch schmeckte. Mit einem Lächeln nahm Farael dies wohlwollend zur Kenntnis. Kaum jemand in Obenza versuchte sich an Tee. Die Meisten waren zu sehr versunken in Alkohol und Dhanga, so dass niemand die Kunst des Tees wertzuschätzen wusste. Nicht dass Farael groß davon Ahnung hatte, aber es war dem Kräuterabsud unfair gegenüber, ihn komplett zu vernachlässigen. Die Atmosphäre war wohlig im Raum. Ana schien sich wohlzufühlen und auch Farael konnte der Situation keinen einzigen negativen Punkt abringen. Es war perfekt, auch wenn ihm langsam die Müdigkeit die Sinne vernebelte. Als Ana ihre Frage stellte, verschwand sein Lächeln jedoch augenblicklich und ihm wich ein erster Gesichtsausdruck. Er versuchte Trockenheit und ein nüchternes Gefühl auszudrücken. Ein Blick, der einem Toten gehörte. Er ließ seinen Blick wirken. Die Ruhe hielt er aufrecht. „Die Frage ist nicht, ob wir uns wiedersehen Ana“, erklärte er trocken. Eine kurze, qualvolle Pause. „Sondern das Wann. Und das wird morgen früh sein. Danach zu jedem Zeitpunkt, an dem du es wünscht und ich nicht gerade allein beschäftigt sein muss.“ Seine Miene drückte nun wieder Freude und ein Lächeln aus. „Außerdem – wenn du ein Dach über dem Kopf brauchst, für die Nacht, kannst du gern hierherkommen. Sofern du nichts klaust oder irgendwelche Leute mitbringst. Oder mir die Haare vom Kopf frisst“, erklärte Farael warm und nahm darauf einen Schluck von seinem Tee. „Wie ich dir bereits mehrmals sagte, bist du jemand Besonderes. Jemand wie du sollte nicht auf der Straße schlafen müssen und ich würde dich gern genauer kennenlernen. Wenn du wilde Reiterin und Piratin es denn willst, versteht sich.“ Mit einem Augenzwinkern nahm Farael schließlich noch einen tiefen Schluck von seinem Tee.


    Ana:
    Sogleich bereute Ana ihre Frage. War sie zu weit gegangen? Hatte sie eine Linie überschritten, die Farael strikt mied? Alles in seinem Ausdruck sprach dafür und der angenehme Geschmack des Tees verwandelte sich in Anas Mund in Bitterkeit. "Das hast du davon, wenn du dich jemandem öffnest!", schalt sie sich im Stillen und legte sich bereits abschwächende Worte zurecht, als Farael schließlich sprach und sie doch noch einmal innehielt. Was sie hörte, drang zunächst gar nicht in voller Gänze zu ihr durch, so perplex war sie. Sie blinzelte ein, zwei Mal und schluckte hinunter, was sie hatte sagen wollen. Erstaunen wich Zuneigung, die sich dann wieder in ersteres wandelte, so fremd war ihr dieses warme Gefühl über die letzten Jahre geworden. Lächelnd senkte sie den Blick. Dabei wusste sie gar nicht, Warum sie ihre Freude zu verbergen suchte. Das letzte Mal, als sie solch gute Worte gehört hatte, war... Ana stockte in ihren Gedanken und ihr Lächeln verblasste. Nein! Das war Unsinn. Mit purer Willenskraft verdrängte sie den anklagenden Gedanken aus ihrem Kopf. "Schade", scherzte sie stattdessen, "ich hatte mich schon auf eine köstliche Haarpastete gefreut. Albenhaar gilt auf den Rabeninseln als Delikatesse." Sie blickte Farael nun wieder direkt an. "Das ist ein ungewöhnliches Angebot", fuhr sie ernster fort. Einer umherstreunernden Piratin bedingungslos die eigene Tür zu öffnen... das tat nur jemand, der töricht genug war. Doch Ana wusste, dass Farael nicht dumm war. Er sah wirklich mehr in ihr. Ebenso lag ihr mehr an seiner Bekanntschaft, als dass sie es durch einen kümmerlichen Diebstahl zunichte gemacht hätte. "Ich werde es nicht in den Dreck ziehen und mich ordentlich aufführen, wann immer ich es in Anspruch nehme. Und natürlich danke ich dir vielmals." Einen Augenblick schwiegen sie. "Ich möchte auch gern noch mehr von dir erfahren", gab sie schließlich zu. "Und zu gern möchte ich sehen, ob du in der Lage bist, ein wildes Pferd zu zähmen. Wir sind störrisch und launisch und brauchen viel Auslauf." Ein breites Grinsen hatte sich zurück in ihr Gesicht gekämpft und die inneren Zweifel und Sorgen endgültig verdrängt.


    Farael:
    Für einen kurzen Moment hatte Farael das Bild eines Alben im Kopf, der für seine Haare geschoren wurde, damit die Norkara diese als Pastete zubereiten konnten. Mit einer Mischung aus Faszination und Ekel tat sich vor ihm eine Pastete auf, aus der, wenn man in sie hineinbiss, zahlreiche Haare gesprungen kamen. Es schauderte Farael für einen Moment, weswegen er den Gedanken kommentierte: „Pasteten aus Albenhaar ist wirklich widerlich. Noch widerlicher, wenn man es sich vorstellt. Oder überhaupt Pastete mit Haarfüllung. Üärgs.“ Immerhin hatte Ana Charme und eine gewisse Kreativität, die er ihr nicht verdenken konnte. Deshalb folgte von ihm auch ein beherztes Lachen, bevor er diesen teilweise verstörenden Gedanken bei Seite schob. Aufmerksam hörte Farael den weiteren Worten Anas zu, genoss aber auch die kurze Ruhe die in einer Pause ihres Gespräches entstand. Nicht immer war es notwendig, laut zu sein. Denn Stille konnte genau so viel ausdrücken, wie es ein Wort konnte. In diesem Falle war die Stille schön und angenehm zugleich. Für einen Moment schloss er die Augen und verspürte nicht mehr, als die Anwesenheit der Norkara in seinem Raum. Er vertraute ihr. Er zeigte es. Er bereute es nicht. Sie war anders, sie musste anders sein als sonst jeder in dieser intriganten Stadt. Ansonsten würde er sich bitter täuschen und er wusste, dass man auf diese Weise sein Leben in Obenza verwirken konnte. Aus erster Hand wusste er es. Diese Gedanken wurden jedoch schnell verdrängt, als Ana plötzlich das Wort erhob. Er zuckte zusammen, als er ihre Stimme hörte und hatte sich dabei erwischt, wie er für einen Moment weggenickt war. Zu seinem Glück hatte er genug mitbekommen, dass er sofort ihr Grinsen erwidern konnte. „Ach so ist das? Waren wir nicht vorhin noch dabei, dass ich das Pferd und du die Reiterin bist? Oder denkst du wir werden häufig genug diese Rollen tauschen?“ Mit einem lasziven Zwinkern stellte er provozierend die Frage. Um es mit einem stumpfen Wortwitz zu umschreiben: Farael hatte das Gefühl es würde zwischen ihnen Knistern und das lag nicht an dem Kaminfeuer. „Auf alle Fälle bin ich mir sicher, dass ich dir genug Auslauf gewähren und dennoch dich mit den richtigen Mitteln zähmen kann. Warte nur ab.“, fügte er schließlich breit grinsend an. Für Farael stand fest, dass er Ana wiedersehen wollte. Je länger er sie sah und sich mit ihr unterhielt, desto mehr hatte er das Gefühl, dass er diese Entscheidung gar nicht bereuen konnte. Entweder das, oder seine Torheit erreichte neue Höhenflüge. Mit einem letzten Schluck leerte er seinen Becher mit Tee und lehnte sich zurück, dabei herzhaft gähnen und sich einmal der Länge nach streckend.


    Ana:
    "Oh, du hast also wirklich zugehört", sagte Ana mit gespielt überzogenem Erstaunen. "Ich dachte, bei euch geht alles, was wir sagen links rein und rechts wieder raus." Genau das hatte sie zumindest schon häufig erlebt und sich selbst zum Vorteil gemacht. Bei Farael musste man allem Anschein nach vorsichtig sein, was man sagte. "Es klingt, als hättest du Erfahrung." Ana setzte einen gewichtigen Blick auf, doch lächelte dabei. Sie sah, wie Farael sich streckte und spürte, dass auch ihr so langsam die Müdigkeit in die Glieder kroch, dem interessanten Gespräch zum Trotz. Heute Nacht würde sie gut schlafen, da war sie sich sicher. Irgendetwas sagte ihr, dass sie in diesen vier Wänden nichts zu befürchten hatte.


    Farael:
    Mehrere Male blinzelte Farael Ana an, da er anfangs gar nicht verstand, woher dieses Klischee ihm gegenüber plötzlich kam. Natürlich nahm er es gelassen und mit einem breiten Grinsen auf, auch wenn es ihn anfangs etwas verwirrt hatte. "Ich mag zwar manchmal mit meinem Schwanz denken, aber häufig tue ich das nicht. Sonst wäre ich heute nicht mehr am Leben", antwortet er frech mit einem noch breiterem Grinsen. "Sonst hätte ich dich wohl kaum vor diesen bösen Banditen retten können, wenn ich keine Erfahrung habe. Oder nicht zuhören würde. Denn dann hätte ich sie nicht kommen hören." Für einen kurzen Moment erhob sich Farael von seinem Sessel und räumte das Geschirr ab, ehe er sich wieder zu Ana setzte. Seine Augenlider waren schon etwas schwer, doch er wollte dem trotzen, die Möglichkeit mit Ana zu reden und sie näher kennenzulernen war viel zu greifbar, als dass er sich diese Möglichkeit entgehen lassen wollte. "Wo kommt denn die plötzliche Kampfeslust her?", hakte er schließlich nach, das Grinsen nicht minder breit.


    Ana:
    "Ich dachte eher an Erfahrung mit wilden Pferden... oder deren Reiter. Dass du mit einfältigen Banditen klar kommst, glaube ich dir sofort", neckte Ana weiter, als der Alb aufräumte. "Och", überlegte sie, "es ist so schön einmal wieder ein richtiges Gespräch zu führen, da bin ich wohl etwas übermütig geworden. Der richtige Gesprächspartner kann sehr herausfordernd wirken." Sie lächelte vielsagend. "Normalerweise benutze ich meine Stimmbänder nur zum Verhandeln einer Gage oder um irgendeinen Trunkenbold davon zu überzeugen, dass er zu tief ins Glas geschaut hat, um überhaupt noch irgendetwas auf die Reihe zu kriegen... Das ist auf Dauer wenig zufriedenstellend." Ana zog die Beine an und legte ihre Arme darum. "Die meisten Leute, die man so trifft, bemerken kleine Neckereien überhaupt nicht", fuhr sie fort. Eigentlich war das sehr schade, denn es komplettierte ihre Verführungskünste nach eigenem Ermessen wunderbar. Manchmal war es da gar frustrierend zu erkennen, dass ein Erfolg nur dem Körperlichen geschuldet war. Etwas überrascht schüttelte Ana den Gedanken ab. Wo war das hergekommen? War sie unbewusst schon wieder dabei, zu umgarnen? Sie musste sich am Riemen reißen! Zumindest, wenn sie herausfinden wollte, ob Farael ihr wirklich etwas bedeuten konnte.


    Farael:
    Mit sorgsamen Blick musterte Farael die Piratin genauer. Er wollte nicht forsch wirken, starrte aus diesem Grund nicht, jedoch versuchte er den stetigen Augenkontakt zu erhalten. Einer seiner Mundwinkel verzog sich nach oben, als er den Erzählungen Anas lauschte und auch, was sie den lieben langen Tag tat. „So so. Also sind eher Trunkenbolde, Wirte und lüsterne Kerle dein Klientel, mit dem du dich meist herumschlagen musst. Na gut, in dieser Stadt wundert das Niemanden. Ich bleibe dabei, dass du Besseres verdient hast. Ich seh's in deinen Augen.“ Mit einem entspannten Seufzen lehnte sich Farael nach vorn und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seine Oberschenkel. „Weißt du, einige Frauen haben versucht die Reiterin zu sein. Doch letztendlich entpuppten sich sich nur als ungestüme Pferde. Ich frage mich immer noch, zu wem du gehören wirst Ana“, antwortete er mit einem frechen Grinsen und zwinkerte ihr zu. Sie spielte mit ihm und er bekam es mit. Und Farael genoss diese Art des Spiels. Sie waren auf Augenhöhe, niemand konnte dem Anderen etwas absprechen, geschweige denn die Oberhand gewinnen. Es war wirklich schön, dass Ana nicht die gemeine Frau von der Straße Obenzas war. Sondern wesentlich mehr als das. „Eins gewöhne dir niemals ab: Hör' niemals auf übermütig zu sein und nehme dir was dir zusteht. Du kannst Großes erreichen. Wonach sich dein Herz sehnt, solltest du auch greifen. Egal was es kostet. Zudem mag ich deinen Übermut, endlich mal eine Frau die einem nicht einfach nur stumpfe Dinge entgegenwirft um einen herumzukriegen. Man mag meinen, die Männer Obenzas seien schlimm, doch viele Frauen aus dieser Stadt stehen dem in Nichts nach.“


    Ana:
    War das eine Herausforderung? So oder so, Ana spürte, dass sie es zu gern herausfinden würde - irgendwann zumindest und automatisch glitt ihr Blick über Faraels Oberkörper. Sie wusste genau, welche Rolle sie normalerweise bevorzugte, doch wer wusste schon, ob der Alb sie nicht umstimmen konnte. Schließlich fanden ihre Augen wieder den Weg zu seinen. Sie seufzte. "Ich habe mir stets genommen, wonach mit das Herz stand. Das hat mich letztlich hier her geführt... Doch du hast Recht. Andernfalls hätte ich so vieles nie erlebt." Sie dachte an die Zeit auf See, an die glücklichen Momente mit der Crew, an das Gefühl von Freiheit, hingehen zu können wo immer und wann immer sie wollte, an all die Lieder, zu denen sie der eigene Lebensweg inspiriert hatte und auch an Farael, den sie nie kennengelernt hätte, wenn sie damals anders entschieden hätte. "Danke, dass du das sagst", murmelte sie sanft, ohne zu wissen, ob er verstehen konnte, was sie meinte. "Und ich fürchte du hast Recht", fügte sie mit einem zustimmenden Nicken hinzu. "So manches Weib in dieser Stadt lässt den Teufel selbst als harmloses Kätzchen erscheinen." Dass sie damit auch selbst Erfahrung hatte, verschwieg sie für den Moment.


    Farael:
    Mit einem stummen Nicken bestätigte Farael die Worte Anas, ohne selbst etwas dazu zu sagen. Die wichtigsten Worte waren gesprochen. Schließlich gähnte er erneut und lehnte sich noch einmal zurück. Die Wärme in dem Haus war wunderbar wohlig und sein Körper meldete nun den Höhepunkt seiner Müdigkeit. „Gern geschehen Ana“, sagte er schließlich, ehe er sich erhob un im Stehen noch einmal streckte. „Wir sollten langsam schlafen gehen, es wird spät und ich bin langsam wirklich sehr müde.“ Daraufhin blickte Farael Ana für einige Sekunden reglos an, mehrere Gedanken schossen durch seinen Kopf, doch seine Vernunft und die Angst eine zu schnelle Entscheidung zu tun, stoppten augenblicklich das, was in ihm hatte aufkommen wollen. Stattdessen griff er behutsam Anas Hand und drückte sie sanft. „Bereue niemals deine Entscheidungen. Denn nur diese Entscheidungen haben dich zu der Person gemacht, die du bist. Und ich sehe hier eine wunderschöne Persönlichkeit vor mir.“ Mit diesen abschließenden Worten ließ Farael die Hand Anas los und klopfte ihr auf die Schulter, ehe er zu seinem Bett ging. Dort entledigte er sich seines Hemdes und setzte sich auf sein Bett. „Kann ich dir noch etwas bringen?“, fragte er.


    Ana:
    Ana schluckte. Und schluckte noch einmal. Machte er das mit Absicht? Immerhin wusste sie nun, was sich unter dem Hemd befand und schloss, dass es viel zu schade war, um allzu häufig versteckt zu werden. "Ich", setzte sie an. Noch immer spürte sie die Wärme von Faraels Hand auf der ihren. "Nein, ich glaube, ich habe alles was ich brauche." Ihr Herz klopfte doller, als es sollte und hartnäckig drängte sich eine Frage in ihr Bewusstsein. Darf ich mich zu dir legen? Was war nur los? Sie war doch längst aus dem Alter hinaus, in dem man hübschen Jungs nachschwärmte und in deren Gegenwart ganz wirr wurde. Vermutlich war sie zu nüchtern, dachte sie und amüsierte sich im Stillen über den Gedanken. Dann war sie zurück bei der ursprünglichen Frage. Ob Farael das wollen würde? Eigentlich wirkte er auf Ana wie jemand, der sich nahm, was er begehrte, doch seine Worte... ebenso gut konnte es sein, dass er einfach nur vorsichtig sein wollte. Das war wahrscheinlich auch das beste. Ana wusste zu gut, wohin es führen würde, wenn sie sich zu ihm legte. Allerdings konnte sie sich nicht länger vormachen, dass sie das nicht wollen würde. Erneut schluckte sie. "Doch. Es ist alles wunderbar und ich kann dir gar nicht genug danken." Ihrer Worte zum Trotz konnte Ana die Enttäuschung in ihrem Innern nicht aufhalten.


    Farael:
    Für Farael war es mehr als eindeutig, dass etwas nicht stimmte. Ana schien eine Laus über die Leber gelaufen zu sein und versuchte es mit aller Macht zu verbergen, doch ihre ganze Gestik verriet sie. Auch wie sie ihre Worte aussprach, tat nichts dazu bei, dass er ihr glauben konnte. Argwöhnisch beobachtete er das Spiel für einen Moment, entschied sich aber schnell, dass er lieber nachfragte. „Nein, ist es nicht. Was ist los Ana?“, fragte er schließlich mit besorgter Miene.


    Ana:
    Die Ansätze eines Lachens entschlüpften Ana, da sie so einfach ertappt worden war. Ja... was sagte sie nun? Sie entschied sich für die Wahrheit. "Weißt du, Farael", begann sie, "normalerweise würde ich mich nun zu dir dazu legen, sofern du mich ließest, und vermutlich würden wir uns noch auf eine ganze andere Weise kennenlernen." Sie atmete noch einmal tief durch. "Und ich kann nicht leugnen, dass ich das möchte." Die Worte waren schwer wie Blei. "Aber zugleich fühle ich, dass es falsch wäre... falsch mit dir zu verfahren wie mit so vielen zuvor, von denen ich aber keinen hätte wiedersehen wollen."


    Farael:
    Mit nachdenklichem Blick betraute Farael die Worte Anas. Sie hatte Recht und auch er wusste, dass dieser Schritt alles gefährden könnte. Doch sie sehnte sich danach. Er sah es ihr an und auch ihre Worte sprachen davon. Allerdings schien sie nicht zu verstehen, dass Nähe nicht gleichbedeutend mit Sex sein musste. Im Gegenteil. "Dir sollte eines klar sein Ana. Ich würde nicht mit dir schlafen wollen, weil es alles gefährden würde, was wir uns hier so vorsichtig aufbauen." Vorsichtig erhob sich Farael und schlenderte mit einem beruhigenden Lächeln auf Ana zu. "Doch dass ich nicht mit dir schlafen möchte, ist nicht gleichbedeutend mit dem, dass ich nicht deine Nähe genießen würde. Weder will ich dich herumkriegen, noch dich verführen. Ich will, dass du dich wohlfühlst. Und menschliche Nähe ist ein elementares Bedürfnis. In jedem von uns." Vorsichtig streckte Farael Ana seine Hand entgegen, bot ihr diese an. "Wenn du es möchtest, darfst du dich zu mir legen. Jedoch möchte ich kein Sex. Dieses Verlangen zu spüren ist kein Grund, sich zu schämen. Es ist natürlich."
    Ana:
    Sie spürte, wie sie knallrot anlief. Im selben Moment war sie gerührt von Faraels Worten und brauchte einen Augenblick, bis sie sich sortiert hatte und reagieren konnte. Tatsächlich konnte sie sich überhaupt nicht erinnern, wann sie zuletzt einem Menschen nahe gewesen war, ohne den ganzen Weg zu gehen und mit ihm - oder ihr - zu schlafen. Hatte sie das womöglich verlernt? Langsam hob sie den Blick und sah Farael in die Augen, die im Schein der letzten Feuerzungen funkelten. Dann legte sie ihre Hand in seine. "Du musst ein schreckliches Bild von mir haben", murmelte sie. "Erst der Alkohol, nun Sex... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll." Farael hatte sie mit seinen Worten wirklich überrascht und berührt. "Ich würde sehr gerne bei dir liegen. Ich bin zuversichtlich, dass ich meine Triebe im Zaum halten kann", schloss sie mit einem Scherz, um wenigstens ein bisschen von der Peinlichkeit ablenken zu können.


    Farael:
    Ein gewaltiges Grinsen meißelte sich in das Gesicht Faraels, als er den knallroten Kopf Anas bemerkte. Ihr war diese Situation sichtlich unangenehm, wenn sie wohl auch sehr überrascht wurde. Doch Farael hingegen war die Ruhe selbst. Er selbst hatte nichts dagegen, Nähe mit jemanden auszutauschen, der mehr war, als eine typisch-obenzische Frau. Es wäre Vergeudung, Ana nicht diese Chance einzuräumen und auch er selbst musste sich gestehen, nicht besser als sie zu sein. Zumindest meistens nicht, wenn er mit den zuvor genannten Frauen verkehrte. Behutsam legte er seine Hand um ihre und verschloss seine Finger mit den ihren. „Dir braucht es nicht unangenehm zu sein. Dein Bild ist ungetrübt, wie zuvor auch. Wie ich bereits sagte, es ist alles in unserer Natur.“ Langsam ging Farael mit Ana an seiner Hand zu seinem Bett, ehe er sich selbst setzte und Ana einlud, neben ihm Platz zu nehmen. „Ich bin nicht besser. Zumindest können dir das zahlreiche Frauen hier in Obenza bestätigen. Jedoch zeigt der Moment in dem man sich in angenehmer Gesellschaft befindet, was für ein Mensch man wirklich ist.“


    Ana:
    Ihre Finger verschlossen sich und auf seltsamte Weise fühlte es sich so vertraut an, als kannten sie sich schon ewig. Genaus überraschend kam der Stich der Eifersucht, als Farael aussprach, was sie ohnehin schon gewusst hatte. Und wo er sich keinen Deut von ihr unterschied. Nun, welcher Mensch bin ich dann wirklich?, dachte Ana bei sich, denn immerhin war es nicht sie gewesen, die die Situation gerettet hatte. Sie versuchte sich selbst Mut zuzusprechen. Tapfer hatte sie dem Drang widerstanden und Farael nahm ihr auch nichts krumm. Langsam ließ sie sich neben ihn sinken und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. Alles fühlte sich so richtig an und doch ungewohnt und fremd.


    Farael:
    Ab diesem Zeitpunkt war sich Farael sicher, dass diese Situation keiner Worte mehr bedarf. Ana war ihm so nah, wie sie es anfangs gar nicht beabsichtigt hatten. Behutsam hielt er ihre Hand in seiner, als ob es der größte Schatz wäre, den es zu erbeuten gab. Seine freie Hand strich ihr durch das Haar und er legte seine Wange auf ihren Kopf. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr es ihm gefehlt hatte. Einem Menschen ohne Hintergedanken nahe sein zu können. Jemand, auf den man sich einlassen konnte, ohne dass dieser mit einem direkt Sex haben wollte. Es fühlte sich richtig an. Keiner seiner Gedanken wollte ihn verraten und sie doch zu einem Techtelmechtel verführen. Das Einzige woran Farael in diesem Moment dachte, war die Zuneigung die er gegenüber Ana verspürte. Jene Zuneigung, die weit über Sex und wilde Träume hinaus ging. Für einige Augenblicke verharrte er mit ihr in dieser Position, er schloss gar die Augen dabei und genoss den Moment. Jedoch begann ihn auch allmählich die Müdigkeit zu übermannen. Aus diesem Grund löste er sich ein Stück von Ana. Ohne ihre Hand loszulassen, kroch er unter die Bettdecke und legte sich auf den Rücken, dabei bedacht Ana genug Paltz und Freiraum zu lassen, sich selbst eine angenehme Position zu suchen. Wie nervös er wirklich war, so wie er kaum mit dieser Situation gerechnet hatte, machte nur sein wild schlagendes Herz deutlich. Mit seiner Ruhe war es vorbei. Aufregung und Nervosität waren in seiner Gefühlswelt. Doch versuchte er nicht zu hinterfragen, sondern es einfach hinzunehmen – und zu genießen.


    Ana:
    Sie verharrten und die Zeit blieb stehen. Es konnten Sekunden sein und ebenso gut Stunden. Irgendwann löste Farael sich aus der Position und Ana folgte ihm, als wäre es das Natürlichste der Welt, das, was sie jeden Abend tat. Sie lag mit dem Rücken zu ihm und hatte die Augen weit geöffnet, obwohl sie eben noch totmüde gewesen war. Das Feuer verkam langsam zur Glut und mit ihm schwand das Licht. Trotzdem blickte sie in den Raum, als brauchte sie die Augen, um den Moment abspeichern zu können, oder als fürchte sie nur, zu schnell einzuschlafen. Ganz deutlich spürte sie Faraels Wärme und sie rutschte ein Stück zurück, bis sie sich ganz leicht berührten. Kurz meinte sie, seinen Herzschlag zu spüren, doch ebenso gut konnte es ihr eigener sein. Sein Arm legte sich um sie und schließlich schloss Ana ihre Augen. Ihr Atme wurde ruhiger und ein wohliges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Sie ergriff seine Hand noch bevor sie einschlief.


    Farael:
    Farael spürte die zarte Hand, wie sie nach seiner tastete und schließlich seine eigene Hand umschloss. Er konnte nicht sehen, welchen Gesichtsausdruck Ana hatte, doch er spürte, wie sie sich sichtlich entspannte und sie ihm mit dem Rücken näher. Er zögerte nicht, sich dicht an sie und seinen Körper schützend um sie zu legen. Der Raum wurde getaucht in Dunkelheit, der Duft der von ihr strömte schien ihm so vertraut. "Gute Nacht Ana, schlaf gut", wünschte er ihr in seinen letzten wachen Momenten, ehe er selbst in das Reich der Träume entglitt.


    Ana:
    Nachdem Ana seine Hand ergriffen hatte, zog Farael sie noch ein Stück näher an sich heran, als hätte er nur diese Bestätigung gebraucht. Geborgenheit... das drückte wohl am besten aus, was Ana in diesem Moment fühlte. "Du auch, Farael", flüsterte sie, die Zunge schon schwer von Müdigkeit und langsam schwand ihr Geist aus der wachen Welt. Stück für Stück verblasste die Wirklichkeit um sie herum, bis zuletzt nur noch Farael übrig war. Dann war Ana eingeschlafen.

  • Ein warmes Gefühl bedeckte Faraels Körper, seine Sinne waren kaum im Stande Traum von Wirklichkeit zu unterscheiden. Das Gefühl der Geborgenheit durchströmte jede Faser seines Seins. Die Methalle war ein Zeugnis der Verdienste seiner Kompanie. Nur durch ihre harte Arbeit und sein taktisches Zutun haben sie genügend Geld heranschaffen können, um den größten Traum seiner Männer erfüllen zu können. Die lodernden Feuer der Kamine erfüllte den Raum mit Licht und Hitze, während in einem Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. Frauen und Männer ihr Leben besangen!


    Farael stand am Kopf der Tafel, hielt sein Horn voll Met in die Höhe und stimmte in das Lied ein. Die Stimmung war ausgelassen, es wurde gefeiert bis sich die Balken bogen. Hier und da prügelten sich ein paar Männer, wurden zur Unterhaltung einiger Schaulustiger. Viele vergingen sich auf gröbste Weise an dem servierten Essen und der Alkohol floss in Strömen. Nicht Faraels Art, aber seine Männer waren dadurch zufrieden zu stellen. Und wer würde ihnen schon diesen Spaß verwehren, so lang sie keine Dummheiten anstellten?


    Mit stolzem Lächeln beobachtete er das Gelage, hob das Horn und nahm einen tiefen Schluck. Plötzlich verstummte das Gelächter und die Lieder. Beißender Geruch von Feuer und Blut bohrte sich in Faraels Nase. Zögerlich senkte er das Horn. Roter Lebenssaft tropfte aus diesem. Sein Blick glitt über ein Schlachtfeld sondergleichen. Die Methalle – in Ruinen. Über Tische und Stühle Leichen von seinen Söldnern. Abgeschlachtet wie Schweine. In ihren erstarrten Gesichtern der Ausdruck des verzweifelten Überlebenskampfes. Augenblicklich erlosch jede Freude in Farael. Das Horn fiel zu Boden. Und sein Blick wurde schwarz.


    Ein anderes Gefühl der Sicherheit zeigte sich in Farael, als er die Augen aufschlug und gegen die Decke seines Hauses schaute. Es war wieder einer der Albträume gewesen, die ihn mancher Nachts heimsuchten. Die schrecklichen Bilder wurden jedoch schnell vertrieben. Eine sanfte Bewegung auf seiner Brust zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er blickte an sich hinab und sah einen wilden Haarschopf. Unter diesem befand sich Anas Kopf, auf seiner Brust ruhend. Sie hatte sich im Schlaf wohl an ihn angeschmiegt.


    Aus Gewohnheit begann Farael sofort zu überlegen, was am letzten Abend passiert war. Er war definitiv nicht betrunken gewesen. Zu gut erinnerte er sich an ihr abendliches Gespräch und auch wie sie gemeinsam zu Bett gingen. Er wollte nicht mit ihr schlafen. Argwöhnisch betrachtete er das Haarknäuel auf seiner Brust. Behutsam schob er Anas Kopf beiseite und hob die Decke an. „Ardemia sei Dank“, flüsterte er schließlich. Sie waren nicht nackt. Lieber ging er auf Nummer sicher, ehe er sich auf seine Erinnerungen verließ.


    Vorsichtig begann sich Farael aus der Umarmung Anas zu lösen und aus dem Bett aufzustehen. Das war kein einfaches Unterfangen. Normalerweise schubste er die Frauen von seiner Bettkante und wies sie an zu gehen. Doch Ana war nicht irgend eine Frau. Auch wenn er schon im nächsten Moment diesen Gedanken hinterfragen musste.


    Während er neben dem Bett stand, betrachtete er die nun wahrlich unschuldig wirkende Norkara. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Sie war anders als alle Anderen zuvor, doch war dies ein Grund nachlässig zu werden? Das Vertrauen in die falschen Menschen zu setzen hatte seinem damaligen Söldnerlager die Existenz gekostet. Dennoch lag eine eigentlich fremde Frau in seinem Bett, die schon mehr über ihn wusste, als seine zwölf Liebschaften zuvor insgesamt. Dabei kannten sie sich nicht einmal einen Tag. Was war so besonders an ihr?


    Fragen über Fragen, die Farael nur seufzen ließen. Deren Antwort konnte er so oder so nicht zu diesem Zeitpunkt beantworten. Fest stand, dass er trotz der Bedenken es nicht über's Herz bringen könnte, sie aus seinem Haus zu schmeißen oder sie gar erst zu vergessen. Stattdessen nahm er Stift und Papier zur Hand.


    Ana,
    wundere dich nicht, dass ich weg bin. Ich habe noch Dinge zu erledigen. Mein Angebot von gestern bleibt bestehen. Mein Zuhause ist auch gern dein Zuhause. Nimm dir etwas zu Essen, wenn du Hunger hast. Hinter dem Haus ist eine Wasserpumpe. Dort kannst du dich waschen. Du solltest aber vielleicht auf die Nachbarn achten. Die sehen nicht jeden Tag eine gut aussehende Frau hier. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder.


    Farael


    Der Zettel wurde von Farael auf seinen Tisch gelegt, so dass ihn Ana ganz einfach finden und lesen würde. Darauf griff er seine Ausrüstung, Waffen und seinen Geldbeutel, ehe er einen letzten Blick auf die noch immer schlafenden Ana warf. Für einen Augenblick ruhte sein Blick auf ihr, wie sich ihr Brustkorb sanft hob und senkte, sie sich im Schlaf bewegte und auch zuckte. Womöglich träumte sie, doch diese Bilder blieben nur ihr vorenthalten.


    Damit schritt Farael aus seinem Haus und umkreiste es. Auf dem kleinen Hinterhof befanden sich ein paar Wäscheleinen, die Wasserpumpe als auch das Lager für sein Feuerholz. Für ihn begann seine morgendliche Routine, aus ein paar Leibesübungen, der Reinigung seiner Rüstung und schließlich seines Körpers. Die Kälte des Morgens kroch über seinen Körper, besonders als er sich eingeseift und mit Wasser benetzt hatte. Nachdem er sich das kühle Nass abgetrocknet und sich schließlich seine Rüstung angezogen hatte, wärmte er sich schnell wieder auf. Er brachte seinen Waffen an die entsprechenden Positionen und war bereit für den Tag.


    Als erster Punkt stand das Finden von Söldner des ehemaligen Söldnerlagers. Das sollte sich als gar nicht so leicht herausstellen, wie er anfangs vermutetet. Letztendlich war die Hälfte der obenzischen Bevölkerung wie ein Soldat oder Söldner gekleidet. Kaum jemand in der Stadt lebte von normalem Handwerk. Doch sein Augen für Männer, die offensichtlich Erfahrung in einem Söldnerdasein hatten, enttäuschte ihn nicht.


    Nachdem Farael mehrere Tavernen abgesucht und nicht fündig geworden war, betrat er die Kneipe Shorty's. Ein Drecksloch, mitten in den Slums gelegen und kaum eine Gestalt an diesem Ort hatte keinen Dreck am Stecken. Hier endeten viele, die kein Geld für eine anständiges Essen oder Getränk hatten, geschweige denn für ein Dach über dem Kopf. Neben dem üblichen Gesocks und dem Gestank der Kneipe entdeckte Farael eine Gruppe von Männern an einem Tisch sitzen.


    Sie wirkten tatsächlich wie Söldner, doch einen in der Gruppe kannte er. Ein Überlebender des Massakers am Außenposten. Er saß mit vier anderen Gestalten am Tisch. Ungewöhnlicher wurde es, dass einer von ihnen nur eine Limonade trank. Limonade war vergleichsweise teuer hingegen zum Fusel, der sonst angeboten wurde. Bedacht und groß aufgebaut, ging zu dem Tisch herüber und besah sich die Männer.


    „Morgen Männer“, grüßte er in einem rauen Ton. Farael hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte die Männer vor sich an. „Ich bin auf der Suche nach ein paar Söldnern vom alten Söldnerlager. Besser gesagt vom Müllhaufen, der davon übrig geblieben ist. Ihr seid nicht zufälligerweise von dort?“ Sein Blick glitt zwischen den Männern umher, untermalte aber mit seinem ernsten Ausdruck, dass er nicht für Späße aufgelegt war.

  • "Leute, ich will langsam nach Hause", nörgelte Sodo, der mit dem Strohhalm seiner Limonade spielte.
    "Wir haben kein zu Hause", erwiderte Cherax, der grauhäutige Troll mit dem schwarzen Irokesen, der neben ihm saß und klang dabei ziemlich gelangweilt.
    "Du weißt, wie ich das meine. Zu unserem Platz unter der Eisenbrücke, ehe der wieder von irgendwelchen Pennern besetzt ist."
    "Momentan sind wir selber Penner", grunzte Cherax.


    Sie kamen nicht dazu, ihr tiefgründiges Gespräch weiter fortzusetzen, denn ihr Grüppchen wurde von einem trainiert aussehenden Albenverschnitt angesprochen. Der Mann fragte, ob sie zufällig vom Söldnerlager seien. Sodo und Cherax wechselten einen Blick. Womöglich war das einer von den Bütteln. Jemand, der einen Verantwortlichen suchte.


    "Ja klar sind wir von dort! Hast du Arbeit für uns?", mischte Bolgur sich ein, ein Norkara, der die Flammen ebenso überlebt hatte. Sodo verpasste ihm unter dem Tisch einen Tritt gegens Schienbein. "Auuuu, wofür war das?", motzte Bolgur, wofür Sodo ihm noch mal gegen das andere Schienbein trat. "Jetzt reichts aber", fauchte er und stieß Sodo gegen die gepanzerte Schulter.


    Sodo ignorierte den Stoß und starrte ihn ungerührt an. "Du bist besoffen", konstatierte er. "Niemand hier kommt aus dem abgefackelten Söldnerlager. Wir kommen aus einem Söldnerlager in Südnaridien und sind nur auf der Durchreise nach Norden."


    "Ruhig Blut, Mädels", brummte Cherax. "Bleibt friedlich." Dann wandte er sich an den Neuankömmling. "Wer bist du überhaupt? Und warum interessiert dich das?"