• Schuld


    Es war mittlerweile über zwei Wochen her, dass die Schwarze Kompanie das Lager der Raubvögel überfallen und komplett ausgelöscht hatte. Für manche waren zwei Wochen ein Sprung, ein Klacks im Zahn der Zeit. Sie tummelten sich durch die Straßen, blickten einander an und unterhielten sich. Sie alle taten und wirkten, als gäbe es kein Übel auf der Welt. Das ausgerechnet in der Stadt der Sünden. Obenza, regiert von Geld, Macht und Sex. Alle drei Dinge gingen Hand in Hand und niemand konnte dem Einhalt gebieten. Doch wessen Name ist verblieben, der sich dieser Dinge nicht bemächtigt hatte? Farael konnte keinen Einzigen nennen.
    Von all diesen Dingen hatte er alles eingebüßt. Mit dem Fall des Lagers war seine Macht ausgelöscht, sein Reichtum zerstört und der Wunsch nach Sex erloschen. Alles was von ihm nun übrig war, saß im Schluckspecht, während er sich den billigen Fusel hinter die Binde kippte. Um ihn herum tanzten die Menschen. Sie aßen, lachten und hatten Spaß untereinander. Doch Farael, er hatte keinen Drang dazu. Vor seinen Augen spielten sich die immer gleichen Bilder ab, die er in der Nacht vor zwei Wochen hatte sehen müssen. Weder Alkohol, noch Prostituierte schafften es, ihm diese Dinge aus dem Kopf zu treiben. Trotzdem trank er und hatte schlechten Sex. Eine seltsame Fügung, die ihn in eine merkwürdige Routine getrieben hatte. Vielleicht half es, sich dieser Dinge beizubehalten? Zumindest überlebte er, nicht wie der Rest seiner Kameraden.
    Bolgur war verschwunden. Einige Tage zuvor war er wie vom Erdboden verschluckt, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Svenja und Jorlaf sind ihren schweren Verletzungen noch auf dem Weg nach Obenza erlegen. Zwei namenlose Gräber zieren nun einen Hügel in den Wäldern um Obenza. Dann war dort Gerald, ein stämmiger Kerl, der jedoch dem Alkohol erlegen war und sich im Suff einen Schnitzer erlaubt hatte. Wie er herausfinden musste, ziemte es sich nicht, mit der Frau eines Verbrecherbosses zu schlafen, besonders wenn dieser sehr nachtragend war. Ende vom Lied war ein Kopf, zu Unkenntlichkeit verstümmelt, der über einen Marktplatz rollte. Nichts Ungewöhnliches für Obenza, doch kein schöner Anblick für einen vertrauten Soldaten.
    Was nun mit Farael geschehen war? Dieser hatte seinen Kopf im Nacken und die Augen geschlossen. Dumpf drang die Musik des Gasthauses an seine Ohren, verlangte nach seiner Aufmerksamkeit und doch schenkte er ihr kein Gehör. Seine Sinne taumelten bereits, war es doch das vierte Glas Whiskey, welches den Blick nach vorn schwierig gestaltete. Dabei hatte er sich am Anfang so gut gehalten. Zu seinem Glück im Unglück konnte er sich mit den letzten, seidenen Faden seines Verstandes aufrechterhalten.
    Sein Atem ging schwer, als er sich mühselig auf der Bank aufrichtete. Mit einem beherzten Griff nach vorn, welchen er zuerst weniger elegant verfehlte, packte er das Glas vor sich. Die goldene Flüssigkeit darin schwappte etwas über den Rand, besudelte seinen Handschuh. Die Flecken kümmerten ihn herzlich wenig. Eher war er darauf bedacht, bei dem Versuch zu trinken, das Gesöff nicht neben sich zu kippen. Das er traf wurde ihm durch das Brennen bestätigt, welches seiner Kehle hinunterglitt. Es war nicht mehr so schlimm wie am Anfang. Trotzdem noch widerlich. Der Abend sollte auf zwei Wege ausgehen: Entweder kotzte er sich die Seele aus dem Leib und schlief in seinem Erbrochenen ein oder er schaffte es in ein Bett, um sich dort auszunüchtern.
    Ob er noch eine Frau abschleppen sollte? Faraels Blick glitt durch den mit Leben gefüllten Raum. Hier waren Vertreter eines jeden Volkes. Seien es Elfen, Menschen, Zwerge oder gar ein paar Tieflinge. Allesamt zu einer großen, übelriechenden Masse verschmolzen. Sein Blick fiel auf die weiblichen Vertreter der Spezies, wobei von vornherein Tieflinge augenblicklich ausschieden. Keine Sache des Rassismus, sondern des persönlichen Geschmacks. Als er einer der Zwerginnen betrachtete, verzichtete er dort ebenso. Sie trug einen längeren Bart als er und machte ihn in punkto Männlichkeit Konkurrenz. Wenn man ihr nicht die weiblichen Züge hätte ansehen können, wäre sie glatt als Mann durchgegangen.
    An seinem Tisch vorbei schritten ein paar Frauen, allesamt Elfen, die sich angeregt miteinander unterhielten. Ihre Trachten verwoben sich in herrlichen Farben. Hohe Wangenknochen, weiche Gesichtszüge und lange Ohren. Dazu hochgewachsen und von schlanker Figur. Sie waren der feuchte Traum eines jeden Mannes, der einen Reiz für anständige Frauen hatte. Sollte er es mit einer von ihnen probieren? „Nein, keine Lust. Die anderen bereiten sicherlich nur Ärger“, brummelte Farael vor sich hin, ehe er den letzten Rest seines Whiskeys austrank.
    Weiter ließ er seinen Blick durch den Schankraum streifen, bis für ihn aus der Masse heraus ein schwarzer Haarschopf hervorstach. Eine Frau, gekleidet in Hose und Bluse, buhlte unbewusst um seine Aufmerksamkeit. Sie hatte mehrere Krüge Bier vor sich stehen, wirkte aber alles andere als beeindruckt. Die Männer, die es wagten, zu ihr zu gehen, wurden von ihr regelrecht zurechtgewiesen. Ihre braunen Augen konnten von einen auf den anderen Moment in Kälte umschlagen. Doch hatte sie einen Anbeter abgeschüttelt, erkannte Farael trotz seines wankenden Zustandes ein verschmitztes, gar schadenfrohes Grinsen. Der Typ Frau gefiel ihm und zu anderen Zeiten hätte er sicherlich auch sein Glück bei ihr versucht.
    Da wollte er sich gerade weiter im Raum umschauen, spürte Farael plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Ein schmaler Busen drängte sich in sein Sichtfeld, gefolgt von einem zarten Körper, der es sich auf seinem Schoß bequem machte. Völlig irritiert blickte er in das Gesicht einer der Elfen, die er zuvor an seinem Tisch hatte vorbeiziehen sehen. In ihren Augen spiegelte sich die Lust. Erst jetzt fiel Farael auf, wie sie ihn zuvor mit Blicken bedacht hatte. „Hallo du schönes Geschöpf“, zwitscherte eine melodische Stimme, die perfekt zu ihrem Aussehen passen wollte. „Was machst du denn so allein in der Ecke? Wie ist dein Name?“
    Instinktiv tastete Farael die Elfe mit seinen Blicken ab, doch verspürte keinerlei Lustgewinn. Unweigerlich fühlte er sich an Ciriels Versuchen erinnert. Eine Erinnerung, die ihm Bilder in den Sinn riefen, die er zu vergessen versucht hatte. „Ist das wichtig?“, entgegnete Farael frustriert. Da wollte er seinen Abend einmal nur mit Alkohol verbringen.
    Gekünstelt zog die Frau auf seinem Schoß eine Schnute, legte beide Arme um Faraels Schultern und näherte sich ihm. Eine äußerst unangenehme Geste, mit der im Moment schlichtweg nichts anzufangen wusste. Allerdings duldete er sie. Noch. Auch wenn sich seine Hände in diesem Moment verkrampften.
    „Komm schon, warum so störrisch? Ich tue dir doch nichts“, zwitscherte es ein weiteres Mal. Die Grundintention dieser Frau war bereits in ihrem Tonfall zu hören.
    „Mag sein, aber ich habe keine Lust berührt zu werden oder neue Bekanntschaften zu schließen. Also wenn du so freundlich wärst“, forderte Farael die Dame auf und hob dabei eine Hand in Richtung der Tür.
    Allerdings ließ die Elfe keineswegs locker. Im Gegenteil. Sie rutschte ein Stück seinen Schoß hinauf, näherte ihre Lippen den seinen und ließ eine Hand in Faraels Schritt fahren. Doch er spürte nichts. Selbst als sich ihre Lippen berührten und er den Kuss nicht erwiderte, ließ sie sich nicht abschrecken. Stattdessen rückte sie ein wenig auf und blickte ihn an, als ob er ihr zu Füßen liegen müsste. „Ich will doch nur ein wenig Entspannung, die ich gern mit dir teilen möchte. Wo ist das Problem?“
    „Mädchen, die Probleme liegen überall, du musst nur deinen sexgeilen Trieb unter Kontrolle bekommen, wenn du sie sehen willst“, dachte sich Farael. Was er jedoch sagte war rabiater, von Frust durchfressen: „Wenn ich sage, dass ich keinen Bock habe zu vögeln, dann wird auch nicht gevögelt.“ Wut kochte in Farael hoch, die Augen der Elfe weiteten sich und in diesem Moment war es um Farael geschehen. Ungeniert warf er sie von seinem Schoß. Ihr Leib knallte auf die Bank, doch das reichte nicht. Mit festem Griff umschloss Farael das Handgelenk der Elfe. Sie brachte vor Schreck keinen Ton heraus. Die ersten Blicke legten sich auf Farael.
    „Wenn ich sage Nein, dann heißt es Nein!“, brüllte er, seine Hand klammerte sich im eisernen Griff um den Arm der Elfe. Diese begann zu wimmern, doch sein Blick hatte nur Bilder aus dem Lager im Kopf. Tod, Gemetzel, Ciriel. Blut, welches in jeden Winkel tropfte und die Leichen seiner gefallenen Kameraden umrahmte. Eine unüberlegte Tat hatte all diese Bilder zurückgeführt. Zuerst der Anmachversuch Ciriels, dann der Beginn der Schlacht und der Untergang seines ganzen Stolzes. Sein Blick ist vom eigenen Blut umrahmt.
    Dann ein leises Knacken. Ein gedämpftes Schreien und Farael wurde zurück in die Realität geholt. Die Elfe zerrte an seinem Griff, ohne eine Chance diesen lösen zu können. Einige Gäste waren bereits aufgestanden. Sie hatten sich um Farael versammelt, trauten sich jedoch nicht einzugreifen. Sie kannten Farael. Sie wussten, wozu er im Stande war.
    Schlagartig ließ Farael den Arm der Frau los. Ihr Gesicht war von Tränen gezeichnet. Ihr Handgelenk schneeweiß und kurz darauf rot. „Tut mir leid … ich … du solltest besser verschwinden“, stammelte er hervor. Dies ließ sie sich kein zweites Mal sagen, umklammerte ihren Arm und rannte davon. Auch wenn Farael mit dem Rücken zum Schankraum stand, konnte er jeden einzelnen Blick in seinem Rücken spüren. Langsam senkte er sein Haupt. Farael spürte, wie das Blut in seine Wangen schoss. Für einen Augenblick verschloss er die Augen.
    Dann verschwammen die Töne um ihn herum. Sein Atem fokussierte sich, wurde wieder ruhiger. Schließlich auch sein Geist. Was war bloß aus ihm geworden? Er hatte sich binnen von zwei Wochen in einen Frauenschläger verwandelt. Alles wegen einer Scheiße, die ihm passiert war. Es war seine Schuld. Er hätte alle retten können. Wenn er doch nur achtsamer gewesen wäre. Sofort verkrampften seine Hände ein weiteres Mal.
    Mit Mühe rang er sich die Entspannung ab, die es brauchte, um sich beruhigen zu können. Sein Instinkt sagte ihm, dass die Blicke von ihm gewichen waren. „Krieg‘ dich unter Kontrolle“, dachte er zu sich selbst. Müde ließ er sich zurück auf die Bank sinken, griff ein weiteres Mal zum Glas und leerte den Rest in einem Zug. Es schüttelte ihn abermals. Das Zeug brannte.
    Darauf legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Niemand wagte es, sich ihm zu nähern. Ganz zu schweigen davon, dass niemand seine Stimme erhob. Wenn es eines war, dass in dieser Stadt für ihn spielte, war es sein Ruf als ehemalige Stadtwache und damit verbunden die Bekanntheit seiner Fähigkeiten. Offensichtlich gab es doch noch ein weiteres Element, was diese Stadt regierte: Angst.
    Drum konnte er sich darauf verlassen, dass man ihn unbehelligt ließ. Mehr wollte Farael auch nicht. Es war schwer für ihn genug, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Da brauchte er nicht noch mehr Störenfriede, die alte Erinnerungen in ihm hochkochen ließen und ihn zu dummen Dingen verleiteten. Nicht nur, dass ihn die Schuld dieser Nacht heimsuchte, nun fühlte er sich schmutzig, wenn er bedachte, wie er die Elfe behandelt hatte. Natürlich war es sein Recht sie wegzuschieben, wenn er sie nicht bei sich haben wollte, doch es war kein Grund ihr das Handgelenk zu brechen. Was war nur in ihn gefahren? Farael seufzte. Es war der Geruch der Schlachtbank, auf der er seine Kameraden hatte sterben sehen. Frage beantwortet, Fall geschlossen.
    Doch mit der Ruhe war es schnell wieder vorbei. In seinem Magen spürte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Gerade wollte Farael ein Auge heben, um sich umzuschauen, da ertönte eine vertraute Stimme: „So behandelt man aber keine Frauen.“ Woher kannte er diese Stimme? Eine eindeutig weibliche Stimme. Sie schien älter. Spielte ihm der Suff einen Streich?
    Schließlich entschloss er sich, seine Augen zu öffnen und aufzublicken, direkt in das Gesicht seiner eigenen Mutter. Ihre Falten hatten sich ein gutes Stück tiefer in die Stirn gegraben, seitdem er sie das letzte Mal gesehen hatte. Wie lang war es her? Fünf Jahre? „Was machst du hier, Mutter?“, entgegnete Farael. Sein Blick rutschte augenblicklich auf ihre rechte Hand herunter, an der nur zu gut das Zeichen eines fehlgeschlagenen Diebstahles prangte. Bis heute fand er den Anblick ihres fehlenden, kleinen Fingers verstörend und weiterhin verstand er den Grund dahinter nicht, so hatte er bereits schlimmere Dinge gesehen.
    Ein müdes Lächeln umspielte die Lippen seiner Mutter, die es sich ungefragt neben ihm auf der Bank gemütlich machte. Doch ihr Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war, als sie die leeren Gläser vor Farael erblickte. Dabei achtete dieser exakt auf jeder ihrer Bewegungen. „Ich bin hier, weil ich mich um dich sorge. Ich …“, sie unterbrach für einen Moment, schien nach Worten zu ringen, “ich habe gehört was passiert ist und was du durchmachen musstest.“
    Sie wusste einen Scheißdreck. „Ach ja, woher willst du das wissen? Du bist ja nicht einmal dagewesen um mich diesen Weg beschreiten zu sehen.“ Unwillkürlich inspizierte Farael die Ausrüstung seiner Mutter. Eine schwarze Lederrüstung, mit eingearbeitetem Kapuzenmantel machten fast eindeutig, welchen zwielichtigen Geschäften sie nachging. „Stattdessen kraxelst du über Dächer, beklaust die Leute und lässt bettelarme Menschen zurück. Inklusive mir, weil du dich letzten Endes nie gekümmert hast. Eine sehr mitfühlende Mutter, wirklich. Ich bin wahrlich angetan.“
    „So einfach ist das nicht Farael und das weißt du. Dein Vater und ich haben alles dafür gegeben, dass du gut aufgehoben warst und den Weg beschreiten konntest, den du beschritten hast. Auch wenn es bedeutete, dass wir Risiken eingehen musstest. Aber darum geht es nicht. Es geht mehr darum, was im Lager passierte.“ Unweigerlich ballte Farael seine Hände zusammen. Doch bevor er seine Fingernägel in das Leder seine Handschuhe trieb, legten sich die Hände Gilnels auf die seinen. Die Berührung fühlte sich kalt und zugleich vertraut an. Sie beruhigte ihn auf eine seltsame Weise. „Ich kann ahnen, wie es dir ergehen muss. Doch du musst damit aufhören, bevor es zu spät ist. Andernfalls kommst du gar nicht mehr aus dem Loch heraus.“ Sie blickte offen auf die Gläser und es war eindeutig, was seine Mutter zu bezwecken versuchte.
    „Wenn du hier bist, um mich davor zu warnen, dann danke ich dir. Dann hast du deinen Auftrag entsprechend ausgeführt und kannst stolz von dannen ziehen. Herzlichen Glückwunsch. Noch etwas?“ Farael gab sich keine Mühe, seine Missgunst gegenüber seiner Mutter auszudrücken.
    Diese blickte ihn jedoch so eindringlich wie zuvor an. Ihre Lippen öffneten sich, als wolle sie etwas sagen. Jedoch folgten keine Worte, sondern ein Seufzen der Enttäuschung. „Ich habe Fehler gemacht, in Ordnung?“, resignierte Gilnel. Darauf fielen ihre Gesichtszüge.
    „Schön, dass du es einsiehst. Bin stets gern zu Diensten“, trat Farael nach, doch ohne sich einen Moment schlecht dafür zu fühlen. Im Gegenteil. Sie hatte ihn früher enttäuscht, jetzt zahlte er mit gleicher Münze.
    Langsam nahm Faraels Mutter ihre Hände zu sich, betrachtete ihre Handflächen darauf und blickte schließlich wieder nach oben, in den Schankraum herein. „Weißt du, dein Vater war auch einmal so“, begann sie zu erzählen. Farael konnte nur mit den Augen rollen, wenn sie mit den ‚Wir waren auch einmal so‘-Geschichten anfing. „Kurz bevor wir uns kennengelernt hatten, hatte ein Fehler in seiner Arbeit ihm alles genommen. Jegliche Besitztümer, seine Familie und schlussendlich seine Heimat. Er landete hier. Bei Ardemia, er war ein Spaßvogel, der all das Ganze wunderbar hinter einer Fassade aus Unterhaltung und Alkohol versteckte. Er saß jeden Abend in einer Taverne, goss sich ordentlich etwas hinter die Binde, mit Geld, welches er durch Trickbetrug eingenommen hatte. Genau wie du, jetzt, in diesem Moment. Mit der Ausnahme, dass er dabei zumindest Spaß hatte.“
    „Komm auf den Punkt, Mutter“, würgte Farael Gilnel mitten in ihrer Erzählung ab. Diese seufzte darauf.
    „Nun gut, wenn du es willst.“ Gilnel drehte sich zu Farael und blickte ihn aufrichtig an, ihre Hände reichten an dessen Wangen und berührten diese liebevoll. „Er hatte nie Probleme, sich über Wasser zu halten, dafür war er zu talentiert. Das Einzige womit er kämpfte, war die Schuld. Er gab sich für alles was geschehen war die Schuld und weißt du, was der Clou an der Sache ist?“ Farael schüttelte mit dem Kopf. „Er hatte diesen Fehler nie begangen, sondern sich stets richtig verhalten. Das wusste er, konnte es aber nie akzeptieren. Das musste er erst lernen. Du bist am selben Punkt, an dem er sich befunden hatte, Farael. Lerne, die Schuld von dir abzustreifen. Denn du und ich wissen, dass dich keinerlei Schuld trifft. Und selbst wenn du die Schuld nicht von dir abwerfen kannst, versuche es wiedergutzumachen. Sich in ein Gasthaus zu setzen und billigen Fusel in die Kehle zu schütten hilft dabei nicht. Wenn du eine Frau findest, die dich aufrichtig liebt, dann wird sie die dafür dankbar sein. Glaube mir. Vor allem wirst du dir selbst dankbar sein. Du bist ein wundervolles Wesen, lass dich nicht von deiner Schuld kontrollieren, sondern unternimm etwas dagegen.“
    Die Worte Gilnels wollten nicht ganz in den Verstand Faraels ankommen, doch irgendwo spürte er, dass er mit dem Trinken für diesen Abend besser aufhörte, bevor es zu spät war. „Ich … weiß nicht …“, stammelte er hervor, doch erhielt darauf nur ein warmes Lächeln seiner Mutter, die sich darauf erhob.
    „Du wirst deinen Weg finden Farael. Vertraue auf dich und auf Ardemias Führung. Sie wird dir eines Tages den Weg weisen, wenn du es nicht tust.“ Darauf machte Gilnel den ersten Schritt in Richtung des Ausganges. Plötzlich hielt sie inne und senkte den Kopf. Bevor sie ganz in der Menge und somit aus Faraels Wahrnehmung verschwand, sprach sie Worte, die viele Fragen hinterließen: „Ciriel lebt übrigens, doch ist es besser, wenn du dich ihr nicht näherst. Pass auf dich auf.“ Farael wollte sich erheben, sie fragen, was dies zu bedeuten hätte, aber es blieb keine Spur in der Menge von ihr übrig. Sie war gegangen wie sie gekommen war. Still.