Kommandant Meqdarhan - Abschied für immer

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    "Hast du Zeit?"
    Firxas öffnete die Augen und rieb sich das Gesicht, während der Bewegung setzte er sich bereits auf. So aus dem Tiefschlaf gerissen, verschwamm in den ersten Momenten das Bild vor seinen Augen. Kobro, ein Halbork aus seiner Einheit, stand vor ihm. Er erinnerte mehr an einen grünhäutigen Menschen mit bestens gestutztem Militärhaarschnitt als an einen Ork. Er war ein Haudegen, aber optisch fehlte ihm die Grobheit seiner orkischen Mutter.
    "Worum geht es denn? Eigentlich hab ich grad frei und brauche eine Pause."
    "Komandant Meqdarhan."


    Firxas`Laune sank, aber die Gefühlsregung fand nicht den Weg zu seinem Gesicht. Er erhob sich und verließ zusammen mit Kobro das Mannschaftsquartier. Er fragte sich, warum sein Kamerad ihm nicht einfach sagte, was Sache war. Stattdessen gingen sie in die enge Gasse zwischen Baracke und Mauer, wo man relativ gut für sich sein konnte und Kobro zauberte einen kleinen Weinschlauch unter seiner Trainingsrüstung hervor.


    "Firxas, alter Foxi, ich hab keine Ahnung, wer von den Jungs gebetet hat, aber dessen Gebete wurden erhört! Kommandant Meq ist tot! Darauf müssen wir anstoßen!" Er prostete Firxas zu, trank etwas und reichte ihm dann den Schlauch. Auch Firxas nahm einen großen Schluck. Es war die billigste Plörre und obendrein gepanscht, aber darauf kam es nicht an. Es dauerte eine Weile, ehe die Information wirklich bei ihm angekommen war und er antwortete.
    "Und wie ist das passiert?"
    "Kannst du dich nicht einfach mal einfach freuen? Du ziehst noch genau so eine Fresse wie immer! Meq ist fort! Tot, abgekratzt! Hat den Löffel abgegeben! Ist verreckt! Vielleicht gibt es doch manchmal so was wie höhere Gerechtigkeit."
    Firxas schnaubte nur verächtlich durch die Nase. An so was glaubte niemand, der den Krieg erlebt hatte und auch Kobro nicht. "Wie ist es passiert? Im Einsatz?"
    "Nee! Im Badehaus! Sie haben abgesperrt, aber durch ein Fenster sieht man es. Meq wurde regelrecht ausgeweidet!" Er strahlte beim Reden bis zu den Ohren.
    Firxas wurde um eine halbe Nuance blasser, als er das hörte.
    "Ich muss da sofort hin."
    "Nicht nötig. Ich hab für dich mit draufgespuckt. Das Fenster war offen."


    Firxas ließ Kobro einfach stehen. Er marschierte in dem schnellen Tempo, an das man ihn in den letzten Monaten gewöhnt hatte, zum Badehaus des Lagers. Die Söldner hatten eine eigene Stelle am Fluss, wo sie sich jeden Tag zu waschen hatten, aber für die Offiziere gab es ein eigenes Badehaus mit temperierten und mit Duftölen versehenen Wannen.


    Mit einigem Warten auf einen günstigen Augenblick gelangte Firxas zur selben Stelle, von der aus Kobro den verstümmelten Leichnam gesehen hatte. Es war ein Fenster, was der Belüftung diente, damit es im Inneren nicht schimmelte und Meq hatte vermutlich die Abendsonne genießen wollen, so dass er seinen Zober hatte schräg vor dem offenen Fenster hatte platzieren lassen. Die Blutspuren waren extrem. Der Mann war nicht ermordet, sondern geschlachtet worden. Man hatte den Toten neben einer Wanne abgelegt und ihn mit einem Tuch abgedeckt. Firxas wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, dann verschaffte er sich durch das Fenster Zutritt.


    Er grüßte den Toten, als würde er noch leben, eine kleine Geste, die er sich im Umgang mit Leichen angewöhnt hatte, da sie ihm das beklemmende Gefühl nahm, die mit dem Kontakt einherging. Dann hob er das Tuch an.


    Meq hatte die Augen halb offen, genau wie den Mund. Der Kerl war ein Arsch gewesen, der sich nach oben gearbeitet hatte, indem er nach unten trat und nach oben buckelte. Firxas hatte ihm oft genug den Tod gewünscht, doch jetzt fand er, dass Meq das nicht verdient hatte. Nicht das! Nicht so! Seine Bauchdecke war der Länge nach aufgeschnitten und der Darm lag durcheinander. Wahrscheinlich hatte er sich außerhalb des Körpers befunden und irgendwer Zimperliches hatte lieblos versucht, ihn so schnell wie möglich wieder hineinzustopfen. Eine Darmschlinge hing noch heraus. Firxas holte alles noch einmal ans Tageslich und verstaute es noch einmal neu in ordentlichen Schlingen in der leeren Bauchhöhle. Jetzt konnte irgendwer die Bauchdecke wieder zunähen, bevor man den Mann bestattete.


    "Was machen Sie hier?", brüllte jemand, als man bemerkte, dass das zuvor nur angelehnte Fenster sperrangelweit offen stand. "Raus!"
    "Hier ist nichts mehr zu verschlimmern", sagte Firxas schulterzuckend. "Ich habe lediglich Abschied genommen."
    "Was haben Sie gemacht, sind Sie von Sinnen?! Sie zerstören die Beweisspuren!"
    Fast hätte Firxas gelacht, aber nur fast. Er blickte genau so mürrisch drein wie immer. "Was braucht es da noch für Beweise! Das war dieses Scheusal, der Gelbe Goblin. Der Mord trägt seine Handschrift. Suchen Sie besser nach dem."


    Unendlich müde ließ Firxas zu, dass man ihn hinausführte. Er hoffte, dass sein Kommandant bereits tot gewesen war, als man ihn ausgeweidet hatte. Irgendwer nahm noch seinen Namen, Rang und seine Einheit auf, was er stoisch herunterrasselte und seine Hundemarke zum Beweis zeigte. Erst dann ließ man ihn gehen. Er fühlte sich leer. Ein einzelner Gedanke hallte wie ein hartnäckiges Echo in der Leere wieder.


    Der Mord an Kommandant Meqdarhan war kein Zufall gewesen, kein beliebiger Toter in der langen Kette, deren Ende zum Gelben Goblin führte. Der Gedanke, dass der Gelbe Goblin gewusst haben könnte, dass Firxas Ärger mit Meq hatte, drängte sich auf. Wurde er paranoid? Oder entsprach es der Wahrheit? Nahm man letzteres an, dann würde die Botschaft lauten:


    Ich finde Dich. Überall. Ich komm überall hin, egal, wo du dich versteckst und wie gut der Ort auch gesichert sein mag. Und ich weiß alles über dich, alles, was ich wissen will.


    Firxas war schlecht. Er trottete zurück in sein Quartier und legte sich auf sein unbequemes, quietschendes Eisenbett. Unfähig zu schlafen starrte er an die Unterseite des Bettes über ihm.


    Er war nur paranoid, redete er sich ein. Es war Zufall gewesen nichts als ein dummer, blöder Zufall. Wahrscheinlich war es noch nichtmal der Gelbe gewesen, sondern irgendein Söldner, der von dem Kommandanten genau so sehr die Schnauze voll gehabt hatte, wie Firxas. Oder sogar einer der anderen Offiziere.


    "Kobro?"
    Das Bett über ihm bewegte sich. "Ja?"
    "Hast du noch Wein?"