Obenza -Stadt der Verbannten und Gesegneten

  • Obenza -Stadt der Verbannten und Gesegneten
    ~ erzählt von Arkan


    "Von mir gibt es nicht zu viel zu erzählen, befürchte ich. Ich machs trotzdem", sagte der Geist und ließ sich auf seinen schimmernden Hintern plumpsen.


    "Vielleicht hat es Dir Kazrar schon erzählt, aber ich wuchs in der Grube auf, dem untersten Dreck von Obenza. Ich hatte nichts und niemanden. Alles was ich hatte, war mich. Mein einziger Freund war ich. Das war nicht immer so, denn ich hatte eine Mutter.


    Meine drogensüchtige Mutter war wie viele Mädchen in der Grube, selbst noch ein halbes Kind als sie mich bekam. Ich lebte neben ihr her und hatte keinen Bezug zu dieser Frau, außer dass ich ihre Launen fürchtete. Alina war die Frau, die mir Kleidung, Nahrung und Schläge gab. Als ich größer wurde, zog ich mit ihr und den anderen Ausgestoßenen umher, wenn es auf Sammeltour ging.


    Wer mein Vater war wusste ich nicht. Es war ein regnerischer Tag gewesen, als ein Abfallktuscher versehentlich die Entladung im mittleren Randgebiet der Grube vorgenommen hatte. Ein Festtag für uns Ausgestoßene. In Jubelstimmung zogen wir los um uns einen Teil ihrer Beute zu sichern.


    Ich wühlte wie alle meiner Gang auch im Abfall und fand zu meinem Erstaunen ein altes großes Küchenmesser. Glücklich starrte ich die Waffe an, als Alina mir hart mit der Faust ins Gesicht schlug und das Messer für sich forderte. Ich überlegte nicht lange sondern stach Alina das Messer bis zum Schaft in den Hals.


    Meine antrainierte Gier bewahrte mich davor die Klinge zu verlieren. Was man einmal in den Händen hatte, darf man nie wieder loslassen. Nie wieder hörst Du Tekuro? Nur so bewahrst Du Deinen Besitz. Das war das erste was ich lernte", erzählte Arkan.


    "Ich riss die Klinge zurück und starrte auf die Frau hinab, welche keuchend ihre Hände auf ihre Kehle presste. Ich zerrte ihr den Umhang vom Leib und rannte mit meiner ersten Beute davon. Weg von meiner Mutter, weg von den Ausgestoßenen hinein ins Randgebiet. Und dort baute ich mir ein neues Leben auf. Falls man das Leben nennen kann. Monate streifte ich umher, schlief wo sich eine Möglichkeit ergab und aß was ich fand.


    Die meisten sicheren Plätze waren belegt, erkämpfen konnte ich mir keinen. Mehrfach hatte ich versucht mich einer Gang anzuschließen. Die meisten vertrieben mich. Andere hatten schon versucht mich für das Messer umzubringen.


    Ich war immer wachsam.
    Ich kannte keinen anderen Zustand, da ich in den Augen der meisten anderen Verbannten ein leichtes Opfer war.


    An einem brütendheißen Tag im Hochsommer folgte ich aus Langeweile dem stinkenden Abwasserstrom und erreichte so die gewaltigen Endungen der Abflussrohre. Sie waren mit Gitter versperrt, damit niemand in die Kanalisation kletterte. Ich kletterte geschickt über Abfallberge zu den Rohren hinauf und quetsche mich durch die Gitterabsperrung. In der Mitte des Rohrs verlief ein dünnes Rinnsal der Kloake. Ich zog ein Stück tiefer im Rohr ein und machte es sich an dessen Wand bequem. Ganz in der Nähe der Rohre lag die Grenze zum Ersten Sektor.


    Ich hielt sich oft am Rand auf und bettelte Passanten um etwas Essbares an. Ich merkte schnell, dass es von Vorteil war die Leute nicht mit reinem Slang anzusprechen. Was in der Grube ein Nachteil war, wurde hier zum Vorteil. Meist ließen sich ältere Leute von mir erweichen mir etwas Essbares zu geben. Bekam ich nichts, hatte ich immer noch das Messer um nachzuhelfen.


    Ich kannte kein Mitleid, musste ich das Messer ziehen, zog ich es meinem Opfer über die Kehle. Ganze zwei Jahre vergingen so, bis zu einer Regenzeit als die Rohre überfluteten. Ich zog gezwungenermaßen in einen alten Heizungskessel um.


    Ich hatte ihn auf einen meiner Streifzüge entdeckt. Die Öffnung war gerade schmal genug, dass ich mich hinein quetschen konnte. Dies war mein schönstes Heim. Es war eng und winzig und scheinbar ging es noch weiter, aber wohin es führte, habe ich nie erforscht", grinste Arkan.


    "Das war mein Anfang, meine Geburtsstunde und meine ersten Jahre in Obenza, der Stadt der Verbannten und Gesegneten".