JOZOs - TAGEBUCH

  • Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.




    Jozos Tagebuch


    "Huhu mein Name ist Jozo und dies ist mein Tagebuch. Die meisten kennen mich nur unter der Bezeichnung - der Gelbe Goblin. Wer ich bin und warum ich ein Tagebuch schreibe, wird sich der geneigte Leser fragen.


    Weil Vicarri mir gesagt hat, ich soll es tun!
    Nun generell mache ich eigentlich nichts, was mir einer aufträgt.


    Aber Vicarri hat Überzeugungspotential und zwar einen fast 20 cm Fleischspiess und der Kerl ist kein Metzger.


    Wo war ich... genau bei meinem Tagebuch.


    Ich schreibe also alles auf, was mir so in den Sinn kommt, was ich Lustiges erlebt hab und welche Leichen ich im Keller habe - wörtlich genommen.


    Vicis Argument war, dass wäre ein Hobby und würde meine Nerven beruhigen.
    Meine Vermutung ist, er ist auf Kadaver allergisch und möchte nach meinem Ableben ein Beweis in Händen halten, dass er mit den Leichen in unserem Keller nichts zu schaffen hat.


    Meine Hoffnung ist, dass mein Sohn mein Tagebuch liest und lernt.
    Mein Wunsch wäre, dass eines Tages einer meiner Art mein Tagebuch findet und sich daran erfreut.


    Dem Bruder im Geiste sage ich, Du warst nicht der einzige der mit der Gabe gesegnet wurde - da draußen sind welche Deiner Art. Es sind nicht viele, aber es gibt sie. Vielleicht nutzen Dir meine Erfahrungen in der ersten Jagd-Zeit etwas. Lies, lerne und vor allem hab jede Menge Spaß. Meine beste Wünsche für Dich Schlitzer, hoffen wir dass Du nie eine Zelle von innen siehst...


    Bla bla bla...
    Yadda... Yadda... Yadda...


    Mehr muss ich nicht sagen. Meine Taten sprechen für sich.
    Los gehts mit dem Spass.


    Euer Jo

  • MISSION -- Jahr 190 n.d.A/Jozo - 16 Jahre - Teil 1


    In einer dunklen Gasse in einer Nacht sah ich es zum ersten Mal. Mysteriös und wunderschön zugleich. Auf den ersten Blick ein harmloser Armreif, aber das war es nicht. Es war ein Artefakt. Ein Armband, das sich binnen Sekunden zu einer Peitsche ausrollen konnte und sich am Handgelenk seines Trägers festhielt. Und war seine Arbeit getan, dann verfiel es zurück in diesen harmlosen Ruhezustand.


    Es war Liebe auf den ersten Blick! Und ich würde meine Liebe erobern, gleichgültig ob da noch eine Frau dran hing oder nicht. Solche Lappalien sind etwas für Versager. Dass ich keine dieser Luschen bin ist selbstverständlich, denn nach meiner Mission wurde ich Träger des Armbandes - des Kigyo wie ich es liebevoll taufte...


    Kigyo ist nicht einfach ein Armband. Ich kann nicht beschreiben was es wirklich ist. Das Artefakt verändert und bewegt sich, als wäre es aus Fleisch und Blut, dabei besteht aus Metall und Magie.


    Eine schwarze, glimmende, pulsierende Masse. Die sich bei genauerem Hinsehen als eine Zusammenballung von Tausenden haardünner, glänzender Fäden erweist. Wie Würmer oder Wurzeln.


    Es reagiert auf Wut, Lust und Gefahr, je größer die Wut oder die Jagdlust ist, je schneller dröseln sich die Fäden auf und formen eine gewaltige Peitsche.


    Um die 3 Meter Reichweite hat diese wundervolle Waffe... doch dazu später mehr, denn bevor ich das wusste musste ich sie erst einmal in Händen halten.



    ****



    Eines kann man sich bezogen auf alle Personen merken, – egal wie verrückt eine Situation auch sein mag, die meisten glauben beim Zusammentreffen mit einem „Objekt der Begierde“ immer an den Zufall. Nie würde eine Person auf die Idee kommen, dass alles so geplant war oder eingefädelt sein könnte.


    Was den Zufall sehr effektiv werden lässt.


    Je unwahrscheinlicher ein Zusammentreffen ist, desto zufälliger erscheint es der Person. Es ist etwas Besonderes. Schicksal!


    Und es ist alles andere als Zufall, dass ich fest an diese Gesetzmäßigkeit glaube. Auch diesmal entschied ich mich dafür, dass Zusammentreffen zu inszenieren. Ich rutschte von der Mauer, so dass sie mir auf der gegenüberliegenden Seite „zufällig“ über den Weg schleichen musste.


    Sie „erwischte“ mich hinterrücks, ich hörte eine Person und drehte mich „erschrocken“ um.


    Ich schoss auf mein Ziel… selbstverständlich verfehlend. Bei mir keine Kunst, so schlecht wie ich gucke und schieße. Es wäre schon verwunderlich gewesen, hätte ich sie getroffen. Natürlich entschuldigte ich mich sofort.


    „Scheiße! Das tut mir schrecklich leid! Ich hab Sie für einen Untoten gehalten“, brüllte ich ihr sofort rüber.


    Gesichtsausdruck, Tonfall, Gestik – alles musst Du perfekt heucheln.


    Und ich spiele gerade den verängstigten, übriggebliebenen Überlebenden, der auf Grund seiner überreizten Nerven mit seiner Armbrust auf eine Goblin gezielt und abgedrückt hatte.


    „Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sagen Sie was! Sie sind doch wohl nicht verletzt?“, fragte ich Besorgnis heuchelnd.


    „Nein… alles in Ordnung“, lachte die Frau mit rauer Stimme und näherte sich mir vorsichtig. Als sie sah dass ich keine Krankheitsanzeichen hatte, kam sie näher und nun wich ich ein Stück zurück.


    „Nicht doch“, sagte sie freundlich, und drückte mit dem Zeigefinger meine Armbrust herunter, die ich immer noch im Anschlag hielt.


    „Entschuldigung“, sagte ich, und steckte die Waffe zurück. Dabei hielt ich den Blick die ganze Zeit auf das Holster gerichtet, um den Eindruck zu erwecken, im Umgang mit der Waffe völlig ungeübt zu sein. Was auch den Tatsachen entsprach.


    „Mein Name ist Jozo“, sagte ich und hielt ihr die Hand hin. Mit einem ziemlich kräftigen Händedruck entgegnete sie „Ich bin Jesh…“.
    Sie wollte wohl noch etwas anfügen, doch in der Ferne hörte man Schreie.


    „Nun das hört sich so an, als ob es Arbeit für Sie gäbe“, kicherte ich.
    „Wie kommst Du darauf? Und was hast Du eigentlich hier zu suchen?“, fragte mich die Frau.


    „Kennen Sie einen gewissen Beltrish?“, fragte ich unschuldig.
    „Du – sag Du. Sich in so einer Gegend in so einer Situation zu siezen, ist unangebracht, nicht wahr? Wer soll das sein?“, hakte Jesh nach und zog ihren Mundschutz herunter, so dass ich ihr Gesicht sehen konnte.


    „Wenn Du hier genauso fremd vor Ort bist wie ich, nützt uns das beiden wenig. Hast Du unterwegs so was wie ein Plan gefunden, der uns hier zumindest raus lotst?“, fragte ich nach.


    „Nein. Jedem dem ich hier begegnete, der hatte mich gerade zum Fressen gerne… aber so einen Plan brauche ich auch nicht. Also wer ist Beltrish?“, hakte Jesh nach und zuckte belustigt mit ihren leicht zerfledderten Ohren.


    Nicht dumm, wirklich nicht dumm und sehr aufmerksam.
    Die Frau ließ sich nicht von einer gestellten Frage durch Gegenfragen ablenken.


    „Jemand der angeblich hier vor Ort sein soll. Ich wurde hergeschickt ihn zu treffen…“, erklärte ich als sie mich unterbrach.
    „Und dann was?“, fragte die Goblin lauernd.


    Ich sah in ihren Augen, dass sie sich innerlich zum Kampf mobilisierte. Die Frau war gut und gefährlich, ich durfte auf keinen Fall das Gleiche tun, würde sie es in meinen Augen lesen, war es eine Frage von Glück wer die nächsten Sekunden überlebte.


    Also blieb ich innerlich absolut friedlich, sollte sie mir nicht glauben, hätte ich in dem Fall natürlich die Arschkarte gezogen.


    „Er hat Infos über meinen vermissten Freund“, bluffte ich und schaute ihr unverwandt in die Augen.


    Augenkontakt halten zu können, ist bei einer Lüge das A und O!


    Jesh starrte mich noch einige Sekunden lang an und ich sah regelrecht wie das Leben zurück in ihre dunklen Augen sickerte, sie den toten mörderischen Ausdruck verloren. Die Goblin war mir sehr ähnlich, dass gefiel mir.


    „Ein Kumpel oder Dein Freund hm?“, hakte sie mit schiefem Grinsen nach.


    Ich zog kurz fragend eine Augenbraue hoch, taxierte sie von oben bis unten, drehte mich auf dem Fuß um und stiefelte davon. Na komm schon dachte ich, lauf mir nach, sei nicht so ein bornierte Zicke.


    Ich hörte sie resigniert hinter mir seufzen und dann Stiefel über Sand knirschen. Na bitte, doch keine Zicke, die Grüne folgte mir.


    „Warte Spitzohr“, rief sie mir nach. Ich ging noch ein Stück weiter, blieb dann aber stehen und drehte mich ruckartig zu ihr um.


    „WAS? Verschwinde einfach“, zischte ich sie an. Jesh blieb direkt vor mir stehen.


    „Verschwinde? Garantiert nicht. So wie Du Dich anstellst, hast Du keine Chance allein hier lebend rauszukommen. Du wirst mich begleiten“, sagte sie freundlich und tippte auf meine Armbrust. „Gib mir die Waffe, ich bring uns hier raus“.


    „Aha. Kein Bedarf“, knurrte ich, machte aber keine Anstalten noch mal das Weite zu suchen. Sie lachte. Keine Ahnung was sie lustig fand, aber sie lachte. Ihre Lache war angenehm, sie klang wie eine Stichwaffe die über Metall schabte.


    „Oh man. Ist Dir aufgefallen was hier los ist? Die Armbrust her – zügig, und diskutier nicht mit mir“, kam es im Befehlston.


    Sie war eine Frau die es gewohnt war, dass man ihren Anweisungen gehorchte. Ich händigte ihr die Armbrust aus, sie quittierte den Gehorsam mit einem schiefen, megabreiten Grinsen und checkte gekonnt die Waffe.


    „Lass hören, was ist passiert, warum suchst Du ihn?“, fragte sie nach während sie die Armbrust spannte.
    „Mein Freund wurde hier im angrenzenden Ort vermisst. Schon länger her, seit über einem Monat um genau zu sein. Ich bin hergekommen um ihn zu suchen. Auf jeden Fall endet seine Spur drüben im Ort, deshalb bin ich hier“, erklärte ich ihr und sie hörte mir tatsächlich aufmerksam zu.


    In letzter Zeit waren in der Umgebung zahlreiche Personen verschwunden.


    „Ich selber ermittelte in dieser Serie von bizarren Kriminalfällen, sammelte Infos von Unglücken und denen der spurlos Verschwundenen – aber tja…“, sagte sie, zog eines ihrer Messer und reichte es mir, mit dankbarem Nicken nahm ich es entgegen.


    „Tja… in dem Fall solltest Du die Vermisstenanzeigen vor Ort studieren. Dann siehst Du, ob ihn hier wer als vermisst gemeldet hat“, schlug sie vor.


    „Würdest Du mir den Gefallen tun und mich zur Wache begleiten?“, fragte ich Jesh und sah sie bittend an. In diesem Moment ergriff ich ihren Arm.


    Eine direkte körperliche Berührung ist immer ein geeignetes Mittel um einen ganz anderen Eindruck beim Gegenüber zu hinterlassen. Denn derjenige, der berührt wird, versteht dies als Zeichen von Vertrautheit.


    „Äh… naja… das sollte schon gehen“, antwortete Goblin, als sie gedanklich schlagartig umschalten musste.


    „Danke Jesh, damit tust Du mir echt einen Gefallen“, grinste ich sie freundlich an.
    „Gut gehen wir. Aber mach Dich auf einiges gefasst, in der Stadt sind nur noch Untote“, raunte sie mir zu und wir gingen Seite an Seite los.


    „Jozo, also. Erzähl ein wenig über Dich, für wen riskiere ich hier gerade meinen Hintern? Aber halte beim Reden die Augen offen“, grinste sie mich an.


    „Für jemanden der jeden Taler gebrauchen kann. Es gibt nicht viel über mich zu wissen. Ich bin ein einfacher Handwerker der einen seiner Kumpel sucht. Wir kamen ohne einen Taler hier an, wollten uns selbstständig machen und hatten nicht mal Dreck in der Tasche. Arbeit wird nicht mehr honoriert", antwortete ich gleichmütig.
    „Das tut mir Leid für Dich… Das liegt an den Menschen, sie produzieren alles billiger als Goblins, aber ihre Arbeit taugt nichts“, säuselte sie.


    Ich machte eine nichtssagende Geste und zog die Ohren nach unten.


    „Wenn ich irgendwas für Dich tun kann, sag´s mir“, schnurrte sie und rempelte mich freundschaftlich an.


    Es lief gut, beinahe zu gut, so dass ich mir schon Gedanken machte, ob es nicht Jesh war, die ich hier hinters Licht führte – sondern Jesh mich die ganze Zeit verarschte. Nicht Jozo würde Jesh töten, sondern Jesh Jozo.


    Doch die Entrüstung die sich auf ihrem Gesicht kurz breit gemacht hatte, konnte unmöglich gespielt sein.


    Selbst ich als professioneller Berufslügner hätte das nicht so hinbekommen. In dem Moment standen wir vor der Wache. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf das hölzerne Schild.


    „Wir sind da, gehen wir rein“, flüsterte sie mir zu, dabei hing sie sich meine Armbrust über den Rücken und zog ihre eigene kleiner Waffe. Sie hatte also Häuserkampferfahrung, das würde ich mir merken müssen.
    „Na komm“, forderte sie mich auf, als ich für einige Sekunden geträumt hatte und strich mir dabei über den Oberarm. Jesh öffnete die Tür, die ins Innere der Wache führte.


    Als ob die Untoten drinnen Schlange gestanden hätten, stürmten sie los und griffen uns mit ausgestreckten Armen an.


    Jesh neutralisierte einen Untoten nach dem anderen. Mit beiden Händen hielt sie die Waffe fest im Griff. Hätte ich ihr eine Beurteilung zu schreiben gehabt, hätte ich nur urteilen können, Handhabung und Umgang mit der Armbrust vorbildlich und lehrbuchmäßig. Ich war regelrecht neidisch auf ihr Können.


    Mein Blick musste unwissend bleiben, aber die Info war wichtig. Und wie gekonnt sie mit der Waffe umging und tötete machte mich ziemlich an. Die Goblin war in meinem Ansehen eine Stufe gestiegen.


    Ich hielt mich hinter Jesh verborgen und verhielt mich so, dass es für sie aussah, als ob ich Deckung hinter ihr suchen würde. Doch es waren verdammt viele Untote und so war es notwendig, dass ich mich ebenfalls an der Beseitigung beteiligte.


    So gut es ging wehrte ich die Feinde mit Schlägen, Tritten und sogar Messerstichen ab, vergaß dabei jedoch keinesfalls meine nicht vorhandene Waffentauglichkeit. Die Untoten waren für mich leichte Beute, aber es war ein hartes Stück Arbeit sie zu erledigen und es so aussehen zu lassen, dass Jesh nicht erkannte was ich draufhatte.
    Wir erreichten die Ablage und verbarrikadierten uns dort.


    „Los hau rein! Wie hieß Dein Freund? Dann suchen wir gemeinsam unter passendem Buchstaben“, rief Jesh mir zu. Erneuter Test, hilfreiches Angebot oder beides?


    „Navlar“, antwortete ich ihr ohne geringstes Zögern und ging die Anzeigen durch. Das wir nichts finden würden war klar. Sie stellte sich dicht neben mich und ging die andere Reihe der Hängeregister durch.


    Gerade in Extremsituationen ist Gelassenheit der Schlüssel zum Erfolg. Aber genau daran mangelte es mir, als ich da in der Registratur stand, Jesh keinen Millimeter neben mir und ich das Blut der getöteten Feinde roch. Der Geruch machte mich heiß. Wie hatte es dazu kommen können? Ich verstand es selber nicht so genau.


    Jesh hatte für einen Kerl, den sie von der Straße in einer gefährlichen Umgebung aufgelesen hatte, in der kurzen Zeit Zuneigung entwickelt und ihn in ihre Obhut genommen – mich. Und angesichts ihrer dämlichen Selbstlosigkeit wurde ich ebenfalls ein wenig zutraulich. Warum sollte ich nicht ein bisschen Spaß mit ihr haben?


    ****


    Nach erfolgloser Suche rückten wir gemeinsam wieder ab und sie führte mich in einen halbzerfallenen Geräteschuppen. Die Wahl des Ortes für unsere Pause war ideal. Offen nach einigen Seiten, falls man fliehen musste, aber wir hatten auch genug Deckungsmöglichkeiten und eine Wand im Rücken.


    Jesh zog sich in eine der hintersten Ecken zurück, drückte ihren Rücken gegen die Wand und machte es sich gemütlich. Dabei ging sie irgendwelche Papiere durch. Langsam schaute ich mich in dem Schuppen um, dann gesellte ich mich zu ihr. Sie schaute kurz auf, schenkte mir ein Grinsen und las weiter. Das ging noch eine ganze Weile so, ich sicherte solange die Gegend. Plötzlich hatte ich eine Hand im Nacken, die mich aus meinen Gedanken riss.


    „Nun zufrieden?“, fragte sie mich und strich mir über den Schädel.
    „Zufrieden womit?“, hakte ich nach und zupfe ihr am Ohr.


    „Zufrieden über meine Führung und meinen Schutz. Es dämmert, überall nur Untote aber Du lebst und bist hier bei mir in Sicherheit. Wäre doch ein Grund zufrieden zu sein nicht wahr?“, sagte die Goblin freundlich.


    „Stimmt. Ich bin zufrieden mit meiner Leibwächterin“, grinste ich zurück.
    „Soso…“, grinste sie megabreit.
    „Ja ist so, hör auf zu grinsen. Ich würde mich gerne erkenntlich zeigen. Was meinst Du? Lust drauf?“, fragte ich sie und küsste sie zärtlich auf den Hals.


    Nachdem sie mich einige Sekunden schmoren und auf die Antwort warten ließ, zeigte ich mich erkenntlich. Äußerst erkenntlich. Man will sich schließlich keinen Undank nachsagen lassen.


    ****


    Seltsame Lichter kamen nachts auf. Und ich beobachtete sie genau, versuchte mir einen Reim darauf zu machen, aber zu erkennen war nichts. Selbst nachts setzen hier dichte Sandstürme ein, wie ich auf dieser Mission lernen musste. Sie nahmen einem die Sicht und schlimmstenfalls konnten sie einen wohl auch ersticken.


    Jesh gesellte sich zu mir, legte sich wie ich auf den Bauch und schaute über unsere Deckung hinweg.


    „Was sind das für Lichter?“, fragte ich sie und küsste sie aufs Ohr.
    „Das weiß keiner so genau. Manche sagen es sind Irrlichter. Scheinen aber ungefährlich zu sein. Nimm sie als das was sie sind, kostenlose Straßenbeleuchtung. Sie können sich keine Untoten anschleichen“, flüsterte sie mir zu und schüttelte sich.


    „Was hast Du denn für Probleme?“, fragte ich kichernd.
    „Sand, überall Sand“, antwortete Jesh leise und klopfte sich etwas aus.
    „Solange Du keinen im Getriebe hast…“, lachte ich in meinen Ärmel.
    „Pass bloß auf…“, kicherte sie zurück, „wohin wirst Du nun gehen? Ich glaub nicht dass Du Deinen Kumpel noch findest“.
    „Ich weiß es nicht“, erwiderte ich leise und legte mich mit gezogenem Messer hin.
    „Nun dann ist jeder Ort so gut wie der andere“, sagte Jesh und setzte sich auf um die Wache zu übernehmen.
    „Damit hast Du Recht“, stimmte ich ihr zu.
    „Gut. Dann bleibst Du an meiner Seite. Ich hab hier noch einiges zu erledigen, Du wirst mich begleiten und wenn Du es schaffst unterstützen. Danach schauen wir mal wohin es uns verschlägt. Du wirst noch ein paar Leute von mir kennenlernen, aber eines nach dem anderen Jozo…“, bestimmte sie einfach über meinen Kopf hinweg.


    „Was hast Du hier zu erledigen?“, fragte ich nach.
    „So weit sind wir noch nicht“, antwortete die Goblin mir gelassen.
    „Für meinen Geschmack, waren wir gerade schon recht weit“, warf ich ein.
    „Geschmack?“, lachte sie und ich musste ebenfalls losprusten.


    „Nun sagen wir es so, hier könnte sich mir die Möglichkeit bieten, einen Widersacher ein für alle Male in die Knie zu zwingen“, erklärte Jesh während sie einen Süßkuchen aus ihrer Tasche kramte. Sie brach ihn in zwei Hälften und drückte mir eine davon in die Hand.


    ****


    "Hör mir zu, ein Biss, oder ein Gesabber auf eine offene Wunde und Du bist infiziert. Jedenfalls ist das meine Vermutung. Also sei vorsichtig, halt Dich zurück und halt Dich an mich. Wie versprochen, ich bring Dich hier raus. Du hast Dir wirklich einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht hierher zu kommen und nach Deinem Kumpel zu suchen.


    Andererseits ist Dein Pech mein Glück, ich hab Dich gefunden. So als ob Ardemia mein Flehen erhört hat. Zwar ganz schön spät, aber besser spät als nie – und zack hier warst Du. Ich hab noch nie einen Goblin mit Deiner Farbe gesehen Jozo. Du bist süß“, grinste sie sich einen ab.


    „Das Kompliment gebe ich gerne zurück Jesh. Danke Ardemia! Demnächst sollte die Frau aber bitte so planen dass wir uns in einer Kneipe über den Weg latschen, anstatt in einem Seuchenherd“, warf ich ein.


    „Das wäre ja langweilig. Außergewöhnliche Wünsche, erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Wie wäre es mit einer erneuten „Maßnahme“ zur Bindungsfestigung?“, fragte sie mit Unschuldsblick, während ich über die Deckung starrte. Ich sah eine Gruppe Untoter, in seltsamen Bewegungen kamen sie auf die Gebäude zu…


    „Nichts lieber als dass, aber wir bekommen Besuch“, zischte ich ihr warnend zu.
    „Scheiße! Rauf aufs Dach!“, ranzte sie mich an, aber ich war schon auf den Beinen und war zeitgleich mit ihr oben, so dass sie mich verwundert musterte.


    Schon drängten einige der Untoten unten ans Gebäude und kletterten ebenfalls hoch. Ich zog mein Messer, wartete ab und schon drängten einige der Typen auf mich zu.


    Ich gab meine Selbstbeherrschung auf und kämpfe einfach blindlings drauf los. Trat in Bäuche, schlitzte mit dem Messer Kehlen auf, rammte die Klinge in Genicke und versuchte dabei mit aller Macht am Leben zu bleiben.


    Ich hörte Schüsse. Der Untote vor mir ging direkt zu Boden. Dann der nächste, und noch einer. Und einer etwas weiter hinten. Da schoss nicht irgendwer - da schoss eine Zunft-Kollegin.


    Jeder einzelne Schuss ein Volltreffer in den Kopf des Untoten. In kürzester Zeit verringerte sich die Zahl der Angreifer und die restlichen waren keine ernstzunehmenden Gegner mehr, wo ihre Macht der Überzahl weggebrochen war.


    Ein Schnitt durch die Kehle bis zu den Halswirbeln, sorgte jedes Mal dafür, dass die Untoten ihren Tod erlebten. Es dauerte nicht lange bis wir sie alle beseitigt hatten.


    Jesh kam auf mich zu und rempelte mich an.


    „Alles in Ordnung bei Dir?“, grinste sie.
    „Ja alles klar, Danke. Mein Kompliment, Du bist eine gute Schützin. Nicht leicht mit der Armbrust so umzugehen“, antwortete ich.


    „Du bist an Armbrüste als Waffen gewöhnt?“, fragte Jesh und ich hätte mir für den dummen Kommentar am liebsten noch im Nachhinein auf die Zunge gebissen.


    „Andererseits… kein Zivilist würde auf die Idee kommen, sich solchen Viechern nur mit einem Messer in den Weg zu stellen…“, sagte sie und umrundete mich, dabei fiel mein Blick sehnsüchtig auf ihre Kehle - ein einziger Schnitt...


    „Vielleicht solltet Ihr Militärtypen aufhören, die Fähigkeiten von Zivilisten zu unterschätzen“, erwiderte ich gelassen.


    „Wenn Du Zivilist bist, bin ich Köchin“, grinste sie.
    „Aha. Welche Taverne?“, hakte ich nach und sie lachte auf.


    „Also wer bist Du Kurzer?“, fragte die Goblin und schubste mich ein Stück nach hinten.
    „Das weißt Du bereits. Wer oder besser gesagt was bist Du, dass man Dich in so eine Hölle schickt?“, fragte ich Retour.


    „Eine lausige Angewohnheit, ständig meine Fragen mit Gegenfragen zu beantworten. Jesh, eine Goblin die sich zu wehren weiß. Die sich zur Aufgabe gemacht hat, hier Erkundigungen einzuholen. Nun Du. Wer bist Du Jozo?“, fragte sie erneut.
    „Erkundigungen wozu?“, fragte ich nach.


    „Ich bin hier um Personen zu helfen, dass später sowas nicht mehr vorkommt. Dafür stehen wir ein. Wir erlegen Schweine und helfen Personen in unserer Situation, vielleicht Personen wie Dir. Die Mitglieder meiner Leute sind in alle Winde zerstreut im Moment“, erklärte sie.


    „Personen wie mir?“, schnaubte ich verächtlich.
    „Natürlich. Du wirst es schon noch ausspucken. Du hattest schon öfter ein Messer in der Hand. Hattest Du als Kind schon Umgang mit Waffen oder warum gehst Du so mit dem Messer um?“, hakte die Goblin nach.


    „Ich hab mir öfter Brote geschmiert und ich dachte ich unterstützte Dich dabei unsere zwei Ärsche zu verteidigen“, antwortete ich grantig. Die Frau drängte mich mehr in die Ecke als ich dachte.


    „Pampig und stur“, lachte sie.
    „Wenn Du meinst ich wäre ein Feind, solltest Du nicht so hemmungslos mit mir plaudern – es sei denn Du nietest mich eh um. Und nebenbei, die Welt kann keiner retten“, warf ich ein.
    „Ich niete Dich nicht um Kurzer. Ich will auch gar nicht behaupten, dass wir die Welt retten könnten. Aber wir können sie für einige wenige besser machen. Aber wenn Du meinst, dass Du auf Dich selber aufpassen kannst, gehen wir eben getrennter Wege“, sagte sie zerknirscht.


    „Das meine ich gar nicht!“, antwortete ich mürrisch.
    „Also gut, dann ist die Sache doch klar“, nickte Jesh entschlossen und lachte.
    „Klar? Was ist denn jetzt schon wieder klar?“, fragte ich sie überreizt.


    Die Frau sprach in ständigen Rätseln!


    „Das wir ab jetzt Partner sind. Fahr die Krallen ein, ich suche uns einen guten Platz für den Rest der Nacht“, sagte die Goblin wohlwollend und machte eine einladende Handgeste. Ich folgte ihr in die Nacht hinaus und sie suchte uns ein neues Versteck.


    ****


    Jesh, eine Assassine der es nicht darum ging Opfer zu töten, sondern die das verdorbene System ermorden wollte. Und dass noch aus hären Beweggründen.


    Meine Diagnose - ein Idiot im Endstadium.
    Ein ziemlich scharfer Idiot, grinste ich innerlich.

    Während wir tags drauf durch den Vorort marschierten und die Gegend wachsam im Auge behielten, wurde mir erst mal die gesamte Zerstörung bewusst. Leider war nach der Katastrophe von diesem Ort nicht mehr viel übrig geblieben, aber auch ihre Ruinen ließen den vorherigen Glanz erahnen.


    Jesh führte mich in die richtige Stadt wie sie mir mitteilte. Dort wären neben Untoten die Trümmer und die Sandstürme eine zusätzliche Gefahr. Nun für mich gab es keinen Grund daran zu zweifeln, vor allem als wir auf den Kern der Stadt blickten.


    Was sich da im Morgendunst der aufgehenden Sonne spiegelte war teilweise unter Tonnen von Sand begraben. Schon jetzt spürte man eine gewaltige Hitze und konnte sich ausmalen welche unerträgliche Hitze hier bald herrschen würde.


    „Wir rücken bis zur nächsten Ruine vor Jozo und von dort aus geht es über die Dächer. Wir gehen nur in die Häuser, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Erstens besteht drinnen überall Einsturzgefahr, zweitens lauern hier Verseuchte im Dunklen. Somit sind wir oben auf den hellen, heißen Dächern zumindest vor denen eine Zeit in Sicherheit.


    Und nun einmal Tacheles. Kannst Du Fassadeklettern und Dich abseilen? Ich gehe mal davon aus, aber ich will es hören. Wenn ja – sag es, dass würde unsere Reise erheblich erleichtern, wenn nicht, müssen wir komplett durch die Häuserschluchten wandern“, sagte die Goblin ernst und ich nickte beipflichtend.

    Weder sie noch ich hatten etwas davon, wenn ich mich hier dumm anstellte. Die Frau vermutete was ich bin, aber es schien ihr nichts auszumachen, im Gegenteil – es schien ihren Beschützer- und Rettungsinstinkte zu verstärken.


    War sie vielleicht eine meiner Art?
    Nein... dann hätte sie nicht so irrationale Beweggründe, schalt ich mich selbst in Gedanken. Sie tippte mich an und zuckte fragend mit den Schultern.


    „Ja ich kann Fassadeklettern, Rest auch – kein Problem Jesh. Lass uns aufbrechen, mir wird’s hier zu heiß“, bat ich sie.


    Jesh grinste mich zufrieden an und marschierte los. Scheinbar war auch ich in ihrem Ansehen gestiegen. Ich folgte Jesh auf dem Fuße.


    „Wir brauchen Wasser. Funktionieren die Brunnen oder Pumpen in den Gebäuden noch? Vielleicht könnten wir uns da mit Wasser eindecken und ehe Du mich zurechtstutzt, ich habe Dir zugehört. Wir könnten es im Eingangsbereich oder nahe der Fensterfronten versuchen. Vielleicht sind dort keine Verseuchten“, schlug ich ihr vor.


    „Gute Idee. Ansonsten decken wir uns in kleinen Geschäften ein, die sind leichter zu sichern. Komm versetzt an meine Seite und bummele nicht“, befahl sie mir.
    „Ich bin doch schon da, keinen Stress“, raunte ich ihr zu und ich sah dass sie grinste.


    „Was grinst Du schon wieder?“, hakte ich gut gelaunt nach. Irgendwie war ich in guter Stimmung. So heiß war es noch nicht, neben mir eine schnucklige Goblin die mir den vorherigen Abend und die Nacht versüßt hatte und jetzt wanderten wir in aller Seelenruhe durch ein nirgendwo. Die Stille konnte trügen, aber ich genoss sie trotzdem.


    „So leicht sind wir nicht unterzukriegen. Ich war schon in schlimmeren Zuständen an wesentlich schlimmeren Orten… wie Du“, sagte Jesh urplötzlich und strich mir über die Wange.
    „Das stimmt, damit hast Du vollkommen Recht“, gestand ich ihr ein.


    „Ich dachte gerade daran, dass ich mich einmal in eine Gruppe von wandernden Saisonarbeitern eingeschmuggelt hatte. Wir ernteten die Süßkartoffeln für die berühmte Reiskartoffelsuppe. Wir waren mit einem klapprigen Karren auf die Farm gekarrt worden, wo wir in einem heruntergekommenen Schweinestall übernachteten und den ganzen Tag über die Körbe mit Kartoffeln füllen mussten, die so eine seltsame Maschine aus dem Boden wühlte.


    Als ich von der Arbeit so kaputt war, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte, hatte ich den Auftrag erhalten Pflanzenschutzmittel auszubringen. Das sind Gifte Jozo.


    Ich sah Männer, die bei dieser Arbeit tagtäglich mehr oder weniger in den Giften badeten und sich dabei schwerste Vergiftungen zuzogen. Der Besitzer der Farm kümmerte sich einen Dreck um sie. Es waren nur Tagelöhner, sie waren dort eingesetzt als Saisonarbeiter um sie am Arbeiten zu halten. Wer arbeitet kommt nicht auf dumme Gedanken.


    Diese armen Schweine bekamen riesige Geschwüre am Kopf und in den Leisten, wurde von Übelkeit und Schwindel geplagt, bis sie sich wanden wie Würmer und starben.


    Die Toten bekamen nicht mal ein Begräbnis, von einem Stein ganz zu schweigen Jozo. Sie wurden mit bloßen Händen von ihren Kollegen im Wald verscharrt. Ich hab schon einigen Scheiß gesehen und wem galt da mein Auftrag? Dem Farmer? Dem Ausbeuter? Dem Monster?


    Nein, einem kleinen Goblin der es sich in den Kopf gesetzt hatte diese Farm zu schließen und die Umstände öffentlich zu machen. Tja Du siehst, Gericht und gerecht haben nichts miteinander zu tun.


    Der Farmer hatte Ansehen, Taler und vor allem eine Lobby dank Bestechung.
    Und was hatte der kleine Kerl? Bis auf seine Rechtschaffenheit nichts.


    Der Ehrliche ist immer der Dumme“, erzählte sie mir, nahm sich von ihrem Wasser und hielt es mir danach hin. „Hier trink“.


    „Hast Du den Job ausgeführt Jesh?“, fragte ich trinkend.
    „Ja und ich bereue es heute noch“, antwortete sie so ehrlich, dass ich mich fast verschluckte.


    „Reue? Das war nur ein Job“, sagte ich und gab der Goblin ihr Wasser zurück.
    „Vielleicht das Beste neben einem Gewissen was man in unserem Job haben kann, es hält einen von Dummheiten ab“, sagte sie freundlich.


    Wie weit wir gelaufen waren, war mir nicht aufgefallen als wir plötzlich vor einer Absperrung standen.


    „Die Barrikade ist aufgehoben. Keiner mehr zu sehen. Es muss vorbei sein“, grübelte Jesh laut. Sie starrte und versuchte in das angrenzende Haus zu spähen.
    „Du irrst Dich Jesh“, flüsterte ich ihr zu und hielt sie fest.
    „Hm?“, hakte sie flüsternd nach.
    „Die Bewohner sind noch da – sie hängen an den Straßenlaternen. Irgendwer hat sie aufgeknüpft. Guck mal nach oben“, warf ich ein, dabei musste ich mir mit aller Macht verkneifen loszulachen.


    Der Anblick war echt ein Bild für die Götter. Ihr Blick folgte meinem und sie zog scharf die Luft ein.


    „Nun Du musst es neutral sehen. Diese Typen wurden vermutlich von den Infizierten nachts aufgeknüpft. Aber wer war schuld, dass die Menschen infiziert wurden? Sie. Sie haben die Barrikade gehalten und die Leute dazu verdammt.

    Nun nachts kam dann dass angeschlichen, was sie verursacht hatten und hat sie geholt“, erklärte ich ihr beruhigend und suchte einen Weg um die Absperrung herum. Die angrenzende Mauer bot uns eine sichere Passage hinüber und diesmal folgte mir Jesh.


    „Gut gemacht. Halten wir uns auf der Straßenmitte, so sehen wir wenn was auf uns zukommt. Und lauf nicht unter die Toten, wir gehen kein Risiko ein, dass von denen was runter tropft“, warnte sie mich freundlich.
    „Alles klar“, bestätigte ich ihr.


    Wir gingen die Hauptstraße entlang runter und nach einer guten Wanderung hatten wir die erste Häuserzeile erreicht. Überall waren Sandverwehungen, was das Vorankommen nun extrem erschwerte. Man kann es mit dem Laufen durch Schnee vergleichen, es ist kräftezehrend und anstrengend und die Hitze war bereits beachtlich angestiegen. Über 30 Grad hatten wir im Schatten.


    Zwischen den Häusern heulte den Wind. Die Stadt schien in einer Art Senke zu liegen und wie man es auch von anderen hohen Häusern kennt, sammelte sich dort der Wind. Nur hatte das hier zur Folge, dass der Sand hochgepeitscht wurde und uns die Sicht nahm.


    Jesh schob sich an mir vorbei und sicherte nach vorne. Ich bezog hinter ihr Stellung und sicherte ihren Rücken. Hier überließ ich ihr komplett die Führung. Sie kannte sich hier aus, es war ihr Part.


    „Vorrückten, Gebäude geradeaus!“, befahl Jesh und sprintete geduckt los.
    Ich folgte der Frau wie ihr Schatten. In kürzester Zeit hatten wir das Gebäude erreicht, die Goblin stieß mit dem Fuß die Tür auf, stürmte hinein und sicherte sofort mit der Waffe.


    „Sicher“, sagte sie und ich schloss ganz zu ihr auf.


    Drinnen war es angenehm kühl, die Luft roch abgestanden und ich fühlte mich wie sandgestrahlt. Meine Haut schmerzte und ich schüttelte mich kurz. Wir gingen ein ganzes Stück in das Gebäude hinein um von draußen nicht gesehen zu werden.


    „Mach´s Dir gemütlich. Das war mal eine Taverne. Hier könnte es noch einiges zu holen geben. Die Leute sind ja nicht in Panik geflohen. Ich suche verschlossenes Wasser, das halte ich für sicherer. Woher das Trinkwasser kommt, weiß ich nicht, aber stell Dir vor, da vermodern einige der Untoten drin“, sagte Jesh.


    „Gib mir meine Armbrust zurück“, sagte ich.
    „Nur wenn Du damit umgehen kannst“, antwortete sie mir gelassen.
    „Nein - gib schon her“, grinste ich und die Goblin händigte mir ebenfalls grinsend meine Waffe aus.


    „Guck mal, Getränke und Futter. Lass uns die Regale ausräumen. Los los Beeilung“, befahl sie mir beim Anblick von zig verschlossenen Weinflaschen und eingekochten Gläsern. Wir deckten uns gut gelaunt mit Vorräten ein.


    Ich machte es mir an einem Tisch gemütlich und spachtelte eingelegtes Obst, während Jesh noch einmal im Gebäude nach dem Rechten sah. Ich beobachtete die Goblin über die Schulter.


    „Hättest Du die Güte da lang zu latschen wo ich Dich sehe? Jesh, ich rede mit Dir!“, rief ich ihr nach. Im Schlendergang kam sie zurück und stellte mir eine dunkelgrüne Weinflasche vor die Nase.


    „Weißt Du worauf ich jetzt richtig Lust hätte?“, grinste sie mich an.
    „Nö“, erwiderte ich stutzig, sie tippte mit dem Finger gegen mein Obstglas.
    „Dann bediene Dich. Danke für den Wein“, sagte ich und gab ihr den Rest der eingelegten Früchte.


    Sie setzte sich mir gegenüber hin und mampfte genüsslich, dabei ließ sie sich erschöpft im Stuhl herunter sinken und beobachtete mich von Zeit zu Zeit. Ich tat es ihr gleich und immer wenn sich unsere Blicke trafen mussten wir dämlich grinsen. Vermutlich jeder aus einem anderen Grund, lustig war es trotzdem.


    „Möchtest Du meinen neusten Plan hören?“, fragte sie schmatzend und mustere mich.
    „Ich kenne nicht mal Deine alten Pläne, aber klar erzähl“, lachte ich.
    „Klugscheißer“, lachte sie, ehe sie schlagartig ernst wurde.


    „Ich weiß es klingt bekloppt, es klingt dreist und es klingt verrückt, aber wenn das hier vorbei ist, würdest Du in Betracht ziehen bei mir zu bleiben? So richtig meine ich. Glaubst Du an Schicksal? Ich tue es jedenfalls und es muss einen Grund haben, dass wir uns über den Weg liefen“, sagte sie, trat auffordernd gegen meinen Stuhl und mampfte weiter.


    Den Grund gab es auch, ich wollte mir ihr Armband aneignen und dafür musste ich sie umnieten. Und genau deshalb würde ich bei ihr bleiben müssen.


    „Ich bleibe“, antwortete ich.
    „Freut mich Kurzer. Sooo… satt und glücklich“, sagte sie und stellte das Glas beiseite.
    „Wie heißt Eure Gruppe eigentlich?“, fragte ich neugierig. Es interessierte mich wirklich. Sie rieb sich über ihren vollgefressenen Bauch und gähnte.
    „Später Jozo“, antwortete sie mir. Ich hockte mich zu ihr rüber und setzte mich neben sie. So hatten wir beide den Ausgang im Blick.


    „Ich glaub wir bleiben hier vor Ort, ruhen uns aus und verschnaufen. Am Nachmittag wandern wir weiter, dann müssen wir uns nicht durch die Bruthitze quälen. Und im Moment bin ich ehrlich gesagt auch zu müde und zu faul. Einverstanden?“, fragte die Goblin.


    „Ja klar, einverstanden“, sagte ich und richtete mir auf dem Boden einen Schlafplatz ein. Wenn es einige Stunden später ans Kämpfen ging, wollte ich so fit wie möglich sein. Mit dem Rucksack unterm Kopf und lang ausgestreckt auf dem Boden döste ich vor mich hin. Einige Minuten später lag Jesh neben mir und lehnte sich erneut an. Ich ließ sie gewähren.


    ****


    Die Zeit bis zum Nachmittag verlief ereignislos. Wir konnten uns richtig gut erholen und hatten sogar abwechselnd geschlafen. Erneut gerüstet und sogar mit Proviant ging es los. Wir verließen unser Versteck und marschierten durch die Häuserschluchten. An einer ehemaligen verfallenen Brücke kam es zum ersten Kontakt. Wachposten.


    „Stehenbleiben. Wer seid Ihr? Was habt Ihr hier verloren?“, fragte einer der Typen.
    Vier Wachposten. Die anderen schienen angestrengt über etwas nachzudenken, wirkten aber noch nicht alarmiert. Vier von ihnen gegen Jesh und mich.


    „Wir sind Überlebende wie Ihr. Lasst uns einfach passieren!“, ranzte Jesh und machte einen Schritt. Der Kerl trat ihr in den Weg.
    „Du kannst nicht…“, setzte er an.
    „Natürlich kann ich“, antwortete Jesh und versetzte ihm einen Stoß, der ihn taumelnd zu Boden stürzen ließ.


    Unverzüglich versuchte sich der andere in der Nähe stehende Wächter auf sie zu stürzen, aber Jesh empfing ihn mit einem Tritt der ihn nach Luft schnappen und zu Boden gehen ließ. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie plötzlich Bewegung in die beiden anderen Wächter kam, ich würde Jesh den Rücken freihalten.


    Blitzschnell setzte ich den beiden Männern nach, sah, wie der eine nach seiner Waffe griff und schlug sie ihm mit einem Tritt aus der Hand. Dann ließ ich mich auf die Knie fallen und holte mit dem Messer zum Hieb aus.


    Der andere sprang seinem gefällten Kollegen zur Hilfe. Er sprang mich von hinten an, riss mich von dem am Boden liegenden Kameraden hoch und knallte mich auf den Boden. Rittlings hockte er sich auf mich, schlug mit einer Hand auf mich ein, mit der anderen hielt er mich auf den Boden gepresst. Mit nur einer Hand, sehr unlogisch. Vermutlich hatte er den Fehler begangen mich zu unterschätzen, einfach aufgrund meiner Größe. Er hielt mich für einen leichten Gegner.


    Dass ich das nicht war, bekam er zu spüren, als ich mich in seinem Klammergriff drehte und ihm mit brachialer Gewalt meinen Ellenbogen mit der Wucht eines Hammerschlags gegen seine Schläfe donnerte.


    Seine Augen trübten sich, während er steif wie ein Stock von mir herunter kippte. In dem Moment war mein erstes Opfer über mir mit gezogener Waffe. Ich drückte den Rücken durch und ließ mich blitzschnell wieder zurückfallen. Mein Fuß krachte einen Wimpernschlag später zwischen die Oberschenkel von dem Kerl. Er kreischte auf und wälzte sich stöhnend über den Boden.


    Ich sprang auf die Füße und suchte Jesh.


    „Hilf mir mal gefälligst“, zischte ich sie an. Aber Jesh dachte gar nicht daran. Sie lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an einem Steinpfeiler und grinste übers ganze Gesicht.


    Der Anblick machte mich rasend vor Wut und zwar dermaßen, dass ich einen Moment nicht aufpasste. Ich bemerkte die Faust die auf mein Gesicht zuraste zu spät. Der Schlag schleuderte mich gegen den Pfeiler und ließ mich bunte Sterne sehen.


    Einen Moment blieb ich benommen stehen, sah durch die flirrenden Lichter vor mir einen verzerrten Umriss auf mich zuspringen und spannte mich instinktiv an. Trotzdem trieb mir der Hieb die Luft aus der Lunge. Ich schlug zurück und spürte sofort, dass ich nicht richtig getroffen hatte. Sofort machte ich einen Ausfallschritt zur Seite und der Kerl versuchte mir ein Bein zu stellen, allerdings hatte ich damit gerechnet.


    Ich trat mit voller Wucht gegen das Schienbein des Typen und hörte den Knochen brechen. Mein Gegner stürzte mit einem schrillen Kreischen zu Boden und ich wandte mich dem letzten verbliebenen Gegner zu. Der Kerl hatte seine Waffe gezogen, aber er zögerte zu feuern als ich ihm genau in die Augen schaute.


    Keiner meiner Art...


    Zitternd versuchte er den Blick zu senken um mir nicht in die Augen schauen zu müssen. Blitzschnell sprang ich vor, entrang dem Kerl die Waffe und schlug ihm den Kolben seiner eigenen Waffe zwischen die Zähne.


    Die Zahl der Bodentruppe war somit vollständig, es waren vier. Ich schleuderte die Waffe angewidert davon, bedachte das wimmernde Häufchen Elend vor mir mit einem zornigen Blick und zückte mein Messer um ihm die Kehle durchzuschneiden, als ich knallhart eine gelangt bekam.


    „Lass das!“, sagte Jesh, packte mich am Arm und zerrte mich mit sich.
    „Danke!“, giftete ich sie an, „und wag Dich noch einmal mich zu schlagen, dann bereust Du es“.


    Jesh lachte hart auf.
    „Dann geh. Du bist frei. Du kannst tun und lassen, was Du willst. Ein Wort und ich bringe Dich sogar dahin zurück, wohin Du möchtest, oder an jeden Ort den Du mir nennst. Aber so eine dreckige Endaktion, bringst Du nicht in meiner Gegenwart. Gut der Hieb hätte nicht sein müssen, tut mir leid“, lenkte sie ein.


    „Was redest Du für einen Schwachsinn? Darum geht es nicht!“, zischte ich sie aggressiv an.
    „Na es ist auch meine Schuld, ich hätte statt zuzugucken Dir helfen sollen. Ich wollte nur sehen, was Du drauf hast. Ich hätte Dir vertrauen sollen. Lass keinen Hass aufkommen, bitte. Friede?“, fragte sie freundlich.


    „Du überschätzt Dich gewaltig Jesh – ich hasse Dich nicht. Ich hab Dir geholfen. Ich bin wütend darüber, was Du danach getan hast – nichts. Du hast mich damit behandelt wie ein Stück Scheiße. Das macht mich sauer“, knurrte ich während wir weiter marschierten.
    „Tut mir leid. Wirklich“, sagte Jesh.


    Ich antwortete ihr nicht, sondern stapfte übelgelaunt weiter. Plötzlich lächelte sie, kam ganz nah heran und stieß mich in den Sand.


    „Ich glaub Dir brennt der Helm!“, brüllte ich sie aus voller Kehle an, da war sie schon über mir. Instinktiv glitt meine Hand zum Messer um sie aufzuschlitzen, aber sie hielt meine Pfote fest.


    „Nicht doch Kurzer. Das ist kein Kampf auf Leben und Tod, sondern einer zum Vergnügen. Benutz eine andere Stichwaffe“, lachte sie sich auf mir schlapp und ich schnallte endlich was die Frau wollte und prustete auch los.


    „Denkbar schlechter Zeitpunkt für Spaß dieser Art. Runter“, sagte ich freundlich.
    „Kann ich Dich freilassen?“, fragte die Goblin gut gelaunt und gab mich frei.
    „Du hättest die Antwort abwarten sollen“, grinste ich und knuffte sie, „Gut Friede. Du hattest Recht. Wohin jetzt?“.
    „Nicht mehr weit bis zum Turm“, sagte sie und gab ein zügiges Marschtempo vor.


    Wir betraten ein zerstörtes Gasthaus. Einst musste es eine Luxusherberge gewesen sein. Schon der Kronleuchter der im Vorraum hing, sah sehr teuer aus.


    In der Ruine voller Staub, Sand und Dreck wirkte der Kronleuchter dennoch irgendwie fehl am Platz. Jesh ging leise und aufmerksam vor mir her und ich folgte ihr im kurzen Abstand. Sichernd schaute ich mich um, als wir plötzlich in einem Raum standen der von Kerzen erhellt wurde.


    Auf einer Wand waren hunderte Namen vermerkt, vermutlich all jene die hier gestorben waren – aber wer sie dort vermerkt hatte, war mir ein Rätsel.


    Argwöhnisch schaute ich mich um, ob ich irgendwo den Urheber dieses Schreins ausmachen konnte. Jesh hingegen stellte sich genau vor die Wand und schien die Namen zu lesen.
    „Was tust Du denn da?“, zischte ich sie an und in der seltsamen Stille war selbst mein Gezische noch zu laut.
    „Lesen und warten“, antwortete sie gelassen.


    ****


    Zeit und Gedankensprung.


    Wir hatten es aus der Stadt heraus geschafft und dort empfingen uns ihre Kollegen.


    "Das sind Sagar, Vicarri und Minkir", stellte sie mir ihre Truppe vor und jeder der Genannten nickte knapp.
    "Und das ist Jozo, er ist das neuste Mitglied unserer Truppe", verkündete Jesh.


    Die Planwagen waren immer noch wo Sagar sie abgestellt hatte. In Windeseile machten die Kerle die Fahrzeuge startklar und schon ging es los. Im offenen Gelände wurden die kleinen Pferde angetrieben, so dass wir schnell und zügig vorankamen.


    Nach kürzester Zeit sah man aus wie Sau. Aber mir war das in dem Moment total egal, denn die Höllenfahrt machte einfach einen Mordsspaß.


    Die Fahrt dauerte eine ganze Weile und ich war erstaunt welche Landschaft unsere Welt zu bieten hatte. Felsschluchten und Sanddünen wechselten sich ab und der Fahrtwind sorge dafür, dass das Ganze angenehm genossen werden konnte. Auch wenn wir gepudert waren. Unsere Fahrt führte uns hoch ins Gebirge, bis wir vor einem riesigen, aus Schrott gefertigten Haus ankamen. Auch jeder Nicht-Goblin hätte gewusst, wer diese Hütte gebaut hatte.


    Der Wagen hielt an und die Jungs sprangen heraus. Jesh neben mir deutete auf das Haus.


    „Willkommen im Haus der Silber-Schlangen. Unsere Hütte. Na komm lass uns reingehen“, sagte sie freundlich und war ebenfalls mit einem Satz aus dem Wagen gesprungen. Ich folgte ihr auf dem Fuße und gemeinsam gingen wir ins das Haus der Silber-Schlangen.


    So herunter gekommen wie die Hütte von außen aussah war sie nicht. Im Gegenteil, als ich nah genug herangekommen war, erkannte ich überall die Sicherungen, die Schussanlagen und sogar das Eingangstor war gesichert. Kaum war die Tür geöffnet, traten wir ein.


    Hinter uns schloss sich die Tür sofort wieder und riegelte ab. Das passte mir gar nicht. Eingeschlossen und gefangen, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Aus diesem Grund konzentrierte ich mich auf die angenehmeren Nebeneffekte, im Inneren war es kühl und dunkel.


    „Jeder sucht sein Quartier auf und macht sich am besten für einige Stunden lang. Wir sind alle fertig. Ich würde sagen wir treffen uns am Abend im Soziraum. Einverstanden?“, fragte Jesh in die Runde.
    „Mehr als dass, ich brauch erst mal ein Bad. Bis später“, sagte Minkir und machte sich davon.


    „Dem stimme ich zu. Wir sehen uns heute Abend“, sagte Vicarri.
    „Richtig. Ich gucke mal was wir noch an Vorräte haben und stell uns dann auch was Gutes hin. Können wir ein bisschen Deinen Einstand feiern“, warf Sagar ein und machte sich dann mit Vicarri gemeinsam auf den Weg.
    „Na komm“, sagte Jesh und führte mich durch das Gebäude.


    Den Raum den wir betraten, glich einem Heizungs- oder Belüftungskeller. Frontal konnte man eine Badewanne sehen, und unter einem Kessel war ein Bett eingerichtet worden. Daneben stand ein kleiner Beistelltisch, über dem ein Strandbild an die Wand genagelt war. In der Nähe des Bettes stand ein Sessel. Überall hingen Lappen oder Laken herum, dass Bett war mit einigen Öllampen beleuchtet. Luxus sieht anders aus, Standard sieht anders aus. Es war eine Bruchbude.


    „Unser Quartier“, sagte Jesh und machte eine einladende Geste. Ich schaute sie kurz an und schaute dann zum Zuber.


    „Funktioniert der? Also bekommt man hier Wasser aus der Pumpe?“, fragte ich Jesh hoffnungsvoll.
    „Ja er funktioniert und Wasser gibt es auch, aber lass nur so viel ein, wie Du brauchst um Dich abzuwaschen. Kein Vollbad. Wasser ist hier wertvoll und knapp“, erklärte sie freundlich.


    „Ich darf?“, fragte ich lieber rückversichernd.
    „Ja sicher, mach schon“, sagte die Goblin gut gelaunt und pflanzte sich in den Sessel.


    Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, zog mich aus und wusch mir dann den Dreck und Staub vom Körper. Auch wenn ich den Zuber nicht vollmachen durfte, genoss ich trotzdem das Wasser und blieb eine Zeitlang drin dösend liegen. Jesh klopfte mich ab und tat es mir gleich.


    Frisch gebadet legte ich mich ins Bett und schaute kurz rückversichernd zu dem seltsamen Kessel nach oben. Er ruhte allerdings auf einem Stahlgestell und dieses sah extrem massiv aus. Jesh pflückte eines der auf gehangenen Laken vom Seil und legte sich zu mir. Dann deckte sie uns beide damit zu.


    „Keine Sorge, der Kessel ist da oben sicher montiert. Uns kann darunter nichts passieren. Und der Platz hat noch einen angenehmen Nebeneffekt. Wenn es hier in der Nacht richtig eisig kalt wird, ist es hier drunter richtig angenehm warm“, erklärte sie mir. Jesh schien meine Gedanken erraten zu haben.


    „Das klingt durchdacht. Genau wie die Leinenlaken als Decke zu nutzen, wenn es so heiß ist. Unser gemeinsames Quartier?“, fragte ich nach und streckte mich lang aus.
    Jesh neben mir wühlte eine Zeit herum, bis sie endlich richtig lag. Gesicht zu Gesicht lagen wir uns gegenüber und sie grinste mich an. Ich rutschte zu ihr auf und legte ihr einen Arm um die Hüfte.


    „Spricht was dagegen?“, flüsterte sie, legte mir zärtlich eine Hand auf die Flanke und kraulte mich sanft.


    „Ich bin Dein Gefangener“, sagte ich ohne jede Anklage in der Stimme, was Jesh leise auflachen ließ.
    „Du bist kein Gefangener, Du bist ein störrischer Holzkopf. Die Tür ist zu, damit keiner reinkommt Jozo. Raus kannst Du jederzeit“, erklärte sie mir freundlich.


    „Oh“, kicherte ich und entspannte mich.
    „Ja. Wenn Du raus willst, sagst Du es mir und ich lasse Dich raus. Du bist zwar aufgenommen, aber ich bin nicht dumm Kurzer. Du hast Dich im Moment gefügt, irgendwann wirst Du aufbegehren, Dich wehren und dann ist es an uns Dich wirklich zu überzeugen, dass wir Deine Treue verdienen und nicht Deine andere Gruppe, Truppe oder Gilde.


    Vielleicht fragst Du es Dich auch nur insgeheim, vielleicht siehst Du auch vorher schon, wo Du hingehörst oder lieber hingehören möchtest. Die Wahl ist einfach, Werkzeug einer Gilde oder Freund einer Truppe, der Du was bedeutest.


    Aber bis dahin ist noch was hin. Noch Fragen?“, hakte Jesh nach und rutschte noch näher.


    „Was ist wenn ich mich gegen Dich und Euch entscheide? Was wenn ich die "Gilde" wähle?“, hakte ich leise nach.
    „Dann wärst Du dumm und so hab ich Dich nicht eingeschätzt Jozo. Keiner wählt freiwillig das Joch. Und gegen mich wirst Du Dich nicht entscheiden“, gähnte Jesh.


    „Werde ich nicht?“, schmunzelte ich.
    „Nein wirst Du nicht, Du wirst keinen Grund haben Dich gegen mich zu entscheiden“, schnurrte sie und küsste mich.


    Falsch, denn den Grund mich gegen sie zu entscheiden trug sie um ihr Handgelenk.


    ****


    Passage Ü18
    Link:
    http://asamura.de/viewtopic.php?f=41&t=921&p=9366#p9366


    ****

  • MISSION -- Jahr 190 n.d.A/Jozo - 16 Jahre - Teil 2



    Monate später.


    Ich hatte unter den Silber Schlangen gelebt und sie behandelten mich wie einer von ihnen.


    Dann war es soweit. Es war Einsatztag, vielmehr der Tag, an dem wir uns auf den Weg machten Laboratorium 777 dem Erdboden gleich zu machen. Warum der Laden so hieß, war mir schleierhaft.


    „Ich könnte schwören hier riecht es nach Grillparty. Nicht nach verbrannten Körperteilen, den Gestank kenne ich zu gut ich meine richtiges Fleisch, Braten“, sagte Minkir und wir schnupperten ebenfalls.
    „Ja riecht wirklich danach und es riecht lecker“, stimmte Sagar ihm zu.


    Gerüche sind für mich wichtig. Sie sind der Hauptteil meines Gesamtbildes, das ich mir vor meinem inneren Auge aufbaue. Sie sind ebenso Anhaltspunkte wie das was ich höre oder spüre.


    Mir verraten Gerüche mehr als dass was ich sehe.
    Sie verraten mir eine Menge.


    Tote Körper, wie lange ist der Körper schon tot.
    Waffen in der Nähe, abgefeuerte Waffen.


    Frische Luft aus Lüftungsschächten, wenn man einen Weg nach draußen sucht.
    All diese Dinge sagen sie mir, diese Infos können meine Augen mir nicht liefern.


    „Woher kommt der Essensgeruch?“, fragte Vicarri.
    Jesh sah sich langsam um, ohne zu blinzeln.


    Aus dem Belüftungsschacht dort, riechst Du es nicht? Vielleicht von einer Speiseraum“, versuchte Jesh zu erklären.


    „Speiseraum ist gut, Du meinst eine Brutzelbude“, lachte ich.
    „Nö dann hätte ich das ja gesagt“, stichelte Jesh.


    Schon komisch, selbst im gefährlichsten Moment schleicht sich auch ein Moment total gegensätzliche Normalität ein. Hier der Geruch von Braten.


    Und der Duft tut so, als wäre ein ganz gewöhnlicher Tag, an einem ganz gewöhnlichen Ort.


    Auch wenn an diesem Tag Hunderte, Tausende, Millionen oder vielleicht sogar Milliarden sterben würden, es roch einfach nach Sonntagsbraten. Eine herrliche Ironie.


    „Schwein?“, fragte Jesh und schnupperte.
    „Nein Hund“, sagte ich und schnupperte erneut, „eindeutig ein gebratener Köter“.


    „Du hast Recht. Hund und viel zu durch, aber essen würde ich ihn jetzt trotzdem gerne“, grinste Jesh.


    "Fleisch ist Fleisch. Eigentlich zählt nur die passende Soße", warf ich ein.
    Vicarri grinste anzüglich über beide Ohren und knuffte mich.


    „Wenn´s mit extra viel Soße ist, lass mir eine Keule übrig“, grinste er mich an.
    „Klar Kumpel, Du weißt doch ich hab was für Dich übrig, notfalls sogar zwei Keulen. Daran soll es nicht liegen“, lachte ich mich schlapp.


    „Wir sollten lieber aufpassen nicht selber gefressen zu werden. Die Viecher hier scheinen wirklich alles zu fressen“, kommentierte Jesh grantig.


    Sie konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn ich mit Vicarri rumalberte.


    „Damit meinte sie jetzt Dich Vic, lass Dir das nicht gefallen. Gut, Du bist zwar alt und zäh, aber Dich würde ich trotzdem verschlingen“, lachte ich.
    „Nur zu!“, gab er gut gelaunt zurück und überprüfte dabei seine Armbrust, so als würde er eine Ausrüstungskontrolle erwarten.


    „Ruhe Ihr beiden, ist ja nicht zum Aushalten“, knurrte Jesh und horchte.


    Etwas Seltsames hörten wir auf uns zukommen. Risse bildeten sich im Bodenbelag, wurden bereiter…


    Ich reagierte.
    Wir alle reagierten.
    Denken ist nicht drin.


    Mein Körper hatte das schon tausende Male mitgemacht und er erledigte seinen Job ohne erst bei meinem Hirn nach Erlaubnis zu fragen.


    Etwas Großes, Graues, Groteskes kroch aus dem Sandboden hervor. Etwas das entfernt menschlich aussah. Allerdings trug die Kreatur auch messerscharfe Fangarme. Gewaltig lange Fangarme!


    Im nächsten Augenblick hatte ich eine Schraubzwinge um den Hals und dass Vieh zerrt mich ein Stück zu sich heran.


    Sofort sprinteten die anderen mir zur Hilfe und griffen das Wesen an. Ich selbst versuchte dem Vieh, mein Kampfmesser in den Wanst zu rammen, aber das Ding hielt mich so fest von hinten umklammert, dass ich nicht richtig zustechen konnte.


    In dem Moment waren Jesh, Sagar, Vicarri und Minkir bei mir. Die vier schlugen mit brachialer Gewalt auf das Mistvieh ein und prügelten ihm regelrecht die Scheiße aus dem Hirn.


    Während dessen schaffte ich es endlich, mich etwas aus den Fangarmen des Biestes zu winden.


    Sofort riss mich Vic aus dessen Umklammerung, zeitgleich riss Jesh ihre Armbrust hoch. Man hörte einige Sekunden nichts mehr außer dem donnernden Geräusch des Schnellfeuers. Irgendwas Nasses spritzte mir ins Gesicht und ich schüttelte den Kopf.


    Das Biest kippte zur Seite, die Salve hatte ihm den Kopf weggerissen. Ich kam wieder zu Atem und schaute Jesh und die Jungs an.


    „Alles in Ordnung?“, hakte Jesh nach.
    „Ja“, antwortete ich der Goblin.
    „Na dann kommt“, sagte Jesh und übernahm sofort wieder die Führung.


    ****


    Nach einer endloslangen Latscherei hatten wir es in das seltsame Labor geschafft, dank Vicarris Kunst. Kein Schloss ist vor dem Kerl sicher. Er ist fast so gut wie Gasmi.


    „Der Sieg ist nicht mehr weit!“, knurrte Vicarri.
    „Vorher müssen nur unsere Aufgabe erledigen und dann müssen wir hier lebend rauskommen“, warf Sagar trocken ein.


    `Richtig Sagar. Nur wirst Du das garantiert nicht Du dämlicher Klugscheißer´, lachte ich innerlich in Gedanken.


    Es war so ein schöner Tag, dass ich beschlossen hatte, mich heute mit meiner Liebe zu vereinigen.


    Wir gingen um die nächste Ecke und dort standen zwei große Kerle. Großgewachsene Männer mit muskulöser Statur. Beide trugen Uniform – nein musste ich mich verbessern, es waren Kittel die ihre Körper verhüllten.


    Der Vordere der beiden trat aus den Rauch- und Schattenschwaden und hielt ein rasiermesserscharfes Kampfmesser. Ich musterte die beiden kurz und war im Begriff an ihnen vorbeizugehen.


    „Wo soll es denn hingehen?“, zischte Udoro.


    Keine Sorge, ich bin kein Seher oder sowas Abgedrehtes. Der Name des Kerls prangte in großen Lettern auf einem Namensschildchen an seiner Brust. Ich blieb stehen und antwortete ohne den Fragesteller anzusehen.


    „Ich bin auf dem Weg zur nächsten Sektion“, entgegnete ich gelassen.


    Udoro grinste mich herausfordernd an. Ich grinste zurück.
    Stechend bösartige, graue Augen bohrten sich in meine braunen Knopfaugen.


    „Ihr latscht hier durch mein trautes Heim, da möchte man doch meinen, dass Ihr mir eine Erklärung schuldig seid“, erzählte Udoro in einem Plauderton, als gab er gerade ein Witz zum Besten.


    Im Gegensatz dazu blieb die Miene des Mannes hinter ihm auffällig ausdruckslos. Sein Gesicht wirkte so starr, das man es durchaus für eine detailreich gefertigte Maske hätte halten können. Auch Udoros Grinsen war kein Grinsen, es war im Grunde ein Zähne fletschen.


    Ich wartete noch einige Sekunden, da sich aber in meinen Augen nichts tat, ignorierte ich Udoros Aufforderung und wollte weitergehen. Der Kerl langweilte mich schon nach zwei Sätzen.


    „Ihr geht ohne Euch zu verantworten? Meint Ihr das lass ich zu?“, zischte der Arzt.
    „Dein Labor ist verloren, es wird in wenigen Augenblicken gesprengt“, sagte Jesh ungerührt.


    „Gesprengt? Was Du nicht sagst… ich glaube ich muss hier mal die Fronten klären! Ich muss hier etwas eindeutig klarstellen. Ich bin hier Herr über Leben und Tod“, sagte Dr. Udoro und starrte kurz Jesh an.


    Dabei spielte er mit dem blanken Messer in seiner Hand und richtete die blitzende Klinge beim letzten Wort genau auf mich. Das war sowas von klar. Auf Udoros Gesicht lag ein diabolisches Grinsen.


    Ich erwiderte Udoros Blick für einen Moment nüchtern und schweigend, ehe ich antwortete.


    „Du wählst mich? Weise Wahl… Du bist also einer von der Sorte die sich gerne dominieren lassen“, sagte ich.


    Der Typ blickte mich verwundert an.


    „Nicht kapiert? Macht ja nichts, ich erklär´s Dir. Beschränkte Kerle wie Dich verlangt es immer nach jemand der sie beherrscht und kontrolliert. Und weißt Du auch wieso?


    Weil Ihr nicht eine einzige Entscheidung treffen könnt, wenn Ihr auf Euch allein gestellt seid. Nichts als hirnlose Marionetten. Du glaubst dass Du Deinem Boss dienst? Du täuscht Dich. Du gehorchst einfach immer nur dem, der Dich gerade beherrscht.


    Der Dumme fürchtet nichts mehr als Veränderung.
    Solange sich für Dich nichts ändert, ist Dir doch egal wenn plötzlich jemand anderes oben steht und Dir Deine Befehle serviert.


    Du würdest es nicht mal mitbekommen, Du kennst doch nicht die Fresse von Deinem Vorgesetzten, Du guckst doch nur auf seine Schuhspitzen. Du darfst jetzt meinen Stiefeln huldigen – nur zu“, lachte ich und meine Gruppe knurrte zustimmend.


    „Was soll das heißen?!?“, donnerte Udoro in einem Ton, bei dem seine Untergebenen vermutlich gerannt oder an Herzschlag gestorben wären. Die Truppe hingegen rottete sich um mich zusammen und Jesh stand so dicht an meiner Seite, dass sie mich berührte.


    „Das heißt, wenn ich es drauf anlege und Dich fertig mache, wirst Du alles für mich tun“, antwortete ich freundlich.
    „Wollen wir zwei es mal austesten?“, schob ich gurrend nach.


    Als Udoro das hörte stutzte er einen Moment, dann lachte er schallend auf.


    „Bist Du wirklich so dumm? Na wenn Du meinst…
    Ich liebe eingebildete, arrogante Kerle wie Dich.


    Weißt Du, jeder Person fügt sich einer ganz bestimmten Macht – sie heißt körperlicher Schmerz.


    Und auch Leute wie Du sind da keine Ausnahme. Ich freue mich schon drauf, Dir eine Lektion beizubringen. Wenn ich ehrlich bin, kann ich es kaum erwarten, Dich am Boden kriechen und mit blutigen Tränen um Gnade winseln zu sehen – nachdem ich Dir die Augen herausgeschnitten, die Fingernägel gezogen und jeden Zahn einzeln herausgebrochen habe“, grinste der Arzt bei seinen Worten vergnügt und tippte sich mit seinem Messer gegen die Schläfe.


    „Pass auf piek Dich nicht“, warf ich hilfreich ein, was mein Gruppe loslachen ließ.


    „Schmerz ist der Bote Gottes. Er ist das Band das alle Lebewesen mit ihm verbindet. Und ich finde, Du hast Dir etwas davon verdient. Ich rede vom Schmerz, der ein Geschenk Gottes ist“, grollte Udoro.


    „Ja ich habs schon beim ersten Mal begriffen, Danke Doc“, gab ich grinsend zurück.


    Während des witzigen Vortrages von Udoro, hatte mich Jesh die ganze Zeit über nervös aus dem Augenwinkel beobachtet. Beruhigend streichelte sie mit zwei Fingern meinen Unterarm. Die Frau schien mir völlig humorfrei.


    „Gut Udoro, wie wär´s wenn ich Dir jetzt mal meine Religion zeige? Bück Dich“, befahl ich ihm und lachte.


    „Ira!!! Zeig ihm, was Schmerz bedeutet!“, befahl der Doc donnernd.
    „Super eben wollte er noch selbst, jetzt schickt er die Sprechstundenhilfe…Ja Ira wo bleibst Du denn? Komm her“, lachte ich mich kringelig.


    Der Kerl, der die ganze Zeit hinter dem Arzt gestanden hatte, trat mit geschmeidigen Bewegungen nach vorne. Er war riesig, bewegte sich aber leicht und gewandt. Dann stürzte er mit unglaublicher Geschwindigkeit los und sprang.


    Mit einem Satz kam er vor mir zum Stehen. Im selben Moment hatte ich ihm mein Messer in den Wanst gerammt und es mit einer fließenden Bewegung hochgerissen. Blut, Gedärme, Fleisch und Gewebe regneten auf mich herab, als Ira auf den Boden klatschte.


    „Kapitel Bauchmerzen - zur Kenntnis genommen“, prustete ich und reinigte Zwicki, mein schwarzes Lieblingsmesser an Iras Kleidung.


    Udoro blinzelte kurz irritiert.


    „Ich hab´s irgendwie geahnt“, murmelte er leise, „wenn man nicht alles selber macht“.


    „Lauft!“, zischte Jesh und dann hastete schon Udoro los, sprintete behände rüber zu unserer Gruppe und zog seine Armbrust.


    Was ein Arzt damit wollte war mir schleierhaft, aber auch Pavo schleppt ab und an eine mit sich herum und der ist tatsächlich gelernter Arzt und Heiler. Und wenn man mich fragt, auch nicht mehr ganz dicht. Scheint deren Beruf mit sich zu bringen.


    Im Nu war er bei Sagar und grabschte ihn am Arm. Dieser packte ihn mit seinem Arm um den Hals und drückte zu. Udoro warf sich herum und schoss. Seine Bolzen schlugen präzise in die gegenüberliegende Wand, so schnell war Sagar mit einer Seitendrehung ausgewichen.


    Aus Verwunderung schien Udoro den Griff um seinen Arm etwas gelockert zu haben, denn Sagar konnte sich freimachen und rannte los, uns hinterher.


    Udoro der Arzt aus der Hölle war scheinbar felsenfest entschlossen sich umnieten zu lassen oder einen von uns einzufangen.


    Diesmal sprang er, landete nahe bei Jesh und trat mit einem wuchtigen Kick nach der Frau. Jesh duckte sich blitzartig weg und entging so dem Tritt im allerletzten Moment. Schon krachte Udoro eine Faust von Minkir ins Gesicht. Nahtlos folgten ein brutaler Bauchtritt von mir und ein Handkantenschlag ins Kreuz von Vicarri binnen Sekunden. Der Dreier-Kombo konnte Udoro nicht ausweichen. Er überschlug sich zwei- dreimal und knallte gegen eine Wand.


    „Jetzt ist er sauer!“, stellte Sagar trocken fest.
    „Ach was, seine Form zu beten“, stellte ich klar was Jesh, Vic und Minkir losprusten ließ.


    Udoro stemmte sich wütend aber wackelig hoch, doch dann geschah es. Ein Blitz umfing uns alle, tauchte die ganze Umgebung in gleißendes Licht. Mit einem gewaltigen Donnern begann die Erde unter unseren Füßen zu beben. Sekunden später traf uns eine mächtige Druckwelle.


    Vicarri schleuderte einen Enterhaken. Wir klammerten uns an Vicarri, während alles andere von der Druckwelle mitgerissen wurde. Als sich der Staub gelegt hatte, war Udoro spurlos verschwunden. Trotz der Gefahr die wir gerade überstanden hatten, musste ich lachen.


    „Was ein Abgang von dem Doc. Vici nicht schlecht, wirklich nicht schlecht“, prustete ich Vicarri zu.
    „Von wegen nicht schlecht, super gemacht. Du hast uns den Arsch gerettet“, sagte Jesh froh. Jesh löste ihren eigenen Klammergriff um mich und tätschelte mich liebevoll.


    „Ihr dürft mich jetzt loslassen“, lachte Vic und die Gruppenmitglieder ließen ihn einem nach den anderen los, bis auf meine Wenigkeit.


    „Was ist mit Dir? Liebesbedürftig?“, hakte Vicarri grinsend nach.
    „Wer weiß, sag Du es mir“, schäkerte ich und beugte mich so nah zu ihm, dass sich unsere Gesichter fast berührten.


    „Verkneift Euch das ja? Wir müssen hier weg!“, grummelte Jesh.


    „Sauer?“, hakte ich nach und gesellte mich lieber zu ihr.
    „Ach was!!! Wie kommst Du nur auf sowas?“, zischte Jesh mich an.
    „Das war nur Gefrotzel… Grüne, sei doch jetzt nicht so. Komm schon ich lass den Unfug“, gab ich klein bei.


    „Glaub mir, nochmal passiert sowas eh nicht Jozo, sonst lernst Du mich anders kennen. Wirklich anders Freundchen“, fauchte sie mich an.
    „Was passiert nicht nochmal?“, fragte ich mit Unschuldsblick, dabei wusste ich genau was sie meinte.


    „Egal, wir haben keine Zeit für Eure Kindereien. Wir durchkämmen jetzt den Rest von diesem Labor und vernichten es“, wies Jesh die Gruppe an.

    Ich hielt lieber gepflegt meinen Mund und fragte erst gar nicht nach wie das funktionieren sollte. Wir liefen mit gezückten Waffen den Korridor entlang, bis wir an einem offenen Aufzug ankamen.


    „Kommt schnell rein. Jozo sieh zu dass Du das Teil zum Laufen bekommst“, wies Jesh mich an und betrat den Aufzug.


    „Mir wäre lieber er brächte das Teil zum fahren“, lachte Vicarri.
    „Schon dabei“, sagte ich und inspizierte das Bedien-Element.
    „Und?“, hakte Minkir nach und guckte mir über die Schulter.
    „Das Ding fährt sonst mechanisch. Wir müssen klettern, rauf über die Dachluke und dann das Tragseil hoch“, erklärte ich.
    „Klettern?“, fragte Minkir nach.


    „Richtig“, sagte ich, während ich Vicarri unter der Oberluke positionierte und ihn als Leiter zu benutzen. Ich kletterte ihm auf die Schulter, dort oben machte ich mich gleich dran, die Luke zu knacken.

    „Bekommst Du das hin?“, hakte Minkir nach.
    „Ja klar“, grinste ich ihn an und knackte das Schloss, "fertig".

    Mein gedanklicher Dank ging in dem Moment an Gasmi, er hatte mir das Schloss knacken beigebracht.


    "Perfekt", freute sich Minkir.
    „Geilo“, grinste Vicarri zu mir hoch.


    Ich sparte mir die Antwort und kletterte durch die Öffnung auf die Aufzugkabine, sicherte mich oben und reichte Vic als erstes die Hand, damit er leichter hochklettern konnte. Nach und nach folgte die ganze Truppe.


    ****


    Wir kletterten eine Weile, dann schlüpften wir durch einen Spalt einer halb geöffneten Tür nach innen zurück ins Laboratorium. Es war totenstill. Jeder konnte es riechen, der Geruch nach Blut. Sehr viel Blut.
    „Ist hier jemand?“, fragte Jesh flüsternd und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Keiner von uns antwortete, aber die Goblin spürte scheinbar instinktiv, dass sich hier noch jemand neben uns befand.


    „Wo ist die Person Jozo, kannst Du sie ausmachen?“, flüsterte Jesh.
    „Nein, nichts Jesh. Ich rieche nur Blut und Verwesung. Alles überdeckender, bestialischer Gestank“, flüsterte ich zurück.


    Eine schemenhafte Gestalt stand im Durchgang zum nächsten Korridor. Die Gestalt nähere sich mit seltsam wankenden Schritten. Das Gesicht das auf Jesh zukam war totenbleich. Der Hals unterhalb seines Gesichtes war zur Hälfte weggerissen.


    „Stehenbleiben!!!“, donnerte Jesh und hob ihre Armbrust. Die Goblin konnte scheinbar nicht anders als die Gestalt anzustarren. In der klaffenden Wunde, dort wo einmal der Hals gewesen war, baumelten sichtbar die abgerissenen Enden von Sehnen und Blutgefäßen.


    „Boss was zur Hölle ist das? So eine Verletzung kann doch niemand überleben. Niemals“, raunte Sagar.

    Aber wider seiner Worte bewegte sich die Gestalt weiter auf Jesh zu und kam näher. Träge, mit unbeholfenen, plumpen Schritten, so als ob sie heute das erste Mal auf den eigenen Beinen stand und die ersten Schritte probte.


    Dennoch, die Gestalt näherte sich. Jesh und Sagar begannen Schritt für Schritt zurückzuweichen.


    Das Wesen hob zu einem bizarren Gegrunze an, dabei rann ihm zäher Seiber aus dem Maul und tropfte auf den Boden.


    „Mistvieh! Stehenbleiben hab ich gesagt!“, donnerte Jesh erneut.


    Das Wesen war mittlerweile ziemlich nah bei den beiden. Es verströmte einen erstaunlichen Verwesungsgeruch. Sagar schob sich vor Jesh und drängte sie weiter nach hinten ab.


    „Ich glaube das Wesen ist sowas wie ein Überlebender der Infizierten? Wobei lebend sieht der nicht aus. Eher wie eine lebende Leiche“, sagte Sagar und lud seine Waffe durch, zeitgleich musste er allerdings kämpfen nicht zu kotzen.


    „Eine bitte was?“, fragte Jesh total entgeistert.
    Die Armbrust war auf das Gesicht des Wesens gerichtet. Aber ihr Finger am Abzug der Waffe war auf einmal kraftlos und wie gelähmt.


    "Ein Untoter", erklärte ich.
    „Feuer doch!“, ranzte Sagar sie an.


    Wider erwartend seiner vorherigen Lahmheit sprang das Geschöpf auf einmal los und packte Jeshs Schultern. Sabbernd, schmatzend, griff es nach der Goblin und ein Geruch von Verwesung und Exkrementen schlug über ihr zusammen.


    Ein Schuss krachte und der Griff um Jeshs Schultern löste sich, dass Wesen taumelte einen Schritt zurück. Aber das war auch schon alles nach dem Bauchtreffer. Ein zweiter Schuss krachte, ein dritter.


    Die Bolzen bohrten sich in die Eingeweide, verschwanden in ihnen. Fetzen von Fleisch spritzten umher, der Gestank wurde unerträglich. Das Biest wankte ein paar Schritte zurück aber es fiel nicht.


    „Verfluchte Scheiße!“, knurrte Sagar wütend auf.
    „Töte es!“, bellte Jesh und feuerte ebenfalls.


    „Es ist doch schon tot! Keine Ahnung was ich noch machen soll, nach 3 Bauchschüssen. Das Vieh hat 3 Volltreffer kassiert und steht noch! Ich kann dem Ding nicht mal Schmerzen zufügen“, rief er zurück.


    Sagar feuerte auf die Kreatur, bis er die Repetierarmbrust leergefeuert hatte.


    „Scheiße die Zweite“, knurrte er auf.


    Wieder kam das Wesen behäbig wankend näher, als wäre nichts gewesen. Erneut sprang das Wesen vor und Jesh wollte es gerade wegtreten, als sich ein Messer in die Stirn von dem Vieh bohrte. Der Kopf des Untoten zerplatzte wie eine auf Steinboden aufschlagende Wassermelone und das Wesen sackte kraftlos in sich zusammen.


    Jesh und Sagar fuhren zeitgleich herum und starrten mich an. Ich meinerseits starrte Sagar dermaßen sauer an, dass ihm wirklich anders wurde.


    „Was sollte der Scheiß Sagar?“, fragte ich im messerscharfen Ton.


    Ehe er antworten konnte, hatte ich das zweite Messer gezogen. Er riss flehentlich die Hände hoch, aber ich warf, ohne zu zögern.


    Für einen Moment glaubte Sagar vermutlich sterben zu müssen. Hingerichtet worden zu sein, da er meine „Freundin“ gefährdet hatte. Genauer glaubte er sogar einige Sekunden lang, bereits tot zu sein, dass sah ich ihm an.


    Aber die Klinge war an seiner linken Seite Millimeter genau vorbei gestrichen und hatte eines der Viecher hinter ihm getroffen. Ein lautes Schmatzen ertönte, und wir hörten wie das Vieh auf dem Boden aufschlug. Sagar packte meinen Arm und starrte mir in die Augen.


    „Was war das?“, fragte er ohne sich umzudrehen, konnte sich die Antwort aber denken.
    „Noch eines der Viecher. Und im Eingang stehen wieder welche, zu blöde im Moment die Tür zu öffnen“, erklärte ich leise, riss meinen Arm von ihm frei und sammelte meine beiden Messer ein.


    Er drehte sich um und starrte auf die Kreaturen.


    „Das ist doch einfach nicht wahr! Wer erschafft solches Zeug?“, fragte Jesh irritiert und wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen mich prallte.
    „Entschuldige war keine Absicht“, sagte sie sofort.


    „Heute nicht so Dein Tag was?“, knurrte ich und die Goblin starrte mich baff an.
    „Was ist denn nun wieder los?“, hakte sie nach.


    „Ach sei leise“, ranzte ich sie an und schob mich seitlich an ihr vorbei. Dabei schlitzte ich direkt mit meinen beiden Messern los. Zweimal, dreimal… mit jedem Hieb fiel eines der Wesen zu Boden und gewann die Totenstarre zurück.


    Ich traf sie präzise in die Köpfe, knallte den Wesen die Messer genau zwischen die Augen und riss die Klingen sofort wieder zurück. Aber schon rückten neue nach.


    „Dein Sonnenblümchen ist scheinbar frustriert“, flüsterte Sagar Jesh ganz leise zu und sie nickte zustimmend.


    „Kurzer komm. Das wird nichts, wir müssen von hier verschwinden und zwar schnell“, sagte sie ruhig und packte mein Handgelenk und zerrte mich mit sich.
    „Zu spät, guckt durch die Türfenster“, warf Vicarri ein. Einige der Kreaturen schienen außen dort entlang zu krabbeln.


    „Hat irgendwer Granaten dabei? Und ihr zwei Jesh und Sagar… bei Hinrichtungen immer nur Kopfschuss, auch bei lebenden Toten - damit es wieder tote Tote werden. Ansonsten nehmt die Messer“, motzte ich.


    „Schon klar!“, ranzte Sagar zurück.
    „Dann tu es auch!“, fauchte ich lauter.


    „Ich bin nicht so gut mit dem Messer wie Du und ich war irgendwie erstarrt!“, giftete er zurück.
    „In was bist Du denn überhaupt gut Du Niete?“, fragte ich süffisant.


    „GANZ VORSICHTIG JOZO!“, grollte mich Jesh an und starrte mich dermaßen hart nieder, dass ich die Zähne zusammenbeißen musste um die Messer unten zu halten.


    „Schon gut, tut mir leid. Mach Dir nichts draus. Lass Dir von wem auch immer die Granaten geben“, lenkte ich freundlich ein und kämpfte um meine Gesichtszüge.


    „Ihr beiden vertragt Euch oder es knallt! Mal ganz klipp und klar zum Verständnis. Ihr seid ein Team. Ihr achtet ab sofort aufeinander. Ganz klare Order. Wird einer von Euch beiden verletzt, bekommt der andere von mir aufs Maul. Wenn einer von Euch beiden fällt, töten wir den Überlebenden fürs Versagen und Hängenlassen. Kapiert? GUT!!!“, donnerte Jesh, schob sich an uns beiden vorbei und ging nach vorne.


    Sagar und ich drehten uns zeitgleich um, starrten Jesh baff nach und starrten dann uns gegenseitig an.


    „Das meint sie nicht ernst oder?“, flüsterte mir Sagar zu und zog mich vorsichtig durch den Eingang zurück in Sicherheit.
    „Keine Ahnung. Sie war wütend. Das war eindeutig Deine Schuld, Du hättest mich nicht ankacken sollen. Aber ich verzeihe Dir. Friede?“, hakte ich leise nach.
    „Ehm... klar Friede“, sagte er etwas durcheinander.


    „Leute kommt, abrücken“, ermahnte Vicarri uns alle.
    „Das macht er extra mit der Rumbummelei“, grummelte Jesh und grabschte mich erneut am Handgelenk um mich hinter sich her zu zerren.


    Gemeinsam machten wir uns an den Aufstieg in die anderen Etagen des Labors. Jesh schlich voran. Es krachte ein Schuss, Jesh hatte geschossen. Ihre geduckte Haltung betrachtete ich grinsend und mit ziemlich unkeuschen Gedanken.


    „War da was?“, rief Vic.
    „Da hat eines der Viecher geklebt“, antwortete Jesh und drehte sich zu ihm um.


    Die Augen der beiden trafen sich und beide mussten grinsen.


    „Sag mal hast Du Angst, dass ich Dich mit einem der Untoten verwechsele und Dir einen Bolzen verpasse, oder wieso bist Du ununterbrochen am Sabbeln?“, fragte sie dreist.


    „Frechheit! Wie kannst Du es wagen…!“, motzte Vic, allerdings hörte Jesh den Rest nicht mehr, da ich ihr mit zwei Finger Handzeichen nach vorne gab und selber mit meiner Armbrust feuerte.


    Meine Salve ging irgendwohin, nur nicht in den Feind.


    Die Goblin drehte sich blitzartig um und riss im gleichen Moment den Abzug durch. Ihre Schüsse krachten ins Ziel und man hörte einen Körper wegfliegen.


    „Folgende Vorgehensweise. Wir gehen bis nach hinten durch. Wir kämpfen uns zur Not den Weg bis zum letzten Raum durch. Jozo und Minkir in die Mitte, abrücken!“, befahl Jesh und gab sofort die Vorhut.


    Ich gesellte mich neben Jesh, ihren Befehl einfach ignorierend. Der Blick der Goblin sprach Bände und sie setzte gerade an mich zusammenzustauchen, als ich sie einfach küsste.


    „Keinen Zoff mehr Jesh, na komm. Sei wieder gut mit mir“, sagte ich freundlich.
    „Es ist schon merkwürdig genug, dass Du so allem Anschein nach überhaupt kein Problem damit hast, das hier lebende Leichen rumlaufen“, sagte Jesh und umfasste besorgt meine Hüfte.


    „Natürlich habe ich damit ein Problem, sie stinken dass ich blind werde. Kannst Du jetzt bitte endlich mal die Klappe halten?“, flehte ich sie an.
    „Nein kann ich nicht“, gab sie offen zu.
    „Doch Liebling, mach einfach den Mund zu und hör auf zu sprechen“, grinste ich.


    „Liebling?“, grinste sie megabreit.
    „Das hab ich nicht gesagt“, wehrte ich ab.


    „Doch hast Du. Es ist diese Angst. Einen normalen Feind gegenüber zu stehen macht mir nichts aus, dass weißt Du doch, aber das ist…“, grübelte sie und guckte mich eindringlich an.


    „Es sind einfach nur Feinde Jesh, reiß Dich zusammen. Du hast glaube ich Ekel. Das haben viele. Das ist nicht schlimm. Die Untoten entstehen durch Zauberei oder sowas. Vielleicht auch Alchemie, das wäre dann eine chemische Reaktion und die Leichen stehen wieder auf und springen wild rum – sie sind fast wie normale Leichen, nur rennen die eben wild durch die Gegend und verpesten die Luft“, erklärte ich und Jesh wurde blasser als ein Laken.


    „Die Erklärung hat uns alle beruhigt, Danke Jozo“, lachte Sagar.
    „Man tut was man kann“, lachte ich.


    „Ich hasse sie. Ich habe Angst davor, wenn ich aufhöre zu reden oder keine Stimme von Euch höre, dass ich stehenbleibe und nicht weitergehen kann. Ich glaube ich kann nicht weiter gehen, wenn ich aufhöre zu reden“, sagte Jesh leise und bedrückt.
    „Doch versuch´s mal, laufen ohne zu reden funzt wirklich. Falls Du nicht mehr gehen kannst, trage ich Dich. Zur Not gehe ich zwei, oder dreimal“, sagte ich wohlwollend.


    „Äh… Danke, sehr freundlich“, antwortete sie kichernd.
    Nur Vicarri schien den Witz begriffen zu haben, da er fragend eine Augenbraue hochzog.


    „Und jetzt“, sagte ich und küsste sie erneut, „schweig“.
    „Einverstanden Kurzer“, sagte Jesh und presste die Lippen fest aufeinander, die Gruppe atmete erleichtert auf.


    „Verdammt ich schaff es einfach nicht…“, sagte Jesh einige Sekunden später, allerdings wurden wir im nächsten Korridorabschnitt von einer geradezu unheimlichen Stille empfangen, dass sie nun doch verstummte.


    „Hier scheinen keine der Viecher zu sein“, sagte Minkir und schaute sich um.
    „Eine Verschnaufpause haben wir uns verdient“, warf Sagar ein, trat neben Jesh und hielt eine Granate im Anschlag.
    „Tausch die Waffe mit Sagar Minkir“, sagte ich und beide wechselten umgehend die Waffen.

    „Ähm das Loch im Dach vorhin, wie ist das Loch ins Dach gekommen? Irgendwas muss das Loch ins Dach gepuhlt haben oder? Und ich glaube es ist da oben“, sagte ich und starrte zur Decke hoch. Blitzartig gingen alle in Hocke in Deckung.


    „Schön bei mir bleiben“, warnte mich Jesh gerade noch, als mit lautem Krachen das Dach über uns einbrach.


    Eine Kreatur, anders als die Untoten die uns begegnet waren kam herunter. Wenn einer von uns zwischen dessen Kiefer geriet, würden uns das Biest mühelos Fleisch und Knochen zermalmen.


    „Was ist das?“, fragte ich ungläubig.
    „Als Goblin sollte man einen Korgox erkennen Jozo“, antwortete Vicarri.
    "Ein Goblinfresser?", hakte ich baff nach.
    "Fünf könnte er gleich fressen, wenn wir noch lange über ihn diskutieren", warf Jesh ein.


    Die Kreatur war eigentlich "nur" ein gewaltig großer Frosch... der zum Leidwesen von Goblins halt Goblins als Nahrung bevorzugte.


    „Verdammter Korgox!", fluchte Minkir, während Jesh den Abzug durchriss. Ein Krachen, ein kurzes schlabberndes Matschen – die Kugel war offenbar von der Außenhaut irgendwie abgeschmiert.


    Eine gewaltig lange Zunge stieß sofort nach Jesh, ein Seitwärtskick von Sagar rettete der Goblin im letzten Moment das Leben, da der Hieb der Zunge ihr Ziel verfehlte.


    Gleichzeitig ergriff Vicarri einen der herumstehenden Stühle und schleuderte sie dem Korgox entgegen. Das Wesen war schneller als gedacht. In einem Sekundenbruchteil hatte es den Stuhl in zwei Teile zerfetzt.


    „Guckt Euch das an, es hat den Stuhl demoliert. Es muss gewaltige Kräfte haben", grübelte Vic, während von vorne die Zunge des Korgox ihn attackierte.


    Während er den Attacken blitzartig auswich, feuerte er Salve um Salve auf den Riesensfrosch. Aber es gelang ihm nicht, ihn zu verletzten oder dem Wesen einen Kratzer zuzufügen.


    „Ich habs!“, rief Minkir ihm zu.
    „Was denn?“, brüllte Vic zurück.


    „Schieß dem Wesen auf den Kopf“, sagte er und feuerte bereits wie er selber vorgeschlagen hatte. Die Gruppe tat es ihm gleich, aber die Bolzen wurden von den mächtigen Vorderpfoten abgeblockt.


    „Es versucht sich zu schützen“, lachte ich, „er macht das sogar ziemlich gut“.
    „Was?!?“, fragte Vic verdattert.


    „Wenn wir auf die Rübe feuern schützt er sich, heißt er ist da verletzlich. Egal ich versuch´s“, rief ich ihm zu.
    „Was versuchst Du?“, fragte Jesh mich, da ich sie kannte, sprang ich einfach los.


    Ich sprang vor und war mit einem kurzen Sprint beim Frosch. Ein Vorderfuß stürzte sich auf mich und ich schlüpfte blitzartig unter den Klauen hindurch. Eine kurze Rolle und ich befand mich direkt vor dem Maul des Riesensfroschs.


    „Hallo“, schnurrte ich, drückte ihm sofort die Armbrust auf den Kopf.


    Die beiden Vorderpfoten von dem Wesen schossen hoch um mir den Kopf abzureißen, aber ehe es dazu kommen konnte, hatte ich den Abzug durchgerissen und in einem Sekundenbruchteil donnerte das ganze Magazin im Schnellfeuer in den Schädel des Monsters.


    Huppala, das war eine Aktion und ich hatte sogar getroffen! In der seltsamen Totenstille des Raumes erstarrten die Füße und fielen schlaff herab. Der riesige Leib sackte in sich zusammen und donnerte auf den Boden.


    „Das war´s“, sagte ich gut gelaunt und wandte mich um.


    Jesh sah, wie der vermeintlich tote Riesenfrosch sein Maul noch einmal öffnete. Der Leib ruckte nach vorne und seine Zunge zuckte auf meinen Rücken zu. Jesh reagierte prompt und trat mir mit einem tiefen, flachen Kick die Beine weg so dass ich flach auf den Boden stürzte.


    Zeitgleich schlug Sagar zu und lenkte die Zunge des Korgox von uns beiden ab. Seine Zunge schrammte trotzdem noch über den Armpanzer von mir und bohrte sich neben mir in den Boden. Jetzt endlich schien auch der letzte Rest Leben aus dem Wesen gewichen zu sein. Es lag starr und reglos da.


    „Alles in Ordnung?“, fragte Jesh und half mir auf die Beine.
    „Geile Aktion Grüne“, sagte ich und knuffte sie kurz.


    „Hat er Dich irgendwo erwischt?“, fragte Jesh besorgt und untersuchte mich.
    „Nein alles ist gut“, sagte ich.


    „Zeig Deine Hände und öffne sie ganz“, befahl Jesh. Ich gehorchte ihm und streckte Jesh die Hände entgegen.
    „Gut. Nichts passiert“, sagte die Goblin beruhigt und drückte mich kurz, fest und innig.


    „Da fällt mir ein, eigentlich sollte ich Dich wirklich in den Arsch treten Jozo. Hab ich Dir einen Konfrontationsangriff befohlen? Bist Du verrückt?“, brüllte mich Jesh an.
    „Nein, aber…“, setzte ich an.


    „NICHTS ABER!“, sagte Jesh schneidend.
    „Aber er ist tot“, fügte ich trotzig an.


    „Das wärst Du jetzt ohne uns auch! Man Kerl echt, mach uns Sorgen!“, schalt sie mich. Allerdings hörte man ihr genau den Grund für die Schelte an, sie war nicht sauer, die Frau hatte Angst um mich gehabt. Sie war wütend über meine Leichtfertigkeit. Wofür war sie oder die Truppe denn da?


    „Verzeih mir Baby“, lenkte ich schnurrend ein.
    „Ja ja logo, sonst hätten wir Dich zurückholen müssen, damit ich Dich erwürgen kann“, grinste Jesh sich einen ab.


    „Würde es nicht ausreichen, wenn Du ihn nach Rettung windelweich prügelst? Je nachdem womit macht das sogar noch richtig Spaß“, schlug Vicarri freundlich vor.
    „Ähm…“, warf ich ein, aber Jesh machte eine wegwerfende Handbewegung.
    „Gut, einigen wir uns darauf“, sagte sie freundlich zu Vic und übernahm wieder die Führung.
    „Los komm“, sagte Sagar und ich schloss mich ihm an, dicht gefolgt von Minkir der nun argwöhnisch doppelt aufpasste.


    ****


    „Ich will ja nicht wieder klugscheißern…“, setzte ich an und wurde direkt von Jesh unterbrochen, „…Aber Du tust es trotzdem“, lachte die Goblin leise auf was die anderen losprusten ließ.


    „Äh… genau. Hört zu. Irgendwie erwarten uns an jeder Ecke Überraschungen. Hier geht’s zu wie im Gruselkabinett. Wir rennen durch Korridor, steigen Treppen, hoch und wieder runter, latschen durch eine endlose Zahl an Räume.


    Immer wieder müssen wir unterwegs gegen irgendwen oder was kämpfen. Die wenigsten Gegner sind lebende Goblins, und die ganze Anlage scheint fast so was zu sein wie ein Labyrinth. Das ganze Vorrücken in die einzelnen Komplexe kostet einfach zu viel Zeit“, erklärte ich.


    „Nun ich denke genau deshalb haben sie es so gebaut“, warf Minkir ein.


    „Logisch. Und warum? Dass hat jemand gebaut, um uns oder eben andere Besucher so richtig auf Trab zu halten. Es kommt mir fast vor wie auf einem Truppenübungsplatz. Gegner, Pause, Gegner erhöhen, Pause, Gegner abschwächen, Pause… da ist ein Schema hinter. Man würde vermuten Verteidigung der Anlage, das ist klar und offensichtlich – für mich sieht´s vorgeschoben aus, da steckt was anderes hinter“, erklärte ich meine Sicht der Lage.


    „Du meinst dass das eine Falle ist?“, fragte Jesh und strich mir übers Kreuz.
    „Klar, die Möglichkeit besteht zumindest“, antwortete ich.


    „Er hat Recht Jesh! Überlegt doch mal, diese Anlage ist so hoch gerüstet, sie könnten uns sofort ausfindig machen und statt einen zig von den Wesen schicken. Hunderte dieser Untote. Ab einer bestimmten Masse würden sie selbst uns einfach durch schiere Masse überrennen.


    Aber es ist immer so, dass wir es schaffen. Ganz so, als handelt es sich hier um einen Feldversuch. Eine Feldstudie. Man wird uns beobachten, aber es geht dabei nicht um uns, sondern darum wie sich ihre „Schützlinge“ in einer Krisensituation schlagen“, erläuterte Vicarri.


    „Klingt logisch was ihr sagt“, stimmte Jesh zu.


    „Eben. Was den Verkaufswert von ihrem Gammelfleisch erhöhen würde. Man hat einen realen Feldversuch. Wie schlägt sich ein Untoter gegen eine Einheit Meuchler? Wie groß muss die Horde sein, um selbst eine Truppe Killer an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen? Also wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, ordern Sie noch heute 3.000 Untote zum Preis von 2.999“, säuselte ich im Teppichverkäufer-Tonfall.


    Die Gruppe blieb schlagartig stehen, starrte mich an und Vicarri sprach aus, was alle dachten.


    „Genau das ist der Grund. Aus dem Grund haben sie uns hierher gelockt. Sie wissen Goblins halten zusammen. Sie wissen Gildenbrüder unserer Zunft halten noch mehr zusammen. Für andere Personen sind wir sowas wie ein Mythos, Legende, eine Schauer-Gute-Nacht-Geschichte, aber wer kennt einen Meuchler persönlich?


    Hochgefährlich und für den Normalverbraucher unbezahlbar, aber wir haben diese Leute hier nicht einen Taler gekostet!


    Das ist wirklich ein Feldversuch. Wir sind die Bauernopfer!“, sagte er vehement und alle nickten grimmig.
    „Eben, würden wir ja auch so halten“, grinste ich.


    „Nun dann wollen wir ihnen mal zeigen was es heißt sich mit uns anzulegen. Immer schön dran denken, ein Goblin ist ein Problem, zwei sind ein Streit, drei sind der Sieg. Und wir sind? Zählt selber nach“, grinste Jesh breit.


    „Eines dieser Labore hat vollkommen ausgereicht. Ich weiß nicht wie viele dieser Höllen es gibt, aber jede davon ist eine zu viel. Wir müssen sie vernichten. Sie töten unschuldige Leute“, erklärte Jesh.


    „Sie töten unschuldige Leute, klar – aber das ist ja nicht das Geniale an dem Plan! Das Genial ist, eben war es noch ein Feind, dann war es ein Opfer und nun ist es Deine eigene Waffe – Dein Gammelfleisch-Zombie der für Dich kämpft. Obwohl Du ihn umgelegt hast – naja oder die anderen Gammligen. Das nenne ich Logik!“, grinste ich über beide Ohren.


    „Eh… ja Jozo. Darum sind wir hier, löschen wir sie aus. Wir müssen die Selbstzerstörung aktivieren. Wenn sie sowas haben. Normalerweise müssten hier überall Sprengladungen installiert sein, die nacheinander im bestimmen Abstand gezündet werden. Für den Fall das etwas schief geht“, warf Jesh ein.


    „Haben sie das nicht, jagen wir den Laden eben in die Luft. Das ist kein Problem, wir müssen nur richtig rechnen, wegen Sprengkraft und Wirkung - Bergwerksarbeit. Ist nicht schwer, so treibt man Stollen weiter voran. Und was vorwärts funktioniert, funktioniert auch nach oben oder unten – ist so“, schlug ich vor.


    „Welche Möglichkeit sich uns bietet musst Du dann vor Ort entscheiden Jozo, wenn Du Dich damit auskennst. Was ist leichter zu erreichen? Selbstzerstörung oder Marke Eigenbau?“, hakte Jesh nach.


    „Mit Zerstörung? Klar kenne ich mich mit Zerstörung aus! Was eine Frage. Die Selbstzerstörung ist stets hoch gesichert, sonst könnte da ja jeder drauf rumdrücken. Sie ist in einem Sicherheitskomplex. Geschützt von Schleusen, und vermutlich Zylindersystemen. Liegt die Entscheidung der Vernichtung bei mir Boss?“, fragte ich gut gelaunt nach.


    „Ja“, bestätigte Jesh sofort.


    „Marke Eigenbau. Erstens leichter umzusetzen. Zweitens können wir unterwegs zeitgleich nach Gefangenen suchen. Drittens können wir jederzeit von der Zerstörung immer noch absehen.


    Die Selbstzerstörung läuft wenn sie läuft. Die wieder zu deaktivieren ist meist umständlich, oder wenn wir Pech haben unmöglich. Wir wissen nicht ob die Anlage Seuchenalarm hat. Hieße, einmal ausgelöst ist es unwiederbringlich verloren. Und bei dem was hier rumläuft, lebende Tote, da kann man eins und eins zusammenzählen.


    Das wird nicht nur Seuchenalarm haben, sondern sektionsweise ausgebrannt werden. Wenn nicht sogar alle Schotten geschlossen werden und die Ausbrennung nach Ablauf einer Karenzzeit synchron stattfindet. Das wäre sehr ungünstig“, klärte ich meine Gruppe auf.


    „Gut durchdacht Jozo, Danke. Also vernichten wir die Anlage über unseren Sprengstoff. Seht zu, dass wir unterwegs einen der Wächter erwischen, vielleicht ganz nützlich.
    Ansonsten haltet die Augen nach einer Infostation offen. Jozo Du bleibst direkt an meiner Seite, denn egal was ich sage Du machst das ja eh… wir bilden die Vorhut. Minkir in die Mitte, Sagar und Vicarri Ihr bildet die Nachhut.


    Jeder kennt seinen Posten, jeder kennt seine Aufgabe. Auf geht’s. Denkt daran, immer zusammenbleiben, keine Alleingänge es sei denn es wird angeordnet. Keiner verlässt die Gruppe“, befahl Jesh und übernahm sofort wieder die Führung. Ich schloss mich ihr an und gesellte mich an ihre Seite, während die anderen ihre zugewiesenen Plätze einnahmen.


    ****


    Jesh rückte mit mir weiter vor, die Gruppe folgte in einem kleinen Abstand. Sichernd schaute sich Jesh um. Es gab keine Ecken oder Winkel, wo sich etwas hätte verstecken können. Am anderen Ende des Raumes sahen wir einen Aufzug. Wohin dieser führte war Jesh natürlich wie jedem anderen Gruppenmitglied unbekannt, allerdings war es auch im Moment unwichtig, denn eine große Gestalt bewachte den Lift. Gemächlich blickte sich der Hüne um. Und dann sah er genau in Jeshs Augen.


    "Das Vieh hat Dich entdeckt Jesh", flüsterte ich noch warnend und im selben Moment rannte Jesh mit der Waffe im Anschlag los.


    „JESH NICHT!!!!“, brüllten Vic und ich synchron, aber es war zu spät. Packen und zurückreißen konnten wir die Goblin nicht, dafür war sie schon zu weit weg. Ich sah schon mein Armband in den Aufzugschacht stürzen. Das durfte nicht geschehen.


    Sofort heftete sich der Ork an Jeshs Fersen.


    „Was ist das für ein Biest?“, fragte Minkir verunsichert.
    „Was es ist? Tot“, brüllte ich zurück und nahm die Verfolgung auf, wurde aber sofort von Vicarri gegrabscht und zurückgerissen.
    „Ich glaube Du spinnst!“, fauchte Vic stocksauer.


    „Du bleibst hier Jozo!“, donnerte mich Sagar an, „das Ding ist ein Ork!“
    „Lass mich los, das Stück Scheiße ist Jesh auf den Fersen!“, brüllte ich Vicarri an.


    „Ich hol sie da raus“, fauchte Vic.
    „Das ist nicht Dein Ernst“, keuchte Minkir.


    „Schnauze jetzt alle, verdammte Scheiße hier!“, donnerte Sagar und konzentrierte sich auf den Kampf. Er wollte eine Gelegenheit abwarten Jesh zu packen ohne sie dabei in Gefahr zu bringen.


    Der Ork hatte Jesh fast eingeholt.


    Der Arm mit den messerscharfen Krallen schoss vor, um Jesh den Bauch aufzuschlitzen, aber Jesh konnte im letzten Moment mit einem Sprung ausweichen. Die Goblin landete auf dem ins Leere schlagende Arm des Orks, sprang dort erneut ab, umklammerte den Hals des Giganten und drehte sich unter Ausnutzung ihres eigenen Schwungs in den Rücken des Kolosses.


    Jetzt hing Jesh dem Ork wie ein kleines Kind huckepack auf dem Rücken.


    „Verdammtes Biest!“, brüllte Jesh auf ihn ein.


    Jesh ließ nicht locker, und schlug dem Ork eine Handkante in den Nacken. Der Ork stolperte nach vorne und schlug der Länge nach hin. Aber das war auch schon alles, zeitgleich hob er zu einem ohrenbetäubenden Brüllen an.


    Geschickter als man es dem Wesen zugetraut hätte, wand er sich zur Seite, schnappte nach Jesh und bekam die Goblin am Fußgelenk zu fassen. Ein kurzer, heftiger Ruck und er hatte sie von seinem Rücken gepflückt.


    Obwohl der Ork Jesh mit dem Kopf nach unten in der Luft baumeln ließ, gelang es Jesh dank ihres knallharten Trainings ihren Oberkörper anzuheben und nach dem Kopf des Monsters zu schlagen. Der Ork hielt Jesh weiterhin felsenfest am Fußgelenk gepackt und begann sie herumzuwirbeln.


    „Wäre die Situation nicht so scheiße, würde ich sagen das sieht nach Spaß aus“, rief Vicarri, was mich vor Lachen loswiehern ließ.
    „Ich lach später“, kreischte Jesh.


    Zig mal kreiste Jesh wie der Hammer eines Hammerwerfers durch die Luft. Das Blut sammelte sich in ihrem Kopf. Jesh hatte bestimmt das Gefühl, dass ihr jeden Moment der Schädel platzen würde. Dann löste sich der Griff um ihr Fußgelenk.


    Jesh flog, aber noch bevor sie gegen die nächste Mauer prallte, sprang Sagar los, in ihren Flug hinein und fing Jesh ab. Mit einem Satz machten beide sich schnell aus dem Staub und landeten im nächsten Moment in geduckter Haltung neben mir und Vicarri. Und schon stürmte der Ork auf uns alle zu.


    „HINTER UNS!“, brüllte Vic die Gruppe an, während ich mich von ihm befreite und Stellung bezog.


    „Glaubt das Vieh dass wir uns von ihm umbringen lassen?“, knurrte ich und fixierte den angreifenden Riesen.


    Mit meinen von Adrenalin und Drogenpflastern aufgepeitschten Sinnen, zeichnete sich jedes Detail des Ork für mich in absoluter Deutlichkeit ab. Das weit geöffnete, von schaumigem Speichel triefende Maul, die wütenden, aufgerissenen Augen, die messerscharfen Krallen, die am Ende dieser monströsen Arme mit Wucht durch die Luft schlitzten. Ich sah alles klar und deutlich.


    Ich zuckte blitzartig zurück, die Klauen des Ork verfehlten mich um Haaresbreite. Aber Vicarri schlug blitzartig mit einem seiner Messer zu. Er durchbohrte die Hand und schnitt dem Vieh einen Finger ab.


    „Du bist auch nur Gammelfleisch wie die Untoten, und jetzt machen wir Dich fertig Du Stück Dreck!“, fauchte Vic drohend.


    Der Ork verstand zwar die Worte nicht, aber die Drohung sehr wohl. Vic hatte ihn verletzt. Erneut griff er an, diesmal richtete sich seine Wut komplett gegen Vicarri.
    Scheiße! Ihn würde ich mir auf keinen Fall wegnehmen lassen! Ich schlüpfte in dem Moment unter dem ausgestreckten Arm des Ork durch und stellte mich direkt vor ihm auf.


    Im selben Augenblick presste ich die Armbrust gegen den Unterleib des Monsters und drückte ab. Die Rüstung des Orks hatte noch nicht einmal eine Delle, sie war bestenfalls ein wenig lädiert.


    „Schade“, knurrte ich enttäuscht.
    „Weg da verdammt!“, brüllte Vicarri noch, dann traf mich schon die eisenharte Faust der Kreatur an der Schläfe. Ich hatte das Gefühl, dass etwas in meinem Kopf explodierte und krachte zu Boden.


    Der Ork gab mir einen Tritt in die Seite und schleuderte mich gegen die nächste Mauer, wo ich erneut zu Boden klatschte. Das Biest kannte keine Gnade. Seine mit scharfen Klauen bewehrten Arme schwingend, rannte er schon auf mich zu, um mir den Todesstoß zu versetzen oder mich zu zerfetzen, als ein Hagelsturm von Armbrustbolzen auf ihn einprasselte. Die Bestie kam ins Straucheln, während ich mich langsam aufrappelte.


    „Hoch mit Deinem Arsch, verdammt!“, brüllte Vicarri ohrenbetäubend und feuerte gemeinsam mit Jesh und Minkir weiter auf den Feind. Die drei hatten ihre Armbrüste im Anschlag und feuerten was die Waffen hergaben.


    Der Ork fauchte und heulte auf und drehte sich zwischen mir, Vic und den anderen hin und her. Offenbar versuchte die Kreatur einzuschätzen, welche Seite die geringste Bedrohung darstellte, eindeutig ich.


    „HOCH!“, brüllte mich Jesh an.


    Schwankend und benommen kam ich auf die Beine und versuchte zur Gruppe zu gelangen. Der Ork entschied sich für denselben Weg, vollführte eine halbe Drehung und stürzte auf die Gruppe zu.


    Sofort wurde er wieder unter Feuer genommen. Er hatte fast die Gruppe erreicht, als sich mit einem Knall ein Fangseil mit Enterhaken um seine Stirn wickelte und ihn zurückriss. Die Wirkung war eine andere als beabsichtigt. Der Ork wurde zwar in seinem Angriff gestoppt, rotierte aber nun wie ein Kreisel.


    Er sah fast wie ein überdimensionaler Ballett-Tänzer aus, der eine Pirouette vorführte und zwar so schnell als hätte er vor sich in den Boden zu schrauben.


    „Jetzt! Hierher!“, schrie Jesh zu mir rüber und ich sprintete an ihre Seite.


    Der Ork kam zum Stehen und schwankte wie ich einige Sekunden noch vor ihm. Einen Herzschlag später wurde das Seil eingeholt und erneut abgeschossen. Mit lautem Knall schoss der Enterhaken geradewegs auf die Stirn des Orks zu. Zum Ausweichen blieb dem Brocken keine Zeit mehr. Der Riese hob beide Arme um sich irgendwie noch zu schützen, vergeblich.


    Der Haken traf Millisekunden später seine Stirn wie eine Harpune, und der Kopf des Orks wurde durch die kinetische Energie regelrecht in Stücke gerissen. Schlagartig war alles still, bis auf mein Kichern. Das Bild von dem harpunierten Schädel war einfach zu köstlich.


    Jesh starrte mich tadelnd an. Die Goblin war hundemüde und sie hatte durch den Kraftverbrauch gewaltigen Hunger, dass sah ich ihr an. Sie schaute zu mir rüber und die Gruppe versammelte sich um uns. Wir hockten uns zur Rast hin, dabei hielt jeder seine Waffe schussbereit im Anschlag.


    Ich hockte mich vor Jesh und untersuchte sie behutsam.


    „Du hast richtig eine mitbekommen“, flüstere ich und linste kurz nach meinem Armband. Es war alles in Ordnung mit ihm.
    „Nicht weniger als Du, Du sturer Holzkopf“, flüstere sie zurück.


    Dabei bohrten sich ihre hellblauen Augen in meine. Jesh umarmte mich und legte dabei ihren Kopf auf meine Schulter ab. Dann übermannte sie doch die Erschöpfung und sie fiel in einen kurzen Schlaf. Ich legte sie vorsichtig ab, bettete ihren Schädel auf meinen Oberschenkel und gönnte ihr die Pause.


    „Dafür dass ihr nicht zusammen seid, bist Du aber ganz schön fürsorglich“, flüsterte Vic mir missmutig zu. Ich schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln und ein Zwinkern, blieb ihm die Antwort aber einfach schuldig.


    ****


    Wir kamen an eine Treppe, die in einen seltsam verzierten Vorraum führte. Der Raum wurde von Säulen getragen und der weitere Bereich wurde von zwei Kamelen flankiert. Kamele. Muss man sich mal vorstellen.


    „Bei allem was heilig ist, sie züchten hier Kamele!“, rief Sagar mit Grabesstimme, so dass wir alle losprusten mussten.


    „Es stimmt schon was man sagt, das Grauen hat viele Gesichter“, lachte Vicarri.
    „Ja und eines davon gehört Dir“, stichelte ich, was ihn nach mir treten ließ.
    Ich kickte ihn zurück und wir kabbelten uns aus Spaß.


    „HEY! Ich habe Euch vorhin was dazu gesagt ja?“, knurrte Jesh.
    „Sag ihm das!“, fauchte Vicarri und knuffte mich dann gut gelaunt.
    „Oh bitte… als ob ich schuld wäre…“, warf ich gedehnt ein, legte einen Arm um Vici und verdrehte ihm zärtlich ein Ohr.


    „Jetzt wissen wir, warum sie Kamele züchten. Die machen sowas nicht“, lachte Minkir und Sagar prustete mit ihm los.


    „Schluss jetzt Ihr zwei! Wir trennen uns hier. Wir sind tief genug in dem Labor, jeder kennt seine Position und Aufgabe. Auf geht’s – viel Glück. Jozo mir nach“, sagte Jesh, nickte jedem einzelnen zu, ehe sie aufbrach. Ich heftete mich an ihre Fersen.


    Wir hatten dennoch eine ganze Weile zu laufen. Mit der Waffe im Anschlag betrat ich den tiefsten Bereich des Komplexes. Der Raum hatte die Ausmaße einer unserer Trainingshallen. In einer Ecke stand eines der Schreibpulte und Jesh machte sich daran zu schaffen.


    „Was sagst Du dazu?“, fragte Jesh.
    „Wozu?“, fragte ich nach.


    „Jozo… oder wie immer Du auch heißt, Dir kann man an den Kopf werfen was man will, Du veränderst Dich nie. Aber andererseits…“, sagte die Goblin und kam ganz langsam auf mich zu, blieb aber im ausreichenden Kampfabstand stehen, „…andererseits liebe ich Deine große Fresse, Deine Prahlerei und Deine Sprücheklopferei. Schließlich warst Du mein Gefährte Kurzer“.


    „War?“, hakte ich nach.


    „Sag Du es mir. Vielleicht wäre es eine gute Idee die Sache zu überprüfen“, sagte Jesh zuckersüß.
    „Du spuckst wie immer ziemlich große Töne Jesh. Weißt Du, wenn Du in meinen Augen jemand wärst, der es verdient hätte, dass man ihm Treue schwört, ich wäre sogar freiwillig Dein Kerl. Aber bedauerlicherweise bist Du nur ein dummes Stück Scheiße. Jedenfalls verhältst Du Dich gerade so“, sagte ich gelassen.


    „Du kleine Ratte! Vicarri, ist es - nicht wahr? Was weißt Du schon von Treue? Was läuft zwischen Dir und Vicarri? Bekommt man für Treue jedes Mal auf die Fresse? Ich war Dir treu, Du warst mein Gefährte und jetzt das?“, brüllte die Goblin mich an.


    „Eifersüchtig auf Vici?“, fragte ich zuckersüß zurück.
    "Was hat er was ich nicht habe?", zischte sie mich an.
    "Was hat ER... was ich nicht habe? Du gibst Dir selbst die Antwort", sagte ich gelassen.
    „Was? Was meinst Du damit?“, knurrte sie verdutzt.


    Ich schwieg, rollte genervt die Augen und griff mir in den Schritt. Danach musterte ich sie nur stumm. Soviel Dummheit auf einem Haufen, dass konnte nicht wahr sein.


    „Scheiße…“, fauchte die Goblin und strich sich übers Gesicht. Es dauerte ein paar Sekunden ehe sie mich anstarrte.


    „Ich kann es so oft sagen wie ich will, aber Du siehst uns nur als Kumpel mit Bonus oder? Je öfter ich sage, dass ich Dich liebe, je öfter gehst Du zu Vici und lässt Dich von ihm flachlegen. Mit Vicarri treibst Du es schon die ganze Zeit! Ist es nicht so? Ist er Dein Typ?", beschuldigte sie mich.


    Meine Antwort war nur ein megabreites Grinsen.


    Und ob der Kerl mein Typ war. Vici war einfach zum niederknien. Ein brutales Schwein, der jeden Spaß im Bett mitmachte mit einer göttlichen Ausstattung. Erste Sahne. Aber was ging das Jesh an?


    "Früher oder später wirst Du mich dafür hassen, weil ich das Gegenteil für Dich empfinde. Auch das weiß ich. Aber eines weiß ich nicht, was Du suchst. Wen oder was suchst Du eigentlich? Eine vollkommene Frau? Ich bin wohl die unvollkommenste Goblin die ich kenne.


    Ich bin sogar ein ziemlich eigensüchtiges Miststück. Ich kann nicht leugnen, dass es mir gefällt, dass Du bei mir bist. Ich dachte Dir geht es genauso“, sagte sie, trat ganz nah an mich heran und fuhr mit den Fingern über das Muster auf meinen Wangen.


    Ich schmiegte mein Gesicht in ihre Hand.


    „Ja, Du bist so eigensüchtig, dass Du nur für mich am zweiten Abend bei Dir Kaffee und frische Zimtbrötchen aufgetrieben hast“, flüsterte ich.
    „Daran erinnerst Du Dich noch?“, fragte sie erfreut.
    „Manche Dinge vergisst man nie“, antwortete ich.


    „Warum machst Du dann sowas? Hör auf mit der Scheiße und bleib einfach, in Ordnung? Mehr will ich gar nicht. Du bekommst alles von mir was Du willst. Was immer Du brauchst, wenn es in Ordnung für Dich ist, dass ich Dich brauche“, flüsterte sie mir ins Ohr.


    `Na bitte, es geht doch. Warum nicht gleich so? ´, dachte ich mir vergnügt.


    Sofort einknicken durfte ich nicht, sie musste sich an mich klammern, sonst war sie zu nichts zu gebrauchen.


    Ich heuchelte Unentschlossenheit an meinem neuen Spielzeug und machte einen Schritt zurück, ganz so als würde ich mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen.


    Die Goblin packte mich felsenfest am Oberarm und hielt mich eine Weile fest, während ich spürte wie ihre Muskeln zuckten. Sie kämpfte regelrecht um Selbstbeherrschung mit Tränen in den Augen.


    Jesh blinzelte einige Male wütend und schaute mich aus schmalen Augen an, dann ließ sie mich widerstrebend los.


    Sie musterte mich kurz, ging langsam ein Stück rückwärts aber bewegte sich im Halbkreis damit auf mich zu. Ihr Verhalten war schlagartig nicht einschätzbar, was mich verunsicherte.


    „ICH habe damals alles verloren, wofür ich einstand, als ich der Gilde die Treue schwor! Was hatte ich noch? Ich war deren Marionette! Nichts weiter als ein Müllmann der goblinischen, menschlichen und anderen unliebsamen Dreck zu beseitigen hatte, aber geschickt hat mich der größte Abfall!


    Aber dann, dann kam mir die Idee, ich gründete die Orga – dann fand ich Dich… das gab mir Hoffnung. Nun die Hoffnung stirbt zuletzt“, erzählte die Goblin eisig und ich unterbrach sie direkt.


    „Die Hoffnung stirbt zuletzt… welch ein Hohn. Soll ich Dir sagen wer als erstes den Arsch zugemacht hat? Die Hoffnung. Es gibt keine. Alles passiert wie es passieren soll. Hoffnung… träum weiter“, warf ich ihr an den Kopf.


    „Im Grunde bist Du ein nutzloses Miststück… Wenn ich Dich nicht so… Scheißegal! Sag was Du wirklich für mich empfindest Jozo!", knurrte sie.


    Ich machte weder Anstalten zu antworten, noch auszuweichen, sondern starrte sie weiter in aller Seelenruhe an.


    „ANTWORTE!“, keifte sie mich an.


    Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und musterte sie. Also eine Drohung muss schon drohend und logisch sein. Dass sie mich nicht töten würde war mir klar – für mich jedenfalls. Wenn ich von jemand eine Antwort will, nützt es recht wenig, wenn ich die Person vorher umniete.


    „Du bist verrückt. Du laberst Stuss“, antwortete ich ihr.
    „Nicht ich bin verrückt, die Welt ist verrückt“, schnauzte die Goblin.


    Jesh holte ein seltsam geformtes Messer hervor. Der Griff saß mittig zwischen zwei sich gegenüberliegenden Klingen. Das Messer maß von einer zur anderen Klingenspitze gut fünfzig Zentimeter.


    „Du weißt doch Kurzer, dass ich antike Waffen sammele. Doch irgendwann wurde mir das zu wenig, drum begann ich selber welche zu entwerfen und zu bauen. Und dieses Messer ist nach einer uralten Kreisklinge entworfen. Ich beauftragte einen Zwergenschmied, der auf das Schmieden antiker Waffen spezialisiert war.


    Übrigens weißt Du woraus die Klinge gefertigt ist Liebling?“, fragte sie freundlich und hielt mir die Waffe hin.


    „Na mein kleiner Schlaumeier was sagst Du? Du weißt es nicht, nicht wahr? Na dann hör mir zu. Du hast vielleicht von den Steinen gehört die vom Himmel fallen. Manche haben Metall in sich. Und so einen Himmelsstein habe ich gefunden. Was immer es war. Man nennt sie Meteore und ich fand einen kleinen verdichteten Metallklumpen.


    Daraus ist dieses Messer Kurzer. Es ist federleicht, rostet nicht, korrodiert nicht und ist härter als jeder Stahl. Zudem kann es zu einer unglaublichen Härte geschliffen werden. Diese Klinge ist schon einige Jahre alt aber es hat nie eine einzige Scharte gezogen.


    Ein absolutes Traummaterial. Aber das ist mir eigentlich auch egal…“, sagte Jesh beiläufig und mit einer raschen, geschmeidigen Bewegung warf sie das Messer.


    Man sollte doch nicht alles versuchen mit Logik zu lösen schoss es mir durch den Kopf, während das Messer auf mich zuschoss mit rotierenden Klingen wie die uralten Dagger. Ich schaffte es mit einer schnellen Drehung des Oberkörpers gerade noch der Waffe auszuweichen.


    Wie ein rotierender Diskus flog das Messer haarscharf an mir vorbei, um in meinem Rücken eine Holzsäule wie weiche Butter zu zerschneiden. Dann änderte das Messer seine Flugrichtung und kam wie ein Bumerang zurück.


    Jesh holte ein zweites Messer hervor, warf es und lief los. Dann griff sie das erste Messer das zu ihr zurückgeflogen war, aus der Luft und warf es sofort wieder in meine Richtung. Die Messer die mühelos Tragebalken aus Holz zerteilten, hielten in kurzem Abstand auf mich zu. Tische, Wände und Holzsäulen zerschnitten sie mühelos.


    „Scharfe Sache was Liebling, findest Du nicht auch?“, lachte mich Jesh an.


    Angesicht dieser umherfliegenden Messer konnte ich nur so gut es ging ausweichen und versuchte sie ebenfalls aus der Luft zu pflücken, bekam sie aber nicht zu fassen.


    „Na na nicht fremder Leute Waffen mopsen, sowas gehört sich nicht. Ich muss Dich wohl noch erziehen. Du möchtest eins? Dann frag mich doch Mäuschen. Also schön was sagst Du dazu?“, fragte Jesh und zog ein drittes dieser Messer.


    In dem Moment dachte ich, ich wäre in einem Albtraum.


    Was folgte grenzte für mich an ein Wunder, denn ich überlebte es – mehr noch ich zog Jesh einen Schmiss, aber vorher hatte ich die Hops-Spring-Einlage meines Lebens zu liefern.


    Jesh warf die Messer so gekonnt, dass sie wie ein Lebewesen flogen. Die Messer beschrieben eine komplizierte Flugbahn und kehrten wieder zu ihr zurück. Zwei von ihnen wirbelten ständig durch die Luft und machten Jagd auf mich. Meine Tätigkeit beschränkte sich fast eine halbe Stunde nur darauf, durch Sprünge und andere Ausweichmanöver am Leben zu bleiben.


    Nach einer Weile kam mir eines der Messer so nahe, dass ich im Ausweichsprung dachte es würde mir die Kehle aufschlitzen, doch ich konnte mich mit einem Kick hoch an die Mauer und Seitwärtssalto so gerade noch in Sicherheit bringen.


    In dem Moment kam meine Chance. Unmittelbar unter meiner Rübe zischte es vorbei und ich griff zu. Schnappte mir das Messer aus der Luft und warf es zu Jesh zurück.


    Mein Wurf war nicht gerade glorreich mit der mir völlig fremden Waffe. Das Messer schrammte kratzend an Wände entlang, zerteilte zig Metallrohre und hielt auf Jesh zu. Baff starrte die Goblin noch einige Sekunden auf die eigene auf sie zuhaltende Klinge und wich in aller letzter Sekunde mit Mühe und Not aus. Zu spät – so ein Pech aber auch!


    Die Klinge hatte ihr das Gesicht aufgeschlitzt. Mit zitternden Fingern tastete sie sich ab, starrte mich an und grinste.


    Jesh schob ihre Zunge durch das klaffende Loch in ihrer Wange nach draußen und grinste noch breiter. Wie eine Schlange zog sie ihre Zunge zurück und zwinkerte mir zu, ich versuchte weiter Abstand zu ihr zu gewinnen.


    „Du machst mich glücklich Jozo. Schau mal einer an was Du so drauf hast, wenn Du musst. Wer bist Du wirklich hm? Wie heißt Du Wanze die mich hier angreift mit richtigem Namen?


    Andererseits für Spielereien dieser Art fehlt mir eindeutig die Zeit und es ist nicht der Zeitpunkt sich Sorgen um solche Banalitäten zu machen. Bringen wir es zu Ende, auf die eine oder andere Weise. Wähle“, sagte Jesh und dabei legte sie die drei Messer behutsam auf dem Boden ab.


    Die Goblin setzte sich dahinter, streckte beide Arme vor und verschränkte ihre Finger wie in einer Meditationsgeste und wartete ab. Aber nur weil sie saß, war sie nicht ungefährlich, ich selbst kann binnen eines Sekundenbruchteils aufspringen.


    Langsam, extrem langsam ging ich auf die Goblinfrau zu, während sie mich aus schmalen Augen beobachtete. Direkt vor ihr ging ich in die Hocke und packte sie am Kiefer.


    „Wir sollten die Blutung stillen. Es wäre allerdings besser ich würde es nähen und danach verwenden wir das Erste-Hilfe-Set. Hast Du eins dabei?“, fragte ich Jesh und starrte ihr in die Augen.


    „Seltsame Wahl“, sagte sie mit einem Grinsen, was sie mehr bluten ließ, dabei reichte sie mir ihr Notfallset.


    „Ich wähle keines der Messer, ich wähle Dich Jesh und Frieden mit Dir. Ich will so schnell wie möglich nach Hause und dort in die Wanne. Und danach würde ich gerne einfach mal ausschlafen in unserem Bett. Möglich oder nicht?“, sagte ich während ich das Notfallset öffnete, Nadel und Faden vorbereitete und anfing ihre Wange zu nähen. Dabei verzog ich kein Miene, es musste echt wirken.


    „Möglich Jozo. Wenn es vorbei ist, werde ich auf die Wiese meiner Kindheit zurückkehren“, flüsterte sie und hielt sich vorsichtig an mir fest.


    „Ein Sinnbild oder willst Du nach einem Kindheitsschatz graben oder was?“, fragte ich beim nähen.
    „Ich hatte mal einen, aber ich weiß nicht mehr wo das war, also wo er liegt. Ich vergrabe einfach einen neuen Schatz“, sagte sie strich mir über den Arm.


    „Und was sollte das für ein Schatz sein?“, hakte ich nach während ich die frische Naht desinfizierte und mit Alkohol abtupfte.
    „Streng geheim“, kicherte sie und zuckte mit den Ohren.


    „Na dann hoffe ich mal, Du willst MICH da nicht vergraben…“, knurrte ich.
    „Dummkopf“, sagte sie und drückte mich auf einmal felsenfest an sich.
    Ich stand auf und zog sie mit hoch. Jesh klaubte die drei Messer vom Boden auf, steckte zwei weg und hielt mir eines davon hin. Mit fragendem Blick nahm ich es entgegen.


    „Für immer“, flüsterte sie mir ins Ohr.
    "Ja für immer Süße, bis das der Tod uns scheidet. Beschworen Schatz", antwortete ich ihr liebevoll.
    Schulter an Schulter verließen wir den Raum.


    ****


    Je tiefer wir in das unterirdische Labor vordrangen, desto offensichtlicher wurde es, welchem Zweck diese Einrichtung diente, es handelte sich um eine Forschungs- und Produktionsstätte für nekromantisches Zeug. Eigentlich hochinteressant, aber da ich nicht über Magie gebiete, konnte ich damit leider nichts anfangen.


    Dennoch rein der Logik halber, Soldaten mit bedingungslosem Gehorsam waren zu jederzeit auf dem Markt gefragt. Und Nekromantie lieferte genau dass, gehorsame Sklaven.


    „Ich bin sicher, dass hier geforscht und entwickelt wird. Aber die Kreaturen die hier rumlaufen, sind alle bekannt. Wir kennen sie, zumindest aus den schwarzen Handbüchern“, erklärte ich ihr und sie schmunzelte mich breit an.


    „Loch in der Deckung Jozo, schwarze HANDBÜCHER? Du hast allerdings Recht damit, worauf willst Du hinaus?“, fragte Jesh.


    „Jesh?“, fragte ich und hielt sie fest.
    „Ja?“, kam die Antwort und sie blieb stehen.


    „Ich vermute, dass hier neuartige Waffen entwickelt wurden, die wir noch nicht zu Gesicht bekamen, oder Kampfstoffe die vielleicht die üblichen „Haus- und Hofwächter“ den Garaus machen“, sagte ich.
    „Das ist nicht auszuschließen Kurzer“, sagte Jesh.


    „Die Arbeit in diesem Labor ist offenbar erst vor kurzem richtig angelaufen. Es würde mich nicht überraschen, wenn man hier an einer großen Entwicklung arbeitet, die Anlage ist riesig. Aber sows baut keiner für alte Hüte die man auf dem Schwarzmarkt bekommt“, sagte ich ihr und wir starrten uns an.


    „Du meinst eine Art Killermaschine… Mir wäre lieber sie würden in diesem Labor neue Schokoladensorten kreieren“, lachte Jesh und es klang zischend durch die Narbe, was mich auflachen ließ.


    „Killer-Untote, Maschinen nicht. Ich glaube die Erbauer sind absolut humorfrei und stehen nicht auf Schokolade. Die Bewachung wird dichter, wir nähern uns dem Ziel. Da drin sind wir aufeinander angewiesen Jesh – ich brauche Dich da drin, ich muss mich auf Dich verlassen können“, sagte ich und ging weiter.


    „Du kannst Dich immer auf mich verlassen Jozo, Du musst keine Angst haben. Das sind wir die ganze Zeit. Weißt Du, ich wusste seit dem Augenblick, dass Du einer von uns bist, als Du auf dem Dach die Untoten mit bloßem Messer umgenietet hast. Also Du warst einer, jetzt bist Du einer meiner Truppe. Ein ganz Besonderer dazu. Wenn Du möchtest, bist Du nach dieser Sache hier mehr. Wenn Du magst, machen wir es offiziell. Mich würde das freuen. Denk einfach drüber nach – bevor ich Dich nachher… frage“, sagte sie freundlich, zupfte an einem meiner Ohren und übernahm wieder die Führung.


    Am Ende des Korridors gelangten wir zu einer äußerst massiv wirkenden Tür, die zu unserer Überraschung nicht abgeschlossen war. Jesh öffnete sie und stand vor einem Wasserbecken.


    Ein riesiger schwarzer Schatten glitt unruhig am Grunde des Beckens hin und her. Dass dieses Wesen zum Atmen in ständiger Bewegung bleiben musste, hatte es wohl mit seinen Ahnen gemein – dem Hai.
    Zur Fütterung und Beobachtung hatte man einen Gang aus Eisenstangen und Drahtgeflecht gebaut, der zur Hälfte unter Wasser lag.
    „Ein Kauderwelsch an Zahlen“, erklärte Jesh die eine Hinweistafel entdeckt hatte.


    „Eigentlich möchte ich da nicht rein“, sagte ich obwohl ich bereits mit einem Bein im Wasser stand.
    „Der Gang gabelt sich da vorne. Gehen wir nach rechts oder links Jozo?“, wollte Jesh wissen.


    „Wir könnten umkehren“, schlug ich vor.


    Ich bin wirklich nicht feige, aber auf einen Wasserkampf wollte ich es nicht ankommen lassen. Im Wasser kann ich weder hören noch riechen und genau die zwei Sinne benötige ich im Kampf. Wasser war noch nie mein Element und ich hatte gewaltiges Arschpumpen vor dem Riesenhai-Shezem. Vermutlich war er auch untot, was die Sache verkomplizieren würde. Ein weiteres Problem, neben dem Wasser.


    „Das ist keine Option – wir gehen rechts“, entschied Jesh.
    "Was fragst Du dann überhaupt?", murrte ich.


    Wir setzten unseren Weg durch das Wasser fort. Ein schwarzer Schatten hielt auf uns zu. Mit den Armbrüsten im Anschlag warteten wir auf den richtigen Moment. Der graue Shezem hob seinen Kopf aus dem Wasser und riss sein Maul weit auf, um nach uns beiden zu schnappen.


    Wir versenken zwei eine Ladung Bolzen in den Rachen des Riesen. Das Vieh schloss sein von Bolzen durchsiebtes Maul und fixierte uns kurz mit seinen dunklen Knopfaugen. Das war kein dummes Tier, das uns da fixierte und das war noch unheimlicher. Ich hielt die Fischwesen immer für genauso intelligent wie ein Backfischbrötchen – von wegen.


    Offenbar zeigten die Salven aber Wirkung, denn der Shezem drehte ab und entfernte sich.


    „Lauf!“, schrie mich in dem Moment Jesh an.
    „Er ist…“, setzte ich an, als Jesh mich grabschte und wie besessen losrannte.
    „…Verstärkung holen geschwommen!“, beendete sie dabei meinen Satz.
    „Na super“, fauchte ich und wir rannten so schnell wir konnten.
    „Bloß nicht hinfallen, dann ist alles aus!“, rief Jesh im Laufen.


    Je länger wir liefen, desto stärker schien der Widerstand des Wassers unser Vorwärtskommen zu behindern. Wir hatten das Gefühl, in einem Albtraum auf der Flucht zu sein.


    Direkt hinter uns spritzte das Wasser auf. Auch ohne mich umzudrehen, wusste ich sofort, dass uns der Hai-Shezem samt Familie auf den Fersen war.


    Ich hatte schon das weit aufgerissene, messerzahngespickte Maul vor Augen. Normalerweise hätte ich Jesh einen Cut mit dem Messer verpasst und sie als Ablenkung ins Wasser gestoßen.


    Aber damit hätte ich das Armband verloren, also rannte ich einfach was meine Beine hergaben. Im letzten Moment erreichten wir den rettenden Rand und die Tür auf der anderen Seite des Beckens.


    Sie krachen hinter uns ins Schloss. Wir waren völlig durchnässt und blieben einen Moment keuchend stehen.


    „Wenigstens haben wir uns das Baden gespart. Nass ist angenehmer, als am ganzen Körper mit stinkenden Fischfetzen vollgeschleimt zu sein. Ich fühle mich, als ob ich von hier direkt zu einer Verabredung gehen könnte“, lachte Jesh.
    „Nicht doch… ich dachte DASS wäre unsere Verabredung“, lachte ich.
    „Oder so, na komm“, forderte sie mich auf und gab wieder die Führung.


    Heiße Luft umströmte uns. Es fühlte sich wie in eine Sauna an, unsere Kleidung war ruck-zuck trocken und wir schwitzten uns einen ab.


    Seltsame, ölig-verschmierte Eisenrohre und Leitungen führten über uns an der Decke entlang. Ein Druckluftsystem, dass unablässig riesige Behälter transportierte. Bei jeder Erschütterung des nun gerade bewegten Behälters, waren wimmernde Geräusche zu hören.


    „Ich frag mich was da transportiert wird“, sagte ich.
    „Schauen wir nach wohin das System führt“, antwortete Jesh.


    Wir folgten dem Verlauf der Behälter, und es dauerte nicht lange, bis wir herausgefunden hatten woher die Hitze stammte. Es war ein gigantischer Ofen. Jedes Mal, wenn einer der Behälter den Ofen erreichte, glitten dessen Türen zur Seite, und mit einem donnernden Grollen schlugen gewaltigen Flammen daraus hervor.


    Der gesamte Behälter fiel in diesen Ofen, und gleich darauf schlossen sich die Türen wieder. Es war zu vermuten, dass die ungeheure Hitze den Behälter sofort schmelzen lassen würde.


    „Sie beseitigen hier irgendwas“, sagte Jesh.
    „Wie eine Müllverbrennungsanlage“, stimmte ich ihm zu.


    Wieder drang das Wimmern aus dem Behälter, irgendwas darin schien heftig zu zappeln.


    „Könnte es sein, dass…“, setzte Jesh an, brachte den Satz aber nicht zu Ende, da der Behälter aus den Verankerungen gesprungen und auf den Boden gekracht war. Durch den Aufprall wurde der Deckel abgesprengt.
    Ein Wesen wurde herausgeschleudert. Was es für eine Kreatur war, konnte man nicht sagen. Sein Rücken war wulstig und angeschwollen, der Körper mit Geschwüren übersät und aus diesem Geschwulsthaufen blickten uns zwei Augen an, die um Gnade zu flehen schienen.


    Es versuchte zu sprechen, sein Mund öffnete sich, gab eine schiefe Zahnreihe preis und es erklang wieder nur dieses Wimmern. Dabei wand sich das Wesen am Boden vor Qualen. Fasziniert schaute ich es mir genauer an.


    Jesh ging ohne zu zögern auf es zu und jagte ihm einen Armbrustbolzen in den Kopf.


    „Das ist wohl hier ihre Art der Qualitätskontrolle. Hier sieben sie die Mängelexemplare aus, solche wie das arme Ding hier - Scheiße“, sagte Jesh und deutete mir an näher zu kommen.


    „Bedenk die Infektionsgefahr die durch solche Wesen ausgeht. Verbrennung ist die sicherste Methode der Beseitigung. Sagte mir mal ein Heiler“, warf ich ein.
    „Spar Dir solche Kommentare Jozo. Klar?“, hakte Jesh nach.
    „Ja klar", gab ich zurück und dachte Du kannst mich mal.


    Gerade als sie weitergehen wollte, schnappte ich Jesh am Arm und hielt sie fest.


    „Bleib! Sieh, da oben“, ich deutete auf eine Stelle an der Wand, nicht weit vom Boden.


    „Ein Loch“, sagte Jesh irritiert.
    „Nein“, sagte ich, zückte eines meiner Kampfmesser und machte einige Schritte rückwärts. Ich zog mich mit Jesh im Schlepptau bis zur nächsten Ecke zurück und ging dort in Deckung.
    „Guck hin“, wies ich Jesh an und warf das Messer von meiner Stellung aus auf das kleine Loch in der Wand, wobei ich darauf achtete, dass wir hinter der Deckung blieben.


    Es gab eine Explosion, und die Wand wurde von kleinen Metallkugeln durchlöchert.
    „Anti-Personen-Sprengfalle, Du kannst auch Splittergranate sagen. Scheint dass sie hier eine Art Sicherheitssystem aufgezogen haben. Vermutlich wollen sie damit verhindern, dass Außenstehende hier rumschnüffeln und wohl zeitgleich sicherstellen, dass auch kein entlaufener Untoter rauskommt“, sagte ich Jesh und sie nickte anerkennend.


    „Es geht darum sich die Wesen vom Leib zu halten?“, fragte sie nach.
    „Ja“, antwortete ich ihr. Langsam gingen wir weiter.


    ****


    Jenseits der Tür warteten zig Untote. Auf das Geräusch der sich öffnenden Tür hin richteten ihre seltsamen Augen auf uns. Der Kampf begann von neuem.


    Sie hatten sich die falsche Beute ausgesucht, den Jesh und ich waren hervorragende Kämpfer. Solange wir keinen Fehler begingen, war es unwahrscheinlich, dass der Feind uns eine schwerwiegende Verletzung zufügen konnte. Wir mähten die Biester um.


    „Weißt Du Jozo, ich war damals sehr dumm“, erzählte mir Jesh nachdem der letzte Untote in dem Raum gefallen war. Wir standen Rücken an Rücken.
    „Wovon sprichst Du?“, fragte ich nach.


    „Hör zu Kurzer. Ich bin wie ein dummer Hund auf einer Wiese unter einem strahlenden blauen Himmel herumgerannt und hab Befehle von Leuten befolgt, die ich niemals hätte befolgen sollen. Das ist eine kleine Ewigkeit her. Aber heute ist es anders. Wir stehen für das ein, was uns wichtig und richtig erscheint“, erklärte sie mir.


    Jesh starrte mir genau in die Augen. Einige Sekunden stand sie so vor mir, wir taten nichts weiter als uns in die Augen zu starren, dann lächelte sie. Mit bleichem Gesicht, aber hoch erhobenen Hauptes ging sie los. Ich hatte den Eindruck, dass sie dies schon ihr ganzes Leben so tat.


    ****


    Wir liefen weiter, das Labor war viel größer als wir vermutet hatten. In diesem Abschnitt gingen wir weiter. Der Raum war das Herzstück des Forschungslabors, der Kommandostand, von dem aus die gesamte Anlage gesteuert und kontrolliert wurde.


    Während Jesh die Tür im Auge behielt und so meinen Rücken sicherte, sammelte ich leise die Unterlagen über die seltsamen Untoten zusammen.


    Die Wissenschaft forschte lange Zeit nach dem Ursprung des Lebens. Die Evolution ist ein weit gefächertes Forschungsgebiet, welches sich mit vergangenen und ausgestorbenen Spezies befasst, die in ihrer Entwicklungsgeschichte den Weg zu den heutigen Spezies beschritten. Da die Natur ohne Gewissen, rein de facto nach Funktionalität handelt, überlebt folglich immer nur die bestangepasste Art...


    so begann die Formel, mit einer förmlichen Einleitung...


    und es folgte ein Kauderwelsch in einer mir unbekannten Sprache. Vermutlich Demonai, was die Magier sabbeln.


    Weiter las ich nicht. Es nützte ja nichts, ich verstand leider nichts davon. Zeitgleich griff ich nach einem roten Hebel, der durch eine Befestigung gesichert war. Goblinarbeit vermutete ich. Ein System von Sprengfallen für den gesamten Komplex – kurzum die Selbstzerstörung.


    Ich löste die Befestigung und legte den Hebel um.


    Die letzten Lichter verloschen im Raum… wie wahr, der Letzte macht das Licht aus. Ich wollte die Unterlagen die zu einem losen Buch gebunden waren gerade einstecken, als Jeshs offene Hand neben meinem Gesicht erschien.


    „Was?“, fragte ich.
    „Die Unterlagen Jozo“, sagte sie.
    Widerstrebend händigte ich sie ihr aus und sie steckte die Formel ein.


    ****


    In dem unterirdischen Labor schrillte eine Sirene und warnte vor der bevorstehenden Zerstörung. Jesh, die die Unterlagen bei sich trug, suchte nach einem Fluchtweg aus dem Labor.


    Über freischwebende Brückengänge rannte sie von einem Teil des Labors zum nächsten. Ich folgte ihr auf dem Fuße und rannte hinter ihr her. Als wir endlich am anderen Ende angekommen waren, packte ich sie an der Schulter und riss die Goblin zu mir herum, dabei richtete ich meine Armbrust auf sie.


    „Was soll das? Lass den Unfug Jozo“, motzte Jesh und schien total verwirrt.
    „Die Unterlagen - sofort“, sagte ich kalt.


    „Wie bitte? Jozo, das darf nicht wahr sein! Was ist los mit Dir?“, ächzte Jesh.
    „Ich sagte die Formel“, knurrte ich.


    Sie zuckte zurück und stutzte, als hätte ich sie geschlagen.


    „Tja Jozo, womit sie Dich immer gelockt haben - ich würde sagen, dann wirst Du mich wohl erschießen müssen“, sagte Jesh und näherte sich mir.
    "Jesh, gib mir sofort die Unterlagen", warnte ich sie.


    Ich war einfach ein grottenschlechter Schütze, was wenn ich versehentlich die Unterlagen traf und mit ihrem Blut vollsaute?


    Gleich darauf musste ich erfahren, was denen blüht, die sich zu viele Gedanken um Blutflecke machten.


    Jesh griff mich an, verpasste mir einen Tritt der mich einige Meter zurückschleuderte. Ich knallte mit dem Rücken gegen das Geländer, verlor das Gleichgewicht und stürzte drüber. Für einige Sekunden konnte ich noch das Geländer grabschen, aber ich hatte zu viel Schwung und stürzte.


    In dem Moment war Jesh schon über mir, hatte zugegriffen und umklammerte felsenfest mein Handgelenk. Sie sicherte sich indem sie die Beine ins Geländer verhakte und streckte mir zusätzlich die andere Hand hin, anstatt mich logischerweise in den Abgrund stürzen zu lassen.


    Stinksauer starrte sie mir in die Augen.


    „Halt jetzt bloß Deine Fresse Jozo! Das klären wir Zuhause, darauf mach Dich gefasst. Ich zieh Dich hoch“, sagte Jesh, aber sie selbst hing schon mit mehr als der Hälfte ihres Körpers auf der anderen Seite des Geländers. Ich schaute kurz nach unten.


    „Es ist vorbei“, sagte ich.


    „Nein verdammte Scheiße! Wag es Dich nicht zu verrecken! Vergessen wem Dein Arsch gehört? Du gehörst mir! Wir gehören zusammen. Jetzt komm schon Du Idiot“, schnauzte Jesh mich an und es gelang ihr ihre freie Hand in meinen Umhang zu verkrallen.


    „Du hast mich missverstanden…“, flüsterte ich.
    „Was?“, knurrte die Goblin.


    Mit meiner freien Hand zog ich die Armbrust und richtete sie auf ihr Gesicht. Auf die kurze Distanz verfehlte nicht einmal ich.


    „ES IST VORBEI… für Dich! Bis das der Tod uns scheidet Jesh“, grinste ich sie breit an.


    Jesh starrte mich fassungslos an und ich riss den Abzug durch.
    Gemeinsam stürzten wir in die Tiefe.


    ****


    Noch im Fallen warf ich ein Minihaken, der sich in das Geländer ein Stockwerk weiter unten verfing. Surrend rollte sich das Seil ab, dessen Ende mit meinem Gürtel verbunden war. Der Ruck, mit dem das Seil meinen Körper auffing, jagte mir einen gewaltigen Schmerz durch den Körper.


    Ich biss die Zähne zusammen und schaukelte wie ein Pendel hin und her, bis ich schließlich auf dem Treppengeländer im Stockwerk darunter landete.


    Einige Schritte von mir entfernt lag Jesh mit gebrochenen Knochen in einer großen Blutlache.


    Kein Zweifel, sie war tot. Sie sah aus wie ein zermatschter Mett-Igel. Keine Goblin konnte mit zerschmetterten Knochen überleben. Ich ging auf sie zu und hielt kurz innen. Für einige Sekunden blieb ich vor der Leiche von Jesh stehen und musterte mein Werk. Ich war stolz auf mich. All die Zeit die ich durchgehalten hatte und nun lag sie hier. Wundervoll.


    Dann schlenderte er zu ihr rüber, machte es mir auf dem Boden im Schneidersitz vor ihr gemütlich.


    Meine Ohren zuckten nach hinten, zeitgleich fasste mir jemand auf die Schulter. Extrem lange Fingerkrallen kratzten zärtlich über meine Schulter.


    "Vici", gurrte ich gut gelaunt.
    "Jo", grinste er auf mich runter und wir küssten uns zur Begrüßung.


    "Minkir und Sagar?", fragte ich.
    "Wie gewünscht - tot. Gute Arbeit mit Jesh. Hast Du die Unterlagen?", hakte er nach.
    Ich kramte die Unterlagen aus Jeshs Kleidung und händigte sie Vicarri aus.


    "Dein Anteil, wie versprochen Vic. Viel Spaß damit", sagte ich freundlich.
    "Beeil Dich Kurzer, los. Ich halt Wache", wies er mich an und steckte die Unterlagen ein.


    Behutsam, ja fast zärtlich, löste ich das Artefakt von Jeshs Arm.


    "Da bist Du ja. Hallo Du hübsches Ding", flüsterte ich dem Armband zu.


    Vorsichtig drehte ich es in meinen Finger und nahm dass in die Hand, wofür ich Jesh so gekonnt verraten und getötet hatte.


    Man hätte diesen Gegenstand für ein Schmuckstück halten können. Für ein extrem verziertes, rundes und Armband, denn so sah es in diesem Moment aus.


    Doch kaum zur Hand genommen entfaltete es seine wahre Macht. Der Raum um mich herum verfinsterte sich und in der Mitte des Armbandes bildete sich ein heller Schein, der immer greller erstrahlte und das Licht um ihn herum zu absorbieren schien. Als das Armband genug Licht verschlungen hatte, zeigte es eine Art schwarzen Nebel in der Mitte.


    Ich verstand die Einladung. Nie hatte ich etwas Schöneres oder Erhabeneres in Händen gehalten als diese Waffe.


    Nun ich stand am Anfang einer Reise, und brauchte man dafür nicht einen Reisegefährten und eine Waffe?


    Wenn man den Ausflug den ich mit Jesh unternommen hatte mitzählte, dann hatte ich meine erste Reise schon hinter mir. Und es war allgemein üblich, sich von Reisen ein Souvenir mitzubringen.


    Ich drückte meine Lippen auf das wundervolle, kalte, schwarze Metall des Armbandes und schob es mir dann über das Handgelenk.

    "Willkommen Liebes", raunte ich ihm zu.


    Es verstand mich, da war ich mir ganz sicher. Würde es mich annehmen, würde jede Schranke für die Kigyo fallen, wie eine alte nutzlose Fußfessel. Nichts anderes war Jesh für dieses Mordinstrument gewesen, ein Klotz am Bein! Sie verdiente die Ehre nicht es zu tragen!


    Gemeinsam würden Kigyo und ich jagen und richten. Wir wären in der Lage ganz neue Hinrichtungsformen auszuprobieren. Ich sah nicht im Geringsten ein, dass es Personen geben sollte, denen ich absolut hilflos gegenüberstehen musste. Mit dem Artefakt wäre das vorbei. Priester hin oder her, ich würde sie töten.


    Ektaseartige Vorfreude breitete sich in mir aus.


    Dann begann es...
    Mit Verzückung starrte ich auf meine sich verfärbende Haut. Mir wurde schlecht, ich fasste mir mit Erstaunen an den Bauch ehe ich zusammenklappte und Blut spuckte.


    "So willst Du es hä...?", zischte ich es aus zusammengebissenen, blutverschmierten Zähnen an.
    "Dann nimm´s Dir Kigyo, so nehme ich mir die anderen auch", gurrte ich dem Artefakt zu.


    Mit jedem rasselndem Atemzug traten blutige Blasen aus meinem Maul, während ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen.


    „Muss aufstehen, muss aufstehen… darf nicht ohnmächtig werden…
    Deine Prüfung ist lächerlich Liebes, Du weißt wir sind vom selben Blut...
    Ich hab Dich gerettet... hab Dich geborgen...
    Nicht meine Schuld, wenn an Dir so ein Stück Dreck hing...“, flüsterte ich dem Armband erklärend zu und erbrach einen weiteren Schwall Blut.


    Mit einer plötzlichen inneren Detonation verkrampfte sich mein Körper. Das Armband zwang mir irgendeine Verwandlung auf. Zwang mir durch die Krämpfe Verrenkungen auf, die für einen goblinischen Körper unerträglich waren. Es waren ungelenke, widernatürliche Bewegungen, es war wundervoll.


    Ich spürte wie etwas in meine Armknochen stach, sich irgendetwas nahm, wie sie wieder heilten…


    Gleichgültig, für diese Waffe hätte ich alles in Kauf genommen nur um mit ihr töten zu dürfen.


    Ich richtete mich halb auf und öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei, als sich das Armband um mein Handgelenk wickelte. Wie ein wuchernder Pilz überzog es für einen Moment meinen Arm und drang mit einem Ende als Verankerung in meinen Körper ein. Stieß bis auf den Knochen hinab, vorbei an meinen Adern und Sehnen ohne sie zu verletzten.


    Ein Stich durchzuckte meinen Arm. Wie ein kleines Messer, das von innen nach außen schoss. Einige Sekunden herrschte Ruhe, dann schlagartig Tausende, Millionen, Milliarden dieser Messerstiche.


    Dann verharrte es, als habe es die Kraft verlassen, die es gar nicht hätte haben dürfen. Es war vorüber. Kigyo hatte mich angenommen. Kigyo auf diesen Namen taufte ich es.


    Schweißgebadet mit dem Armband um mein Handgelenk richtete ich mich auf alle Viere auf. Ich riss mein Maul auf, japste völlig erschöpft und befriedigt nach Luft. Was eine Vereinigung!


    Einen Augenblick lang blieb ich noch geschwächt hocken, dann richtete ich mich langsam und noch etwas unbeholfen auf. Vicarri hakte mich unter und grinste mich an.


    "Du bist so ein Irrer Jo, Du bist wahnsinnig", schnurrte er mir ins Ohr.
    "Danke Baby", keuchte ich erschöpft und küsste ihn zärtlich.


    Gerade als ich mit ihm unseren Erfolg feiern wollte, starrte ich einen winzigen Augenblick auf das Blut am Boden und auf das Blut dass an meinen Fingern klebte.


    "Rotes Blut... roter Hebel... Scheiße – die Selbstzerstörung - lauf!", schrie ich Vic an.


    Wir sprinteten los und rannten was unsere Beine und Lungen hergaben.
    Wir beide schafften es sicher aus der Anlage und aus dem Ort heraus.


    Drei Tage lang feierten wir Zuhause unseren Sieg. Dann gingen Vic und ich getrennter Wege. Er ging nach Obenza und ich zurück zu den Geistern.


    Über welche Macht das Artefakt wirklich verfügte oder was jemand wie ich damit wohl wollte... nun das ist eine ganz andere Geschichte...


    ****

  • Probleme -- 179 n.d.A.



    Ich weiß noch wie ich kämpfte Vici – und ich kämpfte wie besessen. Wie eine Furie, nur männlich – gibt es männliche Furien? Dann bin ich eine. Jedenfalls kämpfte ich um mein Leben. Es war nicht genug. Hör mir zu. Du wolltest es hören, dann hör zu Grüner.


    Meine Gegner waren nicht nur gut, sie waren besser. Ich landete auf dem Boden, sie verabreichten mir etwas. Mir wurde ganz mau und ich flehte Arun um Hilfe an. Betteln wirkt bei ihm immer. Aber diesmal gehorchte er mir nicht mehr. Ich verfluchte den unnützen Sack und wurde ohnmächtig.


    Zusammenfassung dessen was passiert sein muss:


    Ich hab gewaltig auf die Fresse bekommen
    Ich wurde ohnmächtig
    Sie stopften mich in eine Zelle


    Sie nennen mich nicht beim Namen. Sie weigern sich meinen Namen zu sagen. Gut das kann ich auch. Schwester 1 gefragt was im Beutel ist, sie sagt Rahusti, Rahusti ist prima meine Kopfschmerzen sind seit Jahren das erste Mal komplett weg.


    Memo an mich selbst, falls ich je wieder freikomme:


    Mir ist langweilig, aber ich bin am Leben. Irgendwie habe ich noch Nachwirkungen der Betäubung. Sie hassen mich hier, vermute ich jedenfalls. Liege hier in einem speziellen "Zimmer" mit gepanzerter Tür und einer bequemen Pritsche.


    Außerdem ist es ihre Schuld dass ich vom Rahusti total breit bin. Eine Schwester kam rein und hat mich gereinigt. Dabei guckte sie so komisch. Wenn ich störe, sollen sie mich doch einfach gehen lassen.


    Ich: kann ich noch mehr Rahusti bekommen?
    Schwester 1: Nein
    Ich: Hmpf
    Schwester 1: *lacht*


    Ich hasse Schwester 1 so langsam. Endlich ist dieses Miststück aus meinem Zelle und was ist? Mir ist schlagartig langweilig. Wenn mich Leute besuchen kommen, trage ich einen Kittel, damit ich andere nicht verletze.


    Das tut gut zu hören. Sprecht leise ehe er porös wird psssssscht – gebt dem gefährlichen Jozo doch noch was Rahusti!



    Ich glaub es ist ein neuer Tag.


    Eigentlich sehe ich normal aus, bis auf die bleiche Haut und die Pusteln am Körper. Ich glaube werde krank von Rahusti.


    Lalalala ich sollte nach der Schwester rufen. Vielleicht mach ich das auch noch. Mal gucken.


    Sie haben meine Fesseln gelöst und gesagt, wenn ich kooperiere werde ich wieder in meine Familie eingegliedert. Dann folgte irgendeine Erklärung die mich wieder mal langweilte. Keine Ahnung was erzählt wurde. Ich hab einfach genickt, da haben sie meine Fesseln gelöst.


    Ich dachte lass die Ärzte schwafeln und mach einen auf interessiert. Ich wollte fliehen, aber ich konnte nicht mal auf den Flur raus. Ich konnte gar nichts machen. Nicht das ich überhaupt dazu Lust gehabt hätte.


    Hab in die Bettpfanne gekotzt – die ekligste Erfahrung in meinem Leben.
    Schlimmer geht nimmer.


    Schlimmer geht immer, ich hatte mich vorhin oder wann auch immer geirrt.
    Wo steckte ich überhaupt?


    Langsam mache ich mir echt um mich Sorgen.


    Ich hatte Besuch von einer Frau. Ich glaube jedenfalls dass es eine Frau war. Sie war von oben bis unten eingemummt. Vielleicht war es auch ein Mann mit Frauenstimme.


    Sie war eine Rückführerin.


    Also so eine Erzieherin die mir hilft zurück ins Leben zu finden. Also ich hab mich da ja nun nicht rausgerissen! Holt doch bitte Arun dafür ab ja?


    Sie erklärte mir, dass ich sogar zurück zu meiner Familie könne, wenn ich ihr nur alles sagen würde, was mit mir nicht stimmt. Und dann fing sie an alles zu erklären und in meinem Kopf dröhnte es nur noch.


    Ich glaube sie muss sterben.
    Sehr bald schon.


    Ich konnte mich kaum konzentrieren, da sie das Rahusti durch etwas ersetzt hatten was weniger wirkt aber auch weniger juckt.


    Ich war von dem ganzen Medizinzeug total breit. Geil war das. Schon wieder und das ich! Der nicht mal heimlich säuft oder raucht – Moment… ich saufe und rauche doch. Was eine Ironie des Schicksals!


    Die Frau faselte gerade auf mich ein und sagte… „ich will Dir doch nur helfen…“, als ich feststellte dass sich meine Zunge seltsam geschwollen anfühlte.


    Ich streckte sie heraus und untersuchte sie eingehend, was die Frau wohl verunsicherte.


    Meine Zunge ist mir halt wichtig!


    Die Frau hatte eine sirupartig-süße Stimme, die vor lauter falscher Anteilnahme nur so triefte. Am liebsten wäre ich aus dem Bett gesprungen und hätte ihr meine Hand in die Fresse gedroschen, aber ich konnte mich nicht aufraffen.


    „Laber laber laber laber ksss“, antwortete ich.
    Das wollte ich eigentlich nur denken, aber manchmal benutze ich genau die Worte die ich nur denken will und flutsch – draußen sind sie.


    „Wie bitte?“, fragte mich die Frau.
    „Schon gut – ich verzeihe Ihnen“, sagte ich huldvoll.


    Man ich fühlte mich wie besoffen und ich weiß echt wie sich das anfühlt.
    „Was verzeihst Du mir?“, hakte sie nach.


    Eine wirklich gute Frage.


    Ich grübelte ungefähr 10 Minuten darüber nach, schlief kurz ein und grübelte weiter und fand mein Gegrübele urplötzlich zum Schreien komisch und fing an zu lachen. Keine Ahnung, auf welche Droge die mich gesetzt hatten, aber es war eindeutig eine gute.


    Ich versuchte der Frau zu erklären dass ich vollgepumpt mit Medikamenten war und gab ihr ein Zeichen. Als sie bereit war mir zuzuhören, schlief ich ein.


    War wohl nicht wichtig.


    Liste machen damit ich nicht vergesse warum ich die Frau für komisch hielt:


    Es fällt mir schwer eine Frau ernst zu nehmen die einen Kittel trägt
    Wegen der Drogen
    Wegen der Drogen
    In Ordnung komisch ist sie eigentlich nicht
    Wegen der Drogen



    Irgendwann vermutlich einen Tag drauf.


    Ich zwang mich die Augen zu öffnen. Die Frau war wieder da und starrte mich an. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich beim Schlafen beobachtet. Das ist doch eine seltsame, kranke Angewohnheit mich beim Schlafen anzustarren. Mein Schlaf ist etwas ganz Persönliches!


    „Was ist mit Deinem Hals?“, fragte sie.
    „Mein Hals?“, wiederholte ich.


    Ich fühlte besorgt über meinen Hals. Was wollte die dusslige Kuh mir denn nun schon wieder sagen? Hatte ich mir im Schlaf etwa den Hals gebrochen? Ich fühlte genauer. Also mein Hals fühlte sich an wie ein normaler Hals eben.


    „Du hast dort blaue Flecken“, erklärte sie mir langsam.
    „Ich hab blaue Flecken? Wo?“, fragte ich.
    Die Alte kam mir total bescheuert vor.


    „Am Hals! Woher stammen die?“, fragte die seltsame Frau.
    „Vielleicht Knutschflecken“, antwortete ich total durch den Wind, während die Frau mich irritiert anstarrte.


    „Wer hat Dir diese… „Knutschflecken“ verpasst?“, fragte sie nach.
    „Sprechen Sie auch Fremdsprachen?“, fragte ich sie.


    „Was?“, fragte die Frau.
    „Ich wollte es nur wissen“, antwortete ich.
    „Wo die Flecken herstammen!“, erinnerte sie mit einer Stimme, die mir klarmachte, wie sie sonst sein konnte.


    Ein Machtspielchen? Gut das konnte sie haben! Ein bisschen Unruhe in ihren Reihen stiften, würde die Alte auf Trab bringen.


    „Das war der Pfleger der mir die Fresse polierte. Der der mich eingefangen hat – genau der war es“, antwortete ich.


    Die Frau starrte mich mit riesigen Kuhaugen an und blinzelte mehrfach verunsichert.


    Das brachte mich auf einmal wieder zum Lachen.
    Als ich aufhörte rumzugackern motzte die Frau auf mich ein.


    „Laber Laber“, sagte ich, als ich endlich aufhörte zu Lachen und wieder Luft bekam.
    Und dann… tja keine Ahnung, was dann passierte aber ich kippte wohl um.


    Ein gutes hatte es, die Frau war weg als ich zu mir kam.



    Irgendwann nachts – es ist dunkel.


    Ich liege schon seit einer Weile wach und vermisse meine Sammlung. Ich brauche dringend jemanden, der mir sagt das mit mir alles in Ordnung kommen wird. Keine Ahnung wie spät es ist. In diesem schrägen Zimmer komme ich mir vor wie ein Versuchstier.


    Wenn ich wirklich rückgeführt werden soll, warum kommt kein anderer zu mir und gibt mir wenigstens Infos? Das würde mir schon ausreichen fürs erste. Wo bleibt die Rückführerin? Unzuverlässige Schlampe! Wie lange liege ich hier schon?



    Irgendwann.


    Heute fühle ich mich komplett leer. Leer ist ein lustiges Wort wenn man es laut zigmal schnell hintereinander aufsagt. Was auf viele Sachen zutrifft. Heute ist Clawais-Tag. Ich habe einen der Heiler gefragt. Er hat gesagt mir wären ein paar Tage durch die Lappen gegangen, das wäre normal bei meinem Zustand.


    Der lügt doch die Sau! Jedenfalls hat der Heiler gesagt, dass ich nach Hause darf, wenn die Behandlung angeschlagen hat und ich sie dann nicht mehr brauche. Das wird aber noch ein Weilchen dauern.


    Alles nur das nicht! Ich will nicht wieder einer von denen sein. Nachdem der Heiler wieder weg war, musste ich mich ganz schön zusammenreißen, nicht loszuheulen.


    Ich lenkte mich ab, indem ich die Infusionsnadel aus meinem Hals riss. Ich blutete wie Sau, die Schwestern kamen angerannt und brachten alles wieder in Ordnung.


    „Hast Du irgendwelche Fragen an den Heiler? Soll ich ihn zurückholen?“, fragte Schwester 4. Sie wirkte sehr nervös und ich sah ihr an, dass ich ihr leid tat.
    Ich sah Schuldgefühle in ihren Augen - gut so.


    „Wie lange braucht so eine Behandlung?“, fragte ich matt.
    „Das kann man nicht sagen Kleiner“, sagte sie freundlich.
    „Danke“, antwortete ich.



    Später.


    Leute die mich heute besucht haben. Ein anderer Heiler mit seinen Lehrlingen, die mich über ihre Masken hinweg angewidert angestarrt haben, als wäre ich Abfall. Sie wurden von dem Heiler aufgefordert mir Fragen zu stellen, aber ich schaute so grimmig wie ich mich fühlte und keiner wagte auch nur eine Frage zu stellen. Ich war zudem auch nicht gesichert.


    Schwester1 – hat Fieber gemessen und mir Pudding hingestellt. Essen.
    Schwester2 – hat Fieber gemessen und mir Pudding hingestellt. Essen.
    Schwester3 – hat Fieber gemessen und gefragt, ob ich nicht lieber mal Jogurt mit Erdbeeren haben möchte.


    Hat mich gefreut ich sagte ja. Leider kam sie 10 Minuten später wieder und sagte es gäbe heute nur Pudding – schade.


    Was ich heute geleistet habe.
    Drei Schüsseln Pudding gegessen.



    Einige Zeit danach.


    Gefühlte Tage später, hab ich gewaltigen Hunger. Ich esse und schlafe und das im Wechsel. Leider esse ich nur Pudding. Was würde ich jetzt für ein Steak geben, oder für Kartoffelecken. Ich würde morden für Kartoffelecken, oder Kartoffelreissuppe oder generell mal wieder gerne... egal.


    Schlafenszeit. Schwester 3 war da und hat mir eine Brezel mitgebracht. Schwester 3 ist total nützlich, ich werde Schwester 3 nicht angreifen, ich versprech es mir.



    Jetzt bin ich übrigens auf dem Mancharol-Trip.
    Kann mich kaum an Details erinnern. Heute hatte ich einen Untersuchungsmarathon hinter mir. Sie haben mich von oben bis unten untersucht, gemessen, vermessen, zig Dinge abgenommen, mir was gespritzt, gewartet, wieder was abgenommen bis ich total neben der Spur war.


    Eigentlich schmerzarm…, wobei das stimmt nicht. Sie haben mich mit Mancharol so zugedröhnt, dass es mir nur noch egal war.


    Ich hab mich daran erinnert wie ich mal mit Arun einen Ausflug gemacht hab und mir auch ganz schlecht war. Er hat mir damals von einer Rinde etwas zu essen gegeben und ein paar Minuten später war alles wieder gut.


    Hat sich echt gut angefühlt die Erinnerung. Er war damals so hilfsbereit. Wo ist die Zeit nur hin?



    Verrückte Pfleger.


    Zuerst haben sie mir so durch geknallte Fragen gestellt. Wie – haben Sie künstliche Ohren? Es war zum Schießen und ich hab nichts beantworten können, da ich so lachen musste. Scheinbar war ihnen das zu blöde und sie packten mich auf diese Pritsche und schoben mich zurück in die Zelle.


    Also wenn man unter Panik in engen Räumen leidet, sollte man da nicht rein. Ich leide drunter, hab ich festgestellt. Anstatt etwas zu sagen, wie mir vorher gesagt wurde, trat ich um mich. Was meine Ärzte dazu veranlasste mich 4 oder war es sogar 7-mal hinein und wieder hinauszuschieben.


    Das wurde mir irgendwann echt zu blöde und ich hab mich am Rand festgeklammert. Lösen konnte mich da keiner. Dann haben sie mir Mancharol in den Körper gejagt, bis ich so schlaff war wie eine wirbellose Schleimschnecke. Sie karrten mich auf mein Zimmer und ich beschloss mich etwas auszuruhen.



    Segirais-Tag


    Ich hatte den Noldis-Tag komplett verschlafen, so fertig war ich. Als ich aufwachte saß mir eine normale Goblin gegenüber. Sie musste mich ebenfalls im Schlaf beobachtet haben, aber das machte mir nicht annähernd so viel aus, wie bei dieser anderen seltsamen Frau.


    Ihr Blick war kalt, ihre Augen waren tot, ich glaube sie war eine meiner Art. Sie verstand mein Handeln und Denken – auch wenn mein Denken gerade auf Sparflamme agierte.


    „Hallo Jozo oder soll ich Dich Jo nennen? Ich bin Deine Erzieherin, für meine Leute Kiki“, sagte sie freundlich.


    „Jo geht klar“, antwortete ich ihr.


    „Du hast denen hier ganz schön Ärger und Kopfzerbrechen bereitet Jozo. Willst Du Dich jetzt vielleicht duschen? Es ist jetzt gefahrlos möglich“, erklärte sie mir.
    Was für eine Frage.


    Mögen Schweine Schlammbäder?
    Können Singvögel singen?
    Lieben Hunde Knochen?
    Können Fische schwimmen?


    Ich wüsste nicht, was ich lieber täte als duschen...
    doch... weiß ich, aber duschen ist auch super.


    Sie bezog neben der Dusche Stellung, falls ich zusammenklappen sollte. Gut dass kein Heilerteam mit unter die Dusche kommen konnte, war auch klar. Sie allein reichte aus, wenn es mir schlecht gehen sollte. Sie wartete draußen und erzählte einfach vor sich hin. Vielleicht einfach nur so, vielleicht um mir die Scheu vor ihr und der Situation zu nehmen.


    Mir war es gleich, mich interessierte ihr Gelaber nicht. Das war mit Abstand die beste Dusche meines Lebens. Die Tempelseifen sind zwar total merkwürdiger Glibber, aber das war mir egal.


    Ich bin wieder sauber! Ich bin sauber und ich rieche gut. In meinem ganzen Leben hab ich mich noch nie so über saubere Haut gefreut. Gott was roch ich super.


    Leider gab es kein Handtuch, so dass ich mit nassen Pelle rumlaufen musste. Keine Ahnung was die hier annehmen was ich mit einem Handtuch anstelle – die Flucht aus dem Tempel bewerkstelligen, die Weltherrschaft an mich reißen oder so. Oder wen ersticken, strangulieren, oder einfach nur schlagen...


    Wer fürchtet sie auch nicht die Worte „Ich warne Euch - ich habe ein Handtuch!“.


    Es geht mir endlich so viel besser, wo ich mich sauber fühle. Aber Angst habe ich immer noch. Bin total gelähmt vor Angst. Aber sauber, extrem sauber.


    Das ich auf dem Weg zurück in mein Zimmer ohnmächtig geworden bin, lag offenbar daran, dass ich Hunger hatte. Nun ich bin es seit Ewigkeiten gewöhnt ständig Hunger zu haben und ihn zu ignorieren, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass es diesmal viel schlimmer war.


    Das liegt daran dass ich zwei Formen von Hunger habe. Essens-Hunger und Jagd-Hunger. Manchmal ist es auch ein Mix und ich komme ganz durcheinander, was ich tun soll. Meist tue ich dann nichts... außer Jagen.


    Kiki hat mich ins Zimmer geschleppt und sofort die Schwestern gerufen und denen die Hölle heiß gemacht. Sie bezog neben meinem Bett Posten und ich bekam ein verspätetes Vollkostfrühstück serviert. Hört sich gut an, war es aber nicht.


    Vollkostfrühstück heißt:
    Eine Schale mit etwas, das Weizenkleie mit Jogurt sein könnten – oder auch nicht.
    Ein harter Ziegelstein, der Brot sein könnte – oder auch nicht.
    Eine Tasse mit grüner Brühe die Tee sein könnte – oder auch nicht.
    Gesamturteil: WIDERWÄRTIG!


    Ich habe alles aufgegessen und brav jeden Brechreiß unterdrückt, da meine Erzieherin mich mit Argusaugen dabei beobachtete. Ich hätte sie am liebsten angegriffen.


    Es kotzt mich an hier zu sein!
    Ich könnte ausrasten!


    Milindi fehlt mir.
    Arun fehlt mir.
    Kari fehlt mir.
    Mein ganzes Eigentum fehlt mir.
    Milindi hätte sich niemals gewagt, mir so ein Frühstück hinzustellen!


    „Kann ich hier rauchen?“, fragte Kiki und kramte Zigarren raus.
    „Bitte? Das ist ein Krankenzimmer, also nur wenn Du teilst...“, antwortete ich ihr.


    Sie starrte mich kurz an und fing dann lauthals an zu lachen. Sie lachte genauso irre wie ich und in dem Moment vergaß ich ganz, dass ich sie ja hassen wollte. Ich hasse sie gar nicht, ich mag sie. Okay ich hass-mag sie. Sie wird sterben, aber vorher werden wir eine gute Zeit haben und viel miteinander lachen.


    Sie drückte mich einfach und stopfte mir eine Zigarre in den Mund.


    „Du bist bescheuert Jozo“, lachte sie sich schlapp.
    „Danke – für die Fluppe und das Schleppen und die Dusche… und überhaupt“, sagte ich und drückte sie ebenfalls.


    Dachte mir so, sei nett zu ihr. Vielleicht bekomme ich dann nochmal eine Zigarre.



    Neuer Tag - neues Glück


    Seit einigen Stunden stehen zwei bewaffnete Wachen vor meiner Tür. Ich habe nichts gemacht! Wirklich nicht. Naja hier ist so ziemlich alles merkwürdig. Ich weiß nicht was ich falsch gemacht habe, aber ich mache mir noch mehr Sorgen um mich. Vielleicht weil ich geraucht habe? Ich fühle mich total komisch.



    Mittags


    Mein Zimmer sollte gereinigt werden. Habe das sofort ausgenutzt und die Wachen angegriffen. Mich dann schnell in den Personalraum der Schwestern geflüchtet. Wurde wieder eingefangen. Die bewaffneten Wachen starren jetzt immer so argwöhnisch wenn ich nur in die Nähe der Tür komme.


    Ich hab vorhin gefragt warum sie hier sind und er hat nur vage geantwortet, dabei hat er geschwitzt wie ein Affe und mich so komisch angestarrt. Hab mich schlafen gelegt in der Hoffnung dass die Burschen dann weg sind.



    Abends


    Kiki war da als ich aufwachte und hat mein Zimmer für meine Entlassung geschmückt. Also ich finds unsinnig. Sie hat überall so Kerzen aufgestellt und meinte das wäre gemütlich – was Frauen immer an Kerzen so gemütlich finden?


    Meine persönliche Auffassung ist nun, die Frau hat das Feuer entdeckt nicht der Mann. Es diente auch nicht der Nahrungszubereitung, sondern diente nur dazu später Duftkerzen zu erfinden!


    Irgendwann hab ich es aufgegeben ihr zu erklären, dass auch die Flammen von Duftkerzen offene Flammen sind, und hab sie einfach machen lassen. Soll die Scheißbude doch hier abfackeln, mir ist es gleich.


    Sie sagte sie wolle noch etwas Leckeres zu Essen und Trinken holen und wäre bald zurück. Öhm…. Worauf lief das hier hinaus?


    Einerseits hätte ich sie am liebsten rausgeschmissen, andererseits war ich traurig als sie weg war. Ich trank etwas von meinem Tee und wartete auf ihre Rückkehr. Kiki kam und kam nicht.


    Ich hätte sie ja gesucht, aber leider war die Tür zu. Aber in dem Moment kam Kiki.


    „Wo warst Du?“, fragte ich sie.
    "Das habe ich Dir vorhin erklärt", grinste sie mich an.
    „Aha, war ich dabei? Wann darf ich hier raus?“, fragte ich und hockte mich zu ihr. Sie machte mir Platz so dass ich wieder in meinem Bett sitzen konnte und setzte sich nun ihrerseits ganz eng neben mich.


    Wir starrten uns einige Zeit lang an, und dieses gegenseitige Blicke zuwerfen machte mich total nervös. Ich hatte das Gefühl, ich müsste sie jetzt entweder küssen oder angreifen. Irgendwie wollte ich beides zeitgleich.


    „Was ist los? Hey? Du siehst doch wirklich gut aus – nicht so schüchtern“, sagte sie leise und zupfte an meinem Ohr.


    „Keine Ahnung“, antwortete ich sehr unlogisch.
    Am liebsten wäre ich ihr kreischend an die Gurgel gesprungen, aber da krallten sich ihre Finger schon in meine Ohren und sie küsste mich als hätte sie vor mich zu ersticken.


    Ich sträubte mich und wehrte mich nach Leibeskräften, was nicht gerade sehr viel war, was ich im Moment zur Verfügung hatte.


    „WEG! Fass mich nicht an!“, brüllte ich und sie starrte mich total perplex an.
    „In Ordnung“, sagte Kiki und musterte mich verstört.


    Sie redete ganz langsam und bedächtig mit mir, als wäre ich ein Halbinvalide oder geistesgestört.


    Ich war vielleicht angeschlagen, aber trotzdem hätte sie merken müssen dass ich von ihr weg wollte.


    „Wenn Du nachher zum Heiler musst, komme ich besser mit“, riss sie mich aus meinen Gedanken.


    „Nein auf keinen Fall!“, fauchte ich sie an und war mit einem Satz aufgesprungen.
    Wohin ich wollte? Weg. Weg ist keine genaue Ortsangabe. Eher eine Anti-Ortsangabe – ich wusste nur wo ich nicht sein wollte. Ich verdrückte mich in die hinterste Ecke meines Zimmers – und bin eingeschlafen.


    Als ich wieder aufwachte, klebte ein Zettel am Kissen „Schlaf gut“.


    Was sollte das denn?
    Wieso hat sie mich nicht geweckt?


    Wer weiß was die gemacht hat diese Schlampe. Und sobald ich richtig wach und fit bin, wollte ich mich um die Frau kümmern.


    Also ernsthaft.
    So richtig, ich würde die Wände meiner Zelle mit ihr streichen.
    Und um dafür fit zu sein, hab ich mich noch einmal kurz hingelegt.


    Habe bis Dalis-Tag-Abend durchgeschlafen. Als ich aufgewacht bin, ging es mir etwas besser. Körperlich. Seelisch noch lange nicht. Bin immer noch stinksauer auf Kiki. Was denkt die sich eigentlich?


    Ich trottete auf und ab in meinem Zimmer, während die Wachen respektvoll salutierten. Kann auch sein, dass sie nur wieder zusammenzuckten.


    Auf meinem Tisch lag eine Nachricht. Ich hätte meine Erzieherstunde verschlafen. Sie würde mich umbringen, weil ich sie einfach ignoriert hatte. Ich überlegte ernsthaft, ob sie wirklich wütend genug werden würde, um mich zu killen, und entschied dann: Nein.


    Hätte sie ja tun können, wenn sie hier war als ich geratzt habe. Kiki ist nichts weiter als ein Maulheld und Feigling. Und so etwas hielt ich für eine meiner Art.


    Um mich zu beruhigen ging ich ins Badezimmer und hockte mich unter die Dusche. Duschen soll ja die Nerven beruhigen. Hilft vielleicht auch bei Wut, dachte ich mir. Es funktioniert nicht. Ich sagte mir, ich muss einen kühlen Kopf bewahren, sie ist sicher etwas angefressen, dass ich sie abblitzen ließ. Andererseits war sie auch nett zu mir gewesen… ich beschloss mich bei ihr zu entschuldigen. Nur wohnte sie ja nicht im Krankenhaus.


    Dabei stellte ich fest, dass meine Pläne ein wenig sprunghaft sind.


    Ein Zeichen gleich von wem auch immer, konnte ich durch die Tür entschlüpfen, die für einen Moment nur angelehnt war. Ich konnte die beide Wachen ausschalten bis sie „friedlich“ *hüstel* schlummerten. Das wurde langsam eine Marotte von mir. Ich musste selber rausgehen, Kiki suchen und die Sache geradebiegen. Nur wo sollte ich Kiki suchen?


    Verdammte Scheiße.
    Es regnete.
    Windig war es auch.


    Zwei Stunden später stapfte ich im Schlafanzug die Straße entlang runter und hatte nicht die geringste Spur von Kiki gefunden. Mir war schweinekalt und bestimmt war ein Doppelpack aus Lungenentzündung und Keuchhusten in Anmarsch.


    Ich hätte mich vielleicht doch anziehen sollen, aber ich hatte es ja mal wieder zu eilig! Ich sah aus wie ein Gestörter! Das lag an meinen Klamotten, sonst sehe ich super aus.


    Meine Gesamterscheinung bestand aus meinem Schlafanzug und...
    genau das das war es auch schon. Muss ziemlich schräg ausgesehen haben.


    Im Nachhinein kann ich von Glück sagen, dass keiner die Büttel gerufen und gemeldet hat, dass ein Irrer durch die Straßen rennt und auf dem Boden nach Spuren einer Kiki sucht.


    Halbe Stunde – nichts.
    Halbe Stunde und eine Minute – immer noch nichts.
    Also gab ich auf.


    Scheiß auf Kiki, scheiß auf den Tempel - willkommen geliebte Freiheit!


    Ich schlurfte den Bürgersteig entlang und dachte daran wie bescheuert ich mich verhalten hatte und dachte gerade darüber nach, wohin ich mich nun verdrücken sollte, als sich eine Schlinge um meinen Hals legte!


    KIKI!


    Diese verräterische Schlange! Ich versuchte mich zu wehren, aber mein Gezappel machte die Sache nur schlimmer, denn die Schlinge zog sich immer fester zu. Irgendwie bekam ich eine dritte Art von Hunger und zwar auf Kiki.


    Oha. Waren meine Gedanken für die ersten zwei Sekunden, dann wurde ich stinkig. In der Sekunde wo ich sie angreifen wollte, packte mich ein Kerl brutal am Arm, verdrehte ihn mir auf den Rücken und drückte mich auf den Boden.


    Was war ich für ein Idiot. Logisch, sie war nicht alleine, sondern mit diesen Pflegern unterwegs. Verzweifelt brüllte ich auf und trat mit aller Wucht nach meinem Angreifer.


    Dieser nagelte mich am Boden fest, indem er mir das Knie auf die Kehle stemmte. Der Penner war besser als ich vermutet hatte. Er rief nach irgendwem, einer seiner Kollegen kam herbei geeilt und beide starrten mich an. Der Kollege war allerdings eine sie.


    „Der schon wieder. Den bekommst Du so nicht weggeschafft, den musst Du extrem sichern...“, war das letzte was ich hörte, bevor sie mir eine Spritze in den Hals jagten.


    Ich wachte in meiner Zelle auf.
    In dem Moment fing ich wirklich an zu heulen.

  • Der graue Sohn vom gelben Goblin -- Obenza/Kalthorst 202 n.d.A.



    Kalt


    Jozo lag im Bett neben Vicarri und drückte sich an den anderen Goblin. Vic schob ihm eine Hand unter das Hemd und streichelte ihm den Bauch.


    "Ich hätte nie gedacht, dass wir zwei Mal ein festes Paar werden", sagte Vicarri und rutschte näher.
    "Wieso? Wir haben uns von Anfang an verstanden", grinste Jo.
    "Wegen Jesh. Du hast die Alte knallhart abserviert. Wir hatten zwar einen Deal, aber ich ging davon aus, dass Du mich betrügen würdest. Dass Du mir die Formel wirklich gibst, damit hab ich nicht gerechnet. Und als Du es getan hast, dachte ich Du fällst mir in den Rücken, legst mich um oder so", antwortete Vicarri.


    "Quatschkopf. Alles was ich wollte war das Artefakt und etwas Spaß. Du wolltest die Formel und Spaß, also Pakt. Warum sollte ich Dich umlegen Vic? Du, also eigentlich Dein Ding, war da der einzige Lichtblick in diesem Höllenloch - und das meine ich wörtlich. Du hast mir erstklassig die Stunden versüßt", lachte Jozo, was auch Vicarri losgackern ließ.


    "Nun ich dachte Du magst Jesh, aber als ich sie da so zerschmettert liegen sah, war mir anders. Geb ich zu", antwortete Vic und presste Jo an sich.


    "Hach ja, mir auch. Schön dass wir den Augenblick teilen konnten Vic. Viele verstehen das nicht, sie haben kein Gespür für solche Späße. Sie sah aus wie ein zermatschter Mett-Igel nur ohne Zwiebeln. Da gibts ein Wort für - Situationskomik", grinste Jo über beide Ohren und kuschelte sich an Vic.


    Der andere Goblin blinzelte kurz irritiert.


    "Jozo, was ist los? Heute liebesbedürftig?", fragte Vic.
    "Irgendwie schon. Manchmal wenn mir kalt ist, merke ich meine Knochen. Wenns warm ist, ist alles gut. Aber heute ist Arschabfrier-Kalt. Hätte nicht gedacht, dass es so schnell kommt. Echt nicht", erklärte Jo müde.


    "Wir sind nicht mehr die Jüngsten", grinste Vicarri schief.
    "Alt heißt das. Hätte so vieles nicht gedacht. Hätte nie gedacht mal auf der Straße zu leben. Ich hätte einen Job lernen sollen. Das wäre klug gewesen", grübelte Jo.
    Vicarri schob ihm eine Hand in die Hose und kraulte ihn zärtlich.


    "Und warum hast Du keinen Beruf erlernt?", fragte er liebevoll.
    "Sind meine Eltern schuld. Die haben mich betrogen und bestohlen. Haben meine Kindheit gestohlen. Als ich sie mir zurück geholt hab, wars zu spät. Naja fast. In der alten Truppe habe ich die Dinge gelernt die ich brauchte. Lesen und so weiter hat mir Dave beigebracht. Von Gasmi lernte ich kämpfen und alles was man so im Job wissen muss", sagte Jo und genoss die Streicheleinheiten.


    "Wie kann man Zeit stehlen?", fragte Vic baff.
    "Das solltet Du als Dieb wissen. Du wirst eingebunkert. Ganz einfach", antwortete Jozo.


    "Gasmi, der Düsterling. Vermisst Du ihn?", fragte Vic lauernd.
    `Manchmal schon, er war extrem effektiv. Vorauseilender Gehorsam fast in Perfektion... fast, bis auf seine geistigen Aussetzer´, dachte Jozo belustigt.
    "Sollte ich? Ich vermisse das Lernen. Nie Langeweile, immer zu tun. Das war schön, dass war Spaß", grinste Jo bei der Erinnerung.
    "Schön dass Du ihn nicht vermisst. Nun Jozo, wenn das so ist kann ich Dich anlernen. Dann jagst Du auch, aber Du schonst Deine Knochen und verdienst Geld. Bock?", hakte Vic.


    "Was soll ich lernen?", fragte Jo aufgekratzt.
    "Taschendiebstahl", grinste Vicarri.
    "Abgemacht", lachte Jo und rollte sich auf den Bauch, "rauf mit Dir".



    ****



    Erster Kontakt


    Der gelbe Goblin wurde verfolgt. Er bog in eine finstere Seitengasse ab und lauerte seinem Verfolger auf. Als er hörte wie die andere Person die Gasse betrat, verließ er lautlos sein Versteck und zückte ein Messer.


    Jozo stand einem winzigen Tiefling gegenüber. Der Bursche war sogar noch kleiner als er selbst. Aus schmalen Augen musterte er den Kerl.


    "Papa", flüsterte der Tiefling mit rauer Stimme.


    Jo wirbelte in einem Sekundenbruchteil herum, um sich dem vermeintlichen Gegner hinter ihm aufzuschlitzen. Aber da war niemand.


    Extrem langsam drehte er sich wieder zu dem Tiefling um. Fragend zog er eine Augenbraue hoch und die Ohren misstrauisch nach hinten. Ohne jede Regung stand der kleine Kerl da.


    Schaute ihn abwarten, ja erwartungsvoll an. Jozo musterte ihn so gut er konnte, der gelbe Goblin war extrem kurzsichtig. Er machte einige Schritte auf den Tiefling zu und fixierte ihn. Er sah ihm verblüffend ähnlich. Die Gesichtszüge, das Muster. Dachte man sich die Dornen und Hörner weg, stand er selbst dort in Grau.


    Das konnte nicht sein!
    'Geruch', schoss es Jo durch den Kopf.


    Der gelbe Goblin witterte nach dem Tiefling. Der Junge schaute verwirrt, aber das war Jozo gleichgültig. Was er in die Nase bekam, ließ ihn stutzen. Ganz langsam ging Jozo auf den Tiefling zu. Blieb vor ihm stehen und roch an seiner Halsbeuge.


    Der kleine Tiefling hielt still, er spürte instinktiv die drohende Gefahr, in der er schwebte. Eine tödliche Bedrohung lag in der Luft, wie ein herannahendes Gewitter. Was war hier nur los?


    Es war als stand ein völlig fremdartiges Wesen vor ihm. Eine Kreatur mit einer andersgearteten Wahrnehmung, jenseits seiner Vorstellungskraft. Alles was der kleine Tiefling wahrnahm, war für sein Gegenüber bedeutungslos.


    Sollte der Geruch nicht passen, was geschah dann?


    So schnell wie Bane diese Bedrohung, dass Befremdliche wahrgenommen hatte - verschwand es auch. Der Tiefling wusste nicht, ob es nur eine Einbildung gewesen war. Nach all der Zeit wo er sich so nach seinem Vater gesehnt hatte, spielten ihm seine Sinne wohlmöglich einen Streich.


    Jo sah den inneren Kampf des Kleinen und wusste es besser - der Kurze hatte ihn ohne Maske "gespürt".


    "Wie heiße ich? Wie ist mein Name", fragte Jo leise.
    "Du heißt Jozo. Ich weiß nicht, was mit Dir los ist, aber ich bin gekommen um Dich zu suchen Papa. Du hast ein Kind, Samila ist meine Mutter. Ich bin Banekin, Dein Sohn. Erinnerst Du Dich nicht an Mama? Du musst nach Hause kommen, bitte", sagte Banekin.


    Dem kleinen Kerl fiel nicht einmal auf, dass Jo nur nach sich gefragt hatte. Kein Interesse an seinem Gegenüber geäußert hatte.


    Jo erinnerte sich. Samila, eine Tieflingsfrau die er irgendwann leid gewesen war. Was suchten sie ihn? Wenn man nicht wieder aufkreuzte, war doch klar, dass das Interesse erloschen war.


    Jozo Verstand münzte die Situation sofort um.


    "Banekin", sagte er liebevoll, ganz so wie man es erwartete.


    "Ich erinnere mich nicht mehr richtig. Ich wurde schwer verletzt im Beruf, ich bekam ein Armbrustbolzen in den Kopf und überlebte es nur knapp. Danach war alles anders Banekin.


    Sami? Ich wusste nicht, dass sie real war, ich dachte ich hätte sie mir in meinen Fieberträumen nur eingebildet. Aber ich glaube Dir, Du hast meinen Geruch. Woher solltest Du ihn sonst haben? Nach Hause? Ich kann nicht ohne Vicarri mit Dir kommen. Er hat mir damals das Leben gerettet und sich um mich gekümmert, sonst wäre ich verreckt. Er lebt genauso auf der Straße wie ich. Ich kann ihn nicht zurücklassen", flüsterte Jo und strich Bane liebevoll über den Kopf.


    "Die Narbe an Deiner Schläfe?", fragte Bane und strich vorsichtig darüber.
    "Ja. Seit dem kann ich nicht mehr richtig arbeiten, mich nicht mehr konzentrieren. Drum ich lebe auf der Straße. Vic und ich machen das Beste draus", erklärte Jozo.
    "Zuhause wird alles gut, wir nehmen ihn mit", versicherte Banekin.


    "Nach Hause, das wäre echt schön", schmunzelte Jo.


    Und das meinte der gelbe Goblin ehrlich. Gegen freie Kost, ein warmes Bett und nette Gesellschaft hatte er wirklich nichts einzuwenden. Das Leben auf der Straße war hart und forderte seinen Preis. Vor allem gesundheitlich. Gleichgültig welche Ausreden er seinerzeit Gasmi bei ihrem Wiedersehen aufgetischt hatte.


    "Wer war das? Lebt er noch?", fragte Bane und in Jozos Kopf nahm sofort ein perfider Plan Gestalt an.


    "Wer das war, weiß ich nicht. Aber Schuld daran trägt eine Zwergin namens Lydia. Willst Du mir bei meiner Rache helfen?", fragte Jo.


    Die Vorstellung, dass Lydia von Banekin geschlachtet wurde, ohne dass sie wusste woher es kam, jagte Jo einen wohligen Schauer über den Rücken. Bane war eine Waffe mit noch größerer Reichweite als die Peitsche. Zwar konnte man ihn nur einmal effektiv auf die Art einsetzen, dann wäre er aufgebraucht, aber das spielte keine Rolle.


    "Ich helfe Dir. Wenn Du alles von ihr weißt, gehen wir zu den Büttel und zeigen sie an!", sagte Bane vehement.


    Jo musterte Bane und musste einen Lachanfall niederkämpfen.


    "Nein. Wir regeln dass selbst", antwortete der Goblin.
    "Papa, sie ist sowas wie eine Mörderin! Du musst zu den Bütteln gehen, bitte", versuchte Bane Jozo zu überzeugen. Jo schüttelte den Kopf.


    "Wir haben keine Beweise", entgegnete Jo.
    "Wozu Papa? Du sagst als Zeuge aus, und dann wird sie verhaftet. Man sieht doch Deine Verletzung. Da kann sie sich nicht heraus reden, wenn Du sie erkennst und erzählst, was sie getan hat", beharrte Banekin stur.


    "Banekin, niemand wird einem Penner von der Straße glauben. Sie werden behaupten ich wäre nicht klar im Kopf, hätte gesoffen oder Drogen genommen. Sie ist nach außen hin eine ehrbare Bürgerin, ich bin ein Nichts. Wenn Du mir als mein eigen Fleisch und Blut nicht helfen willst, sondern mir nur Vorwürfe machst - sei es drum. Ich verzeihe Dir.


    Du bist jung, Du weißt es zum Glück noch nicht besser. Lass uns Vic abholen und einfach nach Hause gehen. Vergessen wir Lydia und ihre Taten. Hoffen wir nur, dass sie anderen nicht antut, was sie mir einst angetan hat. Es ist so lange her, ich habe schon gar nicht mehr an eine Wiedergutmachung geglaubt.


    Blicken wir gemeinsam nach vorne", sagte Jozo liebevoll, legte Bane einen Arm um die Schulter und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe.



    ****



    Umgezogen nach Kalthorst


    Vicarri tippte Jo an und deutete an ihm zu folgen.
    Beide Männer gingen nach draußen.


    "Aufs Dach, ich muss ungestört mit Dir reden", sagte Vic und ging ums Haus. Oben angekommen, wartete er auf Jo und schaute die Treppe runter.


    "Hey bummele nicht", rief Vic.
    "Wer bummelt?", fragte Jozo hinter ihm.
    Vicarri drehte sich erschrocken um.


    "Wie bist Du hier hochgekommen?", fragte der grüne Goblin.
    "Fensterrahmen eins, dann zwei, dann hops und Dach Klimmzug, schon da", erklärte Jo grinsend.


    "Und Du fragst Dich warum Deine Knochen schmerzen?", hakte Vic nach.
    "Ja verwunderlich, ich trainiere immer. Jede Gelegenheit. Seltsam ist wenn man von unten kommt rennen sie rauf, als könnten sie fliegen. Sind sie oben rennen sie runter. Dann hast Du sie sofort. Springst einfach, je höher je mehr Überschläge. Passiert Dir nix aber sie bekommen das Schlottern. Aber dafür haben wir uns nicht getroffen oder?", fragte Jo, hockte sich an die Dachkante und ließ die Beine über den Abgrund baumeln.


    "Nein, richtig", antwortete Vicarri und hockte sich neben Jo.
    "Was gibts?", fragte der gelbe Goblin.


    "Banekin ist wirklich Dein Kind richtig? Ich meine wenn ich ihn angucke, sehe ich es. Er sieht Dir verdammt ähnlich. Wie aus dem Gesicht geschnitten. Sieht man Dich und Samila nebeneinander sieht man es sofort, ein Mix von Euch beiden. Trotzdem oder gerade deshalb, weißt Du das er Dein Sohn ist Jo?", fragte Vicarri ernst.


    "Ja das weiß ich. Er hat meinen Geruch. Er könnte es nicht leugnen, ich auch nicht. Er ist mein Kind", gab Jozo zurück und zuckte die Schultern.
    "Schön", sagte Vic gut gelaunt.
    "Schön? Er hat nix drauf, er ist zwar mein Kind, aber keiner meiner Art. Er ist eine leere Hülle. Eine Mogelpackung. Er hat kein... weiß nicht wie das heißt - Innenleben. Er ist nur ein Ghul", erklärte Jozo.


    "Seele! Natürlich hat er die! Er ist kein Ghul, rede keinen Unfug. Er hat nur eine andere Einstellung als Du. Ich hab Dich kennengelernt Jozo. Und ich weiß was Du vorhast. Ich will, dass Du den Plan kippst. Vergiss ihn. Du zerstörst damit unsere Welt.


    Guck mal, Bane hat Dich mit nach Hause genommen. Seine Ma hat Dich wieder aufgenommen. Sie hat sogar erlaubt das Dein "Kumpel von der Straße" mit einziehen darf. Wenn Bane was zustößt und sie spitz bekommt, dass Du das warst, ist alles vorbei.


    Schlimmstenfalls aufs Schafott. Nicht ganz so schlimm Knast oder Irrenanstalt! Bestenfalls zurück auf die Straße. Willst Du das? Ich nicht. Ich bin froh endlich mal jeden Tag was zu essen zu haben, ein Dach über dem Kopf und einen sicheren Schlafplatz.
    Das hast Du Dir selbst letztens noch gewünscht. Du hast gesagt, Dir schmerzen die Knochen. Du hast gesagt, wir werden alt. Du hast bedauert keinen Job zu haben. Du hast Recht Jo!!! Dann lass uns doch das Dach, das Futter und das Zuhause behalten.


    Wir könnten mit Samila die Taverne übernehmen, anstatt nur so hier auszuhelfen. Ich koche, sie bedient und Du machst die Theke. Du kannst gut labern. Bitte Jo", sagte Vicarri.


    "Das ist doch nicht der Grund Vic. Du stinkst nach Lüge... Du magst ihn, Du hast Angst um ihn. Pass auf ich biete Dir einen Handel an - solange Du lebst, bleibt er auch am Leben", grinste Jozo.


    "Wenn ich dem zustimme, schmeißt Du mich danach sofort vom Dach. Kurzum ich lebe danach keine zwei Sekunden mehr", murrte Vic.
    "Das kränkt mich aber jetzt", lachte Jozo und kraulte Vicarri.
    "Was? Das ich weiß wie Du tickst, dass ich kapiere wie Du denkst und was Du vorhast?", zischte der grüne Goblin.
    "Nein, das freut mich, das gefällt mir...", schnurrte Jo.


    "Jo bitte. Natürlich mag ich den Kurzen, gerade weil er Dein Kind ist. Egal ob er Deiner Meinung nach was drauf hat oder nicht. Er hat aber was drauf! Ich habe es selbst gesehen! Schau ihn Dir doch wenigstens mal an.


    Er kann gut mit dem Messer umgehen, Du wärst erstaunt. Nur macht er damit andere Dinge. Das kann er Dir doch mal vorführen. Das wird Dir gefallen. Und wenn Du Dich in seiner Art vermisst, tja selbst Schuld Jo - Du warst ja nicht da um ihn zu erziehen.


    Wenn Du alles Samila überlässt, wird er wie Samila. Mal drüber nachgedacht? Bitte geh ihn nicht an. Bitte Jo. Bitte mach es nicht kaputt", bat Vicarri.
    "Damit hast Du absolut Recht. Ja gut! Abgemacht. Nervensäge", antwortete Jozo gut gelaunt.


    "So nicht Jo. Hörst Du mir einen Moment aufmerksam zu?", bat Vic.
    "Bin dabei", stimmte Jozo zu.


    "Magst Du Dich?", fragte Vicarri.
    "Ob ich mich selber mag? Ja klar, sogar am liebsten von allen", lachte Jozo.


    "Ich mag Dich auch unheimlich gerne, ich liebe Dich sogar. Würdest Du Dich bewusst selbst verletzten? Sagen wir mal, würdest Du Dir eine Hand abschneiden?", fragte der grüne Goblin.


    "Nein...", gab Jozo lauernd zurück.
    "Siehst Du", antwortete Vicarri und küsste Jo liebevoll auf den Mund.
    "Nunja ich mag meine Hände eben, sie sind mir wichtig", grinste Jo breit.


    "Warum dann nicht auch Banekin? Er ist ein Teil von Dir. Der Teil, der Deine Zeit überdauern wird. Wenn Du irgendwann weg bist, ist er Dein Vermächtnis an die Welt. Das was von Dir über bleibt Jozo. Er riecht nach Dir, weil er ein Stück von Dir ist. Wie Deine Hand. Darum kannst Du ihn nicht beseitigen. Du tust Dir selbst nichts an. Verstehst Du es nun?", fragte Vicarri freundlich.
    Jozo musterte Vic ernst, kratzte sich dann an der Schläfe und nickte.


    "So habe ich das nie gesehen, aber Du hast recht. Geruch lügt nicht...", grübelte Jozo.
    "Genau - Geruch lügt nicht Jo", freute sich Vicarri.


    "Moment! Verteidigst Du ihn, weil Du ihn lieber magst als den Rest von mir? Weil er jünger ist?", fragte Jozo schlagartig wieder lauernd.
    "Nein. Wieso sollte ich mich mit der Hand begnügen, wenn ich alles haben kann?", fragte Vicarri und küsste Jozo leidenschaftlich.


    "Gut überzeugt", grinste Jo, ehe er binnen Sekunden ernst wurde.
    "Was ist nun wieder los?", hakte Vic etwas verzweifelt nach.


    "Mir ist was Wichtiges eingefallen, er ist ein Stück von mir - dass heißt, ich muss ihn verteidigen. Er kann das doch gar nicht die kleine Pflaume! Man, wieso sagst Du mir das erst jetzt Vicarri? In der Zeit hätte mir sonst was passieren können", motzte Jozo.


    "Weil das jeder eigentlich weiß, dass man... hast Recht Jozo. Ich hätte Dir das direkt erklären müssen. Entschuldige. Du weißt sowas nicht. Du hast absolut Recht, Du musst ihn verteidigen", pflichtete Vic bei.


    "Und ich muss ihm alles beibringen was ich weiß. Sonst geht das Wissen ja alles verloren! Jagen kann er auch nicht, muss er auch lernen. Alles Deine Schuld, alles!", murrte Jo.


    "Ehm ja...", setzte Vicarri an.


    Vor Minuten hatte sich Vicarri noch gefreut. Jetzt fühlte sich der grüne Goblin, als hätte er Monster geschaffen.



    ****



    Schnitzereien


    Banekin gesellte sich zu seinem Vater der in der Küche saß und in aller Seelenruhe einen Tee trank.

    „Ich hab was für Dich“, grinste der kleine Tiefling übers ganze Gesicht.
    „Was denn?“, fragte Jozo und musterte ihn müde.
    „Das wird Dich aufheitern. Ich habe Dir etwas geschnitzt, extra für Dich“, erklärte Banekin und reichte Jo ein kleines Bündel.

    „Na da bin ich aber mal gespannt“, grinste Jozo, stellte seine Teetasse beiseite und nahm das Geschenk entgegen.

    Der Goblin packte es vorsichtig aus. In dem Tuch lag ein Dagger, geschnitzt aus einem messerscharfen Zahn. Die Spitze war abgeschrägt, die unter kannte der Messerschneide wies immer noch die scharfe Zacken des Zahnes auf und in die Klinge selbst waren drei Löcher gebohrt. Das Heft war gerade und mit hellbraunen Lederstreifen umwickelt. Zur Zierde hatte der Dagger vorne und am Heft-Ende kleine, runde Knochenperlen auf Lederschnüre gezogen.

    Jozo nahm die Waffe zur Hand und musterte sie gut gelaunt, ehe er Banekin angrinste.

    „Ein Scharfzahn. Er verletzt das Opfer wenn er ins Fleisch eindringt und er schneidet erneut wenn man ihn herausreißt. Gefällt mir Dein Geschenk. Du hast absolut meinen Geschmack getroffen Kurzer. Hätte ich nicht erwartet“, freute sich Jozo aufrichtig.

    „Ich weiß doch wie sehr Du Deine beiden Messer magst, ich dachte Du sollst auch eins von mir haben“, amüsierte sich Banekin über die Freude von seinem Vater.
    „Ich werde an Dich denken, wenn ich es einweihe…“, grinste Jozo und zuckte mit den Ohren.

    „Mach das. Wenn Du magst, kann ich Dir beibringen wie man schöne Dinge aus Holz, Knochen oder Stein schnitzt. Magst Du?“, fragte Bane hoffnungsvoll.
    „Klingt nach Spaß, klar mag ich“, stimmte Jozo zu.

    „Perfekt! Ich hab auch schon was vorbereitet“, grinste sich Banekin einen ab.

    Der kleine Tiefling freute sich über die Aufmerksamkeit seines Vaters und dass Jozo so gute Laune hatte. Zwar wohnte Jozo und sein Kumpel schon eine ganze Weile bei ihnen und ab und an unterhielt er sich auch mit seinem Vater, aber gemeinsam unternommen hatten sie noch nie etwas. So sehr er seinen Vater auch liebte, irgendwie waren sie sich noch fremd und Bane wusste oft nicht, wie er das Eis zwischen sich und Jozo brechen sollte. Aber heute schien ein guter Tag zu sein und Jo schien gewillt zu sein, sich mit ihm abzugeben.

    Banekin legte einige Steine, Knochen und Holzstücke hin und reichte Jozo dann ein rasiermesserscharfes Schnitzmesser, ehe er sein eigenes auspackte und sich neben Jo hockte.

    Der gelbe Goblin drehte die kurze scharfe Klinge zwischen den Fingern und bewunderte ihren Glanz. Aus dem Augenwinkel schaute er Banekin an, der ihm ohne zu Zögern die Klinge gereicht hatte. Jo schmunzelte Bane gut gelaunt an. Der kleine Tiefling saß fast Schulter an Schulter mit Jo und legte ihm einen weichen Speckstein hin.

    `Wirklich wahr! Nähe bedeutet nichts anderes, als dass man für den anderen eine viel kürzere Klinge braucht. Zweiter Spruch – der Liebende reicht dem Geliebten im Grunde ein Messer – der Geliebte entscheidet ob er den Liebenden damit verteidigt oder erledigt.

    Beides stimmt, schau mal einer an. Hab das immer für Sinnbilder gehalten. Aber es ist Fakt. Du vertraust mir, hockst hier so nah neben mich, dass Du mich berührst. Und Du hast mir ein Messer gegeben, einfach so. Ohne Angst vor mir zu haben, Du Knirps. Der einzige der mir je ein Messer gab, war Gasmi.
    Wobei – Du hast mir sogar zwei Messer gegeben Bane. Den Dagger und das Stein-Schnibbel-Messer. Sogar mit diesem Winzlings-Messer könnte ich Dir jetzt die Kehle durchschneiden – einfach so. Verrückt… und lustig… und unlogisch… aber niedlich´, dachte Jozo vergnügt und nahm sich den Stein.

    „Gefällt er Dir? Dann darfst Du ihn haben. Was möchtest Du darauf schnitzen?“, fragte Bane.


    „Einen Anhänger für ein Lederband. Es soll aussehen wie ein Blatt. Ich mag Blätter und Steine. So Naturdeko. Also ich will aus diesem Stein ein Blatt schnitzen, was mag man mehr als Blätter oder Steine? Blätter aus Steine. Wie macht man das?“, fragte Jo neugierig.

    „Ganz einfach, Du schneidest alles weg was nicht nach Blatt aussieht“, lachte Banekin und knuffte Jozo.
    „Toller Tipp, Danke“, prustete der gelbe Goblin.

    „War nur Spaß. Du kannst vorher die Form einritzen. Der Stein ist nicht sehr hart. Was für ein Blatt soll es denn sein? Ein glattes oder ein gezacktes Blatt?“, fragte Bane.
    „Ein glattes Blatt, mit seinen Adern. So eins möchte ich schnitzen“, antwortete Jozo.


    „Alles klar“, stimmte Bane zu und ritzte die Form in den Speckstein für Jo vor. Als er damit fertige war, reichte er seinem Vater den Stein zurück.

    „Jetzt schnitzt Du vorsichtig die äußere Form. Hier so, guck“, sagte Banekin und machte es an seinem Stück Stein vor. Jozo beobachtete genau was der Kurze da tat und fing dann selber an seinen Stein zu schnitzen.

    Die beiden hockten bereits eine ganze Weile in der Küche und waren mit ihren Schnitzereien schon weit gekommen, als Vicarri die Küche betrat und beide total erstaunt musterte.

    Jozo hockte friedlich neben seinem Sohn. Wobei der Gelbe hockte da nicht einfach nur friedlich, sondern er schnitzte gemeinsam was mit dem Kleinen und er schien richtig Spaß an der Sache zu haben. Vic verkniff sich ein breites Grinsen und setzte sich dazu.

    „Was macht Ihr Schönes?“, fragte er glücklich.
    „Wir schnitzen Blätter, also jeder eins“, erklärte Jozo und zuckte gut gelaunt mit den Ohren.

    „Das werden Anhänger für ein Lederband. Sehen gut aus nicht wahr?“, freute sich Banekin.


    „Die sehen topp aus. Wenn die fertig sind, sind die bestimmt richtig klasse“, grinste Vic.


    „Natürlich sind sie das, weil wir die geschnitzt haben“, gibbelte Jo.
    „Ja wenn einer mit Messern umgehen kann, dann Du Jo. Du und Dein Sohnemann“, grinste Vicarri breiter.
    „So ist es“, pflichtete Jozo bei, „und nun nerv hier nicht rum Vici, wir müssen uns konzentrieren“.


    Vic setzte sich neben das Küchenfeuer. Der grüne Goblin hatte zwar keine Bildung, aber er war nicht dumm. So einiges hatte ihm das Leben selbst beigebracht, anderes hatte er aufgeschnappt. Und als Dieb wusste er, dass Hunde mit einem neuen Vierbeiner im Rudel besser auskamen, wenn er ihren Geruch hatte. Und Jozo war ein "Geruchs-Tier" kein "Augen-Tier" wie die meisten anderen Goblins.


    Die erste Zeit wo sie zusammenlebten war der Gelbe manchmal unberechenbar. Vor allem nach seiner grauenvollen Verletzung. Aber seit dem Vic behauptete ihm war kalt und sich von Jozo Klamotten auslieh, war der Gelbe seltsamerweise abends ziemlich zugänglich. Der Köter-Trick funktionierte bei Jozo, hatte Vic belustigt festgestellt.


    Ziel von Vicarri war es, immer wieder Körperkontakt zu Jozo zu suchen und sich Klamotten von ihm auszuleihen. Der Zweck war klar, er wollte sich mit dem Eigenduft des Gelben parfümieren. Und es funktionierte. Wenn er wie Jozo roch, half das dessen Aggressionen abzubauen.


    Roch er nach ihm, war er ein Teil von ihm. Zwar blieb immer eine Restgefahr, denn Jo war nicht dämlich, aber Jozos Unterbewusstsein ordnete ihn dann scheinbar in eine ganz andere Kategorie ein. Oder nahm ihn gar nicht als eigene Person wahr, der man die Gurgel umdrehen konnte.


    Da Vicarri Banekin wirklich mochte, hatte er den Trick einfach umgemünzt.


    Er hatte ständig irgendwie versucht Jozo dazu zu bekommen, mit Bane Zeit zu verbringen. Mach dies, holt mal das, bitte geht das einkaufen, schau Dir an was er kann, setz Dich doch mal zu ihm, erzieh ihn - wenn Dir seine Art nicht passt. Alles Dinge wo Jo in Banes Nähe bleiben musste. Und Nähe bedeutete, er hatte den Geruch von seinem Küken in der Nase.


    Und im Gegensatz zu ihm, roch Bane tatsächlich nach Jozo, er war ein Stück des gelben Goblins. Die beiden hier in trauter Zweisamkeit zu sehen, gefiel Vicarri. Wenn er das Spiel lange genug durchhalten konnte, würde Jozo Bane hoffentlich tatsächlich akzeptieren und nicht nach einem Ausweg suchen, ihn loszuwerden. Dass der Gelbe darüber manchmal nachdachte sah Vicarri ihm an.


    Jo musterte den Kleinen, wenn er vor dem Kachelofen in der Stube schlief, witterte, legte zwei Sekunden später wütend die Ohren an und trollte sich. Er wollte ihn scheinbar töten - aber er konnte es nicht.


    Vic schlang den Rest seines Brotes herunter und wischte sich die Hände an der Hose ab.


    "Bekomme ich auch so einen Anhänger?", fragte Vicarri gut gelaunt.
    "Du kannst den haben, an dem ich gerade schnitze Vic", sagte Jo ohne aufzublicken.
    "Aber der hat die falsche Farbe Jo", grinste der grüne Goblin.
    "Er möchte sicher ein grünes Blatt Paps", fügte Banekin an.
    "Ich bin nicht mal mit dem ersten fertig, aber von mir aus, wieso nicht? Also hat der Kurze Recht?", hakte Jo nach und drehte ein Ohr in Vicarris Richtung als Zeichen dass er aufmerksam zuhören würde.


    "Hat er. Ein grünes Blatt bitte und mach für Sami auch eins, in rot. Das wird sie ganz bestimmt freuen", grinste Vic.
    "Gute Idee", stimmte Jozo zu.



    ****



    Der Kachelofen


    Jozo schlich in der Nacht durch die alte Taverne "Zum alten Alfons" die inzwischen sein Zuhause geworden war und blieb vor dem alten Kachelofen stehen. Wie fast jede Nacht lag Banekin auf der Bank die um den Ofen verlief und hatte seinen Rücken gegen die warmen Kacheln gedrückt.


    Jo hockte sich vor Bane und musterte den Tiefling. Er hatte sich wie eine Katze zusammengerollt und seine winzigen, nutzlosen Stummelflügel zusammengefaltet. Jozo berührte ihn vorsichtig mit einem Finger und ließ ihn sofort wieder los. Der Kleine rührte sich nicht, er schlief tief und fest. Der gelbe Goblin lauschte in alle Richtungen, sein Gegenpart zum Umsehen - niemand war in der Nähe. Er war mit Banekin allein.


    Jo dachte einen Moment nach, dann legte er sich ebenfalls auf die Ofenbank und zwar so, dass er Kopf an Kopf mit seinem Sohn lag. Er befühlte kurz die kleinen Dornen auf dessen Haut und machte es sich dann selbst gemütlich. Einige Minuten später war er eingeschlafen.



    ****

  • Die Abreibung - 202 n.d.A.



    Jozo beobachtete die Bakani-Gang.
    Die beiden Frauen der Gruppe hatten ihm nichts getan. Aber die drei Kerle waren einfach die Pest. Laut Vicarri hatten sie versucht seinen Mann zu entführen. Und wenn Vicarri auch viel Unfug machte, da würde er nie lügen.


    Langsam mit geradezu tödlicher Ruhe, schlenderte Jozo der Gruppe entgegen.


    „Na Ihr Arschlöcher“, grinste er süffisant.


    Er wollte sie provozieren um ihnen den Angriff in die Schuhe zu schieben. Aber selbst wenn ihm das nicht gelang würden sie gleich die Abreibung ihres Lebens kassieren.


    Alfani musterte Jozo einen Moment und zeigte dann die offenen Handflächen.
    „Was soll der Spruch? Wir haben Dir nichts getan“, sagte Alfani vorsichtig.


    „Mir persönlich vielleicht nicht, aber ich muss doch sagen ich nehme es Euch ein wenig krumm, dass ihr meinen Mann entführen wolltet", sagte Jozo in einer Ruhe als redete er übers Wetter.


    In dem Moment sprang er bereits blitzartig vor, dass man mit bloßem Auge kaum seiner Bewegung folgen konnte und hämmerte Alfani die Handkante vor den Hals.


    Ehe Alfani wusste was ihm geschah lag er schon bewusstlos auf den Boden.


    Jozo hatte ihn mitten in der Kehlgrube getroffen und wusste, dass Alfani Luftröhre quetsch war. Der Typ war ohnmächtig. Töten konnte er ihn immer noch. Da Bakani sofort bei seinem Mann war und sich schützend über ihn stellte, war auch Bakani erstmals aus dem Weg geräumt.


    Blieben noch Mozoko und die zwei Weiber. Mit einer knappen Geste wies Bakani Normia an zu verschwinden. Vermutlich um Verstärkung oder eine bessere Bewaffnung zu holen.


    Die Frau wartete einen Augenblick, aber ein erneuter Blick von ihrem Boss ließ sie schleunigst verschwinden.


    Jozo hätte Normia gerne erschossen. Leider konnte er nicht schießen und besaß auch keine Armbrust, wie er betrübt feststellte.


    Also tat er dass, was er schon als Kind getan hatte. Er nahm sich einen Stein, zielte auf die Frau und warf mit aller Kraft die er aufbieten konnte. Die drei anderen der Gruppe starrten ihn nur an als wäre er irre. Ihm war es gleich. Er wusste, was ihm das Drogenpflaster für Kraft schenkte. Der Rest war einfach knallhartes Training.


    Die Fliehende wurde von dem Stein ins Kreuz getroffen, als wäre es ein abgefeuertes Geschoss aus einem Gewehr und ging schreiend vor Schmerz zu Boden.
    Jozo sah wie sich die Frau noch einige Sekunden wimmernd am Boden wand und nach ihrem Kreuz griff, dann war sie still. Jozo grummelte etwas Unverständliches. Er war unzufrieden. Eigentlich hatte er den Kopf treffen wollen, dann wäre das Weibsstück liegengeblieben und zwar für immer. Er würde sie später töten.


    So war sie nur bewusstlos wie Alfani. Nicht gerade sein Tag, stellte er sachlich fest und fing an die Gruppe halb zu umrunden, wobei er Bakani beobachtete.


    Wer außer er sollte ein Interesse an Vicarri haben?
    Aber wen er geschickt hatte war auch klar – Mozoko.
    Vic schickte schließlich für solche Jobs auch ihn.


    Nachdem nun schon zwei von ihrer Gruppe gefallen waren, war die Gruppe mehr als vorsichtig.


    Während Jozo vorwärts lief um die Dreiergruppe auf Schwachstellen zu prüfen, lief Mozoko rückwärts – stets mit ihm auf gleicher Höhe bleibend um den Rest der Truppe vor ihm abzuschirmen.


    `Kein dummer Gorilla wie behauptet wurde´, schoss es Jozo durch den Kopf.


    Gorillas beeindruckten nur durch Statur und brutale Vorgehensweise. Sie starrten nach vorn, sie attackierten nach vorn, sie sicherten nach vorn. Aber nur ein wirklicher Leibwächter oder Killer, schaute oft genug hinter sich und kämpfte egal in welche Richtung – der Kampf gab sie vor, nicht die persönliche Vorliebe.


    Mozoko hatte also eine Spezialausbildung genossen, schlussfolgerte Jozo.
    Nun dass hatte er auch, seine eigene. Mehr als genug. Kenne Deinen Feind, war eine der obersten Gebote.


    Er wusste dass er bei dem Blondschopf vorsichtig sein musste. Zum Sieg reichte meist aus, dass er einfach schneller, wendiger und brutaler war als seine Gegner. Und meist war er das auch.


    Bakani wurde gefürchtet. Warum war ihm nicht bekannt. Ob persönliche Furcht vor seiner Kampfkraft oder einfach seiner Hinterhältigkeit, Jozo war sich dessen nicht so genau bewusst.


    Für das Gefahrenpotenzial dieses Gegners hatte er keine Information.


    Er kannte ihn aus einem anderen Kampf vor einigen Wochen und der fand zwischen Bettlacken statt. Aber auch daraus ließ sich einiges schließen. Der Kerl war zwar dürre, aber trocken bemuskelt. Also zäh, ohne ein Gramm Fett am Leib und er war beweglich. Was man zum Spaß nutzen konnte, konnte man auch jederzeit geschickt im Kampf einsetzen.


    Aber Bakani war an seinen Kerl gefesselt. So einfach würde Bakani seinen Mann nicht aufgeben. Egal was sonst war, es war sein Kerl und einer seiner besten Freunde auch wenn er ihn ständig wie ein Stück Scheiße behandelte.


    Dazu gehörten schließlich auch zwei, einer der es machte und einer der es mit sich machen ließ. Er würde Alfani vermutlich im Kampf dann von der Seite weichen, in dem Moment wo Jozo Vicarri einfach verließ. Blöder Vergleich, grinste Jo und schlackerte mit den Ohren.


    Sein Blick viel auf die kleine junge Frau die krampfhaft versuchte nicht verkrampft auszusehen.


    18 Jahre? Ja vielleicht war sie schon 18 – vielleicht ein klein wenig älter. Aber sie hatte ein junges Puppengesicht. Vielleicht würde er es ihr zur Strafe demolieren, wenn sie mit der Sache zu tun hatte. Vielleicht auch einfach nur so, um die Gruppe zu bestrafen.


    Jede Gruppe war immer nur so stark wie ihr schwächstes Mitglied. Meist galt in Gruppen Zusammenhalt um jeden Preis. Und genau das konnte man auch wunderbar als Waffe gegen eine Konkurrenz-Truppe einsetzen.


    Verletzte und verstümmelte man das Nesthäkchen, würden die anderen in rasender Wut zurückkommen um dieses zu holen und zu rächen.


    Sie zu opfern käme nur in Betracht, wenn sie dem Tod geweiht war - oder der Aufwand der Rettung zu hoch. Die Gruppe stand über dem Einzelnen. Jedenfalls vermutete der Gelbe Goblin das. Ihm war es nur Recht, niemand beschädigte ungestraft sein Eigentum.


    „Mach ihn kalt Mozoko, töte das Drecksschwein“, zischte Bakani wütend.
    „Klar Boss“, gurrte Mozoko.


    Ein Befehl ganz nach seinem Geschmack. So kannte und so liebte er seinen Chef. Becca war mehr als nervös. Warum der fremde Goblin sie dermaßen knallhart angriff wusste sie nicht, aber sie versuchte ihr Bestes genau hinter Mozoko zu bleiben.


    Jozo war von Natur aus schon gefährlich genug, aber die Pflaster machten den gelben Goblin zu einer Kampfmaschine.


    Bakani sah mit Genugtuung wie Mozoko auf seine Gabe zurückgriff. Zwar war dies ein zusätzlicher wahnwitziger Kräfteverbrauch gegen einen viel zu flinken Gegner, aber Mozoko war alles andere als Fuß lahm.


    Bakani hoffte Jozo in den nächsten Minuten zerhackt oder zerstückelt im Dreck zu sehen und konnte sich ein boshaftes Grinsen der Vorfreude kaum verkneifen.


    Mozoko starrte Jozo einen Moment an, dabei neigte er den Kopf in einer ruckartigen Bewegung die an einen Raubvogel erinnerte. Mozoko streckte seinen linken Arm, der sich plötzlich in einer seltsam-rot-schwarzen Farbe einfärbte.


    Unter der Haut sah man Bewegungen, die kein menschliches Fleisch vollziehen können durfte. Jozo beobachtete gelangweilt das Geschehen. Die Haut des Armes schien aufzuplatzen, die Hände deformierten sich – aus den Fingerkuppen schossen überdimensionale gewaltige Krallen die weiter wuchsen, als hätten sie ein Eigenleben entwickelt.
    Mozoko fletschte für den Moment knurrend die Zähne. Ob vor Wut, Gehässigkeit oder Schmerz, konnte Jozo nicht genau sagen. Vielleicht eine Mischung aus allen Dingen.


    Jo hoffte dass er Höllenqualen litt.


    Die Knochen von Mozoko schienen zu brechen, gestalteten sich um, nahmen eine neue Form an, der ganze Körper war von der Umwandlung betroffen. Binnen Sekunden war das Schauspiel vorbei.


    Er sah aus wie eine Mischung zwischen Mensch und Bär. Jozo musterte Mozoko und seinen Pranken. Gewaltige Stich- und Schneidewaffen mit enormer Reichweite. Jozo war zwar flink, aber er war auch gewarnt. Er wäre wahnsinnig sich bewusst ungeschützt oder ungeplant in die Reichweite dieser monströsen Arme zu begeben.


    Angeekelt musterte er Mozoko. Nicht nur ein Mensch, sondern noch weniger. Ein halbes Tier. Wobei was war ein halbes und halbes? Ein ganzes Tier.


    Becca hingegen blickte Mozoko mit einer Mischung aus Unglauben und Mitleid an. Sie mochte den großen, mürrischen Kerl, der auf seine ganz eigene Weise nett zu ihr war. Aber ihn so verändert, geradezu verstümmelt zu sehen, verschreckte sie.


    Einige Sekunden zu lange von der seltsamen Verwandlung Mozoko gebannt, kassierte Jozo auch schon einen Hieb. Jozo wurde einmal quer durch die Luft geschleudert und prallte hart mit dumpfen Krachen auf dem Boden auf. Mozoko machte auf dem Absatz kehrt um seinem Opfer nochmals eine zu verpassen oder ihn bei Möglichkeit direkt aufzuspießen.


    Mozoko rannte auf sein Opfer zu, welches seinen Dolch nach oben riss. Er kümmerte sich nicht weiter darum, sondern verpasste seinem Gegner eine Ohrfeige die es krachend zurück zu Boden schickte und eine lange klaffende Fleischwunde auf dessen Arm bei Rückzug hinterließ.


    So schwer die Pranken aussahen, die Optik strafte die Effektivität lügen. Blitzartig konnte sein Feind damit agieren und reagieren. Jozo war stinksauer. So hatte er sich den Kampf nicht gerade vorgestellt.


    Zeit das Blatt für sich zu wenden.


    „Erstes Blut“, grinste Mozoko.
    "Unbedeutend für Unwürdige. Du bist nur ein Vieh, sowas hab ich früher in Regentonnen ersäuft", hielt Jo kalt dagegen.


    Mozoko sprintete kurz auf seinen Feind zu, und war so erneut blitzartig bei ihm. Ohne dass der mehr als überraschte Jozo überhaupt reagierte, versuchte dieser dennoch die Arme hochzureißen.


    Mozoko hatte schon seine Arme zwischen die von Jozo geschoben, packte mit seiner die Messerhand von Jozo, zerrte sie herunter und umklammerten sie felsenfest.


    Mit der anderen Hand verdrehte er die freie Hand von Jozo und zog ihm eine blutige Linie auf den noch unverletzten Unterarm. Zeitgleich schoss ein Fuß hoch und trat Jozo vor den Schädel. Die Überraschung lag auf der Seite von Mozoko.


    Jozo konnte sich nicht abfangen und verlor das Gleichgewicht. Im Sturz warf er sich zur Seite, drehte sich auf einem Bein, während das andere von ihm hochschoss und sein schwerer Arbeiterstiefel direkt mit voller Wucht in die Weichteile seines Feindes krachte.


    Ein Tritt in die Eier hatte noch immer jeden Größenwahnsinnigen ausgebremst, dachte der Gelbe Goblin gehässig.


    Mozoko keuchte und grunzte ungläubig vor Schmerz auf und ihm war für Sekunden schwarz vor Augen, so dass er erst mal schlucken musste. Bakani zuckte bei dem harten Tritt in die Weichteile gleich mit zusammen. Der Kick hatte mehr als gesessen, dass sah man Mozokos schmerzverzerrtem Gesicht deutlich an.


    Als Jo auf dem Boden aufschlug rollte ab und sprang wieder auf die Beine. Sofort ging er zum Gegenangriff über und deckte den Feind mit harten Tritten und Boxhieben vor die Knie ein.


    "Eins zu Null - Team Gelber Goblin", grinste Jozo dabei.


    Mozoko wich humpelnd und nun mit gehörigem Respekt vor Jozos Tritten zurück, sich mit seinen Pranken abschirmend.


    Er war zwar sonst gewaltig schnell, aber im Moment hatte sein schmerzender Schritt die Oberhand und Jozo kam ihm eindeutig schon wieder viel zu nahe. Verzweifelt warf er eines seiner Messer nach Jozo, da er seinen Schutzschirm nicht aufgeben wollte, drehte sich um und sprang mit einem Satz über mehrere Meter weit aus der Gefahrenzone.


    Im selben Moment stürmte auch Jozo los. Allerdings nicht um Mozoko nachzusetzen, sondern er sprintete hinter Mozoko an dessen ehemaliger Deckung für die Kollegin vorbei und stand so vor Becca.


    Der winzige Moment hatte Jozo gereicht. Jozo beugte sich vor, grabschte die zierlichen Frau in die Haare und riss sie daran hoch. Rebecca weinte und schlug um sich, dabei versuchte sie an den Armen von Jo Halt zu finden.


    Jozo schüttelte sie einmal brutal durch und schleppte sie ein Stück weit an den Haaren zurück um sie als Schild und Druckmittel gegen Mozoko zu verwenden.


    „Plaudern wir doch ein wenig Mo“, sagte der Gelbe Goblin geradezu liebenswürdig.


    Mozokos Blick hing für einen Moment an Becca, dann wanderte dieser zwischen der Frau und Jozo lauernd hin und her.


    „Das ist eine Sache zwischen uns Jozo, lass sie frei“, forderte Mozoko und schloss die Krallen.


    „Freilassen? So?“, lächelte Jo Mozoko freundlich an. Dann schloss er seine Hände um den Hals Becca, so als wollte er ihr den Kehlkopf zerquetschen.


    Mozoko brüllte seinen Kampfschrei und stürmte los, dann blieb er abrupt stehen und schlug mit einem seiner Dolche nach Jo. Der Dolch bohrte sich in den Brustpanzer seines Gegners und blieb zitternd drin stecken.


    Mozoko und Jozo starrten beide für Sekunden ungläubig auf die Waffe. Jozo stemmte einen Fuß mit einem brutalen Tritt gegen Mozokos Oberschenkel, Mozoko kickte seinerseits Jozo vor die Brust um sich von dem Goblin zu befreien. Zeitgleich grabschte er in verzweifelter Geste mit der freien Hand nach Becca und riss die Frau brutal an sich.


    Durch die Gewalt der Tritte und den Schwung den die beiden Kerle bekamen, machten beide einen gewaltigen Satz nach hinten, sie bekamen ihre Bewegung nicht einmal mit, doch plötzlich lagen sie auf dem Rücken und blickten zum Himmel empor.


    Becca war ebenfalls gestürzt, da Mozoko sie durch den eigenen Schwung nicht hatte festhalten können. Sie ließ sich fallen. Am Boden duckte sie sich, spannte sich in Sekundenschnelle an, grub ihre Füße in den Boden und sprintete davon um wieder in die sichere Zone vor Bakani und hinter Mozoko zu kommen.


    Mozoko wollte sich gerade hochwuchten als er einen brennenden Schmerz über den Knien spürte. Jozo beugte sich mit finsterem Gesicht über ihn.


    „Gib auf und akzeptier die Strafe“, knurrte Jozo.


    Mozoko verschränkte schnell die Beine über dem Körper, da er seinen Arm nicht mehr zwischen sich und Jozo bringen konnte. Dann krabbelte er wie ein Käfer rücklings auf allen vieren schnell von Jozo weg. Jozo kroch vorwärts hinterher und hielt seinen Dolch fest umklammert.


    Mozoko war irritiert und auch beeindruckt von Jozos Leistung.


    Er hatte es immer für Alfanis Versagen oder einen schlechten Tag gehalten gegen diesen Kampfgnom verloren zu haben. Aber mittlerweile fand er sich und vor allem seine Schutzpersonen in großer Bedrängnis wieder.


    „Tu endlich was!“, brüllte Bakani Mozoko an.

    Mozoko stöhnte innerlich auf. Er sah das Jozo für einen winzigen Moment abgelenkt war und versuchte wegzuspringen. Jozos Messer erwischte ihn voll über den Oberschenkel, so dass er zuckend zurück auf dem Boden krachte. Zeitgleich kassierte er einen Schlag vor den Hinterkopf von Jozo.


    „Wir können nicht länger hier bleiben. Mozoko! Komm!“, rief Becca ihrem Kameraden zu.


    „Lauf!“, bellte Mozoko, sprang einmal um 180 Grad herum und dann schmerzend auf die Beine.
    Er schlug so wild mit dem Messer um sich, dass Jozo einen Moment echt überlegte morgen wieder zu kommen, wo sich der Verrückte abgeregt hätte. Beinahe hätte er darüber aufgelacht.


    „Du blödes Biest“, knurrte er Mozoko provozierend an.


    Schlüpfte flink unter dessen Deckung durch und verpasste ihm einem Schnitt über einer Augenbraue. Besorgt beobachtete Becca aus sicherer Entfernung das Geschehen, sie wollte Mozoko helfen wusste aber nicht wie. Wenn schon der Brocken Probleme hatte, der sonst ihre Probleme wie ein Papa löste wusste sie hier auch nicht weiter.


    Auch Bakani blickte mehr ratlos als wissend was nun zu tun sei. Er blickte rückversichernd zu Becca und blinzelte ihr kurz aufmunternd zu. Mehr konnte er nicht tun, er beschützte Alfani.


    Mozoko zuckte zurück, nicht ohne ebenfalls erneut einen tiefen Schnitt auf Jozos Arm zu hinterlassen.


    Für den bulligen Killer von Bakani verschwamm die Welt in rot. Mozoko wischte sich übers Gesicht, was die Lage nicht besser machte. Dann schüttelte er heftig den Kopf um sein eigenes Blut loszuwerden dass ihm größtenteils die Sicht nahm.


    Dennoch hielt der zähe Hüne seinen Waffenarm bedrohlich aufrecht, die Waffe zu einer Art Verteidigung gegen Jozos entschlossenes Anrücken erhoben.


    Jozo schlug erst einmal, dann ein zweites Mal gegen die Klinge um sie beiseite zu führen. Der Dolch von Jozo schoss vor. Er zielte auf die Augen von Mozoko um diesen zu blenden, schnitt ihm allerdings nur die Stirn auf.


    Klugerweise sprang Jozo diesmal rechtzeitig zurück, bis Mozokos Wut sich in einer Reihe gewaltiger und brutaler Hiebe ausgetobt hatte. Jo fand das Verhalten von Mozokos einfach lächerlich, wie der durch sein eigenes Blut geblendete Mo immer wieder wild in die Luft schlug in der Hoffnung ihn zu verletzten oder abzustechen. Das er Ohren hatte, wusste der Kerl scheinbar nicht.


    Dann wurde Mozoko langsamer. Wie ein wütender Bär hatte der Kerl zwar gewaltige Muskeln und auch Kräfte, aber auch ein gewaltiges Eigengewicht. Mozokos Atmen kam stoßweise und er lauschte mehr als dass er angriff. Er hatte seine Ohren doch noch bemerkt, stellte Jo grinsend fest.


    Allerdings kämpfte er trotz der Wunden die ihnen Jozo zugefügt hatte voller Wut weiter, wenn auch auf einem ganz anderen Leistungslevel als noch vor einigen Minuten.


    Mit seinem gut gearbeiteten, nachtschwarzen, rasiermesserscharfem Dolch trieb Jozo Mozoko Schritt für Schritt zurück.


    Das Messer von Mozoko sauste knapp über Jo´s Kopf, als er sich gerade ducken wollte. Es hatte auch Vorteile, kleiner als der Rest zu sein, stellte Jo immer wieder belustigt fest. Er trat gerade nach vorne, traf den Typen am Oberschenkel und zog einen langen blutigen Schnitt, als er wieder zurückweichen musste.


    Ein, zwei, drei Schläge – blitzschnell zurück in die Deckung kamen die extrem schnellen Bewegungen die Jozo nur um Haaresbreite verfehlten. Mozoko war wirklich extrem aus der Puste und brauchte die Deckung zum verschnaufen. Der Kerl kämpfte im Moment fast nur noch nach Gehör. Trotzdem war der Brocken ein gewaltig gefährlicher Gegner.


    Jozo sprang in die Deckung hinein, wich mit einer Halbdrehung einem Schnitt aus und trat mit voller Wucht erneut Mozoko in die Weichteile und brachte sich dann mit einem Salto rückwärts aus der Gefahrenzone von dem Koloss.


    Mozoko stöhne schmerzerfüllt auf und brauchte einige Sekunden um sich wieder zusammenzureißen. Ihm war grauenvoll schlecht und am liebsten hätte er vor Schmerzen gekotzt.


    Schlagartig war er alles andere als flott zu Fuß, während Jozo auf Zehenspitzen balancierte um für den nächsten Angriff zuzutreten.


    Der Brocken wich langsam zitternd vor Schmerzen zurück, dass Messer allerdings immer noch in Kampf- statt Abwehrhaltung. Dabei wischte er sich das Gesicht vorsichtig einigermaßen sauber um wenigstens halbwegs etwas erkennen zu können für den nächsten Angriff.


    „MOZOKO!!!“, kreischte die kleine Frau besorgt auf und mischte sich ein. Sie sprang wagemutig vor, stieß mit ihrem Kampfmesser nach Jo.


    Jozo hätte beinahe über den kläglichen Versuch gelacht, aber Mumm hatte sie, dass musste man ihr lassen. Schneller als die Waffe ihn erreichen konnte, ging Jozo in die Hocke, bis er fast auf dem Boden saß. Dann kam er abrupt wieder hoch und schoss auf seine Angreiferin zu.


    Die Finger seiner rechten Hand waren fest gegeneinander gedrückt. Sein linker Arm wische das Messer der Frau einfach beiseite, so dass sie ohne Waffe und wehrlos war. Sein tödlicher rechter freier Arm, den er eng an die Brust gepresst hielt, schoss in die Blöße ihrer Deckung hinein um Jozos offene Handfläche mit aller Kraft die er aufbieten konnte gegen den Brustkorb der Frau zu rammen.


    Die Frau wurde über zwei Meter nach hinten geschleudert, landete japsend und Luft ringend auf den Füßen, dann fiel sie blau angelaufen und ohnmächtig um.


    „Einmalige Warnung. Nächstes Mal ist sie tot“, sagte Jozo gelassen und deutete mit der Dolchspitze auf Mozoko.


    Der Blick von dem blonden Koloss folgte geradezu panisch-bestürzt der kleinen Frau, dann brannte er sich in die Augen von Jozo. Der Typ grinste. Ein Grinsen ohne jeglichen Humor, ein Grinsen das reinen mordlüsternen Wahnsinn verriet. Im Grunde nichts weiter als ein irres Zähneblecken vor dem Zuschlagen. Seine weißen Zähne blitzen durch die Geiferschicht die sein wutverzerrtes Grinse-Gesicht bedeckte.


    „Fataler Fehler Drecksack“, knurrte er dabei in einer Tonlage die keinen Zweifel daran ließ was er nun vorhatte, Schmerzen hin oder her.


    Trotz des Irrsinns und der Gefahr die von dem Typen ausging erwiderte Jozo das Lächeln und zwinkerte dem Hünen zu.


    „Ich hab schon zwei von Euch gepattet – keine Kunst, diesmal wird der Drecksack töten“, säuselte Jozo.


    Trotz aller Selbstsicherheit war Jozo erstaunt über die rohe Wildheit und brachiale Gewalt von Mozokos Angriff. Das Nahkampfmesser hackte und peitschte wütend auf Jozo ein und kamen hartnäckig zurück, nachdem Jozo den ersten Angriff so gerade abgewehrt hatte und dabei zig Schnitte einstecken musste.


    „Du Stück Scheiße, ich schlitz Dich auf... für Becca“, brüllte Mozoko.
    "Becca - so heißt die Pussy? Scheint Dir wichtig zu sein,", lachte Jozo.


    Jozo grinste verschlagen, Mozoko ließ in seinem Bemühen Jozo aufzuschlitzen nicht nach. Jozo beschränkte sich auf die Verteidigung. Er hatte schon tausende Schlachten durchgestanden.


    Er liebte wütende Gegner. Wenn er eines wusste dann das. Die Wut seines Gegners wäre irgendwann verraucht und dann kam die Erschöpfung – seine Stunde. Und Mozoko war gerade schon kurz davor, dass ihm die Puste ausging, der Koloss lief auf Reserve.


    Alfani rappelte sich so halbwegs wieder auf und erblickte Mozoko, der auf dem kleinen Platz gegen Jozo kämpfte.


    Alfani wusste das es ihn Zeit kosten würde die er nicht hatte um richtig wieder zu Atem und in Mozokos Nähe zu kommen. Und er sah auch, dass Jozo rasch die Oberhand gewann. Dieser kleine mordlüsterne Goblin war schneller als alle Personen die er kannte.


    Alfani sah wie Mozoko mit dem Messer zu einem brachialen Vorwärtshieb ausholte der fast jeden Gegner mühelos gepfählt hätte – wäre Jozo – nicht Jozo…


    Jozo drehte sich minimal an der Waffe vorbei, hielt den Arm von Mozoko fest und holte seinerseits mit seinem Messer aus. Mozoko wollte ihn aufhalten, indem er Jozo am Handgelenk festhielt. Das alles kam Alfani entsetzlich bekannt vor.


    Er wollte eine Warnung brüllen, er hätte sich am liebsten geohrfeigt, dass er damals nichts von Jozos Kampfart erzählt hatte.


    Die stilettartige zweite Klinge sprang aus dem Dolchgriff, genau über Mozokos ungeschützter Kehle und Alfani konnte von seinem Punkt aus nur zusehen, denn er war unbewaffnet. Einen Moment rangen die beiden noch tatsächlich miteinander.


    Jozo befreite seinen Arm blitzartig und schlitze Mozoko die Kehle der Länge nach auf.


    Plötzlich, viel plötzlicher als Alfani es je geahnt hätte ging Mozoko röchelnd zu Boden sich die Kehle mit Händen haltend, dann rührte er sich nicht mehr. Becca rannte zu Mozoko, riss ihr Shirt in Fetzen und presste es auf die extrem stark blutende, klaffende Halswunde.


    Das Leben von Mozoko rann ihr zwischen den Fingern durch und sie hatte nichts da womit sie ihm helfen und ihn verarzten konnte.


    Bakani zog sein Hemd ebenfalls aus und warf es Becca zu. Mit knappem Nicken dankte sie ihrem Boss und drückte den festen Stoff den Bakani stets trug fest auf die Wunde von Mozoko um so die Blutung wenigstens etwas zu stoppen.


    Jozo verharrte noch eine Weile und beobachtete die Szene, dann drehte er sich zu Alfani um.


    „Hallo“, grinste er freundlich und ging langsam auf Alfani zu.
    „Oder wie sagt man beim Heiler? Der Nächste bitte. Aber wir zwei hatten ja schon das Vergnügen Alfani. Du weißt Du hast keine Chance.


    Pass auf, ich hab gute Laune. Du kannst es schnell und schmerzlos haben, wenn Du magst. Du musst nur ein bisschen nett zu mir sein. Du bedienst mich ein, zwei Runden, danach schlachte ich Dich schmerzlos. Du weißt doch, ich bin ein "Menschenfreund". Hm? Lust?“, bot Jozo höflich an und lachte.


    Als Jozo fast bei Alfani war, kam Bakani ein Stück abseits von beiden mit einem Satz auf und nahm sofort Kampfhaltung ein.


    „Bakani was machst Du hier?“, fuhr Alfani diesen atemlos an und musste sich dabei schon unter dem ersten Messerhieb von Jozos ersten Angriffsschlägen hinweg ducken.


    „Der Schwur? Vor Dir, oder neben Dir zu sterben“, flüstere Bakani Alfani zu und rannte neben seinen Kerl.


    Bakani wusste wie der Kampf stand. Alfani war sichtlich erschöpft und ziemlich außer Atem, während Jozo zwar duzende Kratzer aufwies, doch keiner der Treffer war eine ernste Wunde.


    „Ich sagte ich werde neben Dir kämpfen“, brüllte Bakani.


    Er trat vor mit seinem Schlagstock und verpasste Jozo einen brutalen Hieb vor den Brustkorb. Jozo beäugte neugierig die Waffe und grinste dann.


    "Das war böse. Das verlangt Strafe", schmollte Jo.
    „Hau ab Bakani“, grunzte Alfani und machte sich daran Jozo im Faustkampf anzugreifen.


    Er schlug hier- und dorthin, nach vorne – immer versucht Jozo richtig eine mitzugeben. Der Gelbe Goblin hatte deutlich Respekt vor Alfani Körperkraft. Er war zwar dreist und rotzfrech, aber er war nicht dumm. Einen direkten Treffer von Alfani zu kassieren bedeutete Brüche oder Schlimmeres einzustecken.
    Während Jozo vollauf beschäftigt war Alfani tänzelnd auszuweichen um seinerseits zustechen zu können, nahm Bakani den Schlagstock in beide Hände und schlug mit voller Wucht gegen Jozos Ellenbogen. Jozo japste vor Schmerz erstaunt auf.

    „Dafür stirbst Du langsam. Ich stopf Dir Deinen Schlagstock bis zum Anschlag in den Arsch!“, drohte Jozo, während er wütend Alfani geschickten Schlägen auswich.
    „Sehr langsam Bakani. Sehr sehr langsam. So wie Du es magst, so stirbst Du auch", drohte Jozo.


    Bakani sah seine Waffe blass an als hätte diese ihn gerade verraten. Er wusste dass er Jozo nicht ernsthaft verletzten konnte, egal wie gut er mit dem unnützen Ding traf, aber er wusste auch dass er es um Alfani Willen versuchen musste.


    Abwartend beobachtete er das Auf und Ab und hielt sich zurück, weil er hoffte dass Jozo dann einfach in den nächsten Momenten weniger auf ihn achten würde. Falls Jozo ihn überhaupt noch beachtete, zeigte dieser dass nicht. Jozos Klinge kreiste geschickt um Alfani zuschlagenden Arm, dann stach sie blitzartig zu.


    Alfani knurrte schmerzerfüllt auf und ging zum Gegenangriff über. Immer wieder versuchte er auf Jozo einzuschlagen. Seine Mühe wurde belohnt, ein Hieb durchbrach Jozos Deckung und krachte vor dessen Brustpanzerung. Die Wucht des Schlages war so groß, dass der Goblin zu Boden geworfen wurde.


    Bakani wusste er musste jetzt handeln, oder er konnte gleich zusehen wie sein Mann in Stücke geschnitten wurde. Er ließ den Schlagstock fallen und machte zwei kurze Hopser auf Jozo zu – dann sprang er ihm mit aller Wucht auf den Arm. Jozo brüllte wütend und überrascht von der total kranken Kampfaktion auf, wollte sich auf die Beine rollen als Bakani ihn bereits seinerseits mit voller Wucht ansprang und sich festklammerte wie besessen.


    Bakani hatte Jozo beide Arme um den Hals geschlungen und beide Beine fest um eines von Jozo geklemmt. Bakani war nicht gerade der Stärkste was Körperkraft anging und Jozo war ein wieselflinker Mörder. Jozo wich kaum von seinem Ziel, Alfani, ab.


    Mehr wütend durch die Belästigung und die dreiste Art starrte er Bakani an. Jozo hätte Bakani einfach umgebracht, wenn Alfani jetzt nicht aufgesprungen und unverzüglich wieder zum Angriff übergegangen wäre.


    Während Bakani sich weiter festklammerte und an Jozo zerrte, schlug Alfani auf Jozo ein und landete auch mehrere brutale Treffer.


    „Runter! Dafür zerfetz ich Euch!“, brüllte Jozo.


    Mit einem gezielten Messerhieb über die Pfoten konnte Jo Alfani abschütteln und mit einem blitzartigen Nachtritt sogar ein Stück zurückstoßen.


    Dann schlang Jozo seinen freien Arm um Bakanis Arm, um den Griff von Bakani zu brechen. Mit so einer gewaltigen Kraft in so einer kleinen Person, hatte selbst Bakani nicht gerechnet. Einen Augenblick später flog Bakani bereits durch die Luft.


    „Suuuuuuper… “, kommentierte Bakani noch im Flug, was Alfani brüllend auflachen ließ, trotz der verzweifelten Situation.


    Urplötzlich ein seitlicher, brutaler Kick vor Jozos Messerhand und sein schwarzes Messer flog im hohen Bogen in die andere Richtung die Bakani nahm.


    „FÜR MOZOKO“, brüllte Becca und rotze Jozo an. Sie war wieder auf den Beinen und wollte Jozo angreifen.


    „Weg mit Dir sofort!!“, brüllte Alfani dermaßen sauer, dass sie sofort die Beine in die Hand nahm und Fersengeld gab. Besorgt wandte sie sich wieder Mozoko zu und überprüfte die Erstversorgung der gewaltigen Halswunde.


    In der vagen Hoffnung Mozoko würde nicht draufgehen, strich sie ihm beruhigend über das kurze, blonde Haar, das jetzt blutverschmiert war. Ob er was davon mitbekam wusste sie nicht. Sie bezweifelte es, denn ihr Kumpel hatte extrem viel Blut verloren. Vorsichtig tupfte sie Mozokos Gesicht ab und behielt zeitgleich die Kämpfenden im Auge.


    Jozo hatte jetzt genug von seiner Zurückhaltung. Er hatte keinen Bock mehr auf die Truppe und wollte den Kampf beenden. Die beiden schlugen aufeinander ein, parierten Boxhiebe und Handkantenschläge. Jozo ein ganzes Stück kleiner als Alfani hatte nun den Nachteil der geringen Reichweite auf seiner Seite.


    Er schlug nach der Kehle von Alfani, dieser zuckte kurz zur Seite und bekam so nur einen gewaltigen Schlag vor die breite Brust. Weil Jozo dabei vortrat, konnte er jetzt nicht mehr zurückweichen, sondern musste den nächsten Hieb von Alfani mit den Händen parieren.


    Der Hieb von Alfani kam schneller als erwartet, der Bursche hatte sich erholt nahm Jozo zur Kenntnis. Mit Gewalt knallten dessen Handkanten vor Jozos Unterarme. Zwar hatte Jozo so einen Körpertreffer geblockt, aber durch die Wucht des Schlages wurden seine Arme taub.


    Jozo wusste, noch einen solchen Treffer und er könnte seine Arme vergessen und Alfani würde ihn gemeinsam mit Bakani demontieren. Er täuschte zum nächsten Schlag an, warf sich stattdessen aber einfach nach hinten und rollte über den Boden ab.


    „Du willst schon gehen Mäuschen? Ich dachte wir wollten es uns gemütlich machen Jo“, schnurrte jetzt Alfani und setzte Jozo nach.
    "Habs mir anders überlegt. In der Kürze liegt doch nicht die Würze. Was soll ich mit Deinem wabbligen Mini-Würstchen? Du langweilst mich jetzt schon", lachte Jo und wich aus.


    Jozos Worte und Wendigkeit brachte Alfani in Rage. Denn der Gelbe warf sich plötzlich herum und peitschte schnell und tief einen Tritt vor Alfani Schienbeine, womit der Alfani fällte.


    Jozo sprang schnell wieder auf. Wachsam hielt er Abstand als Alfani fluchtend und hinkend weiter vorrückte.
    Bakani stöhnte innerlich auf. Jozo war ein härterer Gegner als alle die er sonst kannte. Egal auf welchem Schlachtfeld – Kampf oder Matte, dass musste er dem Gelben Goblin zugestehen.


    Er hatte jeden seiner Leute bereits einmal fertig gemacht und ihn selbst auch auf die Matte geschickt. Sowohl als auch musste Bakani schmunzeln. Allerdings verging die winzige gute Laune wieder, da er wusste dass sie nicht ewig Zeit hatten. Der Gelbe würde nicht annähernd so schnell ermüden wie sie.


    Allerdings war er nach dem Wurf von Jozo so hart gelandet, dass ihm die Luft weggeblieben war. Er sah Alfani an, schaute seinem Kerl in die Augen. Alfani war müde und auch wenn es noch nicht so aussah – er war eindeutig Jozo unterlegen, dass wussten sie beide nur zu gut.


    `Zurück in den Kampf – für Dich Baby´, dachte Bakani, aber er war noch nicht richtig ganz auf den Beinen als er Feuchtigkeit in der Hosentasche spürte. Bakani griff hinein, erwartete Blut von einem Schnitt – aber da war keins.


    Erleichtert atmete er auf, als er die Quelle erkannte. Bakani blickte plötzlich zu Jozo und dann wieder auf die Phiole in seiner Hand. Ein breites böses – ja geradezu diabolisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Vorsichtig nahm er die obere Hälfte des gesprungenen Glases ab, um so viel wie möglich von der restlichen Flüssigkeit zu bewahren.


    Alfani stand mit dem Rücken nun zur Häuserwand. Der Kampf war klar. Der Wettlauf war vorbei.


    Zwar wehrte sich Alfani noch verbissen mit brutalen Schlägen, von denen einige seinen Gegner auch noch trafen, doch er war nicht flink genug es mit dem Goblin noch weiter aufnehmen zu können.


    Alfani duckte sich gerade noch rechtzeitig, ehe ein Handkantenschlag von Jozo vor die Wand hinter ihm krachte. Während Alfani versuchte wieder aus der Enge in die er gedrängt war herauszukommen, gelang Jozo ein weiterer Treffer. Alfani knurrte schmerzerfüllt auf. Keinen Augenblick später kassierte er zwei kurze Boxhiebe.


    Jetzt oder nie dachte Bakani und presste seinen Daumen auf den messerscharfen oberen Rand der Phiole und rannte los, so schnell er konnte. In einem Sekundenbruchteil war er bei Jozo und sprang diesem von hinten ins Kreuz. Was folgen würde wusste er.


    Jozo packte ihn, um ihn über die Schulter gegen die Mauer zu schleudern. Bakani wehrte sich nicht im Geringsten, sondern rammte nur mit aller Gewalt die Glasphiole in Jozos Unterarm, bevor er mit Wucht gegen die Mauer und danach ohnmächtig auf den Boden klatschte.


    Sprachlos und mit zitternden Knien schaute Alfani zu seinen gefällten Mann. Ob Jozo ihn in dem Moment erwischen würde, spielte keine Rolle mehr.


    Mit einem Satz war er bei Bakani und warf sich schützend über ihn. Er wusste, dass Jozo ihn ins Gesicht oder vor den Schädel treten würde um sein Genick zu brechen. Es war ihm gleich. Er würde Bakani nicht Jozo überlassen. Herausfordernd die Zähne fletschend schaute er sich nach Jozo um.


    Der Gelbe Goblin zog gerade wie in Zeitlupe die Glasphiole aus seinem Arm und zitterte dabei hemmungslos.


    Anklagend deutete er auf Alfani und Bakani, wollte auf beide einen Schritt zumachen doch seine Beine gehorchten dem Befehl nicht mehr. Er torkelte zur Seite, stolperte, stürzte und blieb reglos, unkontrolliert zitternd liegen.


    Bakani kam langsam zu sich und starrte auf die Fass dicke Brust seines Ehemanns. Er strich ihm einmal über den Bauch, so dass Alfani nach unten und ihm genau ins Gesicht schaute.

    „Puapo gestrichen 50 zu 50 mit Sopho – damals für Vic“, flüstere Bakani Alfani zu.
    „Einmal nützlich Dein Drogendreck“, er widerte Alfani mit grimmigem Nicken und küsste Bakani.


    „Mein kleines Miststück, ich bin stolz auf Dich. Aber das hätte nicht sein müssen. Warum macht ihr das nur immer? Bakani ich… ach man“, stöhnte Alfani und drückte seinen Mann zittrig an sich.


    Jozo blinzelte.
    Der Gelbe Goblin richtete sich lautlos hinter Alfani und Bakani auf.


    Er zückte sein zweites Kampfmesser und ein Ersatzmesser. In einer synchronen Bewegung schnitt er beiden zeitgleich von hinten die Kehlen durch.


    Jo schlackerte mit den Ohren und fixierte Becca. Die kleine Frau starrte den Goblin mit panisch geweiteten Augen an. Als sich Jo auch um das Puppengesicht gekümmert hatte, verpasste er Normia genau wie dem Rest der Truppe ein zweites Lächeln über die Kehle.


    Somit war die Bakani-Gang wieder vollständig...
    allerdings im Jenseits.

  • Der Schakal -- 200 n.d.A.


    Die Jagd auf Linichi hatte in Obenza in den unteren Gefilden begonnen. Genau jener Linichi war Jozos Ziel. Die erste Verfolgung hatte er vermasselt und ihn versehentlich gewarnt.


    Inzwischen war Linichi scheinbar über alle Berge.


    Jozo hatte seine Spur durch die Distrikte Obenza´s verfolgen können. Aber Obenza war eine vertikale Welt für sich, ein unübersichtliches Labyrinth, in dem man mühelos untertauchen konnte. Nichts was Jozo besser wusste.


    Sie hatten einen Tag damit verschwendet, in den örtlichen Spielhöllen und Bordellen nach einem Hinweis zu suchen. Sie hatten das Bild Huren, Dealern, Bettlern, Ganoven und Pennern gezeigt.


    Sie waren nicht besonders vorsichtig vorgegangen, aber dass musste man in Obenza auch nicht sein. Gesucht wurde hier immer irgendwer, von irgendwem – das war nichts besonderes.


    Zwar hatten sie noch keine Spur, aber eine Jagd die Jozo anfing führte er auch zu Ende, wenn ihn vorher nicht die Lust verließ.


    Schließlich bot ihm ein kleiner Hehler einen Handel an. Er machte im hinteren Bereich eines Clubs im untersten Bezirk seine Geschäfte, wozu auch gehörte Linichi´s Taler zu waschen.


    Danach hatte sich Linichi zurückgezogen, um Gras über „die Sache“ wachsen zu lassen.


    Der Hehler behauptete, er wüsste wo man Linichi finden würde. Gegen eine kleine Gefälligkeit würde er selbstverständlich bereit sein, diese Information an Jo weiterzugeben.


    Jozo hörte aufmerksam zu, als der Kerl ihm in Detail beschrieb, an was für eine Art Bezahlung er da dachte.


    Aber das, was er verlangte, war Jo einfach zu intim, zu persönlich, sowas machte er mit anderen und ließ es nicht mit sich machen. Stattdessen streckte er seinen Arm über den Tresen und packte den Typen am Hinterkopf.


    Gerade als er die Stirn des Hehlers zum fünften Mal auf die Tischplatte knallen wollte, fiel diesem ein wo sich Linichi aufhielt.


    Linichi hatte sich in die "Freihandelszone" des untersten Distriktes zurückgezogen. Man fand ihn gewöhnlich im Club zum leckeren Langfinger wo er seiner Spielsucht und den Damen frönte.


    Vicarri bedankte sich für die Information und beide verließen den Hehler. Sie liefen fast den ganzen Tag durch die unteren Bezirke, ehe sie ankamen und sich an die Arbeit machten.


    Der Club war ein reines Klischee. Die Musik war so laut, dass man brüllen musste um sich zu verständigen. Die Beleuchtung war gedämpft, pulsierte aber in unregelmäßigen Abständen über die Tanzfläche und die Spieltische.


    Der Laden war extrem überfüllt. Die meisten Gäste waren Touristen, die sich den Kitzel des Verruchten und Gesetzlosen aussetzen wollten. Man konnte zig Sprachen von zig Völkern aufschnappen.


    An den dicht gedrängten Tischen wurde Karten gezockt. Hinter den Tischen befand sich eine Bühne, auf Mädchen zu seltsamen Rhythmen tanzten oder besser gesagt tanzen mussten.


    Ein schwitzender, kleiner Glatzkopf forderte Jo mit einem Zwinkern zum Tanzen auf und wedelte mit einer dicken Geldkatze.


    Jozo nahm das Geld und ließ den Mann einfach stehen, was Vicarri losprusten ließ. Der Kerl motzte und schimpfte hinter Jo her, aber ihm war es gleich.


    Hinter der Bühne führte eine Treppe hinunter. Sie wurde von einem menschlichen Türsteher bewacht. Jozo drängte sich durch die Menge zu ihm hin und hielt ihm Linichis Bild unter die Nase.


    „Schon mal gesehen?“, fragte der Goblin.
    Der Bursche guckte nur finster, sagte aber keinen Ton.


    „Hör zu, der Kerl wird wegen Mordes gesucht. Er hat eine vierköpfige Familie bestialisch abgeschlachtet – einziger Überlebender der Großvater. Der alte Mann schickt mich. Also mach das Maul auf“, ranzte Jozo.


    `Eigentlich ist er der einzige Überlebende des Massackers und der Mörder bist Du Jozo, aber die Geschichte klingt auch gut´, dachte Vicarri gut gelaunt.


    Der große Kerl blinzelte für einen Moment, ehe er sich wieder gefasst hatte. Aber das Zeichen von Mitleid, wenn auch nur für einen Sekundenbruchteil, reichte Jozo aus.


    Ohne ein weiteres Wort wollte er sich an dem Türsteher vorbeischieben, doch dieser stellte sich ihm und Vicarri in den Weg.


    Mit Daumen und Zeigefinger drückte Jo blitzartig fest auf eine bestimmte Stelle aufs Schlüsselbein des Kerls, und der riesige Brocken war eher auf den Knien als er sich vermutlich je träumen ließ. Und dass ohne überhaupt noch Widerstand leisten zu können. Seine Nerven waren paralysiert.


    „Ist das nötig für so ein Stück Scheiße? Rutsch zur Seite, dann überlebst Du. Komm mir dumm und ich schlachte Dich aus“, sagte Jo.
    „Ich hab nichts gesehen“, sagte der Türsteher und zog sich ächzend zurück.
    „Wir auch nicht“, sagte Vicarri und folgte Jozo auf dem Fuße.


    Sie gingen die Treppe hinunter und erreichten einen Gang, der mit einem grauenvollen bunten Teppich ausgelegt war. Die Tapeten waren vergilbt und alles erinnerte an den Slum den die unteren Gefilde darstellten.


    "Jo das heißt ich schlachte Dich ab, nicht ich schlachte Dich aus", grinste Vic.
    "Kleiner Klugscheißer", grinste Jo zurück.


    Sie näherten sich vorsichtig der ersten Tür, flankierten sie links und rechts und klopften. Es kam keine Antwort, aber die hatten sie auch nicht erwartet. Jozo stieß sich an der Wand ab, holte aus und trat mit voller Wucht dicht unter das Schloss.


    Die Tür krachte samt Rahmen in das Zimmer. Mit erhobenen Armbrüsten standen die beiden im Raum, aber es war niemand drin, den sie hätten hinrichten können.


    „Eins weiter komm“, sagte Vicarri und schlich langsam vor.


    Diesmal folgte ihm Jo. Sie gingen zur nächsten Tür und konnten gerade einmal klopfen, als eine Armbrustsalve durch die Tür antwortete.


    Die Tür zersplitterte und Vicarri und Jo mussten gegen ihren Willen breit grinsen. Das war nach ihrem Geschmack. Wenn so ein Mistbock auch noch Widerstand leistete, gab es überhaupt keinen Grund mehr sich zurückzuhalten.


    Spontan schrie Vicarri mit so viel Schmerz und Gejammer auf, wie er aufbringen konnte.


    „Bei Ainuwar, ich verblute“, kreischte er und Jo biss sich in den Ärmel seiner Jacke. Sie hörten Gelächter und das Nachladen der Waffe.


    Linichi betrat den Gang, die Armbrust im Anschlag, die Waffe auf sein vermeintliches Opfer gerichtet. Er konnte gerade noch erkennen, dass der Bursche gar nicht getroffen war, als ihm Vicarri die Handkante brutal ins Gesicht schlug.


    Linichi´s Kopf prallte gegen den Türrahmen und Jozo trat ihm gegen das rechte Knie, während er ihm mit der linken Hand die Armbrust aus der Hand riss. Beide Manöver liefen fließend ab. Vicarri und Jo arbeiteten wie geschmiert zusammen.


    Keine Minute später nach seinem Schuss, lag Linichi auf dem Boden und seine eigene Armbrust zielte auf ihn. Jozo umrundete ihn, und deutete Vicarri an den Gang zu sichern.


    Er schaute kurz in das Zimmer, in dem eine kleine, bleiche Golbin lag. Verängstig hatte sie sich in die Decke gehüllt und starrte ihn mit großen Augen an. Jo nickte Richtung Hinterausgang und warf der kleinen, grünen Frau die Armbrust zu.


    „Lauf Kleine, so lange Du noch kannst. Und töte alles, was sich Dir in den Weg stellt. Hau ab. Geschenk vom gelben Goblin“, grinste Jozo.


    Sie schlang sich in ihren dünnen Fetzen, grabschte sich die Waffe und stürmte an ihnen beiden vorbei. Nicht ohne noch für einen Sekundenbruchteil stehen zu bleiben und Jozos Schulter zum Dank zu drücken.


    "Enni, mein Name ist Enni", flüsterte sie.
    "Jozo", gab der gelbe Goblin zurück.


    Enni nickte und rannte davon.


    Jo wiederrum drückte seine Armbrust in den Nacken von Linichi.
    „Die Hände hinter den Rücken Du Wixxer. Du weißt ja wie´s läuft“, fauchte er.
    Widerwillig gehorchte Linichi. Mit Handschellen fesselte Jozo ihm die Arme auf den Rücken.


    „Aufstehen“, befahl Jozo.
    „Lass mich gehen“, sagte Linichi, während er dem Befehl gehorchte, „Es ist nicht so wie Du denkst, ich habe den Kindern nichts getan“.


    „Natürlich nicht, das war ich Du Trottel. Beweg Dich. Die Treppe rauf und zwar langsam“, zischte Jo.


    Linichi setzte sich in Bewegung. Er drehte seinen Kopf gerade so weit, um noch erkennen zu können wohin er lief, und behielt trotzdem Jozo im Auge.


    „Ich schwöre ich halte dicht, ich habe Dich nie gesehen“, versuchte es Linichi erneut.
    „Interessiert mich nicht. Du lebst so lange Du läufst Linichi, nicht länger“, sagte Jozo kalt.


    Linichi schüttelte den Kopf.


    „Ich kann Dich bezahlen. Wie viel willst Du?“, fragte der Kerl.
    „Fataler Fehler. Mir gehts darum, dass Du für immer die Schnauze hältst. Ich will Dich nur tot sehen, mehr nicht“, grinste Jozo.
    „Natürlich geht es Dir ums Geld. Du bist doch Kopfgeldjäger oder?“, fragte Linichi.
    „Ich? Nö. Sehe ich so aus? Nur Jäger, nicht mehr nicht weniger und jetzt halt´s Maul. Du beginnst mich zu langweilen“, sagte Jo desinteressiert.


    Sie waren ungefähr auf der Hälfte der Treppe, als er den Rausschmeißer sah. Er gab ihm ein Zeichen und blockierte für jemand anderes den Weg. Jozo konnte nicht erkennen, was sich hinter dem breiten Typen abspielte.


    Plötzlich änderte sich die Atmosphäre. Es war schlagartig totenstill in dem Club. Niemand war mehr zu hören. Die Schreie und das Gelächter der Gäste waren verstummt. Das verhieß nie was Gutes.


    „Runter“, befahl er Linichi.


    Hinter Linichis verwunderten Gesichtsausdruck konnte Jo sehen, wie der Türsteher zu Boden ging. Dahinter kam ein Mann zum Vorschein. Er war groß, schlank, mit breiten Schultern. Dieser Eindruck verstärkte sich noch durch die Schutzrüstung und Panzerung die er trug.


    Seine Rüstung war mattschwarz, ebenso sein Helm. An seinem Gürtel hing eines der teuersten und besten Kampfmesser. Eine Repetierarmbrust steckte in einem Brusthalfter und ein rasiermesserscharfes, dünnes Schwert hatte der Kerl gezogen.


    In dem Moment wusste Jozo, dass er nicht nur einfach Ärger bekommen würde.
    Er wusste, dass er bis zum Hals in der Scheiße steckte.


    Der Mann gehörte den schwarzen Panthern an.
    Sie gehörten der absoluten Elite der Kopfgeldjäger an.


    Die Büttel, die anderen Zünfte, die Vollstrecker oder selbst die Meuchelmörder mit denen man es schlimmstenfalls zu tun bekommen konnte, waren ein Witz gegen diese Burschen.


    Schwarze Panther wurden aus sämtlichen Assassinen-Zünften rekrutiert. Ein Killer mit fast 100 Prozent Erfolgsquote und unumstößlicher Loyalität – sowas fand man in ihren Reihen.


    Sie waren das Beste vom Besten, sowohl was ihre Bewaffnung als auch ihr Training und ihre Taktik anging. Sie waren die Gilde, die man dann anheuerte, wenn ein eigener Assassine die Flucht ergriffen hatte und man ihn zu Fall bringen musste.


    Sie waren jene Jäger und Killer, die ausgebildet waren Killer zu jagen und zu töten.
    Und sie zu beauftragen, war gewaltig teuer.


    Innerhalb einer Millisekunde pumpte das Adrenalin diese Fakten in Jozos Hirn.
    Die Treppe war eine Todesfalle.
    Der Panther war bestimmt nicht allein.
    Normalerweise arbeiteten sie im Quartett, was ihre tödliche Effizienz noch steigerte.


    Noch während Jozo überlegte, fluchte er vor sich hin. Die geplante Fluchtmöglichkeit aus dem Club konnte er nicht nutzen, ohne der kleinen Frau und Vicarri in den Rücken zu fallen. Er würde vermutlich beide noch brauchen, er konnte sie nicht wegwerfen. Er musste einen anderen Weg finden.


    Zu spät. Jo zuckte zusammen, als der Panther sein Schwert auf Jo richtete.


    „Jozo Yamanlar“, sagte der schwarze Panther.
    Der Helm verzerrte seine Stimme seltsam ins tonlose.


    „Sie sind verhaftet. Sie werden des 204fachen Mordes beschuldigt und abgeurteilt. Lassen Sie Ihre Waffe fallen, ich bin berechtigt Sie notfalls zu töten. Geben Sie auf, dann wird Ihnen nichts geschehen.
    Laut Suchprotokoll sind Sie in malgorische Sicherheitsverwahrung zu überstellen. In Abwesenheit wurden Sie zur lebenslangen Sicherheitsverwahrung verurteilt, aufgrund Ihrer Geisteskrankheit. Sobald Sie gesichert sind, können Sie das Urteil einsehen“, sagte der Panther freundlich.


    „Du ich glaub der meint Dich“, lachte Linichi.
    „Halt die Fresse“, fauchte Jozo.


    Jo war mehr als unzufrieden und ließ seine Armbrust fallen.


    „Sehr gut. Nehmen Sie die Hände über den Kopf und verschränken Sie die Finger“, befahl der Panther. Jozo gehorchte. Er versuche, die Kontrolle über die Situation zu behalten.


    „Sie haben den Falschen erwischt…“, setzte er an.
    „RUHE!“, bellte der schwarze Panther.


    „Laut Protokoll Ihres Krankheitsbildes sind Sie manipulativ. Dass heißt sollten Sie noch einmal ungefragt das Wort an mich richten oder sollten Sie nochmal versuchen mit mir zu kommunizieren, muss ich das als Widerstand werten und werde Sie sofort exekutieren. Haben Sie das verstanden? Sie dürfen antworten“, sagte der Panther wieder freundlich.


    „Ja verstanden“, antworte Jozo zerknirscht.


    Linichi warf sich in die Brust.


    „Sire Entschuldigung, aber dürfte ich bitte aus der Schusslinie treten?“, fragte er geradezu schleimig.


    „Natürlich“, gestattete der Panther und legte seinen Kopf schief, als lausche er etwas unhörbarem, während sich Linichi neben den schwarzen Panther stellte und Jozo ein hämisches Grinsen zu warf.


    „Sind Sie nicht Linichi der „Glücksspiel-Glückspilz“?“, fragte der Panther.
    „Richtig der bin ich. Ein Profi auf meinem Gebiet. Die Karten sind meine Leidenschaft wissen Sie?“, erzählte Linichi leichthin.


    „Genau wie Betrug in 117facher Form. Fahnungsobjekt 72.335 laut Liste“, sagte der Panther und feuerte eine Salve aus seiner Armbrust in die Brust von Linichi. Der Mann kippte tot zur Seite weg und man hörte Angstschreie von den Mädchen auf der Tanzfläche.


    Ein kurzes befehlendes Bellen ertönte von einem anderen schwarzen Panther und sofort waren sie leise.


    Jo musterte Linichi und grinste über beide Ohren.
    "Der Glücksspiel-Glückspilz, man hatte der ein Glück", murmelte Jozo und zuckte mit den Ohren.


    „Für ihn stand keine Ergreifung, sondern eine Liquidierung aus. Für Sie steht eine Inhaftierung aus, samt anschließender Sicherheitsverwahrung. Dass Sie nicht auf dem Block enden, verdanken Sie Ihrem Vater. Zudem werden Sie auch zum Schutz der unbescholtenen Bürger und zur Erforschung Ihrer Krankheit dem Tempel überstellt.
    Ich denke damit können alle Seiten "leben". Drehen Sie sich um und gehen Sie die Treppe hoch Jozo. Vermeiden Sie alle plötzlichen Bewegungen. Wenn Sie versuchen mich zu treten oder zu fliehen, werde ich das Feuer eröffnen“, sagte der Mann wieder in seinem höflichen Singsang.


    "Das ist fair, denn ich habe noch nie beim Kartenspielen gemogelt", murmelte Jozo.


    Die Erkenntnis, dass er gefangen war, dass es keinen Ausweg gab, erfüllte Jozo mit Angst. Er drehte sich um, kämpfte gegen die aufsteigende Panik an und ging Stufe für Stufe die Treppe hinauf.


    Als er oben angelangt war, hörte er Metall an Metall reiben und erschrak. Sie würden ihn fesseln. Logisch sie wollten, dass er sich nicht bewegen konnte. Er spürte den Lauf der Armbrust im Nacken und hörte den Befehl still zu halten.


    Hände griffen nach ihm und fassten so hart zu, dass Jo die Gewalt dahinter spürte. Die "stählernen Hände" befingerten seine Hüfte und nahmen ihm seine zwei Messer ab. Die Hände setzten ihre Suche fort, wanderten über seinen Rücken, seinen Nacken, über seinen Schädel und die Arme hinunter – bis er komplett abgetastet war.


    „Jetzt sind Sie sauber“, sagte der Panther während ein zweiter sich zu ihm gesellte und ihm die Handschellen reichte.


    „Ich geh auf Nummer sicher und nehm die aus Leder. Ich denke doch dass unser Freund seine Hände nicht verlieren möchte und dann kooperativ bleibt – richtig? Antworten erlaubt“, sagte der erste Panther.
    „Ich kooperiere doch schon“, sagte Jozo gleichmütig.


    „Kann man das als Widerspruch werten? Er sagte zwar er kooperiert, aber die Worte klangen wie Widerworte. Wir sollten ihn disziplinieren. Ließ seine Akte, er sollte nicht in Haft kommen Jurig, glaub es mir. Das Ding ist ein Monster, ein kranker Irrer, ein schwebendes Schwert über unschuldigen Häuptern“, warf der zweite Panther ein.


    `Wie poetisch´, grummelte Jozo gedanklich.


    „Kooperation, ist kein Widerstand. Und Vertrag ist Vertrag. Sollte unser quittegelber Freund erneut ausbüchsen, fangen wir ihn wieder ein und streichen noch mehr Taler ein. Also was schert es uns“, sagte der erste Panther.


    „Der Kerl ist ein kriminelles, mordendes, irres Subjekt. Dann sollten wir ihn wenigstens lebend unschädlich machen. Er muss doch nicht bei voller Gesundheit sein, wenn er vor den Richter tritt oder? Er ist gestürzt, hat sich das Rückgrat gebrochen. Ab dato ist die Gefahr vorbei. Irgendwas… Du verstehst schon“, lachte der zweite Panther.


    „Was hast Du gesagt? Wir haben einen Ruf zu verlieren“, hakte der erste Panther nach.
    „Schon verstanden“, antwortete der zweite.


    Die Hände griffen erneut nach Jozo. Dieses Mal packten sie sein rechtes Handgelenk. Mehr konnte er nicht ertragen. Die Erinnerung an seine damalige Gefangenschaft im Tempel kam ihm wieder hoch. Nichts was er mehr verabscheute als angekettet, eingesperrt oder wem hilflos ausgeliefert zu sein.


    Sie hatten versucht in Gefangenschaft seinen Willen zu brechen. Die Erinnerung, wie sie ihn halb tot gefoltert hatten nur um ihn zu heilen und es erneut zu versuchen, so lange bis er einknicken würde kam ihm wieder hoch.


    Die Erinnerung an Schmerzen, die er sich vorher nicht mal vorstellen konnte. Sie wollten ihn brechen, eine ihrer Marionetten aus ihm machen. Er war nicht eingeknickt, er würde auch diesmal nicht einknicken.


    Zur Hölle mit dem Pack, sollten sie ihn eben umnieten. Als das er sich brechen lassen würde von diesen Unwürdigen!


    Er brüllte vor Wut, Angst und Zorn auf. Er wand sich, duckte sich und drehte sein Handgelenk so lange herum, bis er den Panther in seiner Gewalt hatte und nicht umgekehrt. Wie viele Handknochen er sich dabei brach war ihm im Moment egal, es war kein Vergleich zu dem, was sie ihm im Tempel erneut antun würden.


    Mit Schwung warf er den schwarzen Panther über die Schulter und renkte sich beinahe das Kreuz aus, da der Kerl wesentlich schwerer war, als seine Statur vermuten ließ.


    Als er sich umdrehte, explodierte ein rotes Feuerwerk hinter seinen Augen. Ein weiterer Schlag schickte ihn auf die Knie.


    Jozo blinzelte und blickte auf. Der erste Panther richtete sich wieder auf und zwei weitere kamen hinzu. Das Quartett war zusammen. Wieder wurde er von einem Schlag getroffen, diesmal am Kinn. Er lag mit dem Gesicht auf dem Boden und konnte den verschütteten Schnaps riechen.


    Stählerne Hände, eigentlich Hände in Stahlhandschuhen - griffen brutal nach ihm und verzweifelt versuchte er sich zu befreien. Er trat wie besessen um sich, erwischte einen der drei Panther vor der Brust mit einem brutalen Kick und dieser folg rückwärts die Treppe runter.


    Der Kerl versuchte noch sich abzufangen, aber seine zu Klauen geformten Finger griffen ins Leere. Bis zu Jozo und den Panthern oben konnte man das Brechen seines Genicks hören.


    Die Gesichter der drei verbleibenden Panther unter den Helmen wollte sich Jo in dem Moment lieber nicht ausmalen. Wütend schlugen und traten sie auf ihn ein und er versuchte sich so gut es ging zu wehren. Aber irgendwann hatte kaum noch Kraft.


    Er wurde wie ein Stück Fleisch auf den Boden geknallt und ein Panther trat ihm mit dem Stiefel in den Nacken, während das Gewicht von den beiden anderen auf seinem Rücken seinen letzten Widerstand brechen sollte.


    Er konnte Blut in seinem Mund schmecken. Er hob minimal den Kopf und blickte auf den Kampfstiefel des einen Panther.


    Der Club war inzwischen völlig leer…
    …bis auf Vicarri, den er durch den Rauchstangendunst auf sich zukommen zu sehen glaubte.


    Jozo fragte sich, ob er aufgrund der Schläge halluzinierte. Vic trug ebenfalls eine dieser Armbrüste. Dann glaubte er zu sehen, wie Vic das Feuer eröffnete.


    Die Panther waren zu vier Mann angerückt. Vicarri hatte unten Stellung bezogen um den Fluchtweg zu sichern, als neben ihm der Kerl in schwarzer Montur aufschlug, als sei er vom Himmel gefallen.


    Er hatte sich sofort die Waffe gegriffen, und war nach oben geschlichen. Einfach loszustürmen, war bei diesen Leuten zu riskant. So hatte er wenigstens den Überraschungsmoment auf seiner Seite, und zweitens vertraute er voll und ganz auf die Fähigkeiten von Jozo. Er wusste wie tödlich Jo sein konnte, wenn er nur wollte.


    Er sah ihn, sobald er wieder in dem Gang war. Sein Anblick erschütterte Vicarri und er empfand Mitleid mit seinem Kerl. Seine Kehle schnürte sich zusammen und er spürte den bitteren Geschmack des Adrenalins in seinem Mund.


    Sie hatten Jozo umzingelt, und zwei von ihnen drückten ihn mit ihren Knien auf den Boden. Ganz so wie in seinem schlimmsten Alptraum.


    Scheiß Panther in ihren Alptraumrüstungen. Ihre Rüstungen waren sowohl darauf ausgelegt sie zu schützen als auch Respekt einzuflößen und Jozo sah in diesem Moment wirklich winzig gegen sie aus, was Vicarris Beschützerinstinkt wachrief.


    Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, das Jo aus Mund und Nase extrem blutete und erneut versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.


    Jozo gab nicht auf!
    Vicarri wusste, dass Jo nie aufgeben würde, sie würden ihn totschlagen.


    Vicarri zielte auf den Hals des nächsten Panthers. Er wusste aus leidiger Erfahrung, dass die Panther einen Nackenschutz trugen. Dieser Schutz hielt allem stand, allerdings nicht ihren eigenen Spezialwaffen. In ihren Augen war es unmöglich einen der ihren zu entwaffnen.


    Die Bolzen in diesem Magazin waren Spezialanfertigungen.
    Normalerweise schoss Vicarri nicht mit einer Armbrust und schon gar nicht mit solchen Waffen. Erstens war es bei seinem Job nicht nötig und zweitens hatte er gar kein Geld für solche Spezialwaffen.


    Er würde mehrfach nachsetzen müssen. Vicarri eröffnete das Feuer. Ein Schwarm von Bolzen durchbohrte den Hals des ersten Panthers und dieser stürzte tot zu Boden.


    Er nutzte den Überraschungsmoment aus und konnte auf einen weiteren der Männer feuern. Er durchsiebte dessen Brust und brachte ihn mit sechs Treffern zu Fall.


    Als der letzte der Panther das Gegenfeuer eröffnete sprang Vicarri in Deckung. Er hörte Glas und Holz splittern, der Lärm der Waffe wurde von der Musik übertönt die immer noch irgendwoher dröhnte.


    Vicarri sprintete von Deckung zu Deckung während ihn der Panther verfolgte. Vic konnte die Schüsse die ihn knapp verfehlten, mehr fühlen als hören. Gerade als er dachte er würde es schaffen aus der Situation lebend herauszukommen war der Panther über ihm.


    „Was für ein idiotischer Tod“, murmelte Vicarri leise während der Panther auf ihn herab starrte.


    Die Sekunden zogen sich immer mehr in die Länge, als er auf den tödlichen Bolzen wartete. Vicarri fragte sich warum er noch lebte und der Panther nicht schoss. Worauf wartete der Kerl eigentlich?


    Vicarri wirbelte herum, sprang in eine weitere Deckung und war bereit erneut zu feuern. Wozu jedoch überhaupt kein Grund mehr bestand. Der schwarze Panther ließ seine Armbrust fallen. Als Vicarri ihn genau musterte erkannte er, dass nun Jozo hinter dem Kerl stand und ihm die Armbrust eines Kollegen in den Nacken drückte.


    "Alles in Ordnung Vic?", fragte Jozo und zog die Nase hoch.
    "Alles gut Jo", antwortete Vicarri.
    "Komm her, ist Deine Beute Baby", säuselte Jo und rotzte Blut weg.


    Vicarri gesellte sich zu Jozo und starrte auf den Panther herab.


    „Nimm den Helm ab“, befahl er.
    „Sich zu demaskieren ist verboten“, sagte der Mann tonlos.


    „Nun Du kannst es jetzt tun, oder ich pumpe Dir eine Salve in den Schädel und guck dann selber nach. Was meinst Du? Wie wollen wir vorgehen?“, fragte Vicarri und stieß ihm den Lauf der Waffe in die Rippen.


    „In Ordnung. Dafür muss ich die Hände hochnehmen, ich werde nicht angreifen“, sagte der Mann. Er nahm langsam den Helm ab und bewegte sich dabei wie in Zeitlupe um seinen Feinden keinen Grund zum feuern zu liefern.


    Jozo musterte den Kerl. Musterte die seltsame Narbe auf der Stirn.


    „Guck hoch“, befahl Jo.


    Der Panther gehorchte. Was immer der Helm sonst auch verbarg, der Panther darunter war trotz modernster Rüstung auch nur ein Mensch. Der Blick des Panthers verriet aber weitaus mehr.


    Er hatte nicht nur den Kampf verloren, seine Augen sagten Jo und Vicarri, dass er mit dem Tod seiner drei Kameraden alles verloren hatte.


    „Wenn Du lange genug geglotzt hast, bring es zu Ende „gelber Goblin“.
    Schreib Dir auf die Fahne, dass Du kranker Bastard vier schwarze Panther getötet hast. Du und der Schakal, meine Hochachtung!


    Ich würde Euch ja gerne vor Ehrfurcht vor die Füße kotzen, aber leider habe ich nichts gegessen vor dem Einsatz. Ich hoffe Ihr nehmt mir das nicht krumm“, zischte der Kerl.


    „Nö, nicht sonderlich“, sagte Vicarri trocken und riss den Abzug durch.


    Jozo betrachtete Vicarris Werk und nickte anerkennend.


    „Du hast mir den Arsch gerettet Baby, heute Nacht komplett Deine Spielregeln Vic. Dein Rufname ist der Schakal? Klingt gut. Ich bin der gelbe Goblin", lachte Jo.
    "Angenehm", grinste Vic.

  • Vaters Sohn


    Aufgelöst und ziemlich kopflos rannte der kleine Tiefling in der Wohnung auf und ab. Er zitterte am ganzen Leib und kaute geistesabwesend immer wieder an seinen Fingerklauen. Endlich klopfte es an der Tür. Einmal, kurz, kaum hörbar aber für seine Ohren klang es wie die Verheißung der puren Erlösung.


    Schnell stürmte er zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und ließ den gelben Goblin hinein. Direkt hinter ihm schloss er die Tür wieder. Jozo schaute sich in der Wohnung um und witterte. Blut, Unmengen von Blut. Der Geruch alleine zauberte dem gelben Goblin ein Grinsen ins Gesicht. Er ging geradezu beschwingt in den angrenzenden Raum, der Geruchsspur folgend.


    Ein Mensch lag abgeschlachtet auf dem Boden. Eine Decke lag unter dem Kerl, aber diese hatte sich bereits voller Blut gesogen. Jozo musterte das Werk, seine Ohren zuckten vergnügt.


    Banekin gesellte sich sofort an die Seite seines Vaters und deutete auf den Mann.


    "Papa hilf mir. Ich weiß nicht was ich tun soll. Es ist schrecklich", wisperte der kleine Tiefling.


    "Alles gut, mein erstes Opfer war genauso unsauber", antwortete Jo und tappste Banekin aufmunternd auf den Schädel um ihn zu beruhigen.


    "Nein...", setzte Bane verzweifelt an, aber Jo unterbrach ihn direkt.
    "Stimmt. Meins sah besser aus. Hey, das ist Übungssache. Wie alles im Leben. Zuhören Knirps. Zuerst musst Du lernen sauber zu arbeiten. Du musst so sauber arbeiten, als wärst Du eine Maschine, ein Konstrukt, ein Ding.


    In Perfektion musst zu zustechen und schneiden. Jeder Schnitt muss sitzen. Die Schnelligkeit Kleiner, die kommt dann von ganz allein. Ehe ich es vergesse, Vic hatte Recht. Du bist ein Teil von mir. Dein Opfer ist mein Opfer. Respekt, gute Leistung Bane", freute sich Jozo aufrichtig.


    "Papa guckt doch hin!", sagte der Tiefling aufgelöst.
    Jozo schaute sie den Toten genau an, witterte und zuckte dann mit den Schultern.
    "Ich verstehe nicht", gab er zu.


    "Der Mann hat Mama erpresst. Er hat gesagt, wenn wir nicht jeden Monat 100 Taler bezahlen, würde er die Taverne in Kleinholz verwandeln. Da habe ich ihm gesagt, ich gebe ihm das Geld. Hier war der vereinbarte Treffpunkt. Ich wollte verhandeln, weil so viele Taler habe ich nicht.


    Da ist er wütend geworden, hat mich angegriffen und auf mich eingeschlagen. Mein Messer war auf einmal in meiner Hand und dann lag er da...", schniefte Banekin.


    "Jetzt verstehe ich. Du darfst doch nicht ehrlich verhandeln! Wer bringt Dir so ein Mist bei? Dein Trick war gut. Während Du verhandelt hast, als der Penner noch arglos und nicht wütend war, da hättest Du ihn schon abstechen müssen!
    Freiquatschen nennt man das. Rede dem ein Kotelett an die Backe und mittendrin ohne jede Vorwarnung greifst Du an und schlachtest ihn ab. So überrumpelt man wen!


    Sieh die Prellungen als Lehrgeld für Dein schlechtes Timing. Prellungen heilen, der ist tot", lachte Jo und knuffte Bane.


    Bane blinzelte in Zeitlupe und zwirbelte an einem seiner langen Ohren.


    "Aber Papa...", setzte er an.


    "Sag nichts! Ich hab Deinen Fehler gefunden. Ich bin schon ein bisschen betriebsblind. Hab das Offensichtliche übersehen. Der Kerl liegt noch hier, so bekommst Du den nie weggeschafft. Also wir zerlegen ihn jetzt in kleine Päckchen und dann schaffen wir ihn weg. Ich weiß auch schon wie wir ihn entsorgen. Schon mal ein Hühnchen entbeint?", fragte Jo vergnügt glucksend.


    Bane musterte seinen Vater einen Moment sprachlos.


    "Bane starr mich nicht an wie ein Grenzdebiler! Antworte!", forderte Jo.
    "Hühnchen", fiepte Bane.


    "Herje, Du bist doch hoffentlich nicht so ein "Haustiertyp"? Woher kommen wohl die Frikadellen? Das war auch mal Viehzeug. Der Kerl ist nichts anderes - Fleisch an Knochen! Bisschen viel auf einmal was?


    Na gut. Dein Einstieg war gut, das Opfer groß und nun bist Du überfordert. Deine Augen waren grösser als Dein Können.


    Normal nicht mein Ding hinter anderen aufzuräumen. Nein nein.
    Aber da Du es bist, mach ich eine Ausnahme.
    Verschwinde, ich kümmere mich hier um alles", sagte Jozo.


    Ohne die Antwort von Bane abzuwarten, hockte sich der gelbe Goblin auf den Toten, zückte sein Messer und fing an ihn fachmännisch zu zerlegen.

  • Süßkringel


    Jozo hatte sein Opfer an der Kehle gepackt. Die Krallen des Goblins schlossen sich unbarmherzig um den Kehlkopf seines Opfers. Mit geradezu perversem Vergnügen zückte er sein Messer und setzte es an die Gurgel des Mannes.


    Jo wollte sich Zeit lassen bei dem Schnitt, jeden Millimeter ausgiebig genießen.


    Zur Absicherung musterte er kurz die Gegend und erstarrte. Binnen eines Sekundenbruchteils riss er sein Opfer herum und drehte dessen Schädel zu einem Schaufenster.


    "Schau Dir das an!
    Zwei Süßkringel zum Preis von einem!
    Ich werd feucht im Schritt!
    Sattessen!
    Was ein Angebot!
    Ist das ein Angebot oder nicht?",
    lachte Jo.


    Sein Opfer nickte mit Untertassen großen Kuhaugen. Jozo ließ sein Opfer fallen und hüpfte gut gelaunt Richtung Bäckerei.


    Der Mann rappelte sich auf und rannte wie besessen los. Er stolperte mehr über seine eigenen Beine, als dass er tatsächlich rannte. Dabei kreischte er wie von Sinnen und verschwand um die nächste Ecke.


    Jozo schaute ihm verdutzt hinterher.


    "Ich hab mich auch über das Angebot gefreut! Aber der Kerl, der übertreibt echt", murmelte Jo kopfschüttelnd.

  • Die Maske


    Vicarri streichelte Jozo und küsste ihn zärtlich.


    "Jo tust Du mir einen Gefallen?", fragte der grüne Goblin.
    "Kommt drauf an", antwortete Jozo und kraulte Vic.


    "Sag mir einmal ehrlich was Du für mich empfindest", bat Vic.
    "Ehrlich? Du würdest es nicht begreifen", grinste Jo.


    "Doch. Und falls nicht, ich möchte es trotzdem hören", erklärte Vicarri.


    Jozo setzte sich auf und musterte Vicarri. Er schaute den anderen Goblin ernst an.
    Vic schaute zurück.


    Er schaute das erste Mal in Jozos Gesicht ohne Maske. Ohne verstellendes Lächeln, ohne tarnende Mimik, ohne einstudierte Gesten.


    Er schaute in Augen mit einem tödlichen, düsteren Ausdruck.


    Vicarri spürte das erste Mal ungefiltert, welche Art Wesen vor ihm saß.
    Ein Raubtier, grausam, sadistisch, ohne einen Sinn für Reue oder Schuld.
    Ohne jede Form von Gewissen.


    Solche Augen meinten Menschen, wenn sie von Dämonen sprachen, wenn sie von dem Bösen sprachen.


    Vicarri spürte die imense Gefahr die von Jozo ausging. Von seiner puren Anwesenheit und seinem fremdartigen Denken.


    Die Gefahr war greifbar nahe, lag wie Strom in der Luft, dass man sie wie ein Kribbeln auf der Haut spürte.


    Zeitgleich spürte Vic, dass ihn dieses Wesen nicht töten würde. Die Gefahr galt jedem, war allumfassend. Aber ihm und wenigen Auserwählten wurde Gnade zu Teil. Sie hatten Existenz verdient.


    'Aber warum? Liebe?', überlegte Vicarri und strich Jo über den Kopf.
    "Nein", antwortete Jo schlicht, als hätte er Vicarris Gedanken gelesen.


    Vic musterte Jo. Er hatte ihn um diesen Einblick gebeten, dennoch kroch Angst sein Rückgrat hoch.


    Der Blick in schwarze, gnadenlose Augen. Man sagte den Augen nach, Spiegel der Seele zu sein. Jozos Augen spiegelten keine Seele, sie spiegelten einen Abgrund. Eine Hölle in deren Reich er unangefochtener Herrscher war, auf einem Thron aus verrottenden Leichen.


    Er ließ sich Zeit mit der Erklärung.
    Als Vic dachte, Jo würde schweigen, sprach der Gelbe doch.


    "Du hast einen hohen Wert für mich Vicarri. Du bist nützlich. Du bist gehorsam. Du bist effektiv. Du bist befriedigend. Du bist ein erstklassiges Allzweckwerkzeug. Kein fleischliches Werkzeug war mir jemals so nützlich wie Du.


    Niemand diente mir je besser als Du.
    Niemand, wirklich niemand.


    Kigyo und Du, Ihr seid mein liebster Besitz, meine Lieblingsspielzeuge. Erst nach Euch kommt Zwicki.


    Ich wurde Deinen Verlust bedauern. Und ich würde immer versuchen Deinen Verlust oder Deine Beschädigung zu verhindern.


    Solange Du intakt bleibst. Ansonsten werde ich Dich in guter Erinnerung behalten. Wenn es je so kommt Vic, dann werde ich Dein Gesicht verwahren", flüsterte Jo und strich mit den Fingerspitzen über Vicarris Gesicht.


    Es war eine sanfte, federleichte und zärtliche Berührung, aber Vic spürte die eisige Kälte dahinter.


    Vicarri musterte Jozo erneut. Was immer Jozo tatsächlich war, er wusste es nicht. Vermutlich wusste es Jo selbst nicht einmal. Und trotz allem, trotz der Gefahr, der Fremdartigkeit, der Kälte und des Abgrunds der in Jozo lauerte liebte er dieses Wesen.


    Vic küsste Jo liebevoll auf den Mund.


    "Danke", sagte er leise.
    "Bitte", flötete Jo und schlackerte mit den Ohren.


    Der Gelbe legte den Kopf schief, blinzelte und grinste.
    Seine Maske saß wie immer perfekt.

  • Badespaß -- 202 n.d.A. Obenza/Söldnerlager


    Es war ein herrlicher Abend, unser Opfer saß im Badezuber und genoss das heiße Wasser. Er tauchte unter um sich den Stress von der Seele zu waschen.


    Als Meqdarhan wieder auftauchte und sich das Wasser aus den Augen strich, ließ ihn ein gezwitschertes „Kuck-kuck“, hochfahren. Er blickte in Jozos und mein vermummtes Gesicht.


    Wir hockten am Fußende des Zubers.
    Jozo rührte das Badewasser mit einem Zeigefinger um.


    „Hallo Meq-Mäuschen“, flötete Jo gut gelaunt.


    Meqdarhan wurde eiskalt trotz des heißen Wassers. Er setzte sich kerzengerade hin und schaute meinen Kerl an. Vermutlich hatte er an der gelben Pfote die in seinem Badewasser spielte erkannt, von wem er gerade Besuch hatte.


    „Wer seid Ihr und was macht Ihr hier bekleidet im Badehaus? Was möchtest Ihr noch zu so später Stunde?“, fragte er freundlich um das Gespräch direkt wohlwollend zu beginnen.
    „Du könntest mir sagen warum Du Firxas bei seinem Vorgesetzten angeschwärzt hast. Kein feiner Zug von Dir. Nein – nein“, sagte Jozo in einem kindlichen Singsang.


    Er war mal wieder fast auf "der anderen Seite", kurzum er war voll drauf.
    Der nackte Truppenführer im Badezuber starrte Jozo an und scheinbar wurde ihm kalt.


    „Du musst eindeutig an Deiner Führungsqualität arbeiten“, erklärte Jo gespielt beleidigt.


    „Mein Junge, dass verstehst Du falsch. Ich wollte Firxas doch nichts Böses. Aber es ist meine Pflicht die Disziplin der Gruppe aufrecht zu erhalten. Ich muss Fehlverhalten melden“, sagte Meqdarhan und hoffte Jozo würde endlich seine Pfote aus dem Wasser nehmen, dass sah man dem Kerl an. Doch Jo schien überhaupt nicht daran zu denken sondern moderte weiter im Badewasser rum.


    „Fehlverhalten nennst Du seinen aufopfernden Dienst?
    Wie mir über meinen lieben Freund Firxas zugetragen wurde, geht er nachts allein Streife und jagt Verbrecher die in unser Gebiet eindringen! All jenen Abschaum die das schöne Obenza verschandeln und bedrohen! Meine geliebte Heimat!


    Er schiebt sogar Dienst in Seplunken, Kneipen, Tavernen und Pfuffs, damit sich die Leute dort ohne Angst entspannen können. Ich zum Beispiel, bin sehr gerne in seiner beruhigenden Nähe.


    Er versieht seinen Dienst, damit solche Stümper wie Du in Ruhe schlafen können. Da ist man morgens schon mal müde. Ich finde, man sollte den Mann vom Frühsport befreien. Ganz ehrlich. Frühsport ist niemandes Ding. Was meinst Du Meq?“, fragte Jozo mit zuckersüßer Stimme.


    „Darüber lässt sich wirklich reden. Daran hatte ich nicht gedacht. Entschuldige bitte. Weißt Du was? Ich trockne mich schnell ab und werde noch heute mit Firxas darüber sprechen. Wie findest Du das?“, sagte Meqdarhan väterlich gönnerhaft, stand schnell auf um aus dem Wasser zu steigen.


    „Setz Dich mit Deinem fetten Arsch sofort wieder hin“, geiferte Jozo so bedrohlich, dass sogar ich neben ihm zusammenzuckte.


    Der Truppenführer guckte Jo gequält an, gehorchte aber sofort.


    „Siehst Du Meq, so ist es gleich viel besser. So nackt rum zu stehen mit nasser Pelle, da holt man sich leicht den Tod“, sagte Jozo nun wieder vergnügt kichernd.


    „Bitte, ich hab es verstanden. Ich war unfair zu dem Söldner. Es kommt nicht wieder vor. Bitte nimm die Hand aus dem Wasser und lass mich gehen. Wir vergessen die Sache einfach und fangen von vorne an.


    Niemand wird was von der Sache erfahren, es hat keine Konsequenzen für Euch. Das verspreche ich Dir. Mein Wort drauf. Niemand wird Euch verfolgen und Firxas wird morgens extra etwas mehr Zeit bekommen. Na wie klingt das?“, versuchte es Meqdarhan.


    Jozo legte den Kopf auf den Zuberrand und guckte den Truppenführer traurig an.


    „Schade Meq, irgendwie hast Du mich nicht überzeugt. Ich war schon immer ein harter Kritiker, weißt Du? Mein Urteil für Dein erbärmliches Schauspiel: Meq muss weg. Gute Reise und grüß den alten Ainuwar“,kicherte Jozo.


    Mit diesen Worten grabschte Jozo dem alten Mann in die Haare und drückte ihn unter Wasser. Der Kerl strampelte wie wild und Wasser spritze in alle Richtungen.


    "Eh sein Bruder glaub ich, kenn ich!", lachte Jozo irre.
    "Hä, woher kennst Du dessen Bruder?", fragte ich durcheinander.
    "Letzte Woche, hab ich auch so ein Eierkopf ersäuft. Diese Rübe hier fühlt sich so... mhm... vertraut an...", gluckste Jo.


    Als der alte Kerl aufgehörte hatte zu strampeln und keine Blasen mehr nach oben stiegen, ließ Jo den Mann los. Er schnitt ihm die Kehle durch und den Bauch auf. Mit beiden Händen räumte er sein Opfer aus und legte die Gedärme auf dem Wannenrand ab. Mir wurde total schwummerig.


    „Herrlich“, kicherte Jo und schlich davon.
    Ich folgte ihm schwitzend auf dem Fuße.

  • Nachgefragt


    Man begegnet mir nicht gerne. Selbst jene, die in den Augen der Gesellschaft als gefährlich gelten, fühlen sich unbehaglich in meiner Gegenwart. Wenn ich auftauche, als Drohung oder Übermittler, haben sie von mir gehört. Haben von meinen Fähigkeiten oder Taten gehört. Auch wenn es nur ein Bruchstück der Wahrheit ist, dass reicht meist schon aus.


    Sie fürchten sich davor, versehentlich etwas zu sagen, was mich reizen könnte, und wägen deshalb ihre Worte genau ab.
    Furcht ist ein Gefühl, das diesem Personenschlag ehr fremd ist, und so mögen sie es nicht, wenn sich dieses Gefühl in ihrer Magengrube einnistet.
    Wenn sie sich mit mir treffen müssen, dann machen sie es so kurz wie möglich und verzichten auf lange Verhandlungen.


    An diesem Tag war ich mit einem Korniel Pinetiel verabredet.


    In Wahrheit heißt er Kori Kusiel und war einst Sex-Sklave in einem Puff.
    Er hat keine Ahnung, dass ich das mit seinem Namen und seinem ehemaligen Job weiß.


    Aber wie mir Gasmi immer sagte, ist es immer empfehlenswert jede Einzelheit über eine Person zu wissen, mit der man es zu tun hat.


    Ein beiläufig eingestreutes, unerwartetes Detail – irgendein Element aus ihrem Leben, von dem sie dachten, es sei so tief in ihrer Vergangenheit vergraben, dass niemand je darauf stoßen würde – kann genügen, um den Betreffenden einen Moment lang zum Stutzen zu bringen.


    Dieser eine Moment reicht mir meistens.


    Ich folge einem Korridor und werde von einer großen Tür von zwei Tiefling-Gorillas angehalten, jeder mit einem Genick so dick wie meine Hüfte, sie müssen zu mir runter starren. Ich bin klein, keine 1,20 m hoch.


    Sie mustern mich, versuchen mich abzuschätzen. Ihre Augen verraten, dass sie etwas anderes erwartet haben, nach allem, was sie über mich gehört haben.


    Das bin ich gewohnt. Die Enttäuschung in manchen Augen, während ihnen etwas durch den Kopf geht wie „gib mir zehn Minuten mit dem allein in einem Raum und dann sehen wir was Sache ist“.


    Sie würden keine 10 Sekunden überleben…


    „Was liegt an?“, fragt der Typ rechts.


    Sein Messer unter seinem Wams drückt in den Stoff, so dass es ein paar Falten wirft, gerade genug um mich wissen zu lassen wo er ist.


    „Sag Korniel Pinetiel der Gelbe Goblin ist hier“, antwortete ich ruhig.


    Er nickt und verschwindet rückwärts durch die Tür, während mich der andere mit nicht gerade intelligentem Blick mustert.


    Er hustet und wirft mir ein beinahe ungläubiges „Du bist der Gelbe Goblin“ an den Kopf.


    Er will mich provozieren, ich spüre es. Ich ignorier das schwarze Etwas einfach, zeige nicht die leiseste Regung. Er weiß nicht, wie er darauf reagieren soll, ist es nicht gewohnt ignoriert zu werden, ist in seinem ganzen Leben noch nicht ignoriert worden, so riesig wie er für andere ist.


    Für mich ist er eine Null-Nummer.


    Irgendeine Stimme im Hinterkopf sagt ihm, dass die Geschichten, die er gehört hat, ja doch stimmen könnten, dass „der Gelbe Goblin“ vielleicht doch so ein knallharter Typ ist, wie Korniel Pinetiel gestern meinte, dass es vielleicht das Klügste wäre, die Bemerkung einfach in der Luft hängen zu lassen, bis sie verhallt ist.


    Ich rieche seine Erleichterung als die Tür aufgeht und ich herein gebeten werde. Korniel Pinetiel sitzt hinter einem Schreibtisch aus Holz.


    Er ist nicht sehr groß für einen stinkenden Alben, ein krasser Gegensatz zu seinen Muskelpaketen, mit denen er sich umgibt – häufig anzutreffendes Schauspiel. Drahtig, dürre, gut gekleidet und mit einem Feuer in den Augen, dass es mit der glimmenden Spitze seiner Rauchstange in seinem Mundwinkel aufnimmt.


    Er ist einer der bekommt was er will.
    Das bin ich auch.


    Er erhebt sich und wir schütteln uns die Hände fast ohne Druck, als ob keiner zu viel Interesse zeigen will. Man bietet mir den einzigen Stuhl im Raum an und er setzt sich mit Bedacht genau zur gleichen Zeit wie ich.


    „Ich bin nur Mittelsmann bei der Sache“, fängt er ohne Umschweife an, damit ich darüber gleich von Anfang an Bescheid weiß. Die Rauchstange wackelt wie ein Metronom auf und ab während der spricht.


    „Verstehe“, antworte ich.
    „Ein Einzelauftrag. Acht Wochen, wie ausgemacht“, fügt er an.
    „Wo?“, meine Frage.
    „Obenza. Da jedenfalls wird sich der Typ zu dem Zeitpunkt aufhalten“, erklärt er mir.


    Korniel Pinetiel lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Ganz der Boss, der übers Geschäft redet.


    In der Rolle gefällt er sich.


    Es erinnert ihn an die Geschäftsmänner hinter ihren Schreibtischen von Shohiro, in deren Schreibstuben er früher unter dem Schreibtisch hocken durfte um ihnen einen zu Lutschen.


    Ich nickte ganz leicht. Korniel Pinetiel nimmt es als Stichwort, um auf seinem Stuhl zu einem geöffneten Aktenschränkchen herum zu schwenken. Er zieht einen Aktenkoffer heraus, von dem wir beide wissen was er enthält. Dann schiebt er ihn mir über den Tisch hinweg zu und wartet ab.


    „Alles was Du wolltest ist da drin. Du kannst es ruhig nachprüfen“, forderte er mich auf.


    „Oh nicht nötig. Ich weiß wo ich Dich finde, wenn etwas fehlt“, antwortete ich.


    Mit solchen Bemerkungen kann man sich Ärger einhandeln. Weil sie alles Mögliche heißen können. Vielleicht ist es nur eine harmlose Feststellung oder ein kleiner Witz, womöglich auch von beidem etwas.


    Aber in dieser Branche ist es in der überwiegenden Mehrheit eine Drohung und niemand mag es wenn man ihm droht. Er versucht in meinem Gesicht zu lesen – während sich seine Mimik nicht recht zwischen Grinsen und Stirnrunzeln entscheiden kann, findet er nicht was er sucht. Er kann nicht mal mein Alter abschätzen, der hohle Alb.


    So bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Bemerkung mit einem Lachen abzutun, um seinem Muskelmann klarzumachen, dass das keine Respektlosigkeit war.


    „Der ist gut, also ist jedenfalls alles drin“, sagt er mit halben Lachen.


    Ich komme ihm ein klein wenig zur Hilfe, indem ich den Koffer vom Tisch nehme und aufstehe.


    Er stinkt erleichtert. Mit dem Koffer in der Hand gehe ich zur Tür, doch dann sagt er noch einmal etwas. Er kann es sich einfach nicht verkneifen, seine Neugier ist stärker als seine Vorsicht. Schließlich weiß er nicht, ob er mich je wiedersieht, und er muss es einfach erfahren.


    „Hast Du tatsächlich Carlissi auf dem Boot aufgeschlitzt?“, fragte er mit leuchtenden Augen.


    Du würdest Dich wundern, wie oft mir ähnliche Fragen zu meinen Opfern gestellt werden.

    Carlissi war eine große Nummer in der Unterwelt und für einen Großteil der Blutbäder dort verantwortlich.


    Ein Mann der die Schmugglerkreise neu definierte, als Sopho Alk als Lieblingsdroge für einige Zeit in Obenzas Unterwelt abzusetzen drohte. Er sah dies als neue Zukunft kommen.


    Gehasst und gefürchtet wie er war, nahm er allmählich immer paranoidere Züge an. Um seine Machtposition bis ins hohe Alter zu sichern, zog er sich auf ein riesiges Hausboot zurück, dass vor Daijan ankerte. Es war voller Waffen und die einzige Verbindung zum Land war ein Segelboot, das sein Sohn steuerte.


    Vor zwei Jahren wurde Carlissi tot aufgefunden, mit einem Messer mitten im Herz, obwohl der Mann sich hinter einer verschlossenen, von außen durch eine Schar Leibwächtern bewachten Tür befunden hatte.


    Nun ich muss diese Frage nicht beantworten.


    Ich kann einfach gehen und Korniel Pinetiel samt Gefolgschaft darüber rätseln lassen, ob ein Mann wie ich tatsächlich all das getan haben kann, was man dem Name „der Gelbe Goblin“ nachsagt.


    Diese Taktik habe ich schon oft verfolgt, wenn mir solche Fragen gestellt wurden.


    Sechs Augen sind auf mich gerichtet, und mit drei Schwätzern in einem Lagerhaus am Rande des Hafens von Obenza als Zeugen kann ein Mann seinen Ruf auf Jahre hinaus zementieren.


    Gut soll er sie haben, eine kleine „Machtdemonstration“ des Gelben Goblins.
    Der Alb wollte erleben, wofür der Gelbe Goblin bekannt ist?
    Nun denn, wer bin ich so einen Wunsch abzuschlagen?


    Ich drehe mich blitzartig um, schneller als es ein Alb mit bloßem Auge verfolgen kann, habe in gleicher Sekunde einige meiner Wurfmesser in der Hand und werfe.


    Die Fluppe wird Korniel Pinetiel durch das erste Messer aus dem Mundwinkel gerissen. Das zweite bohrt sich in seine Kehle, dass dritte zwischen seine Augen.


    Ehe die Rauchstange auf dem Boden aufschlug, war ich samt dem Geld schon auf und davon.


    Windböen blasen mir scharf ins Gesicht, dann betrete ich endlich den unsere Taverne.


    Wenn mir diese Geschichte das nächste Mal zu Ohren kommt, wird sie schon die Ausmaße eines Düsterlingsrudels angenommen haben. Aus den drei Kerlen werden zehn geworden sein, die alle mit gezogenen, auf mich gerichteten Repetierarmbrüsten dastanden.


    Korniel Pinetiel wird mich mit einer Bemerkung wie „Da hast Du Deinen Auftrag Du Gelbes Miststück“ oder einer ähnlichen Schmeichelei beleidigt haben.


    Ich werde unbehelligt zwischen den Armbrustbolzen herumgetanzt sein, sieben von den Typen niedergemäht haben und übers Wasser gewandelt sein, bevor ich Korniel Pinetiel umgebracht habe, für seine freche Albenschnauze.


    Ich sag Dir, die Werbung ist ein Scheiß gegen die Mundpropaganda aus der Unterwelt. Aber sie ist auch lustig.


    Korniel Pinetiel hatte nachgefragt.
    Er hat die Antwort des Gelben Goblins erhalten.

  • REINE KOPFSACHE


    Schwester


    Der gelbe Goblin sah sie nur für einen winzigen Augenblick, aber wusste sofort dass es Kari war. Er spürte wie siedend heiße Wut durch seinen ganzen Körper loderte. Das war nicht nur ein flüchtiger Eindruck, keine zufällig aufflammende Emotion, so etwas besaß er nicht.


    Er sah sie und er wollte ihren Schmerz. Er wollte sie leiden sehen, wollte ihren Schmerz unverfälscht fühlen. Der Ruck, der Widerstand der seinen Arm hochschießen würde, wenn er ihr das Messer zwischen die Rippen rammte.


    Das Leid genießen, wenn er die Klinge so brutal nach oben riss, dass sie Knochen und Sehnen von Kari durchtrennte und seine Schulter und Brust vor Anstrengung pochen ließ.


    Er würde ihr die Klinge so oft in den grünen, widerwärtigen Balg rammen, bis der Schmerz sogar in seine Kauleiste zog und seine Zähne vor Schmerzen schrien, weil er sie vor Genugtuung so fest aufeinander gebissen hatte.


    Kein Wort, er würde ihr kein einziges Wort gönnen - denn eines hatte sie immer gewollt - REDEN!


    Es schüttelte sich kurz wie ein nasser Hund um das Verlangen der Jagd zu vertreiben. Wenigstens für ein paar Stunden musste er sich gedulden. Tagsüber war er kein guter Jäger, der Tag war nicht seine Zeit. Dort schlief er meist und schöpfte Kraft für die Nacht. Oder er döste im süßen Rausch der Drogen vor sich hin und wartete auf die Dunkelheit.


    Kari. Jozo blinzelte, so einfach ließ sich dass Gefühl nicht abschütteln.
    Der gelbe Goblin legte die Ohren an und witterte mit halb geschlossenen Augen nach seiner Schwester.


    Der Geruch, es war als wäre alles was er über seine Schwester gewusst hatte, wieder da. Alles was in seinem Verstand übrig blieb, war ein Gefühl sie korrumpieren zu wollen, ihr zu schaden um gleichzeitig damit Arun zu verletzten. Alles was er jetzt zu tun hatte war klar. War schon immer klar gewesen, so zutiefst perfide, abartig und bösartig und so urvertraut - so... persönlich, dass es in ihm den Wunsch weckte sie aus ihrer Haut zu schälen wie eine überreife Furcht und sie sich als Trophäe selbst wie ein altes verdrecktes Kleid überzustreifen. Die Vorstellung allein jagte ihm einen wohligen Schauer über den Rücken.


    Er witterte, sie war nah... war noch so nah...


    Jo schlackerte kurz unentschlossen mit den Ohren. Dann nahm er die Verfolgung.


    **


    Daves Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit und er folgte dem Erinnerungs-Jozo wie ein unsichtbarer Begleiter.


    Ein dumpfes, bassartiges, oszillierendes Stampfen erfüllte die Luft. Man spürte das Vibrieren bis in die Knochen. Dave schritt hinter Jo, vorbei an Statisten dieser Welt. Tote, ausgehungerte Fratzen mit leeren Mienen und gebrochenen Augen starrten ihn beim Vorbeigehen an.


    Dave fragte sich, welche Erinnerung diese Bilder widerspiegelten, als sich Jozo zu ihm umdrehte.


    Sabber glänzte auf seinen Lippen. Seine Zähne und Lippen waren verkrustet von getrocknetem Blut. Wohin Dave auch schaute, überall waren diese toten Gesichter. Schlagartig schossen blutrote Streifen durch die Luft, als würden sich Klauen ein Weg durch die Dunkelheit schlitzen. Als er hinschaute waren die Gesichter verschwunden. Die Dunkelheit verschluckte ihre Opfer und lichtete sich langsam wieder.


    Als er näher hinschaute, sah er ein Mädchen. Eine junge Goblinfrau. Sie stand allein in einer Art Keller, umringt von einem Berg faulender Kadaver die sie wie ein Käfig aus verwesendem Fleisch gefangen hielten.


    Das Bild flackerte kurz, dann stand Jozo vor ihr.
    Ihr Blick - sie erkannte ihn!


    Kari - eine unbeabsichtigte Information.


    "Wenn ich mache was Du willst Jojo, lässt Du mich dann gehen? Ich habe doch immer getan was Du wolltest... Bitte Jojo, Du bist krank. Ich helfe Dir versprochen, nur bitte lass mich frei. Ich liebe Dich doch... warum machst Du dass...", weinte die kleine Frau und streckte ihre Hände flehend nach ihm aus.


    In dem Moment stürzte er sich auf sie und hieb mit seiner schwarzen Klinge wie ein Wahnsinniger auf sie ein. Er schlitzte ihren Oberkörper in Stücke, so dass sie fast auseinandergerissen wurde. Selbst dort wo Dave stand, konnte er die knirschenden Laute hören, wenn die Klinge auf Knochen traf und diese nach kurzem Widerstand durchtrennte.


    Verzweifelt versuchte die Goblin sich mit in die Höhe gerissenen Armen vor dem Messer zu schützen, aber das war so unmöglich wie einen Waldbrand mit einer Tasse Tee zu löschen.


    Die kleine Frau ging wie in Zeitlupe in die Knie. Sie versuchte sich mit zerstörten Händen an Jozo festzuhalten. Unverständnis und Unglauben im Blick.


    Blutige Blasen traten bei jedem Atemzug aus ihrer zerstörten Kehle. Jo grabschte ihr in die Haare und schleuderte sie zu Boden wie eine zerstörte Puppe. Er setzte sich auf sie, presste sein Maul gegen ihre offene Kehle und atmete einige Male durch. Dann biss er so fest zu, dass man den Knorpel knacken hörte, die Zähne dabei wie ein Tier gebleckt. Der Körper der kleinen Frau zitterte noch eine Weile, dann lag sie still und die Dunkelheit verschlang sie.

  • REINE KOPFSACHE


    Ennis Erste Jagd


    Sie liefen eine ganze Weile durch die Nacht. Die kleine Goblin folgte ihrem Kumpel auf dem Fuße. Jozo war von Kopf bis Fuß in seine Kampfkombo gehüllt und gab lautlos den Weg vor bis Enni stoppte, blitzschnell in eine Seitengasse abbog und die Verfolgung von einer Person aufnahm.


    Dave beobachtete das Geschehen und hoffte, dass diese kleine Frau nicht den gleichen Weg gehen musste, den zuvor die Schwester von Jozo gegangen war. Unsichtbar folgte er der Gedankenspur.


    "Mir nach, hier ist einer!", flüsterte die kleine Goblin.
    "Du hast einen erwischt! Hey ich bin stolz auf Dich. Bin gleich da, wobei lass uns was mit dem Drecksack spielen… Lust?", flüsterte Jozo.


    "Was soll ich tun?", fragte Enni.
    "Feuertaufe Kleines. Schlachte ihn ab", säuselte Jo.


    "Echt?", wisperte die kleine Frau und zuckte nervös mit den Ohren.
    "Ja", grinste Jozo über beide Ohren, "ich geb Dir Rückendeckung!"


    Enni war dem Typen lautlos gefolgt und nun sprang sie ihm einfach in die Knochen. Mit einem Brüllen drehte sich der Büttel um und erstarrte.

    `Eine winzige Goblin? Was bei Ainuwar ist das?´, schoss es dem Mann durch den Kopf.


    Unheimlich wie ein überirdisches Wesen sah die Goblin aus. Wie eine Mischung aus Kleinkind und Dämon. Mit einem Gesicht blasser als Enni starrte er binnen Sekunden der kleinen Goblin mit den hellen Haaren ins Gesicht und griff dann ohne zu zögern an.


    Er war kein Idiot, er war ein ausgebildeter Büttel und dieses Weib hatte ihn angegriffen.


    Er griff sofort nach seiner Waffe. Doch dieser Winzling von einer Frau stürzte sich bereits auf ihn und das unfassbar schnell. Sie machte irgendwas mit ihren Händen, dass der Fremde nur als verschwommene, blitzartige Bewegung sehen konnte.


    Richtig wahrnehmen konnte er es nicht. Kaum dass er das Schwert aus der Scheide gezogen hatte, hatte Enni bereits sein Handgelenk gepackt. Der Kerl versuchte das Schwert hochzureißen, aber die Frau war stärker als er vermutet hatte.


    Panisch griff er mit der freien Hand nach dem Arm von Enni. Er war immerhin fast einen Meter größer und sehr viel schwerer als diese Goblin-Furie vermutete er.


    Aber diese hatte den besseren Stand und die besseren Tricks. Dann plötzlich die Erkenntnis auf dem Gesicht des Mannes, er wurde mit nur einer Hand von dem Weib festgehalten. Wo war die andere Pfote?


    Als die Klinge in seinen Unterleib eindrang und mühelos Haut, Muskeln und Knochen durchtrennte, stockte dem Büttel der Atem.


    Zeitgleich wurde er von etwas anderem gepackt und nach hinten gerissen. Einen Sekundenbruchteil später, explodierte der Schmerz in seinem gesamten Körper und eine Klinge ragte vorne aus seiner Brust. Bewegungsunfähig erschlaffte er und ließ das Schwert fallen. Er keuchte schwer, während Enni die Klinge aus seinem Körper zog und die Klinge in seiner Brust mehrfach herumgedreht wurde um größtmöglichen Schaden anzurichten.


    Die kleine blasse Goblin starrte ihn an, während der Büttel zur Seite kippte und vor sich wie aus dem Nichts einen vermummten Goblin auftauchen sah. Nun wusste er wer ihn mit tödlicher Kraft ein Messer ins Kreuz gerammt hatte.


    Der Goblin riss den Büttel an sich.
    "Sieh zu und lerne Kleines", säuselte der Vermummte.


    Erneut wurde dem Büttel eine Klinge in den Leib gestochen. Immer und immer wieder und dass in einer grauenvollen, unglaublichen Geschwindigkeit mit fast maschineller Präzision.


    Das Messer des Goblins drang so tief in seinen Körper ein, dass er die Spitze über den Beckenknochen schaben fühlte.


    Vergeblich versuchte er ein letztes Mal Kontrolle über seinen Körper zu erlangen und die Arme nach dem zweiten Angreifer auszustrecken. Minimal konnte er wirklich die Arme heben, ehe er einen knochenbrechenden Faustschlag des Goblins ins Gesicht kassierte.


    Ein letztes Mal wurde die Klinge herausgezogen und der Goblin ließ ihn einfach fallen. Der Büttel schlug der Länge nach auf den Boden und lag nun wie er mit Entsetzen feststellte in den Fetzen seiner eigenen Eingeweide.


    Warmes Blut breitete sich unter ihm in einer großen Lache aus. Und bei all dem gab er keinen einzigen Laut von sich, da ihm sein Körper soweit überhaupt nicht mehr gehorchte.


    Er wollte nur noch in der Schwärze versinken, als er erneut im Genick gepackt und in die Höhe gerissen wurde. Der Kerl schälte ihm das Gesicht mit der Sorgfalt eines Chirurgen vom Knochen. Danach wischte der Goblin die blutverschmierte Klinge an den Haaren des Büttels ab.


    "Du bist schnell", freute sich die kleine Frau.
    "Übungssache. Du musst sorgfältig arbeiten, die Schnelligkeit kommt von alleine - wirst sehen", antwortete der Vermummte gut gelaunt.
    „Steck schnell die Gesichts-Schwarte ein, wir müssen weiter“, sagte die Kleine.
    "Gleich", antwortete der Vermummte.


    Ein letzter prüfender Blick aus kalten, dunkelbraunen Augen. Sein Schlächter grinste über beide Ohren lüftete kurz seinen Mundschutz und presste ihm dunkle, eisige Lippen auf seine nicht mehr vorhandenen und leckte ihm das Blut vom einstigen Gesicht.


    Der Kerl schien die Zunge über den Gaumen zu rollen und über den Geschmack auf seiner Zunge nachzudenken. Dann schüttelte sein Schlächter leicht den Kopf und ließ ihn erneut zu Boden stürzen.


    Mit Augen die er nicht mehr schließen konnte, sah der Büttel die Waffe die ihn getötet hatte. Die Klinge sah eigentlich überhaupt nicht aus wie Metall, schoss es dem Büttel wie irreal durch den Kopf.


    Sie war mattschwarz, wie die Vermummung seines Feindes und krumm wie eine Klaue. Dann sah der Büttel, wie der Goblin die Klinge wieder in seinem Ärmel verschwinden ließ, als wäre sie nie dagewesen.


    Das letzte was der Büttel in seinem Leben sah, war wie schwarze, schwere Arbeiterstiefel achtlos über ihn hinweg stiegen, gefolgt von kleinen hellgrünen Füßchen mit rot-lackierten Zehennägeln ehe beide in der Dunkelheit der Nacht verschwanden und die Finsternis sie verschluckte...